Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Mehrarbeitszuschläge sind nur steuerfrei, wenn ein gesetzlicher oder tariflicher Anspruch auf solche Zuschläge besteht und der Mehrarbeitslohn klar von den anderen Bezügen abgrenzbar ist.
Zur Auslegung von Steuergesetzen entgegen ihrem Wortlaut.
Normenkette
EStG § 34a; LStDV § 32a; StAnpG § 1/2
Tatbestand
In den Jahren 1949, 1950 und bis April 1951 war von den Bezügen des Beschwerdeführers (Bf.) als Prokurist auf seine Anweisung für einen Betrag von 100 DM monatlich der Steuerabzug nicht vorgenommen worden. Die Bezüge betrugen in den streitigen Jahren über 7.200 DM. Der Bf. sah den Betrag von 100 DM monatlich als steuerfreien Mehrarbeitszuschlag an. Das Finanzamt verneinte, daß ein steuerbegünstigter Mehrarbeitszuschlag vorliege, weil der Jahresarbeitslohn mehr als 7.200 DM betragen habe. Es nahm die Firma wegen Unterlassung des Steuerabzugs in Anspruch. Der Bf. legte gegen den Haftungsbescheid insoweit Einspruch ein, als die Nachforderung die Zeit bis zum 30. April 1950 betraf. Er wies darauf hin, daß die 7.200 DM-Grenze erst durch das Gesetz vom 29. April 1950 (Bundesgesetzblatt I S. 95) in Verbindung mit der Verordnung zur änderung der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung vom 7. Juni 1950 (Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1950) eingeführt worden sei; vorher sei diese Grenze nicht maßgebend gewesen. Der Einspruch wurde vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen.
Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte im wesentlichen aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob die 7.200 DM-Grenze auch schon vor Inkrafttreten der LStDV 1950 gegolten habe, wie das Finanzamt annehme. Denn der Bf. könne die Vergünstigung nach der bis dahin geltenden Vorschrift des § 34 a des Einkommensteuergesetzes - EStG § 1949 (ß 32 a LStDV 1949) schon aus anderen Gründen nicht in Anspruch nehmen. Nach dieser Bestimmung seien nämlich nur Zuschläge steuerfrei, die in Gesetzen oder Tarifverträgen vorgesehen seien. Der Bf. falle aber als leitender Angestellter weder unter einen Tarifvertrag noch unter die Arbeitszeitordnung; für ihn gelte keine feste Arbeitszeit. Der Zuschlag müsse sich ferner nach der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit richten. Im Streitfall sei ein fester Pauschbetrag gezahlt worden ohne Rücksicht auf die in den einzelnen Gehaltszahlungszeiträumen tatsächlich geleistete Mehrarbeit. Es handle sich um eine allgemeine Leistungszulage, nicht um einen Mehrarbeitszuschlag.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Das Finanzamt glaubt, die Maßgeblichkeit der 7.200 DM-Grenze aus der Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 155/43 vom 13. Januar 1944 (Reichssteuerblatt 1944 S. 387) ableiten zu können. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtslage nach der Verordnung über die Nichtbesteuerung der Zuschläge für Mehrarbeit und für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit vom 7. November 1940 (Reichsgesetzblatt I S. 1478, Reichssteuerblatt 1940 S. 945) - um deren Anwendung es sich damals handelte - und nach § 34 a EStG 1949 (ß 32 a LStDV 1949) - um dessen Auslegung es jetzt geht -, tatsächlich dieselbe ist. Jedenfalls ist dem Bf. zuzugeben, daß es bedenklich wäre, ein so wesentliches Merkmal wie die 7.200 DM-Grenze, wenn das Gesetz sie nicht erwähnt, allgemein im Wege der Auslegung zur Voraussetzung für die Steuervergünstigung zu machen. Dem Wortlaut kommt bei der Auslegung eines Gesetzes besondere Bedeutung zu. Er ist im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich maßgebend, es sei denn, daß die Wortlautauslegung im Einzelfall zu einem so unsinnigen Ergebnis führt, daß der Gesetzgeber es nicht gewollt haben kann. Besondere Vorsicht ist bei der Abweichung vom Wortlaut geboten, wenn dadurch eine Verschärfung der Steuerpflicht begründet werden soll (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs I 285/56 U vom 7. Mai 1957, Bundessteuerblatt 1957 III S. 264).
Einer weiteren Stellungnahme zu dieser Frage bedarf es aber nicht, da das Finanzgericht ohne Rechtsverstoß dahingestellt lassen konnte, welche Bedeutung der 7.200 DM-Grenze zukam, da im Streitfall § 34 a EStG (ß 32 a LStDV 1949) bereits aus anderen Gründen nicht anwendbar war. § 34 a EStG 1949 (ß 32 a LStDV 1949) sah eine doppelte Begünstigung der Mehrarbeit vor: Der Grundlohn für die Mehrarbeit war nur mit 5 v. H. zu versteuern; die Zuschläge für die Mehrarbeit waren steuerfrei. Begünstigt war aber nicht jede Mehrarbeit und jeder Mehrarbeitslohn. Voraussetzung war zunächst, daß der Arbeitnehmer nach dem Gesetz oder auf Grund eines Tarifvertrages einen Anspruch auf eine Vergütung für Mehrarbeit hatte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 322/54 U vom 13. Oktober 1955, Slg. Bd. 61 S. 472, Bundessteuerblatt 1955 III S. 381). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts, die der Bf. nicht angegriffen hat, fehlt es im Streitfall indessen bereits an dieser Voraussetzung, weil der Bf. als leitender Angestellter keinem Tarifvertrag unterlag und die Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938 auf ihn keine Anwendung fand. Er hatte also keinen gesetzlichen oder tariflichen Anspruch auf besondere Entlohnung für eine etwaige Mehrarbeit.
Dazu kommt folgendes: Da das Gesetz so weitgehende Vergünstigungen für die Mehrarbeit gewährte, müssen die Bezüge für die Mehrarbeit klar von den anderen Bezügen, die der normalen Besteuerung unterliegen, abgrenzbar sein. Das setzt, wie in Abschn. 52 b Abs. 1 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1950 zutreffend ausgeführt wird, voraus, daß die einzelnen Mehrarbeitsstunden festgestellt und neben der Entlohnung für die regelmäßige Arbeitszeit gesondert vergütet werden. Es genügt nicht, die Leistung von Mehrarbeit in der festen Entlohnung pauschal mit zu berücksichtigen. Würde man das zulassen, so wäre entgegen dem Willen des Gesetzes dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet, weil der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer - und das gilt besonders für leitende Angestellte - aus rein steuerlichen Erwägungen vereinbaren könnten, daß ein Teil der festen Bezüge Entgelt für im einzelnen nicht festzustellende Mehrarbeitsleistungen des Arbeitnehmers sei. Im Streitfall ist aber, wie das Finanzgericht in tatsächlicher Hinsicht einwandfrei festgestellt hat, eine solche Abgrenzung zwischen dem festen Lohn und der angeblichen Mehrarbeitsvergütung nicht möglich. Der Pauschbetrag, für den der Bf. die Steuervergünstigung verlangt, ist ein willkürlich abgegrenzter Teil des Gesamtarbeitslohns.
Fundstellen
Haufe-Index 408865 |
BStBl III 1957, 387 |
BFHE 1958, 403 |
BFHE 65, 403 |