Leitsatz (amtlich)
Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt nicht ein, wenn der vermietete Grundbesitz des grundstücksverwaltenden Unternehmens nur für kurze Zeit (zwei bis drei Tage) dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 Sätze 2, 4
Tatbestand
Streitig ist bei der Gewerbesteuerveranlagung 1971, ob die Voraussetzungen für eine Kürzung des gewerblichen Gewinns und der Hinzurechnungen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) erfüllt sind.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, hatte seit den 60er Jahren ihre Tätigkeit auf die Verwaltung und Nutzung ihres Grundbesitzes und Kapitalvermögens beschränkt. Am 28. April 1971 veräußerten ihre Gesellschafter die Geschäftsanteile zu 95 v. H. an die Einzelfirma des Gesellschafters D, zu 5 v. H. an eine GmbH - im folgenden E-GmbH -, an welcher die Eheleute D je zur Hälfte beteiligt waren. Herr D war außerdem - neben der E-GmbH - an einer GmbH & Co. zu 95 v. H. beteiligt, welche ihren Geschäftsbetrieb auf dem gemieteten Grundstück der Klägerin ausübte. Zugleich am 28. April 1971 wurde der Gesellschaftsvertrag der Klägerin neu gefaßt. Der Gegenstand des Unternehmens wurde mit Wirkung ab 1. Mai 1971 geändert. Das Geschäftsjahr wurde vom Kalenderjahr auf den Zeitraum vom 1. Mai bis 30. April des darauffolgenden Jahres umgestellt. Vom 1. Mai 1971 an bestand Organschaft zwischen der Einzelfirma D und der Klägerin, die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) anerkannt wurde.
In der Gewerbesteuererklärung 1971 beantragte die Klägerin die Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Das FA lehnte dies ab, weil ein Teil des Grundbesitzes dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters gedient habe. Der Mietanteil der GmbH & Co. habe 18,23 v. H. betragen; die Nutzungsanteile hätten sich bei den Gebäudeflächen auf 12,98 v. H., bei den Freiflächen auf 0,89 v. H., bei den Gesamtflächen auf 6,24 v. H. belaufen. Bezogen auf die effektiv genutzten Flächen betrügen die Nutzungsanteile bei den Gebäudeflächen 18,11 v. H., bei den Freiflächen 4,51 v. H., bei den Gesamtflächen 14,6 v. H.
Der Einspruch blieb im Streitpunkt ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 1975 S. 272).
In ihrer Revision beantragt die Klägerin die Aufhebung der Vorentscheidung und die Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sowie die entsprechende Änderung des angefochtenen Steuerbescheids sowie der Einspruchsentscheidung. Die Klägerin verweist auf Abschn. 62 Abs. 4 der Gewerbesteuer-Richtlinien und das dort angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. September 1939 I 270/38 (RStBl 1940, 38). Das FG habe nicht berücksichtigt, daß ihr Grundbesitz nur für zwei Tage - bedingt durch den Gesellschafterwechsel vom 28. April 1971 - zu einem unwesentlichen Teil mittelbar dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters gedient habe. Auf die gesamten Mieterlöse bezogen ergebe sich für die genannten zwei Tage ein gewerblicher Mietanteil von 0,18 v. H. Vom 1. Mai 1971 an sei der Gewerbebetrieb der Klägerin infolge der Organschaft nicht mehr Steuergegenstand gewesen. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses über diesen Zeitpunkt hinaus habe daher für die Beurteilung des Streitfalles außer Betracht zu bleiben.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG gilt die Kürzungsvorschrift des Satzes 2 nicht, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters dient. Darunter ist, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, auch ein Gewerbebetrieb zu verstehen, an dem der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. September 1969 I 206/64, BFHE 97, 40, BStBl II 1969, 738; ferner BFH-Urteil vom 18. Dezember 1974 I R 10/73, BFHE 114, 437, BStBl II 1975, 268). Geht man davon aus, daß der Gesellschafter D und die E-GmbH vor dem 28. April 1971 an der Klägerin nicht beteiligt waren, so waren die Voraussetzungen der Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 4 GewStG jedenfalls aufgrund des Gesellschafterwechsels vom 28. April 1971 erfüllt. Auch wenn die Klägerin hiernach nur für zwei Tage diese Tatbestandsmerkmale erfüllte, fehlte es an der vom Gesetz (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) geforderten Ausschließlichkeit der schlichten Grundstücksverwaltung und -nutzung. Diese Ausschließlichkeit muß während des ganzen Erhebungszeitraums gegeben gewesen sein, damit die erweiterte Kürzungsvorschrift für den Erhebungszeitraum angewendet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 1973 I R 199/72, BFHE 109, 138, BStBl II 1973, 563). Der Senat trägt keine Bedenken, dem FG darin zu folgen, daß angesichts des vom FG festgestellten Umfangs des Nutzungsverhältnisses nicht davon die Rede sein kann, daß es sich um einen völlig unwesentlichen Teil des Grundstücks gehandelt habe, welcher bei der Anwendung der Kürzungsvorschrift vernachlässigt werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 72806 |
BStBl II 1978, 505 |
BFHE 1979, 187 |