Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung eines Arbeitsrechtsverhältnisses von der stillen Gesellschaft.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob der zwischen der Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen) und ihrem Sohn am 16. Juni 1956 geschlossene Vertrag rein arbeitsrechtlicher Natur ist oder ein stilles Gesellschaftsverhältnis begründet.
Die Steuerpflichtige, die zur Zeit des Vertragsabschlusses im 78. Lebensjahr stand, war seit dem Tode ihres Ehemannes am 24. April 1956 Alleininhaberin des Unternehmens, ihr Sohn seit dem gleichen Zeitpunkt selbständiger und allein verantwortlicher Betriebsleiter. Im Vertrag vom 16. Juni 1956 wurde diese Tatsache zum Anlaß genommen, dem Sohn - neben einem festen, dem Lohnsteuerabzug unterworfenen Gehalt in Höhe von rund 850 DM monatlich, sowie einer Tantieme in Höhe von 3 v. H. des Umsatzes - eine Sondervergütung von 50 v. H. des 15 000 DM übersteigenden Jahresertrags des Unternehmens zuzusichern. Seine Bezüge betrugen danach in den Jahren
1956 1957 1958 1959
DM DM DM DM
Gehalt und Tantieme 11 006 22 522 24 691 31 477
Gewinnanteil 21 043 14 785 29 040 17 235
Summe: 32 049 37 307 53 731 48 712
Eine im Jahre 1960 durchgeführte Betriebsprüfung führte im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags unter Bezug auf das Urteil des BFH I 139/54 S vom 22. November 1955 (BFH 62, 9, BStBl III 1956, 4) zur Annahme eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses und zur Hinzurechnung der vorstehend aufgeführten Bezüge zum Gewinn des Unternehmens aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr. 3 GewStG.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Vorinstanz schloß sich der in den BFH-Urteilen I 108/58 U vom 18. November 1958 (BFH 68, 127, BStBl III 1959, 49), I 145/61 vom 8. Mai 1962 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 2 bis 9, Rechtsspruch 37) und IV 224/60 vom 18. Oktober 1962 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 131 b) vertretenen Rechtsauffassung an, derzufolge eine mindestens 25 v. H. betragende Gewinnbeteiligung im Verein mit weiteren Beweisanzeichen für das Vorliegen eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses - wie z. B. die Einräumung von Mitspracherechten über das Ausmaß eines arbeitsrechtlichen Verhältnisses hinaus, die Aussicht auf spätere Betriebsübernahme oder auf Aufnahme als Gesellschafter - die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 3 GewStG rechtfertigte.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Gegen diese Entscheidung richtet sich die als Revision zu behandelnde Rb. der Steuerpflichtigen. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Was die steuerrechtliche Beurteilung stiller Gesellschaften und ihnen ähnlicher, sogenannter "gesellschaftsähnlicher Verhältnisse" betrifft, so hat der BFH im Urteil I 236/59 U vom 27. Februar 1963 (BFH 77, 145, BStBl III 1963, 370) ausgeführt, daß sich in der Auslegung der im GewStG gebrauchten bürgerlich-rechtlichen Rechtsbegriffe - und damit auch in der Auslegung des Begriffs der stillen Gesellschaft im Sinne des § 8 Nr. 3 GewStG - ein Wandel anbahne, der sich in der Rechtsprechung des BFH dann auch alsbald vollzog. Der BFH anerkannte in den Urteilen IV 213/60 S vom 5. Juni 1964 (BFH 81, 138, BStBl III 1965, 49), IV 108/63 U vom 5. Juni 1964 (BFH 81, 143, BStBl III 1965, 51) und auch VI 355/62 U vom 3. Juli 1964 (BFH 80, 103, BStBl III 1964, 511) die Gleichstellung des Begriffs der stillen Gesellschaft in Handels- und Steuerrecht. Er gab die bisherige Gleichstellung des der stillen Gesellschaft wirtschaftlich ähnlichen, des sogenannten "gesellschaftsähnlichen Verhältnisses" mit der stillen Gesellschaft auf und bejahte das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses auch dann, wenn dem Dritten neben der Zahlung eines zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausreichenden Gehalts eine hohe Gewinnbeteiligung gewährt wurde. Der BFH hielt in Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Recht (vgl. insbesondere Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 17. Aufl., Anm. 5 zu § 335 HGB; Urteil des Reichsgerichts II 148/33 vom 10. Oktober 1933, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 142 S. 13 [21]) in den Urteilen VI 355/62 U (a. a. O.), IV 30/63 U vom 8. Juli 1965 (BFH 83, 158, BStBl III 1965, 558) und IV 138/65 U vom 5. August 1965 (BFH 83, 163, BStBl III 1965, 560) jedoch daran fest, daß die nach § 335 HGB zu erbringende Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters grundsätzlich auch in Dienstleistungen bestehen kann und daß in Ausnahmefällen, d. h. bei Vorliegen besonderer Umstände, das Fehlen eines Gesellschaftsvertrages die Annahme einer stillen Gesellschaft nicht ausschließt.
