Leitsatz (amtlich)
Leistet der Sohn als Unternehmer eines vom Vater ererbten gewerblichen Unternehmens an die Mutter laufende, als Pachtzins bezeichnete Zahlungen, zu denen er sich im Zuge einer Erbauseinandersetzung zur Abgeltung des der Mutter vermachten Nießbrauchs am Nachlaß (einschließlich Betrieb und Betriebsgrundstück) verpflichtet hat, so sind diese Zahlungen jedenfalls dann keine Betriebsausgaben des Sohnes, wenn ein Nießbrauch als dingliches Recht, aufgrund dessen die Mutter den Betrieb oder das Betriebsgrundstück an den Sohn hätte verpachten können, nicht entstanden ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen für 1963 bis 1966, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Zahlungen an seine Mutter, zu denen er sich im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung verpflichtete und die als Pachtzahlungen bezeichnet sind, als Betriebsausgaben und verneinendenfalls als Sonderausgaben in voller Höhe (dauernde Last) abziehen kann.
Der Kläger war in den Streitjahren 1963 bis 1966 alleiniger Inhaber eines gewerblichen Unternehmens, das auf den Betrieb einer Kraftfahrzeughandlung, einer Reparaturwerkstätte mit Tankstelle und einer Fahrschule gerichtet war. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 5 EStG.
Das Unternehmen gehörte ursprünglich dem Vater des Klägers. Dieser verstarb am 3. Februar 1963. Er hinterließ ein Testament. Darin waren der Kläger zu 2/3 und sein Bruder zu 1/3 zu Erben eingesetzt. Der Mutter des Klägers war unter anderem der lebenslängliche Nießbrauch am gesamten Nachlaß vermacht. Der Erblasser ordnete eine Teilung des Nachlasses in der Weise an, daß der Kläger das Grundstück N.-Straße 39 und das darauf betriebene gewerbliche Unternehmen und sein Bruder zwei andere Grundstücke bekommen sollten. Außerdem verfügte der Erblasser, daß der Kläger den Nießbrauch seiner Mutter an dem Grundstück N.-Straße 39 und dem Gewerbebetrieb dadurch abgelten solle, daß er ihr den Bruttolohn eines Kraftfahrzeugmeisters zahle, die Kosten des Grundstücks und des Geschäfts trage und ihr eine Vierzimmerwohnung im Hause N.-Straße 39 überlasse.
Am 2. April 1963 schlossen der Kläger, seine Mutter und sein Bruder, dieser gesetzlich vertreten durch einen Pfleger, in notariell beurkundeter Form einen Vertrag. Nach diesem setzten sie sich über den Nachlaß in der Weise auseinander, daß der Kläger u. a. das Grundstück N.-Straße 39 und das hierauf betriebene Unternehmen als Alleineigentümer übernahm, während sein Bruder verschiedene Grundstücke als Alleineigentümer erhielt. Des weiteren war in dem Vertrag wörtlich folgendes bestimmt:
"Herr W. zahlt an Frau M. zur Abgeltung des ihr zustehenden Nießbrauches am Grundstück N.-Straße 39 und insbesondere an dem dort betriebenen Geschäft eine monatliche Pacht von 600 DM ab 1. März 1963 bis zu ihrem Lebensende. Die Pacht soll jeweils dem Bruttogehalt eines Kraftfahrzeugmeisters entsprechen. Erhöht oder ermäßigt sich dieses Bruttogehalt, so soll sich die Pacht entsprechend erhöhen oder ermäßigen.
Herr W. bestellt ferner zugunsten von Frau M. ein lebenslängliches freies Wohnrecht an der jetzt von ihr benutzten Vierzimmerwohnung im I. Stock des Hauses N.-Straße 39 mit Nebengelaß. Er übernimmt auch die Instandhaltung und die Schönheitsreparaturen dieser Wohnung.
...
Herr W. beantragt die Eintragung des vorstehenden Wohnrechtes auf dem ihm allein übertragenen Grundbesitz im Grundbuch.
