Leitsatz (amtlich)
Die Gewinne aus "Schloßbesichtigung" gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die für die Besichtigung freigegebenen Räume eines Schlosses und die darin ausgestellten Gegenstände sind Grundlage für die gewerbliche Tätigkeit und gehören daher zum notwendigen Betriebsvermögen des "Besichtigungsbetriebs".
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 15 (Abs. 1) Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in A einen forstwirtschaftlichen Betrieb und einen Besichtigungsbetrieb (Schloßbesichtigung). In Schloß A befindet sich die Wohnung der Klägerin mit 200 m2 Wohnfläche. Der übrige Teil des Schlosses dient dem Besichtigungsbetrieb. Bewertungsrechtlich ist Schloß A als "sonstiges bebautes Grundstück" beim Grundvermögen erfaßt. Von dem Einheitswert in Höhe von ... DM entfallen auf den Wohnzwecken dienenden Teil ... DM, auf den eigengewerblich genutzten Teil ... DM und auf den Grund und Boden ... DM.
Die Klägerin behandelte Schloß A in den Streitjahren 1969 bis 1972 als Betriebsvermögen und erfaßte es mit seinem vollen Umfang in der Bilanz des Forstbetriebs. Der laufende Unterhalt des Schloßgebäudes wurde entsprechend der jeweiligen Zugehörigkeit zur Forstwirtschaft (Wohnteil) und zum Gewerbebetrieb aufgeteilt, ebenso die Absetzung für Abnutzung (AfA) und die Grundsteuer. Ein größerer Erhaltungsaufwand für Denkmalspflege (Dachreparatur) wurde im Jahre 1971 in Höhe von ... DM als Betriebsausgaben beim Gewerbebetrieb erfaßt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, daß das Schloß A als Privatvermögen zu behandeln sei. Die Wohnung in einem Schloß gehe über den Rahmen des für einen gleichartigen forstwirtschaftlichen Betrieb Üblichen hinaus. Der Wohnteil könne daher entsprechend der bewertungsrechtlichen Beurteilung nicht forstwirtschaftliches Vermögen sein. Der der Besichtigung gewidmete Teil des Schlosses dürfe ebenfalls nicht im forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen geführt werden, weil er mit diesem in keinem Zusammenhang stehe. Dieser Teil gehöre aber auch nicht zum Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs, weil sich dieser nur auf den Besichtigungsvorgang beschränke.
Bei der Ermittlung des Mietwerts der eigengenutzten Wohnung gemäß § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erkannte das FA die anteiligen Gebäudeaufwendungen als Werbungskosten an. Den Erhaltungsaufwand für die Denkmalspflege berücksichtigte es im Rahmen des § 33 EStG nach Maßgabe des Erlasses des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 23. August 1960
S 2110 - 1/47 - 61662 (BStBl II 1960, 173) voll als außergewöhnliche Belastung.