Die Frage, ob im Einzelfall ein Arbeitsverhältnis oder ein Gesellschaftsverhältnis gegeben ist, ist oft nicht einfach und nur anhand der Umstände eines jeden einzelnen Falles zu beantworten. Der Umstand, daß das streitige Rechtsverhältnis von den Vertragsparteien schriftlich (vertraglich) oder mündlich (im Rechtsstreit) als Arbeitsverhältnis bezeichnet wird, ist nicht entscheidend. Die Zahlung einer (selbst hohen) Umsatz- oder Gewinnbeteiligung an einen Angestellten, dem für seine Tätigkeit im Betrieb des Unternehmers laufend ein festes und zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausreichendes Gehalt gezahlt wird, macht diesen selbst dann nicht zum stillen Gesellschafter des Unternehmers, wenn er gleichzeitig kapitalmäßig (darlehnsweise) dem Unternehmen in erheblichem Ausmäß verbunden ist (BFH-Urteile IV 108/63 U, a. a. O.; IV 82/62 U vom 11. November 1965, BFH 84, 260, BStBl III 1966, 95).
Etwas anderes wird demgegenüber nur dann zu gelten haben, wenn das für das Arbeitsverhältnis typische Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen Unternehmer und Angestelltem, die Weisungsgebundenheit des Angestellten, abgelöst wird durch ein Verhältnis der Gleich- oder Nebenordnung, d. h., wenn an die Stelle der Weisungsgebundenheit - auch bei Anerkennung eines weitgehenden Beratungs- und Entscheidungsrechts (Prokurist) - des Angestellten ein Überwachungs- und/oder Mitspracherecht tritt, das den (bisherigen) Unternehmer hindert, gegen den Einspruch des (bisherigen) Angestellten die Geschicke des Unternehmens zu bestimmen. Da das hier anzuwendende Recht dispositives Recht ist, kann auch dem stillen Gesellschafter - neben oder an Stelle des Unternehmers - die Geschäftsführung übertragen werden (Schlegelberger-Gessler, Kommentar zum HGB, Anm. 42 zu § 335; Weipert in RGR-Kommentar zum HGB, Anm. 60 zu § 335). So hat der Senat mit Urteil I 138/63 vom 20. Januar 1965 (StRK, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 2-9, Rechtsspruch 72) in einem Falle das Vorliegen einer stillen Gesellschaft anerkannt, in dem sich die Geschäftsführer - Sohn und Prokurist der verwitweten Inhaberin des Unternehmens - in leitenden Vertrauensstellungen befanden, ihre im wesentlichen gewinnabhängigen Gehaltsbezüge nur in geringem Umfang entnehmen durften, ihre als gebundene Sonderkonten ausgewiesenen Guthaben das Kapitalkonto des Unternehmers überstiegen und durch ihr ständiges weiteres Anwachsen kapitalmäßige Bindungen an das Unternehmen darstellten, die auch für gehobene Angestellte mit Gewinnbeteiligung als ungewöhnlich angesehen werden mußten (zustimmend Paulick, StRK-Anmerkungen, a. a. O.).
