Leitsatz (amtlich)
Befinden sich sämtliche Anteile an einer GmbH in Händen eines Vereins X, dessen Mitglieder zum Teil auch Mitglieder eines zweiten Vereins Y sind, und dessen Aufgaben und Verpflichtungen sich mit denen des Vereins Y überschneiden, so kann der verbilligte Verkauf eines Grundstücks der GmbH an den Verein Y eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen.
Normenkette
KStG 1958 § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige), eine GmbH, deren Alleingesellschafter über zwei Treuhänder der Verein D. in B. ist, verkaufte am 10. November 1960 ein am Sitz der Steuerpflichtigen belegenes Grundstück an den Verein D. in F. zum Kaufpreis von 26 500 DM. Die zuständige Baubehörde schätzte den Verkehrswert dieses Grundstücks auf 35 280 DM.
Am 30. November 1960 wurde die Steuerpflichtige aufgelöst. Es wurde ein Liquidator bestellt. Im Hinblick auf die Liquidation wurde für die Veranlagungszeiträume 1960 und 1961 eine Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerveranlagung nicht durchgeführt (§ 14 KStG).
Streitig ist im Rahmen der Festsetzung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuervorauszahlungen 1962, ob das Grundstück tatsächlich - wie von der Baubehörde geschätzt - mehr wert war als der erzielte Kaufpreis betrug und ob die Differenz zwischen dem erzielten Kaufpreis und dem geschätzten Verkehrswert als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen ist.
Der Revisionskläger (FA) bejahte diese Fragen und setzte demgemäß mit Verfügung vom 20. Februar 1962 die Körperschaftsteuervorauszahlungen 1962 auf vierteljährlich 1 083 DM und die Gewerbesteuervorauszahlungen für die letzen drei Quartale 1962 auf je 396 DM fest. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg.
Auf die Berufung der Steuerpflichtigen hob die Vorinstanz die Beschwerdeentscheidung sowie die Verfügung des FA ersatzlos auf. Sie vertrat die Auffassung,
a) daß zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung - sofern sie vorliegen würde - zur Festsetzung der Vorauszahlungen 1962 berechtige,
b) daß aber nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Steuerpflichtige durch den Grundstücksverkauf eine verdeckte Gewinnausschüttung vorgenommen habe. Sie begründete diese Auffassung im einzelnen wie folgt:
Zu a): Rechtsgrundlage für die Anpassung der Körperschaftsteuervorauszahlungen seien § 20 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 14 KStG. Nach § 20 Abs. 1 KStG fänden auf die Veranlagung zur Körperschaftsteuer und auf deren Entrichtung die für die Einkommensteuer geltenden Vorschriften Anwendung. Diese sähen hinsichtlich der Vorauszahlungen in § 35 EStG vor, daß ein Steuerpflichtiger am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen zu entrichten habe, die sich grundsätzlich nach der Steuer bei der letzten Veranlagung zu bemessen hätten. Das FA könne aber die Vorauszahlungen der Steuer anpassen, die sich für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben werde. Die Vorauszahlungen könnten nicht rückwirkend erhöht werden, insbesondere nicht für einen bereits abgelaufenen Veranlagungszeitraum. Laufender Veranlagungszeitraum sei im vorliegenden Falle nach § 14 KStG der Abwicklungszeitraum. Nach § 14 KStG sei bei Auflösung einer Kapitalgesellschaft und deren Abwicklung der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. Der Besteuerungszeitraum solle drei Jahre nicht übersteigen (§ 14 Abs. 1 KStG). Die Gewinnermittlung selbst erfolge durch Gegenüberstellung des Abwicklungsendvermögens mit dem Vermögen am Schluß des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres (Abwicklungsanfangsvermögen) - § 14 Abs. 2 KStG -. Im Streitfalle erstrecke sich der Abwicklungsveranlagungszeitraum vom 1. Januar 1960 bis 31. Dezember 1962. Der Vermögensvergleich sei zwischen dem Anfangsvermögen zum 31. Dezember 1959 und dem Endvermögen zum 31. Dezember 1962 vorzunehmen, wobei auch verdeckte Zuwendungen (verdeckte Gewinnausschüttungen) durch Hinzurechnung zu berücksichtigen seien (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, zu § 14 KStG, Anm. 14 S. 449). Da im Streitfall die Veräußerung des Grundstücks am 10. November 1960, mithin vor dem Beginn der Liquidation erfolgt sei, falle die vom FA angenommene verdeckte Gewinnausschüttung in den Abwicklungszeitraum 1960 bis 1962, so daß sie ggf. den Liquidationsgewinn erhöhen würde. Infolgedessen sei eine Anpassung nach den gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich zulässig gewesen. Sie sei im übrigen eine Ermessensentscheidung der Behörde, die der gerichtlichen Nachprüfung dahin gehend unterliege, ob die behördliche Verfügung auf Erhöhung der Vorauszahlungen sich im Rahmen der Angemessenheit und der Billigkeit halte. Dies sei im vorliegenden Falle zu bejahen, wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung tatsächlich vorliegen sollte.
