Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtungsumfang bei Klage nur wegen eines bestimmten Streitpunktes; Bindungsumfang eines Feststellungsbescheides über den verrechenbaren Verlust eines stillen Gesellschafters
Leitsatz (NV)
- Bei dem Einspruch oder der Klage gegen einen Steuerbescheid wegen eines bestimmten Betrages oder eines bestimmten Sachverhalts ist in der Regel nicht von einer bloßen Teilanfechtung auszugehen. Ein Ausnahmefall, in dem nur eine Teilanfechtung anzunehmen ist, setzt voraus, dass der Wille des Klägers, von einem weiteren Klagebegehren abzusehen, deutlicher zum Ausdruck kommt als in der bloßen Anfechtung des Steuerbescheides wegen eines bestimmten Streitpunktes (Bestätigung der Rechtsprechung).
- Wird in einem Feststellungsbescheid über den verrechenbaren Verlust aus einer typisch stillen Beteiligung kein verrechenbarer Verlust oder keine Erhöhung des verrechenbaren Verlustes gegenüber dem Vorjahr festgestellt, weil der Verlust den ausgleichsfähigen Betrag nicht übersteigt, so entfaltet die in dem Bescheid genannte Höhe des Verlustes keine Bindungswirkung. Über die Höhe des ausgleichsfähigen Verlustes ist vielmehr verbindlich im Veranlagungsverfahren des stillen Gesellschafters zu entscheiden.
- Die Berücksichtigung eines auf den typisch stillen Gesellschafter entfallenden Verlustes setzt voraus, dass der Verlustanteil im Jahresabschluss des Unternehmens festgestellt oder vom FA geschätzt worden und im Streitjahr von der Kapitaleinlage des stillen Gesellschafters abgebucht worden ist (Bestätigung der Rechtsprechung).
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 11 Abs. 1, § 15a Abs. 4, § 20 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (EFG 1997, 173) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr (1983), um das es im Revisionsverfahren nur noch geht, mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie war in diesem Jahr alleinige Gesellschafterin der im Jahre 1978 gegründeten Firma B-GmbH mit dem Sitz in X. Gegenstand dieses Unternehmens, dessen Stammkapital … DM betrug, war die Produktion von und der Handel mit … sowohl durch Import als auch durch Export.
Zwischen der B-GmbH und der Klägerin war durch Gesellschaftsvertrag im Jahre 1981 eine typisch stille Gesellschaft vereinbart worden. Danach war die Klägerin mit Wirkung ab 1. Juli 1981 an der B-GmbH als typisch stille Gesellschafterin mit einer Einlage von … DM beteiligt. Diese Einlage war durch nachfolgende Vertragsergänzungen ab 1982 um weitere … DM und ab dem Streitjahr um weitere … DM auf insgesamt … DM aufgestockt worden. Die Gewinn- und Verlustverteilung war in § 5 des Gesellschaftsvertrages im Einzelnen geregelt.
Die B-GmbH erwirtschaftete im Streitjahr wie auch in den übrigen Jahren der stillen Beteiligung der Klägerin Verluste. Die auf die Klägerin als stille Gesellschafterin entfallenden Verlustanteile wurden ihrem im Umlaufvermögen der B-GmbH ausgewiesenen negativen Sonderkonto belastet.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb Verluste aus ihrer stillen Beteiligung an der B-GmbH in Höhe von 260 090 DM. Diese Verluste wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) erklärungsgemäß bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt.
Aufgrund der Folgewirkung einer für die Jahre 1980 bis 1982 durchgeführten Außenprüfung bei der B-GmbH wurde der Jahresabschluss für das Streitjahr (1983) im Jahre 1985 berichtigt. Aus diesem berichtigten Jahresabschluss ergab sich für das Streitjahr statt des in der Einkommensteuer erklärten (und im Einkommensteuerbescheid berücksichtigten) Verlustanteils aus der stillen Beteiligung in Höhe von 260 090 DM ein Verlustanteil von 295 646 DM. Das im Umlaufvermögen der B-GmbH ausgewiesene negative Sonderkonto, mit dem die auf die Klägerin als stille Gesellschafterin entfallenden Verlustanteile belastet wurden, wies dadurch zum 31. Dezember 1983 einen Stand von … DM auf.