2. Entgegen der Auffassung des Revisionsbeklagten (des FA) liegen im Streitfall möglicherweise, jedoch nicht ohne weitere Sachaufklärung feststellbar, einige für die Annahme einer stillen Gesellschaft sprechende Momente vor. Die Vorinstanz hat den Streitfall bisher nicht unter den Gesichtspunkten der neueren Rechtsprechung des BFH geprüft. Sie hat vielmehr das Vorliegen eines echten stillen Gesellschaftsverhältnisses, wenn auch ohne Angabe von Gründen, verneint und - nach der damaligen Rechtslage - das Vorliegen eines gesellschaftsähnlichen Verhältnisses angenommen und danach die Hinzurechnung der Bezüge des Sohnes der Steuerpflichtigen nach § 8 Nr. 3 GewStG zum Gewerbeertrag des Unternehmens als erforderlich bejaht.
Um zu einem abschließenden Urteil gelangen zu können, wird das FG in tatsächlicher Hinsicht noch folgendes festzustellen haben: War im Streitfall die Steuerpflichtige ihrem Sohn gegenüber grundsätzlich weisungsberechtigt und hat sie von ihrem Weisungsrecht auch tatsächlich Gebrauch gemacht? War - was als weiteres Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses dienen kann - die Alterssicherung des Sohnes der Steuerpflichtigen neben der Beitragsleistung zur Sozialversicherung in einer Weise sichergestellt, wie sie heute bei leitenden Angestellten - nicht nur von Kapitalgesellschaften - weitgehend üblich ist? Kommt das FG zur Verneinung dieser Fragen, wird es weiter zu prüfen haben, ob - entgegen dem äußeren Anschein des im Vertrag vom 16. Juni 1956 begründeten Arbeitsrechtsverhältnisses - der Sohn der Steuerpflichtigen mit deren Willen neben ihr (gleichberechtigt) oder an ihrer Statt wirtschaftlich als Unternehmer tätig geworden ist, dessen Entscheidungen die Geschicke des Unternehmens bestimmten und dessen Maßnahmen die Steuerpflichtige nach der tatsächlichen Gestaltung des zwischen ihr und ihrem Sohn bestehenden Rechtsverhältnisses weder kraft Weisungsrecht widersprechen konnte noch widersprochen hat. Die zwischen dem Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft und dieser bestehenden Beziehungen, die gesetzlich in allen Einzelheiten geregelt sind, können zur Entscheidung des Streitfalles nicht herangezogen werden, da sie auf den die Geschäfte führenden stillen Gesellschafter nicht übertragen werden können. Kommt das FG zur Feststellung tatsächlicher und gewollter Geschäftsführung auf Grund eines anderen als eines Arbeitsrechtsverhältnisses, ist eine stille Gesellschaft gegeben. Die Annahme einer stillen Gesellschaft bedarf in diesem Falle einer kapitalmäßigen Beteiligung des stillen Gesellschafters nicht; seine Einlage besteht hier ausschließlich in der Dienstleistung.
3. Bei Anwendung der Vorschrift des § 8 Nr. 3 GewStG bleibt eine angemessene Tätigkeitsvergütung für die Geschäftsführung durch den stillen Gesellschafter bei der Feststellung seiner Gewinnanteile in gleicher Weise außer Betracht, wie es bei einem zugleich als stiller Gesellschafter beteiligten Angestellten eines Unternehmens der Fall ist. Der Senat tritt der in Abschn. 53 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1966 vertretenen Rechtsauffassung bei.
Fundstellen
Haufe-Index 67959 |
BStBl II 1968, 356 |
BFHE 1968, 373 |