Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zinsen, die ein Arbeitnehmer für Schulden bezahlt, die er zum Erwerb eines Kraftfahrzeugs aufgenommen hat, sind in voller Höhe Sonderausgaben, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt.
Der Senat hält die Verwaltungsregelung in Abschn. 31 a Abs. 2 letzter Satz LStR 1960, nach der in diesen Fällen nur die Hälfte der Zinsen als Sonderausgaben berücksichtigt werden soll, für nicht vereinbar mit dem EStG.
EStG 1961 § 9 Ziff. 4, § 10 Abs. 1 Ziff. 1; EStDV 1961 § 26 Abs. 2; LStDV 1950 § 20 Abs. 2, § 20 a
Normenkette
EStG § 9 Ziff. 4, § 9/1/4, § 10 Abs. 1 Ziff. 1; LStDV § 20 Abs. 2, § 20a/2/1; LStR Abschn. 31a/2
Tatbestand
Der Bf. hat sich im Jahr 1961 einen PKW gekauft, mit dem er regelmäßig von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte gefahren ist. Er hat das Fahrzeug im wesentlichen auf Kredit gekauft und die Hälfte der von ihm im Jahr 1961 gezahlten Zinsen als Werbungskosten geltend gemacht. Das Finanzamt hat zwar die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Bf. nach § 26 EStDV 1961 (ß 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959) berücksichtigt, nicht jedoch die Zinsen, die es als Sonderausgaben ansah, die jedoch unter dem in der Lohnsteuertabelle bereits berücksichtigten Pauschbetrag blieben.
Die Sprungberufung hiergegen hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Nach Abschn. 31 a Abs. 2 Satz 3 LStR 1960 könnten bei Anwendung der Pauschregelung des § 26 EStDV 1961 (ß 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959) für die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Schuldzinsen zur Hälfte als Sonderausgaben behandelt werden, wenn der Anteil der privaten Nutzung des Kraftfahrzeugs nicht nachgewiesen sei. Daraus sei zu schließen, daß die restlichen Schuldzinsen auf den beruflichen Anteil der Nutzung entfielen, also Werbungskosten seien, die jedoch durch die Pauschalierung abgegolten seien. Das sei die Auffassung des Finanzamts im Streitfall. Die Abgeltung betreffe aber nur die typischen mit der Benutzung von Kraftfahrzeugen zusammenhängenden Aufwendungen. Dazu gehörten Schuldzinsen nicht, zumal sich beim Kauf eines Fahrzeugs auf Kredit im Einzelfall sehr unterschiedliche Zinsbelastungen ergeben könnten. Ob die Schuldzinsen durch die Abgeltung erfaßt würden, sei zweifelhaft. Es müsse geprüft werden, ob sich infolge der Nichtberücksichtigung der Schuldzinsen bei den Werbungskosten eine zu hohe Steuer ergeben würde. Bei Zugrundelegung der vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) herausgegebenen Tabelle lägen die Kilometerkosten für den vom Bf. gefahrenen PKW einschließlich Garagenmiete von 420 DM jährlich bei höchstens 22,6 Pf. Da nach der Pauschregelung des § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959 25 Pf. je Kilometer als Werbungskosten berücksichtigt worden seien, übersteige der gewährte Freibetrag auch dann noch die tatsächlichen Aufwendungen des Bf., wenn man die von ihm für 1961 geltend gemachten 40 DM Zinsen als Werbungskosten ansehe, zumal der Bf. keine Aufwendungen für eine Garage gehabt habe.
Der Bf. trägt zur Begründung seiner Rb. vor, die streitigen Schuldzinsen gehörten nicht zu den Fahrtkosten, die nach § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959 abgegolten seien. Sie seien daher mit dem Anteil, der der beruflichen Nutzung seines PKW entspreche, neben dem Pauschbetrag als Werbungskosten zu behandeln, wie dies überwiegend auch im Schrifttum vertreten werde (z. B. Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 7. Aufl., 1962, Bem. 36 a zu § 9). Die Fahrtkostenberechnung des Finanzgerichts verkenne, abgesehen davon, daß die Tabelle des ADAC nur Durchschnittswerte enthalte, daß bei einer solchen Sachbehandlung die vom Gesetzgeber mit der Typisierung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angestrebte Vereinfachung entfallen würde. Etwa 30 v. H. der von Arbeitnehmern erworbenen Kraftfahrzeuge würden auf Kredit gekauft. Dabei würde fast immer nur ein Teil des Kaufpreises mit Kredit finanziert. Es könne nicht unterstellt werden, daß durch § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959 auch die Zinsen für diese Kredite durch die Pauschsätze mit abgegolten sein sollten. Da die Mehrzahl der Arbeitnehmer bei der Anschaffung eines Fahrzeugs keine Fremdmittel in Anspruch nehme, führe die Einbeziehung der Zinsen in die Abgeltung zu einer ungleichmäßigen Besteuerung.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. gegen das in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 511 (Nr. 554) veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts ist im Ergebnis nicht begründet.
