Entscheidungsstichwort (Thema)
Realisierung stiller Reserven bei Sacheinlage anläßlich einer Kapitalerhöhung?
Leitsatz (NV)
1. Gehen bei einer Kapitalerhöhung stille Reserven von einer Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 UmwStG) unentgeltlich auch auf Altanteile und auf junge Anteile einer nahestehenden Person über, so tritt zwar keine Gewinnrealisation ein; diese Anteile werden aber insoweit ebenfalls von der Steuerverhaftung des § 21 UmwStG erfaßt.
2. Über die Besteuerung nach § 21 UmwStG ist nicht bei der Feststellung des Gewinns einer eingebrachten Personengesellschaft, sondern grundsätzlich bei der Steuerfestsetzung des Anteilsinhabers zu entscheiden.
Normenkette
UmwStG §§ 20-21
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 1978 wurde die X-GmbH (im folgenden ,,GmbH") gegründet, deren Stammkapital in Höhe von 20 000 DM die beiden Gesellschafter A sen. und B mit je 10 000 DM Bareinlage übernahmen. Gemäß notarieller Urkunde vom 29. Juni 1979 wurde die X-KG (im folgenden ,,KG") mit allen Aktiven und Passiven zu Buchwerten in die GmbH gegen (teilweise) Gewährung von Gesellschaftsrechten an die bisherigen Gesellschafter der KG, (A sen.) als Komplementär und (V) als Kommanditistin, eingebracht. Anläßlich der Einbringung erhöhte die GmbH ihr Stammkapital um 80 000 DM auf 100 000 DM, wovon A jun. und B je 38 000 DM gegen Bareinlage und A sen. sowie V je 2000 DM übernahmen. Die über den Nominalbetrag dieser Gesellschaftsrechte hinausgehenden Buchwerte der Anteile der Gesellschafter der KG wurden als Darlehen bei der GmbH gutgeschrieben.
Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die Anteile an der GmbH seien nicht nach Maßgabe der inneren Werte der Einlagen verteilt worden, so daß im Zuge der Einbringung und Kapitalerhöhung stille Reserven auf die Gesellschaftsanteile der GmbH-Altgesellschafter A jun. und B übertragen worden seien. Es sei deshalb entsprechend Tz. 66 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16. Juni 1978 (BStBl I 1978, 235) eine Gewinnrealisierung gemäß § 21 Abs. 1 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) anzunehmen. Demzufolge erließ das FA am 10. August 1984 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns der eingebrachten KG für 1979, in dem es einen Veräußerungsgewinn in Höhe von . . . DM feststellte und anteilig auf die ehemaligen Gesellschafter der KG verteilte.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 21 UmwStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Entscheidung des FG erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
1. Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, gingen im Streitfall stille Reserven aus der Einbringung der KG in die GmbH auf die bei deren Gründung erworbenen Stammanteile sowie auf die bei der Kapitalerhöhung übernommenen jungen Anteile des A jun. und des B über. Hingegen hat das FG zur Höhe und Verteilung dieser stillen Reserven auf die bisherigen und jungen Anteile keine Feststellungen getroffen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, denn in jedem Fall fehlte es für die vom FA vorgenommene Besteuerung der stillen Reserven an einer Rechtsgrundlage.
§ 21 Abs. 1 UmwStG, den das FA als Rechtsgrundlage heranzog, ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht anwendbar. Ebensowenig greift § 21 Abs. 2 UmwStG ein. Zudem ist über die Besteuerung nach § 21 UmwStG nicht bei der Feststellung des Gewinns einer eingebrachten Personengesellschaft, sondern grundsätzlich bei der Steuerfestsetzung des Anteilsinhabers zu entscheiden.
Insbesondere führt § 21 Abs. 1 UmwStG nur dann zu einer Besteuerung, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert werden. Unter einer Veräußerung in diesem Sinne ist die entgeltliche Übertragung solcher Gesellschaftsanteile auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1988 I R 147/83, BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271; Widmann / Mayer, Umwandlungsrecht, Tz. 7377; Glade / Steinfeld, Umwandlungs- Steuergesetz 1977, Kommentar, 3. Aufl., Rdnr. 1175 und 1207). Dies folgt aus der Erwähnung des Veräußerungspreises in § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG und der dort ferner getroffenen Regelung, wonach bei unentgeltlichem Erwerb der Anteile der Rechtsnachfolger in den Status des Rechtsvorgängers eintritt.
Soweit sich stille Reserven auf die bisherigen und neuen Geschäftsanteile des A jun. und des B übertrugen, mangelt es im Streitfall an einer entgeltlichen Übertragung. Nach den Feststellungen des FG waren diese nicht verpflichtet, den ehemaligen Gesellschaftern der KG für eine Übertragung stiller Reserven ein Entgelt zu zahlen. Überdies wurden insoweit keine ,,Anteile an einer Kapitalgesellschaft" übertragen, zumal die streitgegenständlichen stillen Reserven von einem Einzelunternehmen auf die Gesellschaftsanteile des A jun. und des B übergingen.
