Leitsatz (amtlich)
Gegen die steuerliche Zuverlässigkeit eines Verwenders von steuerbegünstigten Mineralöl bestehen Immer dann schwerwiegende Bedenken im Sinne des § 8 Abs. 5 MinöStG, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, daß er ihm nach dem Mineralölsteuerrecht obliegende besonders bedeutsame Pflichten verletzen wird.
Normenkette
MinöStG § 8 Abs. 5
Tatbestand
Das Hauptzollamt (HZA) erteilte der Klägerin auf deren Antrag am 29. Dezember 1959 die Erlaubnis zur Verwendung von Zollbegünstigtem und unversteuertem Gasöl in zwei Öfen für eine Jahreshöchstmenge von 3 000 kg. In die Erlaubnis wurde am 13. Oktober 1960 eine Zentralheizung einbezogen. Gleichzeitig wurde die Jahreshöchstmenge auf 30 000 kg und am 24. Februar 1964 auf 100 000 kg erhöht. Durch Verfügung vom 27. April 1967 widerrief das HZA die Erlaubnis wegen schwerwiegender Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Inhabers der Klägerin. Die Klägerin legte dagegen „Beschwerde” ein, die von der Oberfinanzdirektion (OFD) durch Entscheidung vom 13. September 1967 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Klägerin erhob daraufhin Klage mit dem Antrag, die Verfügung des HZA vom 27. April 1967 und die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben.
Durch Urteil vom 25. Juli 1968 wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab mit der Begründung, es hätten schwerwiegende Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Inhabers der Klägerin bestanden. Die Zentralheizung sei von einem Tank mit einem Fassungsvermögen von 7 000 I aus versorgt worden. Dieser Tank sei mit einem 3 000 l fassenden Tank verbunden gewesen, der an einer Zapfsäule der Tankstelle der Klägerin vor dem Wohnhaus des Inhabers der Klägerin angeschlossen gewesen sei. Über diese Zapfsäule sei Heizöl zu anderen als den im Erlaubnisschein angegebenen Zwecken entnommen worden. Der Inhaber der Klägerin habe von der Entnahme gewußt. Es sei möglich und wahrscheinlich, daß Heizöl zum Betrieb von Dieselkraftfahrzeugen entnommen worden sei. Außerdem sei wahrscheinlich auch Heizöl zum Erwärmen von Motoren verwendet worden. Es sei sonst unverständlich, daß Heizöl in Fässer gefüllt worden sei, die zur Abbaustelle gebracht werden sollten. Auch daraus ergebe sich, daß der Inhaber der Klägerin sich entweder um die Verwendung des Heizöls durch die Arbeiter nicht gekümmert oder bewußt die Art der Verwendung des bezogenen Heizöls gegenüber dem HZA verschleiert habe.
Gegen das der Klägerin am 5. September 1968 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 4. Oktober 1968 Revision ein.
In der Revisionsbegründung führt die Klägerin aus, es sei nicht bewiesen worden, daß der Inhaber der Klägerin von der Verwendung des Heizöls zu anderen Zwecken Kenntnis gehabt habe. Dieser Beweis habe nur durch Anhörung des Inhabers der Klägerin geführt werden können. Da das nicht veranlaßt worden sei, liege eine Verletzung des § 81 FGO vor. Es bestehe für das Revisionsgericht nicht die Möglichkeit zur Nachprüfung, ob schwerwiegende Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Inhabers der Klägerin bestünden. Dazu habe vom FG festgestellt werden müssen, bei welcher Gelegenheit eine andere Verwendung vorgenommen worden sei. Nicht jede andere Verwendung sei geeignet, schwerwiegende Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit zu begründen. Außerdem reiche nicht aus, daß schwerwiegende Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Erlaubnisscheininhabers in bezug auf die Einhaltung der mineralölsteuerrechtlichen Vorschriften bestünden. Es müßten vielmehr schwerwiegende Bedenken gegen die allgemeine steuerliche Zuverlässigkeit vorhanden sein.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie die Verfügung des HZA vom 27. April 1967 und die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Dem FG ist darin zuzustimmen, daß die Erlaubnis der Klägerin gemäß § 8 Abs. 5 MinöStG rechtmäßig entzogen worden ist. Das FG hat zutreffend dargelegt, daß schwerwiegende Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit der Klägerin als Verwenderin von Mineralöl bestanden haben.
