Normenkette
UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 12, § 10 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, eine in M ansässige Kommanditgesellschaft, stellte in den Jahren 1975 und 1976 ihrem in B wohnhaften Prokuristen H einen Pkw des Unternehmens auch für Privatfahrten zur Verfügung. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung sah das Finanzamt (Beklagter) in der Überlassung des Pkw für Privatfahrten eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 steuerpflichtige sonstige Leistung der Klägerin an ihren Prokuristen H.
Nach entsprechender Änderung bereits vorher ergangener Umsatzsteuer-Bescheide für die Jahre 1975 und 1976 ging das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 1980 unter Anwendung von Abschn. 3 des BMF-Schreibens vom 28. Dezember 1973 (BStBl I 1973, 734) davon aus, daß bezüglich der Fahrten zwischen dem Wohnort B und dem Arbeitsort M die Bemessungsgrundlage mit jährlich 5 189,20 DM zu berechnen sei. Für die weitere Pkw-Überlassung zu privaten Zwecken ermittelte das Finanzamt, da es im Fahrtenbuch des H keine geeignete Ermittlungsgrundlage erblickte, die Bemessungsgrundlage unter Anwendung des Abschn. 4 des o. a. BMF-Schreibens. Auf der Grundlage beider Berechnungen setzte das Finanzamt als jährliche Bemessungsgrundlage der Pkw-Überlassung für private Zwecke den Betrag von 5 259 DM an und berücksichtigte dies bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 1975 und 1976.
Mit der Klage hat sich die Klägerin zunächst dagegen gewendet, daß die Fahrten zwischen B und M als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beurteilt wurden; H sei nämlich Prokurist der in B domizilierenden Komplementär-GmbH der Klägerin. Im übrigen sei auf der Grundlage der von ihr ermittelten tatsächlichen Betriebskosten des von H benutzten Pkw pro Fahrkilometer sowie anhand der mit dem Fahrtenbuch belegbaren privaten Fahrkilometer des H eine wesentlich geringere Bemessungsgrundlage anzusetzen, und zwar von 592 DM für 1975 und von 212 DM für 1976. Nach Ergehen des BFH-Urteils vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) machte die Klägerin die Nichtsteuerbarkeit des Überlassungsvorgangs geltend. Das Finanzgericht ist dieser Rechtsauffassung unter Hinweis auf die mangelnde Bestimmbarkeit einer Gegenleistung des H beigetreten und hat antragsgemäß die Umsatzsteuerbescheide 1975 und 1976 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 1980 aufgehoben.
Das Finanzamt trägt mit der Revision vor, das Finanzgericht habe nicht zwischen den freiwilligen Sachzuwendungen und den Sachzuwendungen als Vergütung für geleistete Dienste unterschieden, wie es im Urteil BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495 geschehen sei. Erhalte der Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung sowohl einen Barlohn als auch einen Sachlohn (hier in Gestalt kostenfreier privater Pkw-Benutzung), dann sei der wirtschaftliche Wert des Sachlohns eine wertmäßig bestimmbare Gegenleistung für die Pkw-Überlassung. Das Finanzamt beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt in erster Linie die Zurückverweisung der Revision. Hilfsweise beantragt sie die Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht, da dieses zur Frage der Bemessungsgrundlagen-Berechnung anhand ihres Sachvortrags noch nicht Stellung genommen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. a) Das Urteil des Finanzgerichts steht in inhaltlichem Widerspruch zu den Grundsätzen im BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495). Wie der erkennende Senat im Beschluß vom 24. März 1983 V B 56/82 (BFHE 138, 111, BStBl II 1983, 391) ergänzend ausgeführt hat, ist bei Gewährung von Sachzuwendungen an Arbeitnehmer vorgreiflich zu prüfen, ob sich Arbeitsleistung des Arbeitnehmers einerseits und die Lohnzahlungen sowie die sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers andererseits als gegenseitige rechtliche Verpflichtungen (bzw. Berechtigungen) derart gegenüberstehen, daß auch die sonstige betriebliche Zuwendung des Arbeitgebers eine Vergütung für geleistete Dienste ist. Ist dies zu bejahen, stehen die vorbezeichneten Leistungen in einem Austauschverhältnis; die einander gewährten Leistungen sollen sich nach dem Willen der Beteiligten ausgleichen. Diese umsatzsteuerrechtliche Beurteilung wird von der arbeitsrechtlichen Bewertung, die Unterschiede zwischen arbeitsvertraglichen und außerarbeitsvertraglichen Vergütungen kennt, nicht berührt.