S 2193 - 39
Die gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Zustimmung des FA gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide 1968 bis 1972 erhobene Klage, mit der die Klägerin beantragte, die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung so festzusetzen, wie sie sich ergeben, wenn Schloß A zu 35 v. H. als Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs und zu 65 v. H. als Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs behandelt wird, hatte Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus: Der zu 35 v. H. eigenen Wohnzwecken der Inhaberin des forstwirtschaftlichen Betriebes dienende Teil des Schlosses A sei notwendiges Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Denn von hier aus würden der ... ha große forstwirtschaftliche und der kleinere landwirtschaftliche Betrieb geleitet. Die Wohnfläche von 200 m2 überschreite nicht die bei Betrieben gleicher Art übliche Größe. Der übrige, dem Besichtigungsbetrieb dienende Teil sei notwendiges Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs. Denn der Besichtigungsbetrieb erstrecke sich ausschließlich auf Führungen durch Schloß A und die Besichtigung der damit in Zusammenhang stehenden Kulturgüter. Diese Gegenstände seien deshalb für den Gewerbebetrieb der Klägerin unentbehrlich. Demgemäß errechneten sich für den Gewerbebetrieb Schloßbesichtigung folgende Gewinne:
Wirtschaftsjahr 1968/69 1969/70 1970/71 1971/72
Gewinn lt. Bescheid
./. Änderungen
Summe/Differenz
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA - unter Beschränkung der Revision auf die Streitjahre 1969 bis 1972 - Verletzung materiellen Rechts. Es vertritt die Ansicht: Der zur Besichtigung freigegebene Teil eines Schlosses und die darin ausgestellten Gegenstände würden nicht nach den Grundsätzen von Rentabilität und Wirtschaftlichkeit eingesetzt. Durch das bloße Zurschaustellen unterlägen sie auch keinem Wertverzehr. Es könne ihnen deshalb auch nicht der Charakter von Wirtschaftsgütern zukommen, die im gewerblichen Bereich einer Nutzung zugänglich seien. Als Kulturwerte oder Kulturgüter hätten sie vielmehr ihren eigenen, vom Besichtigungsbetrieb losgelösten selbständigen Wert. Zum Betriebsvermögen rechne nur das speziell dem Besichtigungsvorgang dienende Inventar wie Schaukästen, Absperrvorrichtungen, Kleiderablagen, Fußmatten, Läufer usw. Es widerspreche auch der Verkehrsauffassung, Schloß A als Wohnhaus eines Land- und Forstwirts anzusehen. Zu Unrecht habe das FG bei der Frage, ob die Wohnung die bei Betrieben gleicher Art übliche Größe überschreite, nur auf den Wohnteil von 200 m2 abgestellt. Maßgebend sei vielmehr ebenso wie bei der Einheitsbewertung das äußere Erscheinungsbild des gesamten Schlosses, da auch der Besichtigungszwecken dienende Teil Privatvermögen sei und mit dem Wohnteil demnach eine wirtschaftliche Einheit bilde.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Gewinne aus der Schloßbesichtigung gehören zu den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb. Die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind Betriebsausgaben. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits in seinem Urteil vom 1. August 1957 IV 399/55 U (BFHE 65, 322, BStBl III 1957, 355) entschieden hat, stellt eine Schloßbesichtigung gegen Entgelt einen Gewerbebetrieb dar, wenn nachhaltig Gewinne erzielt werden und nicht nur die Selbstkosten durch die Einnahmen gedeckt werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat insbesondere nachhaltig und in Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Das ergibt sich schon aus der Höhe ihrer Einkünfte. So erzielte sie allein in den Streitjahren 1969 bis 1972 nach der vom FG zu ihren Gunsten berichtigten Gewinnermittlung gewerbliche Gewinne in Höhe von ... DM, ... DM, ... DM, ... DM.
Zutreffend hat das FG den Besichtigungszwecken dienenden Teil des Schlosses dem notwendigen Betriebsvermögen zugerechnet. Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören nach der Rechtsprechung alle Gegenstände, die dem Betrieb unmittelbar dienen, und zwar dergestalt, daß sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind (BFH-Urteil vom 5. April 1979 IV R 48/77, BFHE 128, 49, BStBl II 1979, 554, mit weiteren Nachweisen). Nicht dem Betriebsvermögen zuzurechnen sind solche Wirtschaftsgüter, die der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen dienen (BFH-Urteile vom 14. November 1972 VIII R 100/69, BFHE 108, 304, BStBl II 1973, 289; vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582). Die für die Besichtigung freigegebenen Räume und die darin ausgestellten Gegenstände sind Grundlage für die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin. Sie gehören daher zum notwendigen Betriebsvermögen des "Besichtigungsbetriebs".
Die dagegen erhobenen Einwendungen des FA greifen nicht durch. Es ist, wie das FG zu Recht dargelegt hat, unerheblich, ob die Räume und Gegenstände der Besichtigung als Kulturwert oder Kulturgüter ihren eigenen vom Besichtigungsbetrieb losgelösten selbständigen Wert haben. Entscheidend ist, daß sie dem Besichtigungsbetrieb zugeführt sind. Anhaltspunkte für eine private Nutzung dieser Gegenstände sind vom FA nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.
