Entscheidungsstichwort (Thema)
Phasengleiche Aktivierung von Dividendenansprüchen; Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO im Hinblick auf eine nach einer Rechtsprechungsänderung ergangenen Verwaltungsanweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält daran fest, dass ein beherrschender Gesellschafter Dividendenansprüche gegenüber der beherrschten Kapitalgesellschaft jedenfalls dann nicht schon vor Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses ("phasengleich") aktivieren kann, wenn nicht durch objektiv nachprüfbare Umstände belegt ist, dass er am maßgeblichen Bilanzstichtag unwiderruflich zur Ausschüttung eines bestimmten Betrages entschlossen war (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 7. August 2000 GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632, und der Senatsurteile vom 20. Dezember 2000 I R 50/95, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409, sowie vom 28. Februar 2001 I R 48/94, BFHE 195, 189, BStBl II 2001, 401).
2. Die Ablehnung eines Antrags auf Erlass einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO, der auf eine nach einer Rechtsprechungsänderung ergangene Verwaltungsanweisung gestützt wird, derzufolge die "bisherigen Grundsätze" für eine Übergangszeit weiter angewendet werden sollen, ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Begehren des Antragstellers auf der Grundlage der vor der Rechtsprechungsänderung gehandhabten Verwaltungspraxis ebenfalls abschlägig beschieden worden wäre. Es ist insoweit unerheblich, ob die damalige Verwaltungspraxis auf der Basis der von der früheren Rechtsprechung für zutreffend gehaltenen Rechtslage tragfähig war oder nicht.
Normenkette
AO § 163; KStG § 8 Abs. 1; EStG § 5 Abs. 1; GmbHG § 29
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 11.11.2005; Aktenzeichen 9 K 6277/03 K,F, 9 K 4409/05; EFG 2006, 899) |
Tatbestand
A. Streitpunkt ist, ob die vormalige A-GmbH bereits im Streitjahr 1989 einen Dividendenanspruch aufgrund einer das Streitjahr betreffenden Gewinnausschüttung ihrer damaligen Tochtergesellschaft D-GmbH --der späteren Rechtsnachfolgerin der A-GmbH und jetzigen Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin)-- aktivieren durfte.
Sämtliche Geschäftsanteile der A-GmbH wurden im März 1988 von Mitgliedern der Familie X erworben. Diese veranlassten im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung im November 1989 die Einbringung der bis dahin allein von einer ebenfalls im Besitz der Familie X befindlichen Gesellschaft gehaltenen Anteile an der D-GmbH in das Vermögen der A-GmbH. Bei beiden letztgenannten Gesellschaften entsprach das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr.
Ausweislich eines in Fotokopie vorliegenden Protokolls fassten die beiden damaligen Geschäftsführer der A-GmbH auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der D-GmbH am 22. Dezember 1989 folgenden Beschluss:
"Der sich zum 31. Dezember 1989 ergebende Bilanzgewinn wird an dem auf die Bilanzfeststellung folgenden Tag ausgeschüttet, und zwar in der Höhe, in der die Ausschüttung aus dem körperschaftsteuerlichen Eigenkapitalanteil gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz möglich ist. Ein etwa darüber hinausgehender Teilbetrag des Bilanzgewinns soll auf neue Rechnung vorgetragen werden."
In der ordentlichen Gesellschafterversammlung der D-GmbH vom 26. November 1990 beschlossen die Geschäftsführer der A-GmbH:
"1. Der Jahresabschluss 1989 … wird festgestellt.
2. In der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 22.12.1989 wurde eine Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 1989 in der Höhe beschlossen, in der sie aus dem körperschaftsteuerlichen Eigenkapitalanteil gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz möglich ist. In Höhe des Ausschüttungsbetrages, der sich auf DM 2.651.750 beläuft, wurde der Bilanzgewinn verwendet; der danach verbliebene, zum 31. Dezember 1989 ausgewiesene Bilanzgewinn von DM 23,78 wird auf neue Rechnung vorgetragen."
Die Gesellschafter der A-GmbH stellten deren Jahresabschluss 1989 am 20. Januar 1991 fest. Er wies u.a. Erträge aus Beteiligungen in Höhe von 4 142 360 DM aus. In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1989 rechnete die A-GmbH ihrem Einkommen unter Vorlage einer Steuerbescheinigung der D-GmbH die das Streitjahr betreffende Gewinnausschüttung vom 27. Oktober 1990 über 2 651 750 DM zzgl. anrechenbarer Körperschaftsteuer von 1 491 609 DM zu und machte im Übrigen Verlustvorträge aus den Jahren 1984 bis 1988 von insgesamt 1 787 692 DM geltend.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Körperschaftsteuer der A-GmbH für das Streitjahr zunächst erklärungsgemäß fest, woraus sich eine Körperschaftsteuer von 1 327 791 DM und --unter Berücksichtigung anrechenbarer Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer-- ein Steuererstattungsbetrag von 826 755 DM ergab.