Das für die B-GmbH zuständige FA X erließ am 13. Mai 1985 unter Hinweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für 1983 gegenüber der Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes. In diesem Bescheid wurde der verrechenbare Verlust aus der stillen Beteiligung am Ende des Streitjahres wie im Vorjahr mit 17 626 DM festgestellt. Der in dem berichtigten Jahresabschluss ausgewiesene Verlustanteil im Wert von 295 646 DM wurde als im Streitjahr voll ausgleichsfähiger Verlust (negative Einnahmen aus Kapitalvermögen) aufgeführt, der in der Einkommensteuerveranlagung anzusetzen sei.
Die Erhöhung des Verlustanteils der Klägerin aus der stillen Beteiligung um 35 556 DM gegenüber der Einkommensteuererklärung wurde jedoch vom FA in dem Änderungsbescheid zur Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr, der den Gegenstand des Rechtsstreits bildet, nicht berücksichtigt. Neben dem erklärten Verlustanteil von 260 090 DM setzte das FA dagegen auch Zinsgutschriften in Höhe von … DM für ein von der Klägerin der B-GmbH gewährtes Darlehen (als positive Einkünfte aus Kapitalvermögen) an. Mit ihrem Einspruch vom 22. März 1988 wandte sich die Klägerin nur gegen den Ansatz dieser Zinsgutschriften. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit ihrer (fristgerechten) Klage vom 14. Mai 1992 verfolgte die Klägerin zunächst ebenfalls nur das Ziel, den Ansatz der Zinsen zu beseitigen. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 1994 erweiterte sie aber ihr Klagebegehren dahin, auch die Erhöhung des Verlustes aus der stillen Beteiligung von 260 090 DM auf 295 646 DM zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 173 veröffentlichten Entscheidung insoweit statt, als es um den Ansatz der Zinsen ging. Hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Berücksichtigung der Erhöhung des Verlustanteils aus der stillen Beteiligung wies es die Klage ab. Zur Begründung des klageabweisenden Teils seines Urteils führte das FG aus, dass die Festsetzungsfrist für die Berücksichtigung der Erhöhung des Verlustanteils abgelaufen sei. Da die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr am 4. März 1985 abgegeben worden sei, habe die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) im Streitfall gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 mit Ablauf des Jahres 1989 geendet. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO 1977 sei nicht eingetreten, weil der hier in Betracht kommende Grundlagenbescheid, nämlich die gesonderte Feststellung eines (verrechenbaren) Verlustes in Höhe von 295 646 DM durch das FA X, bereits am 13. Mai 1985 gegenüber der Klägerin ergangen sei. Auch aus § 171 Abs. 3 AO 1977 ergebe sich keine Ablaufhemmung. Denn der Ablauf der Festsetzungsfrist werde durch die Einspruchseinlegung nur entsprechend dem Umfang des Rechtsbehelfsantrags gehemmt. Im Streitfall sei mit dem Einspruch vom 22. März 1988 lediglich begehrt worden, die Zinsgutschrift aus dem Darlehen an die B-GmbH mit 0 DM anzusetzen. Das Einspruchsbegehren sei bis zur Einspruchsentscheidung nicht erweitert worden. Auch das ursprüngliche Klagebegehren in der Klageschrift vom 14. Mai 1992 sei hinsichtlich des Streitjahres nur darauf gerichtet gewesen, die der Klägerin gutgeschriebenen Zinsen aus dem der B-GmbH gewährten Darlehen nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusetzen. Bei dieser eindeutigen Eingrenzung des Rechtsbehelfsantrags auf einen ganz bestimmten Streitpunkt sei die Festsetzungsfrist über den 31. Dezember 1989 hinaus nur hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen des Ansatzes von … DM Zinsen gehemmt worden. Dem Begehren der Klägerin auf Erhöhung des Verlustansatzes könne daher nicht entsprochen werden.
Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin. Die Klägerin macht geltend, das FG habe entgegen anderslautenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) ohne nähere Prüfung angenommen, durch den Einspruch sei Teilbestandskraft herbeigeführt worden. Nach der Rechtsprechung des BFH sei aber regelmäßig davon auszugehen, dass ein Rechtsmittel- oder Rechtsbehelfsführer mit der Bezeichnung des zu überprüfenden Sachverhalts auch durch die Nennung der betragsmäßigen Auswirkung oder durch einen bezifferten Klageantrag keine Teilbestandskraft herbeiführen wolle. Nur wenn der Rechtsbehelfsführer eindeutig zu erkennen gegeben habe, er werde von einem weitergehenden Begehren absehen, werde der Steuerbescheid im ausdrücklich nicht angefochtenen Teil teilweise bestandskräftig. Sie ―die Klägerin― habe aber zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben oder zum Ausdruck gebracht, dass durch die Beschränkung des Einspruchs auf einen bestimmten Sachverhalt unter Nennung der betragsmäßigen Auswirkung Teilbestandskraft herbeigeführt werden solle. Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr sei deshalb durch den Einspruch im vollen Umfang angefochten worden und die Festsetzungsfrist daher gemäß § 171 Abs. 3 AO 1977 noch nicht abgelaufen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG, soweit es das Streitjahr betrifft, aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr dahin gehend zu ändern, dass der Verlust aus der stillen Beteiligung an der B-GmbH in Höhe von 295 646 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Dem Begehren der Klägerin, bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr einen höheren Verlustanteil aus der stillen Beteiligung an der B-GmbH zu berücksichtigen, steht entgegen der Auffassung des FG allerdings keine Festsetzungsverjährung entgegen. Denn durch den Einspruch gegen den Steuerbescheid für das Streitjahr und die anschließend erhobene Klage ist nach § 171 Abs. 3 AO 1977 der Ablauf der Festsetzungsfrist immer noch gehemmt.
Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 7. Februar 1992 III R 61/91 (BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592) tritt eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO 1977 zwar nur insoweit ein, als der Steuerbescheid angefochten worden ist. Der Senat hat jedoch hervorgehoben, Satz 2 dieser Vorschrift stelle ―anders als Satz 1― nicht auf den Antrag, sondern auf den Umfang der Anfechtung ab. Bei einer Anfechtung eines Steuerbescheides wegen eines bestimmten Betrages oder eines bestimmten Sachverhalts sei nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87 (BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327) nicht von einer bloßen Teilanfechtung auszugehen. Die Anfechtung umfasse in der Regel den gesamten Einkommensteuerbescheid und die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist trete in vollem Umfang ein. Ein Ausnahmefall, in dem nur eine Teilanfechtung anzunehmen sei, setze voraus, dass der Wille des Klägers, von einem weiteren Klagebegehren abzusehen, deutlicher zum Ausdruck komme als in der bloßen Anfechtung des Steuerbescheides wegen eines bestimmten Streitpunktes.
Diese Auffassung des Senats entspricht der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach einem Rechtsbehelfsführer der Wille zu einer bindenden Beschränkung des Antrags ohne Vorliegen besonderer Umstände nicht unterstellt werden kann (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 I R 76/91, BFHE 168, 1, BStBl II 1992, 995). An dieser Rechtsprechung hat sich auch nichts durch neuere Entscheidungen des BFH geändert, die eine verbösernde Einspruchsentscheidung nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr für zulässig halten, da der Rechtsbehelfsantrag im Regelfall nur auf eine Herabsetzung der Steuer abziele (vgl. u.a. Urteil des BFH vom 27. März 1996 I R 182/94, BFHE 180, 444, BStBl II 1997, 449). Diese neue Rechtsprechung steht, wie der BFH in dem Urteil in BFHE 180, 444, BStBl II 1997, 449 ausdrücklich betont hat, nicht im Widerspruch zu seiner Rechtsprechung, dass ohne Vorliegen besonderer Umstände nicht die Beschränkung eines Rechtsbehelfsantrags unterstellt werden kann. Bei der neuen Rechtsprechung geht es darum, dass im Regelfall nicht davon ausgegangen werden kann, der Steuerpflichtige wolle mit seinem Rechtsbehelfsantrag eine höhere Steuerfestsetzung erreichen. Dagegen handelt es sich bei der herkömmlichen Rechtsprechung um die Frage, ob der Steuerpflichtige mit der Geltendmachung eines bestimmten zu überprüfenden Sachverhalts unter Nennung der betragsmäßigen Auswirkung ausschließen will, z.B. bei späterer besserer Erkenntnis (etwa wegen neuer Rechtsprechung), noch einen zusätzlichen Sachverhalt vorzubringen und eine weitere Steuerherabsetzung zu beantragen. Dies ist, wie ausgeführt worden ist, nach der ständigen Rechtsprechung des BFH regelmäßig zu verneinen.
Danach ist im Streitfall anzunehmen, dass die Klägerin mit ihrem Einspruch und dem ursprünglichen Klageantrag den Steuerbescheid für das Streitjahr in vollem Umfang angefochten hat und das Einspruchsverfahren und den ursprünglichen Klageantrag nicht beschränken wollte. Es sind nämlich keine besonderen Umstände ersichtlich, die auf den Willen der Klägerin zu einer beschränkenden Anfechtung schließen lassen.