Es kann auch nicht gesagt werden, daß die dem Besichtigungsbetrieb gewidmeten Gegenstände unrentierlich und unwirtschaftlich eingesetzt seien und unangemessen hohe Aufwendungen verursachen würden. Dagegen sprechen bereits die laufenden Überschüsse der Klägerin. Davon abgesehen könnte ein etwaiger hoher Erhaltungsaufwand grundsätzlich nicht dazu führen, alle oder einzelne Besichtigungsgegenstände und damit zusammenhängenden Ausgaben aus der Gewinnermittlung auszuscheiden. Es müßte dann vielmehr wegen der einheitlich zu würdigenden Tätigkeit der Klägerin insgesamt geprüft werden, ob eine gewerbliche Tätigkeit oder eine steuerrechtlich unbeachtliche Liebhaberei vorliegt.
Nicht entscheidungserheblich ist weiterhin der Einwand des FA, daß die in den Räumen ausgestellten Kunstgegenstände und Sammlungen durch die bloße Besichtigung keinem Wertverzehr unterlägen. Denn für diese hat die Klägerin nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG keine AfA in Anspruch genommen. Es kann deshalb dahinstehen, ob solche Gegenstände abschreibbar wären (vgl. dazu näher BFH-Urteil vom 2. Dezember 1977 III R 58/75, BFHE 124, 172, BStBl II 1978, 164). Einwendungen gegen die Höhe der anteiligen Gebäudeaufwendungen hat das FA nicht erhoben. Sie sind, da sie ausschließlich betrieblich veranlaßt sind, in vollem Unfang gewinnmindernd zu berücksichtigen. Das gilt auch für die der Klägerin gemäß § 7 Abs. 4 EStG zustehende anteilige Gebäude-AfA und den einmaligen Erhaltungsaufwand von ... DM.
2. Zu Recht hat das FG auch den Nutzungswert des Wohnteils des Schlosses den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zugeordnet.
Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG gehört der Nutzungswert der Wohnung des Steuerpflichtigen zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die Wohnung die bei Betrieben gleicher Art übliche Größe nicht überschreitet. Das FG hat dazu unangefochten festgestellt, daß von der Wohnung der Klägerin der forstwirtschaftliche Betrieb von ... ha sowie die kleinere Landwirtschaft geleitet würden und die Wohnung von 200 m2 die übliche Größe der Wohnungen vergleichbarer Ländereien nicht überschreitet. Diese Feststellungen liegen auf tatsächlichem Gebiet. Das Revisionsgericht ist deshalb daran gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die Ansicht des FA, die bei Betrieben gleicher Art übliche Größe werde überschritten, weil das Erscheinungsbild des gesamten Schlosses maßgebend sei, findet keine Stütze im Gesetz. Denn § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG stellt ausdrücklich nur auf den Nutzungswert der Wohnung des Steuerpflichtigen ab. Daraus ergibt sich, daß die Größe und die Bedeutung des Schlosses A insgesamt nicht berücksichtigt werden dürfen, weil der überwiegende Teil des Schlosses A nicht Wohnzwecken der Betriebsinhaberin, sondern gewerblichen Zwecken des Besichtigungsbetriebs dient.
Nicht entscheidend ist, wie Schloß A bei der Einheitsbewertung behandelt worden ist. Denn einkommensteuerrechtlich ist bei einem privat und betrieblich genutzten Grundstück grundsätzlich eine Aufteilung entsprechend der unterschiedlichen Nutzung möglich (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl. 1978, §§ 4, 5 Rdnr. 275). Anders als im Bewertungsrecht hängt die Zurechnung nicht davon ab, welche Zweckbestimmung überwiegt. Es besteht deshalb auch keine Bindung an die bewertungsrechtliche Einordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 73605 |
BStBl II 1980, 633 |
BFHE 1980, 539 |