Leitsatz (amtlich)
Der Bundesfinanzhof hält daran fest, daß Arbeitsmittel eines Arbeitnehmers mit einer mehrjährigen Nutzungsdauer nicht bereits im Jahr der Anschaffung voll als Werbungskosten abgesetzt werden können (vgl. z. B. Urteil vom 8. November 1963 VI 43/63 U, BFHE 78, 96, BStBl III 1964, 36). Die Steuergerichte sind - anders als die Finanzverwaltung - selbst dann nicht befugt, im Urteilsweg hiervon abweichende Grundsätze aufzustellen, wenn dies aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Vereinfachung erwünscht wäre.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 2, §§ 7, 9 Nrn. 6-7; LStDV 1965 § 20 Abs. 2 Nrn. 3-4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Jurist. Im Streitjahr 1967 war er Gerichtsreferendar und von Januar bis einschließlich April 1967 neben dem Vorbereitungsdienst als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an einer Universität tätig. Im Einspruchsverfahren gegen den Bescheid des Beklagten und Revisionsklägers (FA) über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1967 erkannte das FA insgesamt 1 008 DM an Werbungskosten des Klägers für Fachliteratur, Fahrtkosten und Aufwendungen für die Vorbereitung zum Assessorenexamen an. Dabei bejahte das FA den Werbungskostencharakter der Aufwendungen des Klägers für Fachliteratur von insgesamt 980,30 DM dem Grunde nach, verteilte sie aber auf einen Zeitraum von fünf Jahren.
Das FG gab der Klage zum Teil statt.
Die Aufwendungen für Fachliteratur kürzte es um 206 DM, weil es sich insoweit um Bücher allgemeinbildender Natur handele. Unter Berücksichtigung der bereits vom FA gewährten AfA ergab sich ein Restbetrag von 774 DM, den das FG voll als Werbungskosten des Streitjahrs ansah. Mit § 9 Nrn. 6 und 7 EStG sei das deshalb vereinbar, weil es sich bei den Büchern um Arbeitsmittel handele, die im allgemeinen Sprachgebrauch nicht als Wirtschaftsgüter im Sinne von § 7 EStG verstanden würden.
Der BFH fordere bei Arbeitsmitteln zwar grundsätzlich die Verteilung der Anschaffungskosten auf die Nutzungsdauer, lasse aber bei Gegenständen mit unbedeutenden Anschaffungskosten auch die Sofortabsetzung zu. Das allein sei auch praktikabel. Abgesehen davon, daß sich für eine ganze Anzahl von Büchern die tatsächliche Nutzungsdauer kaum ermitteln lasse, führe es in den Fällen, in denen in jedem Jahr neue Gegenstände zu unterschiedlichen Preisen angeschafft würden, zu unzumutbaren Abschreibungen und Kontrollen, wolle man der Ansicht des FA folgen. Dabei sei die Grenze, von der ab eine Sofortabschreibung nicht mehr zuzulassen sei, bei 150 DM gegeben.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage nach der vollen Absetzung oder Verteilung der Anschaffungskosten für die Fachliteratur hat das FG die Revision zugelassen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 9 EStG (§ 20 LStDV). Das Urteil weiche von der ständigen Rechtsprechung des BFH ab. Die einzige gesetzliche Bestimmung, die den vollen Abzug der Anschaffungskosten für Wirtschaftsgüter im Jahr des Erwerbs vorsehe, sei § 6 Abs. 2 EStG. Diese Bestimmung könne aber nur bei Steuerpflichtigen angewandt werden, die ihren Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten. Bei Fachbüchern im Wert von 774 DM handele es sich auch nicht um unbedeutende Anschaffungskosten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist zum Teil begründet.
Aufwendungen für Arbeitsmittel, deren Verwendung oder Nutzung durch den Arbeitnehmer zur Erzielung von Arbeitslohn sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, sind nur in Höhe der Jahres-AfA als Werbungskosten zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 EStG, § 20 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 LStDV 1965). Der Kläger kann als Arbeitnehmer die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG nicht in Anspruch nehmen, ohne daß eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes wegen der unterschiedlichen Behandlung von Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, und Arbeitnehmern festzustellen ist (BFH-Urteil vom 8. November 1963 VI 43/63 U, BFHE 78, 96, BStBl III 1964, 36). Es kann dahinstehen, inwieweit es zweckmäßig wäre, im Wege einer Verwaltungsanweisung die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Arbeitsmittel von Arbeitnehmern bis zu einer bestimmten Höhe im Jahr der Anschaffung als Werbungskosten zuzulassen. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung VI 43/63 U eine derartige Vereinfachungsregelung auch angesprochen. Das FG war aber nicht berechtigt, diese auf dem Gebiet des Verwaltungsermessens liegende Entscheidung für das FA zu treffen (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 102 FGO Anm. 2). Da das Gesetz grundsätzlich die Verteilung der Aufwendungen auf die Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter bestimmt, stellt es auch keinen Ermessensfehlgebrauch dar, wenn das FA eine volle Absetzung der Anschaffungskosten im Jahr des Erwerbs der Fachbücher in allen Fällen und ohne Rücksicht auf den Kaufpreis für das einzelne Buch verneint hat. Der Kläger hat auch nicht substantiiert vorgetragen, ob und welche Bücher nur eine Nutzungsdauer von einem Jahr haben, so daß keine Bedenken gegen die Verteilung der gesamten Aufwendungen auf die Dauer von fünf Jahren durch das FA bestehen. Es entspricht insoweit Gründen der Praktikabilität, die mögliche unterschiedliche Nutzungsdauer der Bücher mit diesem Durchschnittswert aufzufangen.
Fundstellen
Haufe-Index 70816 |
BStBl II 1974, 306 |
BFHE 1974, 341 |