Entscheidungsstichwort (Thema)
(Rückstellung für Versorgungsleistungen an ehemalige Gesellschafter zum 31.12.1985)
Leitsatz (amtlich)
Die Änderung des § 15 Abs.1 EStG, wonach Versorgungsleistungen ab dem Veranlagungszeitraum 1986 den steuerlichen Gewinn nicht mehr mindern dürfen, wirkt sich auf die für solche Versorgungsleistungen in der Bilanz zum 31.Dezember 1985 gebildeten Rückstellungen nicht aus.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Ihr persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer M.R. bezog bis zu seinem Ausscheiden im Jahre 1970 eine Tätigkeitsvergütung. Ab diesem Zeitpunkt erhielt er ein monatliches Ruhegehalt, das nach dem Gesellschaftsvertrag im Falle seines Todes in Höhe von 60 v.H. an seine Witwe zu zahlen war.
M.R. verstarb im Jahre 1982. Sein Gesellschaftsanteil ging auf seine Töchter über, die Ehefrau --die nicht Gesellschafterin wurde-- erhielt die zugesagte Witwenrente. Hinsichtlich der noch verbleibenden Ruhegehaltsverpflichtung in Höhe von 276 791 DM bildete die Klägerin in ihrer --mit der Handelsbilanz übereinstimmenden-- Steuerbilanz erstmals zum 31.Dezember 1985 eine Rückstellung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hielt die Rückstellung im Anschluß an eine im Jahr 1987 durchgeführte Betriebsprüfung zwar dem Grunde nach für zulässig, bewertete sie aber unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16.Juli 1986 IV B 2 - S 2241-65/86 (BStBl I 1986, 359) mit 0 DM. Dementsprechend erhöhte das FA den Steuerbilanzgewinn der Klägerin --unter Berücksichtigung einer hierauf entfallenden Gewerbesteuer in Höhe von 45 000 DM-- um 231 791 DM und verteilte den Mehrgewinn im Verhältnis des gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnverteilungsschlüssels auf die Gesellschafter der Klägerin.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 249 des Handelsgesetzbuches --HGB-- i.V.m. § 6a des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1983 sowie § 15 Abs.1 i.V.m. § 52 Abs.1 EStG).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und unter Abänderung des Gewinnfeststellungsbescheides vom 31.Juli 1987 den Gewinn mit ... DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Klägerin durfte hinsichtlich der am 31.Dezember 1985 noch bestehenden Ruhegehaltsverpflichtung eine Rückstellung bilden.
a) Es liegt eine betriebliche Versorgungsrente vor. Kennzeichnend für eine solche Rente ist, daß "der Gedanke der Entlohnung der früher für den Betrieb geleisteten Dienste im Vordergrund" steht (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7.Dezember 1977 I R 75/77, BFHE 124, 178, BStBl II 1978, 269; vom 25.Oktober 1984 IV R 165/82, BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212; vom 27.Juni 1989 VIII R 337/83, BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888). Das ist hier der Fall. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist das Ruhegehalt anstelle der früher bezogenen Tätigkeitsvergütung zu zahlen.
Der Beurteilung der Zahlungen als betriebliche Versorgungsrente steht nicht entgegen, daß diese nach dem Tod des Gesellschafters an dessen Witwe zu leisten ist (BFH in BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888, m.w.N.).
b) Zahlungen in Erfüllung einer Versorgungsrente sind beim Zahlungsverpflichteten als Betriebsausgaben abzuziehen (BFH-Urteil vom 24.November 1983 IV R 14/83, BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431, und BFH in BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212; BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888). Entsprechend kann für die Verpflichtung zur Zahlung künftiger Versorgungsleistungen eine Rückstellung gebildet werden (BFH-Urteil vom 24.Juli 1990 VIII R 39/84, BFHE 161, 504, BStBl II 1992, 229). Der Klägerin stand insoweit sowohl in der Handelsbilanz (vgl. dazu § 28 Abs.1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch --EGHGB-- und Pankow/Pieger in Beck'scher Bilanzrechtskommentar, 2.Aufl., § 249 Anm.242) als auch in der Steuerbilanz (§ 6a EStG und dazu BFH-Urteil vom 13.November 1975 IV R 170/73, BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142) ein Wahlrecht zu. Die Klägerin hat von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht.