Herr W. unterwirft sich wegen der Verpflichtung zur Zahlung der Pacht von monatlich 600 DM ab 1. März 1963 der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Er ermächtigt den Notar, der Frau M. jederzeit vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen.
Frau M. verzichtet auf dingliche Sicherung ihrer Pachtforderung."
Bei der Ermittlung des Gewinns aus dem Gewerbebetrieb für 1963 bis 1966 behandelte der Kläger die Zahlungen an seine Mutter in Höhe von monatlich 600 DM als Pachtzins und damit als Betriebsausgaben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) war demgegenüber im Anschluß an eine Betriebsprüfung der Ansicht, daß die Zahlungen des Klägers an seine Mutter kein Pachtzins, sondern außerbetriebliche Versorgungsleistungen seien, die den gewerblichen Gewinn des Klägers nicht mindern, sondern lediglich als Leibrechte mit einem Ertragsanteil von 30 v. H. als Sonderausgaben abgezogen werden könnten. Auf dieser Grundlage erließ das FA am 20. August 1968 berichtigte Einkommensteuerbescheide für 1963 bis 1966.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage mit dem Antrag, für 1963 6 000 DM und für 1964 bis 1966 je 7 200 DM als Betriebsausgaben, hilfsweise diese Beträge als dauernde Last in voller Höhe als Sonderausgaben anzuerkennen.
Das FG wies die Klage ab. Es war der Auffassung, daß die Leistungen des Klägers an seine Mutter keine als Betriebsausgaben abziehbaren Pachtzahlungen darstellten, weil die Mutter des Klägers den Gewerbebetrieb nicht in ihrer Eigenschaft als Nießbrauchsberechtigte an den Kläger verpachtet, sondern sich ihres Nießbrauchsrechts begeben und sich statt dessen die lebenslängliche Zahlung festbestimmter Beträge ausbedungen habe. Die Zahlungen seien Sonderausgaben, könnten als solche aber nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, weil monatlich gleichbleibende Leistungen, also eine Leibrente, vereinbart seien.
Mit der Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, "als die festgestellten Beträge, nämlich die von 6 000 DM für 1963 und je 7 200 DM für die Jahre 1964-1966 als Betriebsausgaben anzuerkennen sind".
Der Kläger rügt insbesondere, das FG habe den Willen der Parteien des Auseinandersetzungsvertrags nicht gewürdigt und sei deshalb zu Unrecht nicht von einer Verpachtung des Nießbrauchsrechtes ausgegangen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die streitigen Zahlungen des Klägers an seine Mutter sind keine Betriebsausgaben, sondern außerbetriebliche Versorgungsleistungen; als Sonderausgaben können sie nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, da eine Leibrente und keine dauernde Last vorliegt.
1. Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG).
a) Erbfall und Erbauseinandersetzung zwischen Miterben und zwischen Erben und Vermächtnisnehmer sind, wie der Senat mehrfach ausgesprochen hat, Vorgänge, die auf privatem, also außerbetrieblichem Gebiet liegen. Erbfall und Erbauseinandersetzung führen deshalb bei einem Erwerb von Gegenständen aus dem Nachlaß durch einen Erwerber, der Miterbe oder Vermächtnisnehmer ist, grundsätzlich weder zu Betriebsausgaben noch zu Anschaffungskosten. Umgekehrt entsteht bei demjenigen, der einen Nachlaßgegenstand oder einen Anteil hieran auf einen Miterben oder Vermächtnisnehmer überträgt, grundsätzlich kein Veräußerungsgewinn; vielmehr können sich in solchen Fällen Gewinnrealisierungen nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Entnahme ergeben (vgl. z. B. Urteile des BFH vom 5. August 1971 IV 243/65, BFHE 103, 345, BStBl II 1972, 114; vom 29. Mai 1969 IV R 238/66, BFHE 96, 182, BStBl II 1969, 614; vom 20. Januar 1966 IV 377/61, BFHE 85, 279, BStBl III 1966, 312).