Zu b): Eine verdeckte Gewinnausschüttung liege u. a. dann vor, wenn eine Gesellschaft den Gesellschaftern oder ihnen nahestehenden Personen Vorteile zuwende, die sie dritten, fremden Personen nicht zuwenden würde. Hierbei seien unter Personen natürliche und juristische Personen zu verstehen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liege daher im vorliegenden Fall - sofern überhaupt das Grundstück unter seinem Wert verkauft worden sei - nur dann vor, wenn der Käufer (Verein D. in F.) als eine dem Alleingesellschafter (Verein D. in B.) nahestehende Person anzusehen sei. Dies sei nicht der Fall. Der Verein D. in B. sei 1892 gegründet worden. Seine ursprünglichen Aufgaben seien 1934 von einer dann gegründeten Wirtschaftsgruppe Maschinenbau übernommen worden. Der Verein D. in B. sei ab diesem Zeitpunkt nurmehr als Vermögensverwaltung bestehengeblieben. Im Jahre 1949 sei der Verein D. in F. gegründet worden. Der vom Gericht gehörte Terminsvertreter der Steuerpflichtigen, welcher zugleich Vertreter des Käufers sei, habe bekundet, daß die Mitglieder des Vereins D. in B. nicht Mitglieder des Vereins D. in F. seien, sondern einem besonderen Wirtschaftsverband angehörten. Die dem Verein D. in B. angehörigen Mitglieder gehörten nun dem Verein D. in F. an, soweit sie ihm beigetreten seien und ihren Sitz im Bundesgebiet hätten. Die noch in B. ansässigen Firmen, die früher Mitglieder des Vereins D. in B. gewesen seien, gehörten auch heute noch dem Verein D. in B., nicht aber dem Verein D. in F. an. Von den jetzt im Bundesgebiet ansässigen früheren Mitgliedern des Vereins D. in B. gehörten jetzt 30 bis 40 v. H. dem Verein D. in F. an. Nach dieser glaubhaften Bekundung des Terminsvertreters der Steuerpflichtigen könne eine irgend geartete interne Beziehung zwischen den beiden Vereinen nur insoweit vorliegen, als es sich um die wenigen Mitglieder in B. handele, die zugleich Produktionsstätten im Bundesgebiet hätten und daher auch Mitglieder des Vereins D. in F. seien. Dies genüge aber nicht, um den Verein D. in F. als eine dem Verein D. in B. nahestehende Person anzusehen.
Mit der gemäß § 184 FGO als Revision zu behandelnden Rb. rügt das FA die unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Es beantragt die Aufhebung des FG-Urteils und die Zurückweisung der Klage. Das FG habe den Begriff "nahestehende Person" zu eng ausgelegt. Nach dem Urteil des BFH I 325/61 S vom 25. Oktober 1963 (BFH 78, 46, BStBl III 1964, 17) sei ein "Nahestehen" schon dann zu bejahen, wenn die Beziehungen zwischen dem Gesellschafter und dem Dritten auf einer langen geschäftlichen und persönlichen Zusammenarbeit beruhten. Nach dem Urteil des RFH I A 124/32 vom 15. November 1932 (RFH 32, 85, RStBl 1932, 1145) müsse von einer verdeckten Gewinnausschüttung schon dann gesprochen werden, wenn eine Gesellschaft unter dem Druck des Gesellschafters Zuwendungen an eine fremde Gesellschaft leiste, an welcher der Gesellschafter ein Interesse habe. Auf die fehlende vollständige Mitgliederidentität beider Vereine allein habe daher nicht abgestellt werden dürfen. Eine Verbindung zwischen dem Verein D. in B. und dem Verein D. in F. sei dadurch gegeben, daß von den im Bundesgebiet ansässigen früheren Mitgliedern des Vereins D. in B. jetzt 30 bis 40 v. H. dem Verein D. in F. angehörten. Zudem seien die in B. befindlichen Betriebe, die Produktionsstätten im Bundesgebiet hätten, gleichzeitig Mitglieder beider Vereine. Soweit die Mitglieder beider Vereine nicht identisch seien, handele es sich - ähnlich wie in einem vom RFH (Urteil I 226/37 vom 18. Januar 1938, RStBl 1938, 581) entschiedenen Fall - um einen nach Zweck und Ziel abgegrenzten Personenkreis mit gleichen beruflichen Interessen. Hinzu komme aber noch, daß der Verein D. in B. im Schreiben vom 29. November 1961 selbst erklärt habe, daß der Verein D. in F. funktionell sein Nachfolger sei. Es bestand und bestehe - wie sich aus diesem Schreiben ergebe - die Absicht, das Vermögen des Vereins D. in B. auf den Verein D. in F. zu übertragen.
Nach Auffassung des FA sind die zwischen den beiden Vereinen bestehenden Beziehungen zusammenfassend dadurch zu kennzeichnen, daß der Verein D. in B. seine eigentliche Tätigkeit nicht mehr ausübt und das ihm verbliebene Vermögen dem praktisch an seine Stelle getretenen Berufsverband in F. übertragen will.