2. Obwohl danach der Berücksichtigung eines höheren Verlustes aus der stillen Beteiligung an der B-GmbH im Streitjahr keine Festsetzungsverjährung entgegensteht, hat das FG den von der Klägerin begehrten Ansatz des höheren Verlustes im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Tatsache, dass dieser höhere Verlust in dem Bescheid des FA X vom 13. Mai 1985 über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes als voll ausgleichsfähig bei der Einkommensteuerveranlagung bezeichnet worden ist, ist kein Grund, insoweit der Klage stattzugeben. Denn der Bescheid des FA X entfaltet insoweit keine Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung.
Der Umfang der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides als Grundlagenbescheid wird durch dessen Inhalt bestimmt. Dieser ist, wie der Inhalt eines jeden Bescheides, nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) danach zu bestimmen, wie der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung des FA unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Danach erstreckt sich die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Allgemeinen, d.h. wenn sich aus dem Feststellungsbescheid nichts deutlich anderes ergibt, auf die von dem Feststellungs-FA im Rahmen des gesetzlich vorgegebenen Umfangs zu prüfenden und festzustellenden Besteuerungsgrundlagen (Urteil des erkennenden Senats vom 11. Dezember 1997 III R 14/96, BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401).
Das FA X hat in der Begründung des Bescheids vom 13. Mai 1995 eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Feststellung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 15a Abs. 4 EStG erfolgt. Die Bindungswirkung erstreckt sich demgemäß nur auf die Besteuerungsgrundlagen, die im Rahmen dieser Bestimmungen des EStG festzustellen sind.
Gesondert festzustellen ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.V.m. § 15a Abs. 4 EStG der verrechenbare Teil des Verlustanteils des stillen Gesellschafters am Verlust des Betriebs, d.h. der Betrag innerhalb des Verlustanteils, der bei der Einkommensteuerveranlagung nicht ausgleichsfähig ist, weil durch ihn ein negatives Einlagenkonto entsteht oder ein bereits bestehendes negatives Einlagenkonto erhöht wird. Handelt es sich dabei nur um einen Teilbetrag des Verlustanteils, weil nur in Höhe dieses Teilbetrages ein negatives Einlagenkonto entsteht und daher der andere Teil des Verlustanteils noch ausgleichsfähig ist, wird mit der Feststellung des verrechenbaren Teilbetrages des Verlustanteils zwar zwangsläufig auch der andere Teilbetrag festgestellt, der ausgleichsfähig ist (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 8. Mai 1995 III B 113/94, BFH/NV 1995, 971; Urteil des BFH vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226). Nach der Rechtsprechung des BFH wird damit aber im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 EStG, etwa bei einem Verlustanteil aus einer atypisch stillen Beteiligung, nur über die Aufteilung des Verlustanteils in den verrechenbaren und in den ausgleichsfähigen Betrag entschieden, nicht jedoch über die eigentliche Höhe des Verlustanteils des atypisch still Beteiligten.
Dies folgt daraus, dass die Entscheidung über die Frage, wer an dem von der atypisch stillen Gesellschaft erzielten Gewinn oder Verlust beteiligt ist und wie sich dieser Gewinn oder Verlust auf die einzelnen Gesellschafter (Mitunternehmer) verteilt, für die atypisch stille Gesellschaft in dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 mit bindender Wirkung für das Feststellungsverfahren nach § 15a Abs. 4 EStG zu treffen ist (BFH-Urteile vom 11. Mai 1995 IV R 44/93, BFHE 177, 466; vom 11. November 1997 VIII R 39/94, BFH/NV 1998, 1078). Mit der Frage der Beteiligung und der Verteilung des Verlustes ist zwangsläufig die Feststellung der Höhe des Verlustanteils des atypisch stillen Gesellschafters verbunden. Wäre die Klägerin also an der B-GmbH im Streitjahr nicht typisch, sondern atypisch still beteiligt gewesen, könnte der in dem Bescheid nach § 15a Abs. 4 EStG als voll ausgleichsfähig aufgeführte Betrag des Verlustanteils hinsichtlich der Höhe keine Bindungswirkung haben. Denn die Höhe dieses Betrages, der den gesamten Verlustanteil der Klägerin aus der stillen Beteiligung im Streitjahr ausmacht, wäre in dem Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 für die atypisch stille Gesellschaft bindend festzustellen gewesen.