Nach diesen Grundsätzen können im Streitfall die Zahlungen des Klägers an seine Mutter nicht als Aufwendungen angesehen werden, die durch den Betrieb veranlaßt sind, denn diese Leistungen beruhen auf einem Testament des Vaters des Klägers und einer dem Testamentswillen des Erblassers entsprechenden Erbauseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Bruder als Erben und der Mutter des Klägers als Vermächtnisnehmerin.
b) Bestellt ein Erbe einem Vermächtnisnehmer an einem zum Nachlaß gehörigen Betrieb oder Grundstück des Betriebsvermögens einen testamentarisch angeordneten Nießbrauch und vermietet oder verpachtet der Nießbraucher (Vermächtnisnehmer) anschließend den Betrieb oder das Grundstück an den Erben gegen Zahlung eines angemessenen Miet- oder Pachtzinses, so stellt sich die Frage,
aa) ob die zu a) dargestellten Grundsätze insoweit nicht mehr eingreifen, als die Miet- oder Pachtzinszahlungen des Erben in Frage stehen, diese also beim Erben Betriebsausgaben sind - so offenbar der VI. Senat des BFH für den in gewisser Weise vergleichbaren Fall einer Schenkung unter Lebenden zum Zwecke der Vorwegnahme einer Erbfolge (Urteil vom 8. August 1969 VI R 299/67, BFHE 96, 473, BStBl II 1969, 683) - oder
bb) ob und eventuell unter welchen Voraussetzungen bei der steuerrechtlichen Beurteilung das obligatorische Geschäft für die Nießbrauchsbestellung (Schenkung oder Vermächtnis) bis auf das aus dem dinglichen Recht (Nießbrauch) abgeleitete obligatorische Rechtsverhältnis (Miet- oder Pachtvertrag) durchschlägt und diesem in der Weise das Gepräge gibt, daß die Miet- oder Pachtzahlungen als privat und nicht betrieblich veranlaßt erscheinen.
Im Streitfall kann der Senat diese Frage offenlassen, ebenso wie er auch die weitere Frage dahingestellt lassen kann, ob, wenn man sich für die zu aa) erwähnte Alternative entscheidet, die Belastung des Betriebes oder eines Grundstücks des Betriebsvermögens mit einem Nießbrauchsrecht eine Entnahme des belastenden Betriebsvermögens oder doch wenigstens eine Entnahme eines vom Eigentum als dinglichem Vollrecht abgespaltenen dinglichen Nutzungsrechts enthält und gegebenenfalls bei wem (Erbe oder Vermächtnisnehmer) und mit welchem Wert diese Entnahme steuerlich zu erfassen ist.
Im Streitfall ist, wie die Vorentscheidung zu Recht annimmt, ein Nießbrauch als dingliches Recht am Betrieb oder Betriebsgrundstück, aufgrund dessen die Nießbraucherin aus eigenem Recht einen Miet- oder Pachtvertrag mit dem Kläger über den Betrieb oder das Betriebsgrundstück hätte abschließen können, nicht entstanden.
Der Mutter des Klägers war im Testament der Nießbrauch am Nachlaß vermacht. Als Vermächtnisnehmerin hatte die Mutter des Klägers gegen die Erben lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Bestellung des Nießbrauchs am Nachlaß, insbesondere am Betrieb oder Betriebsgrundstück (§ 2174 BGB). Als dingliches Recht entsteht der Nießbrauch an einem Grundstück durch Einigung und Eintragung im Grundbuch (§§ 1030, 873, BGB), an beweglichen Sachen durch Einigung und Übergabe (§ 1032 BGB) und an Rechten nach den für die Übertragung der Rechte geltenden Vorschriften (§ 1069 BGB), also regelmäßig durch formlose Einigung über die Bestellung eines Nießbrauchs. An einem Vermögen, insbesondere an einem Nachlaß kann der Nießbrauch nur in der Weise bestellt werden, daß der Nießbraucher den Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen gehörenden Gegenständen erlangt (§§ 1085, 1089 BGB).