Aus der Sicht des Arbeitnehmers stehen seiner Arbeitsleistung als Gegenleistung der Barlohn und der Sachlohn gegenüber. Dieser Austausch von Leistungen ist nichtsteuerbar, da der leistende Arbeitnehmer kein Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1967 ist und damit ein wesentliches Merkmal des Steuertatbestandes (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967) fehlt.
Aus der gegenläufigen Sicht des Arbeitgebers erbringt dieser zwei Leistungen, nämlich eine Geldleistung und eine Sachleistung in Gestalt der betrieblichen Sachzuwendung, letztere ohne Berechnung einer besonderen Vergütung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind sich in diesem Fall darüber einig, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht nur für den Barlohn, sondern auch für den Sachlohn erbringen soll, mithin auch der Sachlohn eine Vergütung für geleistete Dienste sein soll. Bei dieser Sachlage ist die Sachleistung - aus der maßgeblichen Sicht des leistenden Arbeitgebers - eine entgeltliche Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967, die nach dem Willen der am Leistungsaustausch Beteiligten durch einen Teil der Arbeitsleistung (als Gegenleistung) abgegolten werden soll. Dieses Leistungsaustauschverhältnis vollzieht sich in Gestalt eines tauschähnlichen Umsatzes im Sinne des § 3 Abs. 12 UStG 1967, da der Leistung des Arbeitgebers in Gestalt einer sonstigen Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG ebenfalls eine Leistung dieser Art von seiten des Arbeitnehmers gegenübersteht.
b) Nach den Feststellungen des Finanzgerichts sind bei Einstellung des H in einem dem Gericht vorgelegten Protokoll Vereinbarungen zur Vergütung der von H zu erbringenden Arbeitsleistung getroffen worden. Demzufolge erhielt H neben einem festen Monatsgehalt auch eine Gewinnbeteiligung. Ferner wurde die Überlassung eines Pkw vereinbart mit dem ausdrücklichen Vermerk, daß H diesen Pkw privat nutzen könne "unter entsprechender üblicher Belastung durch die Finanzbehörden".
Das Finanzgericht hat die Annahme eines Leistungsaustauschverhältnisses zwischen der Klägerin und H gleichwohl mit dem Hinweis abgelehnt, der Leistung der Pkw-Überlassung stehe in Gestalt eines Teils der Arbeitsleistung eine wertmäßig nicht bestimmbare Gegenleistung gegenüber; eine solche könne jedoch nicht Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein. Es sei unmöglich, den Wert der Gegenleistung (ideeller Arbeitsanteil) wertmäßig zu bestimmen.
Dieser Auffassung des Finanzgerichts kann nicht gefolgt werden. Sie ist auch nicht durch den vom Finanzgericht angeführten Beschluß vom 17. September 1981 V B 43/81 (BFHE 134, 65, BStBl II 1981, 575) belegt. In dieser Entscheidung ist ebenso wie in BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495 mit Blick auf die Vorstellungen der Finanzverwaltung, freiwilligen Sachzuwendungen der Arbeitgeber zwecks Besteuerung eine Gegenleistung der Arbeitnehmer in Gestalt ideeller Arbeitsanteile zuzuordnen, ausschließlich in bezug auf die Frage nach dem Leistungsaustausch ausgeführt worden, eine entgeltliche Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 erfordere die Feststellbarkeit einer objektiv erzielbaren und erbringbaren Gegenleistung. Bei freiwilligen Sachzuwendungen sei es unmöglich, einen Arbeitsanteil, in dem (von der Verwaltung) die Gegenleistung gesehen werde, zu bestimmen, da der Wertbemessung dieses Arbeitsanteils logischerweise die Beantwortung der Frage vorangehen müsse, wie der ideelle Arbeitsanteil konkret (d. h. prozentual) zu erfassen sei. Da dies bei freiwilligen Sachzuwendungen wegen ihrer einseitigen Zuwendung nicht möglich ist, sei die Verwaltung unzulässigerweise von einer wertmäßigen Bestimmung der Gegenleistung auf eine wertmäßige Bestimmung der (bekannten) Leistung ausgewichen.