Die Steuerpflichtige beantragt die Zurückweisung der Revision. Sie weist darauf hin, daß der vom FA angenommene Verkehrswert des Grundstücks nach wie vor bestritten werde und daß daher - selbst wenn der BFH eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach für gegeben halte - allenfalls eine Zurückverweisung der Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung geboten sei. Sie wiederholt ihr früheres Vorbringen und beruft sich auf die Entscheidungsgründe des finanzgerichtlichen Urteils. Insbesondere hebt sie hervor, daß der Verein D. in F. nicht Rechtsnachfolger des Vereins D. in B. sei und daß zwischen beiden Vereinen weder kapitalmäßig noch durch Mitgliederschaft unmittelbare Verbindungen bestünden. Die Aufgaben und Funktionen des Vereins D. in F. seien diesem durch Gründungsakt und durch Satzung gestellt und nicht vom Verein D. in B. übertragen oder übernommen worden. Zutreffend sei lediglich, daß der Verein D. in F. für das Gebiet der Bundesrepublik - ohne Berlin - annähernd die gleiche Tätigkeit ausübe, die vom Verein D. in B. bis zum Jahre 1934 für das gesamte damalige Reichsgebiet ausgeübt worden sei. Dies allein könne jedoch ein "Nahestehen" nicht rechtfertigen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Verdeckte Gewinnausschüttungen sind nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH jeder Vorteil, der von einer Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter oder einer nahestehenden Person zugewendet wird, den aber die Gesellschaft einer ihr fremd gegenüberstehenden Person nicht gewähren würde. Bei Zuwendungen an Nichtgesellschafter kann eine verdeckte Gewinnausschüttung nur angenommen werden, wenn die Zuwendungsempfänger Personen sind, die einem Gesellschafter so nahestehen, daß der dem Dritten zugute kommende Vorteil dem Vorteil des Gesellschafters gleichzustellen ist (vgl. BFHUrteil I 325/61 S vom 25. Oktober 1963, a. a. O.).
Da der einzige Gesellschafter der Steuerpflichtigen - mittelbar über die Treuhänder - der Verein D. in B. ist, hat das FG zu Recht untersucht, ob der Käufer des Grundstücks, der Verein D. in F., als eine diesem Gesellschafter nahestehende Person im Sinne des o. a. Urteils anzusehen ist. Dabei konnte es davon ausgehen, daß auch juristische Personen zum Kreis der den Gesellschaftern nahestehenden Personen gehören können (vgl. RFH-Urteil I A 124/32 vom 15. November 1932, a. a. O., und BFH-Urteil I 203/61 S vom 9. März 1962, BFH 75, 193, BStBl III 1962, 338).
Das FG durfte jedoch auf Grund aller im vorliegenden Falle festgestellten Umstände nicht, ohne weitere Ermittlungen angestellt zu haben, zu dem Ergebnis gelangen, der Verein D. in F. sei keine dem Alleingesellschafter der Steuerpflichtigen nahestehende Person.
Zur Entscheidung des Rechtsstreits muß - abgesehen von der Frage, ob die Grundstücksveräußerung überhaupt zu einem unangemessen niedrigen Preis erfolgte - geprüft werden, in welchen Beziehungen der Verein D. in B. und der Verein D. in F. zueinander stehen. Insbesondere ist von Interesse, ob der Verein D. in F. die früheren und/oder derzeitigen Mitglieder des Vereins D. in B. in den Kreis der in irgendeiner Form ihm gegenüber Zuwendungsberechtigten aufnahm. Im Zusammenhang damit verdient Beachtung, welchen Einfluß die früheren und derzeitigen Mitglieder des Vereins D. in B. auf die Geschäftsführung des Vereins D. in F. nehmen können. Schließlich ist festzustellen, worin die satzungsmäßigen Aufgaben und Funktionen beider Vereine liegen und ob und gegebenenfalls inwieweit Aufgabenüberschneidungen vorliegen.
Ergibt sich unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte, daß der Vorteil, den die Steuerpflichtige dem Verein D. in F. durch Verkauf des Grundstücks zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis gewährt hat, zugleich dem Verein D. in B. zugute kam, sei es, daß auf diese Weise eine Verpflichtung des Vereins D. in B. gegenüber dem Verein D. in F. erfüllt (vgl. § 267 BGB) oder eine freiwillige Leistung des Vereins D. in B. an den Verein D. in F. vollzogen wurde, oder daß der Vorteil des Vereins D. in F. nach Auftragsrecht dem Verein D. in B. zusteht (vgl. § 667 BGB) oder aus anderen Gründen wirtschaftlich dem Verein D. in B. zugeflossen ist, dann sind die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (durch mittelbare Zuwendung eines Vorteils an den Gesellschafter) erfüllt.
Die Auffassung des FG, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung im Wege der Festsetzung der Vorauszahlungen 1962 berücksichtigt werden durfte, ist nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 412883 |
BStBl II 1968, 322 |
BFHE 1968, 239 |