Im Januar 1993 wurde die A-GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Nach einer bei dieser als Rechtsnachfolgerin der A-GmbH durchgeführten Betriebsprüfung änderte das FA im Januar 1996 die das Streitjahr betreffenden Bescheide, weil der Dividendenanspruch aus der Gewinnausschüttung der D-GmbH für 1989 nicht bereits im Streitjahr, sondern erst im Jahr 1990 hätte aktiviert werden dürfen. Auf dieser Grundlage setzte es die Körperschaftsteuer der A-GmbH für 1989 bei einem zu versteuernden Einkommen von ./. 19 012 DM auf 0 DM fest und forderte mangels anrechenbarer Steuern die zuvor erstatteten 826 755 DM zurück. Entsprechend stellte das FA die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1984) zum 31. Dezember 1989 fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin mit dem Begehren der Berücksichtigung der Gewinnausschüttung der D-GmbH für das Streitjahr Klage gegen die geänderten Steuerbescheide erhoben. Nachdem das FA auch einen Antrag der Klägerin abgelehnt hat, die Steuern gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) aus Billigkeitsgründen abweichend festzusetzen, hat sie auch hiergegen Klage erhoben. Das Finanzgericht (FG) Münster hat beide Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und der gegen die geänderten Festsetzungs- und Feststellungsbescheide gerichteten Klage stattgegeben. Die die beantragte Billigkeitsmaßnahme betreffende Klage hat das FG als unbegründet abgewiesen. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 899 abgedruckt.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Beteiligter.
Das FA beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 20. Oktober 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2005 zu verpflichten, eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäߧ 163 AO dahingehend vorzunehmen,dass die Dividenden und Steueranrechnungsansprüche aufgrund der Gewinnausschüttung der D-GmbH für 1989 in der Bilanz der A-GmbH bereits zum 31. Dezember 1989 in Höhe von 4 143 360 DM aktiviert und als Beteiligungsertrag des Jahres 1989 erfasst werden.
Die Beteiligten beantragen wechselseitig die Zurückweisung der Revision des Anderen.
Entscheidungsgründe
B. Die Revision des FA ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Abweisung der gegen die geänderten Festsetzungs- und Feststellungsbescheide des FA gerichteten Klage. Das die Ablehnung der Billigkeitsentscheidung betreffende Rechtsmittel der Klägerin ist gemäß § 126 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Zu Recht --und vom FA nicht beanstandet-- hat das FG die Klagebefugnis der Klägerin gemäß § 40 Abs. 2 FGO trotz des Umstandes bejaht, dass sie die Festsetzung einer höheren Körperschaftsteuer begehrt als sie vom FA in den angegriffenen Bescheiden angesetzt worden ist. Die beantragte Steuerfestsetzung würde nämlich wegen der mit der Aktivierung der Gewinnausschüttung ermöglichten Steueranrechnung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG 1987--) im Streitjahr insgesamt zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen, so dass die Klagebefugnis gegeben ist.
2. Keine Zulässigkeitsbedenken bestehen auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin die Anfechtung der Steuerbescheide und die Klage auf Erlass einer Billigkeitsentscheidung nebeneinander betreibt. Die Prüfung der Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO ist formell unabhängig von der Rechtmäßigkeitsprüfung; eine zwingende Reihenfolge, in der die beiden --selbständigen-- Rechtsbehelfsverfahren betrieben werden müssten, besteht nicht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. September 2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001, 178; Klein/ Rüsken, AO, 9. Aufl., § 163 Rz 138).
II. In der Sache bleibt die Klage aber insgesamt ohne Erfolg, weil das FA in der Steuerbilanz der A-GmbH zu Recht keine Dividendenforderung gegen die D-GmbH betreffend das Jahr 1989 aktiviert hat und weil es den Erlass der beantragten Billigkeitsentscheidung ohne Ermessensfehler abgelehnt hat.