Im Streitfall gehen die Beteiligten in Übereinstimmung mit dem für die B-GmbH zuständigen FA X und mit dem FG davon aus, dass keine atypisch, sondern eine typisch stille Beteiligung der Klägerin an der B-GmbH gegeben ist. Bei der typischen stillen Beteiligung an einer B-GmbH erfolgt keine einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 für die Einkünfte der stillen Gesellschaft, weil die stillen Gesellschafter (hier die B-GmbH und die Klägerin) nicht an denselben Einkünften beteiligt sind (vgl. zur stillen Unterbeteiligung u.a. BFH-Urteil vom 10. November 1987 VIII R 53/84, BFHE 151, 434, BStBl II 1988, 186). Das kann aber nicht bedeuten, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes wegen der sinngemäßen Anwendung des § 15a Abs. 4 EStG (nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) Bindungswirkungen entfaltet, die er im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 15a Abs. 4 EStG nicht hat. Dabei kann offen bleiben, ob etwas anderes gelten könnte, wenn in dem betreffenden Jahr wirklich ein gegenüber dem Vorjahr erhöhter verrechenbarer Verlust festgestellt wird. In einem solchen Fall ist die Höhe des Verlustanteils des typisch stillen Gesellschafters notwendiger Bestandteil der nach § 15a Abs. 4 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG bindenden Feststellung des erhöhten verrechenbaren Verlustes, da der erhöhte verrechenbare Verlust sich aus der Höhe des Verlustanteils errechnet. Jedenfalls kann die Höhe der Ermittlung des Verlustanteils nicht bindend sein, wenn dieser nicht zu einem verrechenbaren Verlust oder zu einer Erhöhung des verrechenbaren Verlustes gegenüber dem Vorjahr führt, weil er den ausgleichsfähigen Betrag nicht übersteigt. Andernfalls würde, ohne dass es in dem betreffenden Jahr zu einem verrechenbaren Verlust oder zu einer Erhöhung des verrechenbaren Verlustes gegenüber dem Vorjahr kommt, (isoliert) der ausgleichsfähige Verlustanteil aus der stillen Beteiligung festgestellt. Festzustellen ist nach § 15a Abs. 4 EStG aber nur der verrechenbare Verlust, nicht ein Verlustanteil, der im Jahr der Verlustentstehung voll ausgleichsfähig ist (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 15a Rz. 190).
Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus § 15a Abs. 4 Satz 4 EStG. Danach kann der Feststellungsbescheid nur insoweit angegriffen werden, als sich der verrechenbare Verlust gegenüber dem verrechenbaren Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahres verändert hat. Demgemäß wäre der betreffende Steuerpflichtige rechtsschutzlos, wenn in dem Bescheid nach § 15a Abs. 4 EStG auch ein Verlustanteil mit bindender Wirkung festgestellt werden könnte, der voll ausgleichsfähig ist und daher nicht zu einer Erhöhung des verrechenbaren Verlustes gegenüber dem Vorjahr führt. Denn der Steuerpflichtige könnte dann nicht den Bescheid mit dem Ziel angreifen, die Feststellung eines höheren Verlustanteils zu erreichen.
Im Streitfall hat das FA X in dem Bescheid vom 13. Mai 1985 über die Feststellung eines verrechenbaren Verlustes den von der Klägerin geltend gemachten Verlustanteil aus ihrer Beteiligung an der B-GmbH in Höhe von 295 646 DM in voller Höhe als ausgleichsfähig behandelt und demgemäß den verrechenbaren Verlust unverändert gegenüber dem Vorjahr auf 17 626 DM festgestellt. Nach den Annahmen des FA X lag das negative Sonderkonto der Klägerin aus dem für das Streitjahr geltend gemachten Verlustanteil und den Verlustanteilen der Vorjahre in Höhe von … DM noch erheblich unter dem positiven Einlagenkonto der Klägerin im Streitjahr in Höhe von … DM, so dass durch den Verlustanteil kein negatives Einlagenkonto entstehen konnte. Die Bindungswirkung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes für das Streitjahr erfasst folglich nicht den vom FA X als voll ausgleichsfähig behandelten Verlustanteil des Streitjahres in Höhe von 295 646 DM.