Der PKW des Bf. gehört zu seinem Privatvermögen. Der Bf. benutzt ihn zwar auch, um von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte und wieder zurückzufahren. Dadurch wird der Wagen aber nicht zu einem Arbeitsmittel. Die Verwendung des Fahrzeugs für diese beruflich veranlaßten Fahrten hat lediglich zur Folge, daß die durch diese Fahrten entstehenden Aufwendungen Werbungskosten sind. Sie werden nach § 9 Ziff. 4 EStG 1961 in Verbindung mit § 26 EStDV 1961 (ß 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959) durch Pauschbeträge abgegolten. Die Zinsen für das Darlehen, das der Bf. zur Anschaffung seines Wagens aufgenommen hat, gehören, wie alle Schuldzinsen, die mit der privaten Lebensführung zusammenhängen, nicht zu den Werbungskosten, sondern zu den Sonderausgaben, deren Berücksichtigung bei der Lohnsteuer in § 20 a Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 LStDV 1959 geregelt ist.
Die zur Ausführung des § 9 Ziff. 4 EStG 1961 auf Grund der Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1961 erlassene Abgeltungsregelung in § 26 EStDV 1961 (ß 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959) bezieht sich nur auf Werbungskosten, nicht aber auf Sonderausgaben, für die eine Abgeltung im EStG nicht vorgesehen ist. Die Abgeltung der Fahrtkosten erstreckt sich infolgedessen nicht auch auf die vom Bf. gezahlten Schuldzinsen.
Aus der Verwaltungsanweisung in Abschn. 31 a LStR 1960, nach der nur die Hälfte der Schuldzinsen zu den Sonderausgaben zu rechnen wäre, können für den Streitfall keine Folgerungen gezogen werden; denn es handelt sich hierbei um eine den Senat nicht bindende Verwaltungsanweisung, die der Vereinfachung dienen soll. Sie ändert aber nichts daran, daß die Zinsen für die bei der Anschaffung eines Kraftfahrzeugs aufgenommenen Schulden in voller Höhe Sonderausgaben sind. Bei den Schuldzinsen ist die Rechtslage anders als bei den Prämien der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, für die in Abschn. 31 b Abs. 2 LStR 1960 im Regelfall gleichfalls die Hälfte der gezahlten Prämien als Sonderausgaben zu berücksichtigen ist. Eine Haftpflichtversicherung ist nach dem Deutschen Verkehrsrecht unerläßliche Voraussetzung für die Benutzung eines Kraftfahrzeugs auf öffentlichen Straßen. Die Prämien einer solchen Versicherung hängen daher eng zusammen mit der Benutzung des Kraftfahrzeugs. Unter diesen Umständen gehört bei Arbeitnehmern, die mit einem PKW von ihrer Wohnung zu ihrer Arbeitsstätte und zurück fahren, der hierauf entfallende Teil der Haftpflichtversicherungsprämien zu den Fahrtkosten im weiteren Sinn. Die Versicherungsprämien sind daher insoweit Werbungskosten und deshalb auch in die Abgeltung nach § 26 EStDV 1961 (ß 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1959) einzubeziehen. Ob der Werbungskostenanteil immer mit der Hälfte der Prämien anzunehmen und die andere Hälfte als Sonderausgaben zu berücksichtigen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, da es im Streitfall nicht um die steuerliche Behandlung der Haftpflichtversicherungsprämien geht. Die mit der Anschaffung eines Kraftfahrzeugs zusammenhängenden Schuldzinsen gehören jedenfalls im Gegensatz zu diesen Prämien nicht unmittelbar zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs, sondern sind Aufwendungen für die Anschaffung eines zum Privatvermögen des Arbeitnehmers gehörenden Vermögensgegenstandes.
Der Senat hat allerdings in dem Urteil VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BStBl 1962 III S. 192, Slg. Bd. 74 S. 513) die an Kraftfahrzeugen bei den Fahrten der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstehenden Unfallschäden unter bestimmten Voraussetzungen zu den Werbungskosten gerechnet, die neben den Pauschsätzen des § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV 1960 zu berücksichtigen sind. Hierbei handelte es sich zwar auch in erster Linie um einen Verlust beim Privatvermögen. Die Zurechnung des durch den Verlust eingetretenen Schadens zu den Werbungskosten war jedoch in diesem Grenzfall vertretbar, weil immerhin ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Aufopferung des Vermögenswertes und der beruflichen Fahrt des Arbeitnehmers bestand. Ein solcher Zusammenhang fehlt dagegen bei einem Arbeitnehmer, der einen PKW unter Inanspruchnahme eines Kredits anschafft. Selbst wenn er dabei die Absicht hat, den Wagen auch bei seinen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu benutzen, bleibt dieser doch ein Gegenstand seines Privatvermögens. Die durch einen Kredit bei der Anschaffung erwachsenden Schuldzinsen werden daher ausschließlich für den Erwerb eines Gegenstandes des Privatvermögens aufgewendet und gehören deshalb nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1961 in vollem Umfang zu den Sonderausgaben.
Da der Bf. keine anderen Sonderausgaben geltend gemacht hat, bleiben die von ihm im Streitjahr als Schuldzinsen gezahlten 80 DM unter dem nach § 40 Abs. 1 Ziff. 2 EStG 1961 (ß 20 a LStDV 1959) bereits als Sonderausgaben berücksichtigten Pauschbetrag.
Der Senat erkennt demnach aus anderen Gründen als das Finanzgericht die Schuldzinsen nicht als Werbungskosten an. Da die Vorentscheidung aber im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411142 |
BStBl III 1964, 251 |
BFHE 1964, 51 |
BFHE 79, 51 |