1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz durfte der streitige Dividendenanspruch in der Bilanz der A-GmbH zum 31. Dezember 1989 nicht aktiviert werden.
a) Wie es auch das FG nicht anders gesehen hat, lag im Streitfall zum 31. Dezember 1989 noch kein Gewinnverwendungsbeschluss der D-GmbH vor, der zur rechtlichen Entstehung einer Dividendenforderung der A-GmbH geführt haben könnte.
Bei dem Beschluss der Gesellschafterversammlung der D-GmbH vom 22. Dezember 1989 handelt es sich nur um die Ankündigung einer künftigen Gewinnverwendung, nicht aber um einen den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss, der bereits einen Rechtsanspruch der D-GmbH auf Auszahlung eines bestimmten Betrages hätte begründen können. Dies folgt insbesondere daraus, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Jahresabschluss der D-GmbH für 1989, der einen ausschüttbaren Bilanzgewinn hätte ausweisen können, noch nicht aufgestellt und festgestellt war und auch noch nicht hätte aufgestellt werden können, weil das Geschäftsjahr noch nicht abgelaufen war. Der Beschluss vom 22. Dezember 1989 kann auch nicht als Vorabausschüttungsbeschluss im Hinblick auf den für 1989 erwarteten Gewinn verstanden werden, weil er ausdrücklich auf eine Ausschüttung erst nach Bilanzfeststellung gerichtet ist und außerdem keinen bestimmten, ohne Bilanzaufstellung ermittelbaren Ausschüttungsbetrag festgelegt hat.
b) Dividendenansprüche aus einer am Bilanzstichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung einer Tochtergesellschaft kann eine Kapitalgesellschaft aber nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. August 2000 GrS 2/99 (BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632) grundsätzlich nicht aktivieren (ebenso nachfolgend Senatsurteile vom 20. Dezember 2000 I R 50/95, BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409; vom 28. Februar 2001 I R 48/94, BFHE 195, 189, BStBl II 2001, 401; zur phasengleichen Bilanzierung bei Betriebsaufspaltung: BFH-Urteile vom 31. Oktober 2000 VIII R 19/94, BFH/NV 2001, 447, und VIII R 17/94, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2001, 582).
c) Entgegen der Sicht des FG liegen im Streitfall nicht die Voraussetzungen vor, die nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH in äußerst seltenen Fällen abweichend von dem vorstehenden Grundsatz ausnahmsweise zu einer vorzeitigen ("phasengleichen") Aktivierung des Dividendenanspruchs führen können.
aa) Eine Dividendenforderung kann danach am Bilanzstichtag zum einen nur insoweit als eigenständiges Wirtschaftsgut entstanden sein, als zum Bilanzstichtag ein Gewinn der beherrschten Gesellschaft auszuweisen und der mindestens ausschüttungsfähige Gewinn bekannt ist. Zum anderen muss anhand objektiver Gesichtspunkte nachgewiesen sein, dass die Gesellschafter jener Gesellschaft am Bilanzstichtag endgültig entschlossen waren, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu beschließen. Überdies muss sich die Ausschüttungsabsicht des beherrschenden Gesellschafters auf einen genau festgelegten Betrag beziehen, wofür es nicht ausreicht, dass die Höhe des auszuschüttenden Betrags nur ungefähr feststeht und seine exakte Bezifferung von erst in der Zukunft erkennbaren Umständen abhängig ist (dazu Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409). Die Ausnahmevoraussetzungen müssen anhand objektiver, nachprüfbarer und nach außen in Erscheinung tretender Kriterien festgestellt werden können, die weder unterstellt noch vermutet werden dürfen (BFH-Beschluss in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 unter C.II.3. der Entscheidungsgründe). Bei der hiernach gebotenen Prüfung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch ein beherrschender Gesellschafter oder ein Alleingesellschafter seine am Bilanzstichtag bestehenden Absichten später ändern kann (BFH-Beschluss in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 unter C.II.4. der Entscheidungsgründe; Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409). Schließlich kann der erforderliche feste Ausschüttungswille nicht schon daraus geschlossen werden, dass die phasengleiche Aktivierung einer Dividendenforderung es der Muttergesellschaft ermöglichen würde, einen vom Verfall bedrohten Verlustvortrag zu nutzen (Beschluss in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 unter C.II.9. der Entscheidungsgründe; Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409).
bb) Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin mit ihrem Begehren, die Dividendenforderung gegenüber der D-GmbH in der Steuerbilanz auf den 31. Dezember 1989 zu aktivieren, im Ergebnis keinen Erfolg haben.
