Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein eingetragener Verein (als Dritter) ein Grundstück, auf dem eine GmbH (als Pächterin) ein Gebäude ausgebaut hat, so erstreckt sich die Gegenleistung auf den Wert des ganzen Grundstücks einschließlich Gebäude.
Verzichtet die GmbH in einem solchen Fall auf ihren Ausgleichsanspruch, damit der Veräußerer das Grundstück dem eingetragenen Verein überläßt, so ist die Verzichtsleistung auch dann der Gegenleistung hinzuzurechnen, wenn die GmbH in einem Abhängigkeitsverhältnis zum eingetragenen Verein steht.
Normenkette
GrEStG §§ 10, 11/1/1, § 11 Abs. 3 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger, ein eingetragener Verein, erwarb von dem früheren Hotelbesitzer J. durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... Juni 1960 (Vertrag I) ein Hotelgrundstück. Dieses Grundstück hatte J. durch Vertrag vom ... Juli 1952 (Vertrag II) unter Einräumung eines Vorkaufsrechts für 20 Jahre an eine GmbH (GmbH, Pächterin) verpachtet, die gleichzeitig von Mitgliedern des Klägers errichtet worden war. Wegen der von der GmbH beabsichtigten Um- und Ausbauten hatte J. sich durch Ergänzungsvertrag vom ... Mai 1953 (Vertrag III) verpflichtet, bei Veräußerung des Grundstücks an einen Dritten von dem erzielten Kaufpreis den Betrag an die GmbH zu zahlen, um den durch die Investitionen der GmbH der Gebäudewert unter Berücksichtigung des Bauindex gegenüber seinem Wert am 1. August 1952 gestiegen war. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts durch die GmbH war dieser Mehrwert auf den Kaufpreis, wie er mit dem Dritten vereinbart war, gutzubringen. Außerdem verpflichtete sich J., der GmbH auf Verlangen nach Beendigung der Pacht das Grundstück zu einem Preis zu übertragen, der dem gemeinen Wert des Grundstücks nach dem baulichen Zustand am 1. August 1952 zur Zeit des Verkaufs entsprach. Die GmbH wurde nach Erwerb des Grundstücks durch den Kläger durch Beschluß vom ... September 1960 aufgelöst; dieser übernahm deren Aktiven und Passiven.
Nach dem Einleitungssatz zum Veräußerungsvertrag I wurde J. aus seiner Verpflichtung aus dem Pachtvertrag II mit Ergänzungsvertrag III entbunden.
Das Finanzamt (FA) forderte eine Grunderwerbsteuer an. In die Gegenleistung in Höhe des gemeinen Werts des Grundstücks hatte es einen Betrag von X DM einbezogen wegen "Verzichts auf den bisher durch 2 Grundschulden gesicherten Entschädigungsanspruch, soweit der Wertzuwachs des Gebäudes betroffen ist".
Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger mit der Berufung insbesondere geltend, anstelle der GmbH habe er im Einvernehmen aller Beteiligten selbst das Grundstück erworben, weil die GmbH aus organisatorischen Gründen aufgelöst worden sei, und zwar praktisch in dem Zustand vor den Um- und Ausbauarbeiten. Er selbst bzw. die GmbH als sein Organ habe das Gebäude völlig neu durchgestaltet. Von seinen eigenen Investitionen könne Grunderwerbsteuer nicht anfallen.
Das Finanzgericht (FG) hielt die höhere Steuernachforderung nicht für gerechtfertigt, da seines Erachtens Gegenstand des Vertrags nicht - wie das FA meine - das Grundstück in seinem jetzigen Zustand (Zeitpunkt des Vertrags I), sondern in seinem ursprünglichen Zustand (ohne die Investitionen der GmbH) gewesen sei. Daß Pächter nicht der Kläger, sondern die GmbH gewesen sei, sei unerheblich, da die abhängige GmbH die Wertverbesserungen am Grundstück nur im Auftrag und mit Mitteln des Klägers ausgeführt habe, auf den spätestens bei Liquidation der GmbH deren Ansprüche auch formell übergegangen seien.