c) Sie konnte dieses Wahlrecht auch in der Handelsbilanz *= Steuerbilanz zum 31.Dezember 1985 noch mit der Folge ausüben, daß der Bilanzgewinn in voller Höhe der restlichen Pensionsverpflichtung gemindert wird.
aa) § 15 Abs.1 EStG ist durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1986 vom 19.Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436, 2447) um einen Satz 2 ergänzt worden. Danach gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nunmehr auch Versorgungsleistungen an einen bereits ausgeschiedenen Gesellschafter oder einen Nichtgesellschafter, sofern dieser als Rechtsnachfolger i.S. von § 24 Nr.2 EStG anzusehen ist.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 161, 504, BStBl II 1992, 229 ausgeführt hat, hat diese gesetzliche Regelung keine Auswirkung auf die Höhe der Rückstellung. Diese ist grundsätzlich unter Berücksichtigung des gesamten zukünftigen Ruhegehalts und damit auch desjenigen Teils dieser Verpflichtung zu bilden, der auf die Zeit nach dem 1.Januar 1986 entfällt. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung inzwischen angeschlossen (BMF-Schreiben vom 10.März 1992 -IV B 2 -S 2241- 12/92, Der Betrieb --DB-- 1992, 712).
bb) An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, daß das StBereinG 1986 bereits am 20.Dezember 1985 und damit vor dem Bilanzstichtag 31.Dezember 1985 in Kraft getreten ist (Art.25 Abs.2 Satz 1 StBereinG 1986). Das StBereinG enthält für die Vorschrift des § 15 Abs.1 Satz 2 EStG --anders als für die mit dem gleichen Gesetz eingefügte Vorschrift des § 15 Abs.3 EStG-- keine Regelung mit Rückwirkung für Veranlagungszeiträume vor 1986 (vgl. Art.7 Nr.23 Buchst.i StBereinG zu § 52 Abs.20 b EStG).
Es bleibt deshalb bei dem durch § 52 Abs.1 Satz 1 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (StSenkG) 1986/1988 vom 26.Juni 1985 (BGBl I 1985, 1153, 1159) allgemein für das EStG bestimmten zeitlichen Geltungsbereich. Danach ist § 15 Abs.1 Satz 2 EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden.
cc) Der Bildung der Pensionsrückstellung stehen auch keine bilanzrechtlichen Hinderungsgründe entgegen.
Zwar ist Voraussetzung jeder Rückstellung, daß sie für eine Betriebsschuld gebildet und die Aufwendungen zu ihrer Erfüllung deshalb abziehbare Betriebsausgaben sein müssen (vgl. z.B. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 5 Anm.39 e, m.w.N.). Das Bilanzrecht wird jedoch vom Stichtagsprinzip beherrscht. Maßgebend für Bilanzansatz und Bewertung sind deshalb die am Bilanzstichtag vorliegenden Verhältnisse (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23.Mai 1984 I R 266/81, BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723, und vom 17.November 1987 VIII R 348/82, BFHE 152, 226, BStBl II 1988, 430). Die Änderung der Rechtslage ab dem 1.Januar 1986 ist eine rechtsgestaltende, keine bloß aufhellende Tatsache, die bei Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen wäre (zu Umfang und Grenzen der sog. Aufhellungstheorie BFH-Urteil vom 26.April 1989 I R 147/84, BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213, m.w.N.). Deshalb ist es auch --entgegen der Ansicht des FG-- ohne Bedeutung, daß bereits mit dem Inkrafttreten des StBereinG 1986 am 25.Dezember 1985 bekannt war, daß die Ruhegehaltsverpflichtung ab 1.Januar 1986 steuerrechtlich nicht mehr als Aufwand berücksichtigt werden kann.
2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht selbst in der Sache entscheiden; sie ist nicht spruchreif. Das FG hat zur Höhe der Pensionsrückstellung keine Feststellungen getroffen. Zu diesem Zweck ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64345 |
BFH/NV 1993, 1 |
BStBl II 1993, 26 |
BFHE 169, 53 |
BFHE 1993, 53 |
BB 1992, 2397 |
BB 1992, 2397-2398 (LT) |
DB 1992, 2420 (LT) |
DStR 1992, 1719 (KT) |
DStZ 1993, 56 (KT) |
HFR 1993, 15 (LT) |
StE 1992, 655 (K) |