aaa) Allerdings hat das FG ohne erkennbaren Rechtsfehler --und somit gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend-- aufgrund des am 22. Dezember 1989 gefassten Gesellschafterbeschlusses festgestellt, dass die Geschäftsführer der A-GmbH auch noch am 31. Dezember 1989 den festen Willen hatten, nach der noch vorzunehmenden Bilanzfeststellung den voraussichtlichen Gewinn der D-GmbH zur Ausschüttung zu bringen, soweit dies aus dem körperschaftsteuerrechtlichen Eigenkapitalanteil gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1984 möglich sein würde.
bbb) Anders als das FG in bewusster Abkehr von der BFH-Rechtsprechung meint, kann aber aus dem zum 31. Dezember 1989 vorhandenen Ausschüttungswillen der Alleingesellschafterin nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass dieser Wille auch noch zu dem am Bilanzstichtag noch ungewissen Zeitpunkt der Bilanzfeststellung vorhanden sein würde. Für die Feststellung des endgültigen Ausschüttungswillens muss vielmehr anhand objektiver Kriterien sicher darauf geschlossen werden können, dass der Gesellschafter seinen Willen nicht nachträglich wieder ändert (BFH-Beschluss in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 unter C.II.4. der Entscheidungsgründe; Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409).
An diesem Erfordernis hält der Senat fest. Soweit das FG dem entgegensetzt, auch eine bereits formell beschlossene Gewinnausschüttung könne bis zum Vollzug der Ausschüttung durch Gesellschafterbeschluss jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, wird dieser Vergleich den unterschiedlichen Fragestellungen nicht gerecht. Bei Fassung eines ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschlusses ist der Dividendenanspruch zivilrechtlich entstanden und deshalb bei der Muttergesellschaft als bestehende Forderung zu aktivieren, auch wenn er theoretisch künftig wieder entfallen könnte. Bei der Problematik einer phasengleichen Aktivierung rechtlich noch nicht bestehender Dividendenansprüche geht es demgegenüber um die hiervon zu unterscheidende Frage, ab welchem Zeitpunkt sich die Aussicht auf eine künftige Gewinnausschüttung so weit von dem Stammrecht der Mitgliedschaft losgelöst hat, dass von einer wirtschaftlichen Verselbständigung (Realisierung) ausgegangen werden kann (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 unter C.II.3. der Entscheidungsgründe). Aus demselben Grund ist die Rechtsprechung zur Aktivierung von Zinsforderungen im Zusammenhang mit Genussrechten (Senatsurteil vom 18. Dezember 2002 I R 11/02, BFHE 201, 228, BStBl II 2003, 400), auf die sich das FG berufen hat, im Streitfall nicht von Bedeutung.
ccc) Im Streitfall fehlt es an einem hinreichenden objektiven Anhalt für die Endgültigkeit des am 31. Dezember 1989 bestehenden Ausschüttungswillens der D-GmbH. Einzig der Umstand, dass nach der Annahme des FG die bei der A-GmbH vorhandenen Verlustvorträge aus den Jahren 1984 bis 1988 wegen der Bestimmung des § 8 Abs. 4 KStG 1984 zwar noch im Streitjahr, nicht aber mehr in der Folgezeit hätten berücksichtigt werden können, könnte dafür ins Feld geführt werden. Ein solcher drohender Verfall eines Verlustvortrags allein reicht aber nach dem oben (unter B.II.1.c aa) Gesagten nicht aus, um auf die Endgültigkeit des Ausschüttungswillens schließen zu können.
Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus dem Umstand, dass nach dem Vorbringen der Klägerin in der Revisionserwiderung für die A-GmbH als vor dem 1. Januar 1986 entstandener Gesellschaft nicht die erst ab diesem Zeitpunkt geltende Bestimmung des § 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) in der Fassung des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG) vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2355), sondern die durch Art. 11 Abs. 2 BiRiLiG eingeführte Übergangsbestimmung des Art. 12 § 7 des Gesetzes zur Änderung des GmbHG und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli 1980 Anwendung findet. Diese belässt es für die am 1. Januar 1986 bereits eingetragenen Gesellschaften bei dem zuvor in § 29 GmbHG a.F. statuierten Vollausschüttungsprinzip (vgl. im Einzelnen Hueck/ Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 29 Rz 97 ff.). Denn auch unter Geltung des Vollausschüttungsprinzips entsteht das Dividendenrecht des Gesellschafters erst aufgrund eines Gewinnausschüttungsbeschlusses (vgl. Reichsgericht --RG--, Urteile vom 17. November 1915 II 361/15, RGZ 87, 383, 386; vom 16. April 1920 II 396/19, RGZ 98, 318, 320) und kann die Gesellschafterversammlung jedenfalls durch einstimmigen Beschluss anstatt einer Ausschüttung auch beschließen, eine Gewinnrücklage zu bilden oder den Gewinn vorzutragen (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht --BayObLG--, Beschluss vom 17. September 1987 3 Z 122/87, BayObLGZ 1987, 314; Hueck/Fastrich, a.a.O., § 29 Rz 106). Für die Beurteilung der Realisation des Dividendenanspruchs ist es demnach nicht von wesentlicher Bedeutung, ob die Tochtergesellschaft dem Vollausschüttungsgebot unterliegt oder ob § 29 GmbHG n.F. anwendbar ist.