Mit der Rb. rügt das FA Verletzung der §§ 2 und 11 GrEStG.
Entscheidungsgründe
Die Rb. - jetzt Revision - muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Das FG hat zwar zunächst richtig ausgeführt, daß es für Steuergegenstand (= Grundstück; § 2 GrEStG) und für Besteuerungsgrundlage (= Gegenleistung; § 10 Abs. 1, § 11 GrEStG) grundsätzlich entscheidend darauf ankommen kann, in welchem Zustand ein Grundstück zum Gegenstand des schuldrechtlichen Erwerbsvorganges gemacht worden ist (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, § 2 Tzn. 9, 30, § 11 Tzn. 79, 83, 84). Das kann - je nach den Umständen des Falles - dazu führen, daß ein vom Erwerber eines Grundstücks vor dem Erwerbsvorgang errichtetes Gebäude bereits ihm zuzurechnen ist, dies in dem Sinne, daß der der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) nachfolgende bürgerlich-rechtliche Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 oder 3 GrEStG) zwar das ganze Grundstück (einschließlich Gebäude) umfaßt, die Gegenleistung sich aber nur noch auf den Grund und Boden bezieht (vgl. Urteil des Senats II 30/61 U vom 10. Juni 1964 zu II 5, BFH 80, 33, BStBl III 1964, 486; Boruttau- Klein, a. a. O., § 11 Tz. 85 a). So hat bereits der Oberste Finanzgerichtshof (Urteil II 10/49 S vom 23. August 1949, BFH 54, 392, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Grunderwerbsteuergesetz, § 10, Rechtsspruch 1) entschieden, daß sich die Gegenleistung in dem Kaufpreis für das Grundstück selbst erschöpft, wenn der Käufer auf dem gekauften Grundstück ein Gebäude errichtet hat, so daß die Gebäudeherstellungskosten nicht zur Gegenleistung für das Grundstück gehören (vgl. insoweit auch das Urteil des Senats II 30/63 vom 27. April 1966, BFH 86, 165).
Das FG will diese Grundsätze auch auf den Fall ausdehnen, daß es sich nicht um die Errichtung eines neuen Gebäudes (d. h. im Ergebnis eines Gebäudes auf für den Pächter fremdem Grund und Boden; vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG), sondern lediglich um die Erweiterung oder Verbesserung eines bereits vorhandenen Gebäudes handelt. In dem Urteil II 10/63 vom 27. April 1966 (BFH 85, 477, BStBl III 1966, 427) hat der Senat bereits bemerkt, daß nur ausnahmsweise - jeweils unter Würdigung aller Umstände des Falles - dann davon gesprochen werden kann, der auf Grund eines schuldrechtlichen Nutzungsvertrags Nutzende habe ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden selbst errichtet, wenn das Gebäude durch die Baumaßnahmen nach Art und Umfang derart umgestaltet worden ist, daß das Gebäude nunmehr praktisch als Neubau zu bezeichnen ist. Es muß im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die Aus- und Umbauten durch die GmbH in tatsächlicher Hinsicht die letztgenannten Voraussetzungen erfüllen und ob - verneinendenfalls - der Senat rechtlich der ausdehnenden Auffassung des FG folgen könnte, obwohl - worauf auch das FA hinweist - der Substanzwert der Wertverbesserungen dem Grundstückseigentümer zufloß, während der Pächterin nur ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch in Geld erwuchs. Denn alle diese Grundsätze setzen voraus, und sind entwickelt für den Fall, daß bisher Nutzungsberechtigter (z. B. Pächter) und Grundstückserwerber ein und dieselbe Person ist. Erwirbt dagegen ein Dritter ein Grundstück, auf dem der Nutzende ein Gebäude erbaut oder ausgebaut hat, sei es durch bürgerlich- rechtlichen Erwerb von Grund und Boden mit Gebäude nur vom Eigentümer, sei es durch Erwerb des Grund und Bodens vom Eigentümer und durch Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gebäude vom Nutzenden, so erstrecken sich die Gegenleistungen auf den Wert des ganzen Grundstücks einschließlich des Gebäudes. Eventuelle Ersatzansprüche des Nutzenden für den Gebäude(aus)bau mindern in diesem Fall nicht die Höhe der vom Dritten notwendigerweise auch für das Gebäude zu erbringenden Gegenleistungen.