Aufgrund vorstehender Erwägungen ergibt sich, daß zwischen der objektiven Feststellbarkeit einer Gegenleistung und ihrer Bemessung geschieden werden muß. Sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer darin einig, daß der Barlohn keinen hinreichenden Gegenwert für die zu erbringende Arbeitsleistung verkörpert, sondern daß als Vergütung für die geleisteten Dienste zusätzlich ein Sachlohn gewährt werden soll, dann wird die Arbeitsleistung insgesamt dazu aufgewendet, um Bar- und Sachlohn zu erhalten. Bei dieser Sachlage ist aber zugleich festgestellt, daß der Arbeitgeber die Sachzuwendung erbringt, weil der Arbeitnehmer dafür einen Teil seiner Arbeitsleistung aufwendet. Dieser Arbeitsanteil ist die von den Beteiligten gewollte Aufwendung des Arbeitnehmers für die vom Arbeitgeber geschuldete Sachleistung. Dieser Arbeitsanteil ist gemäß dem Parteiwillen eine gewollte und erbrachte Gegenleistung des Arbeitnehmers. Die Gegenleistung ist damit festgestellt; hiervon zu scheiden ist die Frage ihrer Bewertung.
Da das Finanzgericht dies verkannt hat und seine Entscheidung hierauf beruht, ist sie aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Das Finanzgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - unentschieden gelassen, ob die von Klägerin und H getroffenen schriftlichen und mündlichen Abreden zur Pkw-Überlassung für private Nutzung zur Annahme eines Leistungsaustausches führen oder nicht.
b) Sollte das Finanzgericht zu der Auffassung kommen, daß der Sachleistung der Klägerin eine vereinbarte Gegenleistung in Gestalt anteiliger Arbeitsleistung gegenüber gestanden hat, wird es gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 den bewirkten Umsatz zu bemessen haben. Nach dieser Vorschrift gilt bei tauschähnlichen Umsätzen im Sinne des § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG 1967 der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Auf den vorliegenden Fall bezogen hieße dies, daß die Gegenleistung zur Sachzuwendung nach dem Werte der anteiligen Arbeitsleistung zu bestimmen sei. Dieser wäre durch Schätzung zu ermitteln. Dabei wird davon auszugehen sein, daß insbesondere der Arbeitgeber konkrete Vorstellungen und Erfahrungssätze zu den Kosten der Pkw-Überlassung hat und dies auch bei der Bemessung des Gesamt-Gehalts berücksichtigt. Insofern kann der Wert der eigenen Leistung gewisse Hinweise für die Ermittlung des Wertes der Gegenleistung geben. Der Grundsatz des Umsatzsteuerrechts, daß es auf eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung nicht ankommt, wird hiervon nicht berührt.
c) Sollte das Finanzgericht zu dem Ergebnis kommen, daß der Pkw-Überlassung keine Gegenleistung des H in Gestalt anteiliger Arbeitsleistung gegenüber steht, wird es zu prüfen haben, ob nicht nach den neueren Grundsätzen zur Ausdehnung der Eigenverbrauchs-Besteuerung auf alle Personenvereinigungen und Erwerbsgesellschaften (Urteil vom 3. November 1983 V R 4/73, BFHE 140, 115, BStBl II 1984, 169) die zeitweilige Entnahme eines dem Unternehmen der Klägerin dienenden Gegenstandes für die nichtunternehmerische Nutzung durch einen Dritten den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG 1967 erfüllt.
Fundstellen
BStBl II 1984, 686 |
BFHE 1985, 355 |