Im Streitfall hat der Kläger ausweislich der notariellen Urkunde vom 2. April 1963 seiner Mutter weder am Betriebsgrundstück noch an den übrigen Wirtschaftsgütern, die zum Betriebsvermögen gehören, einen Nießbrauch bestellt. Hinsichtlich des Grundstücks wird dies durch die fehlende Eintragung eines Nießbrauchs im Grundbuch besonders augenfällig. Die Mutter des Klägers war deshalb zu keiner Zeit Nießbraucherin am Betrieb oder am Betriebsgrundstück. Die Zahlungen des Klägers an seine Mutter können daher nicht als Zahlungen in Erfüllung eines von der Mutter des Klägers als Nießbraucherin mit dem Kläger abgeschlossenen Miet- oder Pachtvertrags angesehen werden. Der Kläger nutzt den Betrieb oder das Betriebsgrundstück nicht aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags, sondern als Eigentümer.
Wenn die Revision hiergegen einwendet, der Wille der Vertragsparteien sei auf eine Verpachtung des Nießbrauchsrechts am Grundstück und an dem darauf betriebenen Geschäft gerichtet gewesen, so verkennt die Revision, daß eine solche Verpachtung des Nießbrauchsrechts, soweit man diese im Hinblick auf § 1059 Satz 2 BGB für zulässig erachten will, die Entstehung des Nießbrauchs als dingliches Recht voraussetzt. Zu einer Bestellung eines Nießbrauchs ist es im Streitfall aber nicht gekommen.
Auch mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist dem Kläger nicht zu helfen, da diese dort versagt, wo gerade aus der zivilrechtlich dinglichen Natur eines Rechts bestimmte steuerrechtliche Folgen abgeleitet werden sollen.
2. Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, sind unter anderem die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten; bei Leibrenten kann nur der Ertragsanteil abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Der Begriff der Leibrente ist, wie der BFH stets betont hat, nach bürgerlichem Recht zu bestimmen. Danach setzt eine Leibrente ein einheitliches Recht (Rentenstammrecht) voraus, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eingeräumt ist und dessen Erträge in wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen in Geld bestehen. Die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel steht der Annahme einer Leibrente nicht entgegen (vgl. z. B. die BFH-Urteile vom 11. Oktober 1963 VI 59/62 U, BFHE 77, 747, BStBl III 1963, 594; vom 30. November 1967 IV R 12/67, BFHE 91, 79, BStBl II 1968, 262).
Die Vorentscheidung hat die vertraglichen Abreden dahin gewürdigt, daß die Beteiligten ein Recht der Mutter des Klägers auf gleichbleibende monatliche Leistungen, die wertgesichert sind, begründen wollten. Diese Würdigung ist möglich. Sie ist frei von Rechtsirrtümern und widerspricht weder den Denkgesetzen noch allgemeinen Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Annahme einer Leibrente nicht entgegen, daß die Beteiligten nicht ausdrücklich eine Anpassung der Leistungen an veränderte Verhältnisse im Sinne des § 323 ZPO ausschlossen. Das Fehlen eines solchen Ausschlusses kann allenfalls bei Unterhaltsverträgen ein Indiz dafür bilden, daß keine Leibrente, sondern eine dauernde Last vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1973 VIII R 77/69, BFHE 111, 37, BStBl II 1974, 103), nicht hingegen bei Rentenvereinbarungen im Zusammenhang mit Betriebsund Vermögensübertragungen, weil in derartigen Fällen eine materielle Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Anpassung der Leistungen an veränderte Verhältnisse fehlt, sofern eine solche Anpassung nicht vereinbart ist (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., EStG § 22 Anm. 9-10 "Wertsicherungsklausel" mit Nachweisen; BFH-Urteil vom 25. Mai 1973 VI R 375/69, BFHE 109, 446, BStBl II 1973, 680; ferner rechtskräftiges Urteil des FG Nürnberg vom 29. Juni 1973 III 109/71, EFG 1973, 584).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 70912 |
BStBl II 1974, 483 |
BFHE 1974, 141 |