An diesem Ergebnis ändert sich - jedenfalls grunderwerbsteuerrechtlich - entgegen der Auffassung des FG nichts dadurch, daß Dritter (im Streitfall der Kläger) und Nutzender (im Streitfall die GmbH) in einem (tatsächlichen oder rechtlichen) Abhängigkeits- oder Beteiligungsverhältnis stehen. Kläger und GmbH sind selbständige juristische Personen. Der Senat hat anläßlich eines insoweit ähnlich gelagerten Falles durch Urteil II 170/64 vom 14. Februar 1967 (BFH 88, 66, BStBl III 1967, 346) ausgesprochen, daß das Steuerrecht kein allgemeines Institut der Organschaft in dem Sinn kennt, daß bei einem bestimmten Beteiligungsverhältnis für alle steuerrechtlichen Beziehungen von der Personenverschiedenheit der Organteile abzusehen wäre. Das GrEStG im besonderen läßt die Selbständigkeit der juristischen Personen nur in den engen Grenzen des § 1 Abs. 3 (in Verbindung mit § 2 Abs. 2 UStG) und des § 3 Nr. 7 Satz 1 außer Betracht (vgl. auch Boruttau-Klein, a. a. O., § 1 Tz. 6). Auch wenn also zunächst die GmbH selbst das Grundstück mit den vom FG dargelegten grunderwerbsteuerrechtlichen Auswirkungen erworben und das Grundstück ihrerseits an den Kläger weiterübertragen hätte, so hätte auch dieser zweite Erwerbsvorgang in vollem Umfang der Grunderwerbsteuer unterlegen. Um so mehr ist es unausweichlich, daß der streitige Erwerbsvorgang Grund und Boden und Gebäude (einschließlich der Wertverbesserungen) umfaßt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH kommt als Gegenleistung jede Leistung in Betracht, die der Erwerber aufwenden muß oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. zuletzt Urteile des Senats II 47/62 U vom 22. April 1964, BFH 79, 378, BStBl III 1964, 368; II 38/62 U vom 30. Juni 1965, BFH 83, 36, BStBl III 1965, 514; Boruttau-Klein, a. a. O., § 11 Tz. 7). Auch Leistungen, die ein anderer (die GmbH) als der Erwerber des Grundstücks (der Kläger) dem Veräußerer für die Grundstücksüberlassung an den Erwerber gewährt, sind der Gegenleistung hinzuzurechnen (§ 11 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Ohne den Verzicht der GmbH auf den ihr für den Fall der Grundstücksveräußerung an einen Dritten vereinbarungsgemäß zustehenden Ausgleichsanspruch für ihre Gebäudeverbesserungen hätte der Eigentümer das Grundstück (mit Gebäude) nicht dem Kläger übertragen. Gegen die Höhe des Wertansatzes hat der Kläger Einwendungen nicht erhoben. Die Verpflichtung zum Wertausgleich war vereinbarungsgemäß an dem erzielbaren Preis bzw. gemeinen Wert des Grundstücks orientiert. Nach allem kann der Wertansatz des FA dem Grunde und der Höhe nach nicht beanstandet werden.
Das Urteil des FG, das von anderen rechtlichen Erwägungen ausgeht, mußte aufgehoben werden. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung - jetzt Anfechtungsklage - gegen die Einspruchsentscheidung des FA war mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 412507 |
BStBl III 1967, 346 |
BFHE 1967, 253 |
BFHE 88, 253 |