2. Der vom FA und vom beigetretenen BMF geltend gemachten analogen Anwendung des § 21 Abs. 1 UmwStG bedarf es im Streitfall schon deshalb nicht, weil die stillen Reserven des eingebrachten Betriebsvermögens der Personengellschaft weiterhin - nach § 21 Abs. 1 UmwStG - steuerverhaftet bleiben. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob über eine Besteuerung in analoger Anwendung des § 21 Abs. 1 UmwStG überhaupt bei der Feststellung des Gewinns des eingebrachten Betriebs usw. zu entscheiden wäre.
a) Die vorgenannte Steuerverstrickung erfaßt zum einen die jungen GmbH-Anteile der bisherigen GmbH-Gesellschafter A jun. und B. Die (ehemaligen) Gesellschafter der KG brachten nämlich deren Betrieb bzw. die an ihr bestehenden Mitunternehmeranteile für Rechnung der bisherigen Gesellschafter der GmbH in diese ein, soweit dabei stille Reserven auf deren neue Geschäftsanteile übergegangen sind (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1981 VIII R 138/80, BFHE 135, 551, BStBl II 1982, 622). Als ehemalige Gesellschafter der KG kannten A sen. und V deren Wert und die beschlossenen Beteiligungsverhältnisse. Es war ihnen daher bewußt und von ihnen gewollt, daß stille Reserven nicht nur auf die von ihnen übernommenen neuen Geschäftsanteile übersprangen; zumindest nahmen sie dies billigend in Kauf, denn andernfalls hätten sie die KG nicht eingebracht.
Diese Auslegung des Willens der ehemaligen Gesellschafter der KG liegt auch in deren erkennbarem Interesse, da ansonstigen - mangels Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 UmwStG - die Einbringung der KG zu einem Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 EStG in voller Höhe geführt hätte (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. April 1975 I R 41/73, BFHE 116, 118, BStBl II 1975, 706), und entspricht deshalb der Sicht eines objektiven Empfängers ihrer Willenserklärung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches). § 20 UmwStG verlangt nämlich nicht nur, daß ein Betrieb in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht wird, sondern auch, daß der Einbringende dafür neue Anteile an der Geellschaft erhält. Sinn und Zweck der §§ 20, 21 UmwStG ist es, den Zeitpunkt der Aufdeckung stiller Reserven im Interesse der Umstrukturierung von Unternehmen in die Wahl der Beteiligten zu stellen, die letztliche Besteuerung dieser stillen Reserven aber durch Übertragung auf die Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft (in voller Höhe) zu sichern, die der Einbringende bei der Sacheinlage erhält (vgl. Begründung zu § 17 UmwStG 1969, BTDrucks. V/3186, S. 14). Deshalb kann § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 (und damit das Wahlrecht der folgenden Absätze dieser Vorschrift) grundsätzlich nur dann eingreifen, wenn die bei der Einbringung nicht realisierten stillen Reserven des eingebrachten Betriebs vollständig auf die anläßlich der Einbringung gewährten Anteile des Einbringenden oder dritter Personen übertragen werden oder zumindest in anderer Weise (nach § 21 UmwStG) steuerverstrickt bleiben.
b) Die vorstehenden Erwägungen gelten insbesondere, soweit im Streitfall stille Reserven der eingebrachten KG auf die Altanteile des A jun. und des B übergingen. Diese bleiben insoweit ebenfalls steuerverstrickt nach § 21 UmwStG 1977. Bezogen darauf haben die Kläger auch ihre Altanteile im Sinne dieser Vorschrift durch Sacheinlage erworben.
3. Im übrigen hat die GmbH das eingebrachte Betriebsvermögen zulässig gemäß § 20 UmwStG mit seinem Buchwert angesetzt und dadurch das Entstehen eines Veräußerungsgewinns gemäß § 16 Abs. 1 EStG vermieden. Insbesondere ist die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 Satz 5 UmwStG nicht anzuwenden, da die den ehemaligen Gesellschaftern der KG gewährten Darlehensansprüche bzw. deren gemeiner Wert den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens nicht übersteigen. Aus der Bestimmung des § 20 Abs. 2 Satz 5 UmwStG folgt, daß die Sacheinlage nicht vollständig mit neuen Gesellschaftsanteilen belegt sein muß. Es genügt vielmehr, daß den Einbringenden - wie im Streitfall - teilweise neue Anteile (und daneben andere Wirtschaftsgüter) gewährt werden (Widmann / Mayer, a. a. O., Rdnr. 6921).
Fundstellen
Haufe-Index 418396 |
BFH/NV 1992, 778 |