Ebenso wenig ergibt sich Abweichendes aus den die phasengleiche Bilanzierung bei der Betriebsaufspaltung betreffenden Urteilen des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 2001, 447 und in HFR 2001, 582. Soweit es dort heißt, eine phasengleiche Aktivierung sei ausnahmsweise (u.a.) dann möglich, wenn bereits eine Verpflichtung zu einer bestimmten Gewinnausschüttung "z.B. infolge eines Ausschüttungsgebots nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, eines Vorabausschüttungsbeschlusses, einer Ausschüttungsvereinbarung etc." bestehe, sind damit ersichtlich nur die Fälle gemeint, in denen sich aus Vertrag, Gesetz usw. unmittelbar und für die Gesellschafter nicht mehr abänderbar eine Ausschüttungspflicht in bestimmter Höhe ergibt. Denn im Urteil in HFR 2001, 582 hat der VIII. Senat die phasengleiche Aktivierung trotz eines gesellschaftsvertraglich vereinbarten Vollausschüttungsgebots abgelehnt, weil dieses noch unter dem Vorbehalt gestanden habe, dass die Gesellschafter nichts anderes beschließen.
ddd) Unabhängig von der Frage der Endgültigkeit des Ausschüttungswillens kommt auf der Grundlage der Feststellungen des FG eine phasengleiche Aktivierung im Streitfall auch deshalb nicht in Betracht, weil diesen nicht entnommen werden kann, dass sich der im Beschluss vom 22. Dezember 1989 dokumentierte Ausschüttungswille auf einen bezifferten Ausschüttungsbetrag bezogen hat (vgl. Senatsurteil in BFHE 194, 185, BStBl II 2001, 409 unter II.3.a der Entscheidungsgründe). Der Senat hält auch an diesem, vom FG in Zweifel gezogenen Erfordernis für eine phasengleiche Aktivierung fest.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen des FG hätte zwar zum 31. Dezember 1989 anhand der zeitnah geführten Buchhaltung der D-GmbH der für die Ausschüttung zur Verfügung stehende Betrag bereits weitgehend genau ermittelt werden können. Dass die Geschäftsführer der A-GmbH, auf deren Willen in diesem Zusammenhang abzustellen ist, sich der konkreten Höhe dieses Betrages zum Bilanzstichtag bewusst waren, hat das FG aber nicht feststellen können. Darüber hinaus sollte nach dem Inhalt des Gesellschafterbeschlusses vom 22. Dezember 1989 der insgesamt zur Ausschüttung zur Verfügung stehende Betrag nur insoweit ausgeschüttet werden, "als eine Ausschüttung aus dem körperschaftsteuerlichen Eigenkapital nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG möglich" sei. Auch der konkreten Höhe des Eigenkapitals der D-GmbH nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 KStG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung hätten sich die Geschäftsführer der A-GmbH demnach am Bilanzstichtag bewusst sein müssen, um auf einen hinreichend konkretisierten Ausschüttungswillen schließen zu können. Für einen solchen Schluss fehlt es ebenfalls an einer Grundlage in den tatrichterlichen Feststellungen.