Ein Mineralölverwender ist steuerlich zuverlässig, wenn er die Gewähr bietet, daß er die ihm nach dem Mineralölsteuerrecht obliegenden Pflichten erfüllt. Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 8 Abs. 5 Satz 2 MinöStG bestehen demnach immer dann, wenn die Befürchtung gerechtfertigt ist, der Verwender werde diese Pflichten künftig nicht erfüllen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht erforderlich, daß auch künftige Pflichtverletzungen auf anderen Steuerrechtsgebieten zu befürchten sind. Durch die Entziehung der Erlaubnis sollen Pflichtverletzungen auf dem Gebiet des Mineralölsteuerrechts verhindert werden, so daß die Entziehung auch nur davon abhängig gemacht werden kann, ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Verwenders auf dem Gebiet des Mineralölsteuerrechts bestehen.
Derartige Bedenken müssen nach § 8 Abs. 5 Satz 2 MinöStG allerdings schwerwiegend sein. Die Gewichtigkeit der Bedenken kann nur danach beurteilt werden, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit künftige Pflichtverletzungen zu befürchten sind und welche Bedeutung den Pflichtverletzungen beizumessen ist. Wenn künftige Pflichtverletzungen des Verwenders nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zu befürchten sind, so können die Bedenken gegen dessen steuerliche Zuverlässigkeit nicht als schwerwiegend angesehen werden. Das gleiche muß auch dann gelten, wenn Pflichtverletzungen zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, die Pflichtverletzungen aber nur untergeordnete Bedeutung haben werden. Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Verwenders werden danach immer dann als schwerwiegend anzusehen sein, wenn Pflichtverletzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sind und den Pflichten, mit deren Verletzung zu rechnen ist, besondere Bedeutung zukommt.
Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich schwerwiegende Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Inhabers der Klägerin bereits daraus, daß er die Entnahme des Heizöls über die Zapfsäule geduldet und sich um die weitere Verwendung des Heizöls zumindest nicht gekümmert hat. Diese Feststellungen des FG hat die Klägerin in diesem Verfahren nicht beanstandet. Danach hat der Inhaber der Klägerin seine Pflichten als Verwender auf dem Gebiet des Mineralölsteuerrechts verletzt. Wie in § 22 Abs. 5 Satz 1 MinöStDV vorgeschrieben ist, darf Mineralöl nur zu den im Erlaubnisschein angegebenen Zwecken verwendet werden. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn der Verwender dafür sorgt, daß Heizöl nur zu den im Erlaubnisschein angegebenen Zwecken aus den Lagerstätten entnommen werden kann. Dadurch, daß der Inhaber der Klägerin die Entnahme des Heizöls über die Zapfsäule geduldet und sich um die weitere Verwendung zumindest nicht gekümmert hat, hat er aber dazu beigetragen, daß Heizöl zweckwidrig verwendet werden konnte. Dieses Verhalten rechtfertigt die Befürchtung, daß der Inhaber der Klägerin, falls ihm der Erlaubnisschein nicht entzogen worden wäre, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zeit nach dem 27. April 1967 (Widerruf der Erlaubnis) die Entnahme des Heizöls über die Zapfsäule geduldet und sich um die weitere Verwendung nicht gekümmert hätte. Dadurch hätte er weiterhin seine Pflicht, die Verwendung des Heizöls zu den im Erlaubnisschein angegebenen Zwecken zu sichern, verletzt. Durch diese Pflichtverletzung wäre die Gefahr entstanden, daß das über die Zapfsäule entnommene Heizöl zweckwidrig, insbesondere zum Antrieb von Motoren verwendet worden wäre. Diese Gefahr wäre im vorliegenden Fall deshalb besonders groß gewesen, weil die Klägerin selbst einen Fuhrpark mit Dieselkraftfahrzeugen unterhielt, zu deren Antrieb das Heizöl verwendet werden konnte. Unter diesen Umständen war der Pflicht des Inhabers der Klägerin, die Verwendung des Heizöls zu den im Erlaubnisschein genannten Zwecken sicherzustellen, besondere Bedeutung beizumessen.
Der Auffassung der Klägerin, schwerwiegende Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Inhabers der Klägerin könnten deshalb nicht angenommen werden, weil das FG nicht festgestellt habe, bei welcher Gelegenheit Heizöl zweckwidrig verwendet worden sei, kann nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt worden ist, waren die schwerwiegenden Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Inhabers der Klägerin bereits daraus zu entnehmen, daß er die Entnahme des Heizöls über die Zapfsäule geduldet und sich um die weitere Verwendung zumindest nicht gekümmert hat.
Da schwerwiegende Bedenken gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Inhabers der Klägerin nicht von der tatsächlichen Verwendung des über die Zapfsäule entnommenen Heizöls abhängig sind, hängt die Entscheidung entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht davon ab, ob der Inhaber der Klägerin von der tatsächlichen Verwendung Kenntnis gehabt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 514825 |
BFHE 1970, 565 |