3. Nach der danach allein im Veranlagungsverfahren zu treffenden Entscheidung des FA war die Erhöhung des Verlustanteils der Klägerin an der B-GmbH von 260 090 DM auf 295 646 DM (also um 35 556 DM) nicht zu berücksichtigen. Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt oder in dieser Höhe tatsächlich ein ausgleichsfähiger Verlust vorgelegen hat. Denn für den Zeitpunkt der Berücksichtigung von Verlustanteilen des typisch stillen Gesellschafters gilt nach § 11 Abs. 2 EStG das Abflussprinzip. Für den Abfluss der Verlustanteile finden die gleichen Grundsätze Anwendung wie für den Zufluss von Gewinnanteilen nach § 11 Abs. 1 EStG (Dötsch in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rz. F 206). Nach diesen Grundsätzen ist die Erhöhung des etwaigen Verlustanteils der Klägerin an der stillen Beteiligung jedenfalls im Streitjahr nicht abgeflossen.
Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat auch für den Streitfall anschließt, setzt die Berücksichtigung eines auf den typisch stillen Gesellschafter entfallenden Verlustanteils voraus, dass der Verlustanteil im Jahresabschluss des Unternehmens festgestellt oder vom FA geschätzt worden und im Streitjahr von der Kapitaleinlage des stillen Gesellschafters abgebucht worden ist (BFH-Urteil vom 22. Juli 1997 VIII R 57/95, BFHE 184, 21, BStBl II 1997, 755, m.w.N.). Im Streitfall hat sich die von der Klägerin geltend gemachte Erhöhung des Verlustanteils erst aus der als Folge der Außenprüfung für die Jahre 1980 bis 1982 im Jahre 1985 geänderten Bilanz der B-GmbH ergeben. Der erhöhte Verlustanteil ist auch erst dann vom Einlagenkonto der Klägerin abgebucht worden. Die Erhöhung des Verlustanteils kann daher im Streitjahr nicht berücksichtigt werden.
Die Besonderheit des Sachverhalts, dass die Klägerin nicht nur stille Gesellschafterin der B-GmbH war, sondern diese als alleinige Anteilseignerin auch beherrschte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar wird bei den Gewinnanteilen des beherrschenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft der Zufluss der (positiven) Kapitaleinnahmen in der Regel nicht erst mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, sondern bereits nach Jahresabschlussfeststellung und Beschlussfassung über die Gewinnverwendung angenommen (vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 20 Rz. 31, m.w.N. auch zur Rechtsprechung; vgl. ferner nunmehr auch Beschluss des Großen Senats des BFH zur phasengleichen Bilanzierung vom 7. August 2000 GrS 2/99, BFHE 192, 339, Deutsches Steuerrecht 2000, 1682, Der Betrieb 2000, 1993). Würde man aber diese Grundsätze auf den Abfluss von Verlustanteilen eines stillen Gesellschafters an einer von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft übertragen, so könnte man den Abfluss jedenfalls nicht vor der Feststellung des Jahresabschlusses annehmen, in dem dieser Verlustanteil ausgewiesen ist. Da die geänderte Bilanz für das Streitjahr erst im Jahre 1985 aufgestellt worden ist, würde sich also daraus ebenfalls kein Abfluss des erhöhten Verlustanteils im Streitjahr ergeben.
Auch die Rechtsprechung des BFH, wonach ein Gewinnanspruch eines stillen Gesellschafters an einer von ihm beherrschten Kapitalgesellschaft bereits mit Ablauf des Wirtschaftsjahres realisiert ist, in dem der Gewinn bei der Kapitalgesellschaft erwirtschaftet wurde (BFH-Urteil vom 19. Februar 1991 VIII R 106/87, BFHE 164, 34, BStBl II 1991, 569), rechtfertigt im Streitfall keine Berücksichtigung des erhöhten Verlustanteils bereits im Streitjahr. Dabei kann dahin stehen, ob diese Rechtsprechung nicht ohnehin durch den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. August 2000 GrS 2/99 überholt ist. Sie bezieht sich jedenfalls nur auf die Gewinnermittlung beim stillen Gesellschafter durch Betriebsvermögensvergleich. Für die Aktivierung von Gewinnansprüchen im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs gilt das sog. Realisationsprinzip und nicht das Zu- oder Abflussprinzip des § 11 EStG (vgl. zum Realisationsprinzip Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz. 78). Die sich nur auf dieses Realisationsprinzip beziehende Rechtsprechung des BFH ist daher auf den Streitfall nicht zu übertragen. Denn die Klägerin hat ihre eigenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Streitjahr nicht durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.
Fundstellen
Haufe-Index 515019 |
BFH/NV 2001, 415 |
HFR 2001, 440 |
StBp 2010, 137 |