2. Die auf eine Änderung der Steuerfestsetzung durch Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO gerichtete Klage hat das FG zu Recht als unbegründet angesehen. Das FA hat den Erlass einer Billigkeitsentscheidung ohne Ermessensfehler abgelehnt.
a) Allerdings sieht das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 1. November 2000 (BStBl I 2000, 1510), mit welchem die Finanzverwaltung auf den Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen reagiert hat, die weitere Anwendung der "bisherigen Grundsätze zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen" für die Zeitdauer der Anwendbarkeit des körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens vor. Wäre nach diesen "bisherigen Grundsätzen" im Streitfall die Aktivierung einer Dividendenforderung gegen die D-GmbH möglich gewesen, würde eine abweichende Besteuerung durch Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO in Betracht zu ziehen sein (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 417, BStBl II 1984, 751, 757; BFH-Urteile vom 26. Februar 1991 IX R 95/88, BFHE 163, 562, BStBl II 1991, 572; vom 7. November 1996 IV R 69/95, BFHE 182, 56, BStBl II 1997, 245; BFH-Beschluss vom 1. Oktober 2003 X B 75/02, BFH/NV 2004, 44).
b) Nach der bis zum Beschluss des Großen Senats in BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632 geltenden Rechtsprechung und der Praxis der Finanzverwaltung wäre die Dividendenforderung in der Steuerbilanz der A-GmbH jedoch ebenfalls nicht als aktivierungsfähig angesehen worden, weil die A-GmbH die Anteile an der D-GmbH erst im November 1989 erworben hat, die Beteiligung folglich nicht das gesamte Wirtschaftsjahr 1989 über bestanden hat. Eine solche Mindestbesitzzeit war nach der bis zum Vorlagebeschluss vom 16. Dezember 1998 I R 50/95 (BFHE 187, 305, BStBl II 1999, 551) vom Senat vertretenen Auffassung (Senatsurteile vom 21. Mai 1986 I R 190/81, BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815, und I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794; Senatsbeschluss vom 11. April 1990 I R 80/89, BFH/NV 1991, 440) zwingende Voraussetzung der phasengleichen Aktivierung. Hierauf weist ausdrücklich auch der Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 187, 305, BStBl II 1999, 551 hin (unter II.1. und IV.1. der Beschlussgründe). Da die Finanzverwaltung demnach den von der Klägerin nicht widerlegten Feststellungen des FG in der Praxis gefolgt ist (Hinweis auf Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Hannover vom 28. September 1999 KSt-Kartei ND § 8 KStG Karte A 24.1), gehörte das Erfordernis der einjährigen Mindestbesitzzeit zu den "bisherigen Grundsätzen" für die Behandlung der phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen. Hieran würde es nichts ändern, wenn es sich --wie die Klägerin meint-- bei der Statuierung der Mindestbesitzzeit im Senatsurteil in BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794 um ein obiter dictum handelte und wenn in dem durch das Senatsurteil in BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815 entschiedenen Fall eine im Streitfall nicht mehr geltende Fassung des § 9 Abs. 1 KStG anwendbar gewesen wäre.
Schließlich ist es für die weitere Anwendung der "bisherigen Grundsätze" nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 1. November 2000 unerheblich, dass der Senat das Erfordernis der einjährigen Mindestbesitzzeit im Vorlagebeschluss in BFHE 187, 305, BStBl II 1999, 551 (unter IV.1. der Beschlussgründe) als nicht hinreichend tragfähig erachtet und dessen Aufgabe angekündigt hat, falls der Große Senat des BFH in der Grundsatzfrage im Sinne einer Beibehaltung der phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen entscheiden würde. Da nicht ersichtlich ist, dass die Praxis der Finanzverwaltung sich vor der Entscheidung des Großen Senats des BFH der geänderten Sichtweise des I. Senats angeschlossen hat --die erwähnte Verfügung der OFD Hannover vom 28. September 1999 belegt vielmehr das Gegenteil--, kann die Auffassungsänderung keinen Eingang in die im BMF-Schreiben vom 1. November 2000 in Bezug genommenen "bisherigen Grundsätze" gefunden haben. Weder Vertrauensschutzgesichtspunkte noch der Aspekt der Gleichheit der Besteuerung gebieten es aber, der Klägerin eine phasengleiche Aktivierung des Dividendenanspruchs zu ermöglichen, obwohl die Voraussetzungen hierfür nach der durch den Großen Senat des BFH geänderten Rechtsprechung nicht vorliegen und die Klägerin solches auch aufgrund der vor der Entscheidung des Großen Senats des BFH praktizierten Handhabung der Verwaltung nicht hätte erreichen können.
Fundstellen
Haufe-Index 1775432 |
BFH/NV 2007, 1741 |
BStBl II 2008, 340 |
BFHE 2008, 541 |
BFHE 216, 541 |
BB 2007, 1728 |
BB 2008, 38 |
DB 2007, 1788 |
DStR 2007, 1342 |
DStRE 2007, 1067 |
DStZ 2007, 538 |
HFR 2007, 839 |