Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von Werklieferung und Werkleistung bei Veredelungsarbeiten unter Verwendung von elektrischem Strom.
Normenkette
UStG 1951 § 3 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) führte im Rahmen einer Vereinbarung mit einem ausländischen Unternehmen Rohelektroden ein, veredelte sie zu Graphitelektroden und führte diese an die ausländische Auftraggeberin wieder aus. Für die Ausfuhr der Graphitelektroden beantragte und erhielt die Steuerpflichtige Ausfuhrvergütung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) forderte durch Bescheid die Ausfuhrvergütung in Höhe von ... DM zurück. Das FA vertrat dabei die Auffassung, daß es sich bei den von der Steuerpflichtigen vorgenommenen Veredelungen der Rohelektroden nicht um Lieferungen, sondern um nicht vergütungsfähige Werkleistungen handele.
Nach den Feststellungen des FG wurden die eingeführten Rohelektroden in Brennöfen mit Hilfe von elektrischem Strom stark erhitzt und dadurch in Graphitelektroden umgewandelt.
Die Berufung (Klage) hatte keinen Erfolg.
In der Revision beantragt die Steuerpflichtige, die Vorentscheidung aufzuheben. Sie rügt unrichtige Anwendung des § 3 Abs. 2 UStG 1951. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des Veredelungsvorgangs, so führt die Steuerpflichtige aus, müsse davon ausgegangen werden, daß elektrischer Strom Stoffeigenschaft besitze. Dies ergebe sich aus § 4 Nr. 5 UStG 1951 und aus der Rechtsprechung des RFH und des BFH, wonach die Lieferung von elektrischem Strom wie eine Lieferung körperlicher Sachen behandelt werde, obwohl der elektrische Strom keine körperliche Sache sei. Die Fiktion von der Eigenschaft des elektrischen Stromes als Stoff müsse nicht nur bei Lieferungen, sondern auch bei Bearbeitungsvorgängen unter unmittelbarer Verwendung von elektrischem Strom gelten. Diese Fiktion führe in der Konsequenz dazu, daß der elektrische Strom gegenständlich in der Graphitelektrode enthalten sei. Die Graphitierung der Rohelektroden ändere die technische Einsatzfähigkeit der Elektroden in gleichem Maße wie das Verzinken von Eimern deren Verwendungsfähigkeit ändere. Der bei der Graphitierung verwendete elektrische Strom müsse unter der Annahme, daß elektrischer Strom im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ein Stoff sei, als Hauptstoff bei der Werklieferung angesehen werde.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das FG hat den vorliegenden Sachverhalt umsatzsteuerrechtlich zutreffend dahin gewürdigt, daß es sich bei der Veredelung der Rohelektroden zu Graphitelektroden nicht um Lieferungen (Werklieferungen), sondern um sonstige Leistungen (Werkleistungen) handele. Bei dieser Beurteilung hat das FG die Begriffe der Werklieferung und Werkleistung nicht verkannt.
Eine Werklieferung liegt nach § 3 Abs. 2 UStG 1951 dann vor, wenn der Unternehmer für die übernommene Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes Stoffe verwendet, die er selbst beschafft hat. Es muß sich dabei um den Hauptstoff oder um mindestens Teile, wenn auch geringfügige oder geringwertige Teile, handeln (BFH-Urteil V R 122/67 vom 3. Dezember 1970, BFH 101, 451, BStBl II 1971, 355).
Aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 UStG 1951 "hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen und verwendet er hierbei Stoffe" ergibt sich eindeutig daß es sich bei dem Stoff um den Werkstoff handeln muß, das ist der Stoff, der bei der Herstellung verwendet wird. Für die Werklieferung im Sinn des § 3 Abs. 2 UStG 1951 ist wesentlich, daß der be- oder verarbeitete Stoff, der vom Unternehmer beschafft worden ist, geliefert wird. Bildet der be- oder verarbeitete Stoff den Gegenstand der Lieferung, so muß dieser Stoff (Haupt- oder Werkstoff) gegenständlich im Werk enthalten sein (vgl. Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 3 Tz. 146). Dies ergibt sich auch aus § 8 UStDB 1951 (Sonderfall der Leistung). Hier wird davon ausgegangen, daß der Unternehmer den gelieferten gleichartigen Gegenstand aus solchem Stoff - wie dem hingegebenen - herzustellen pflegt.
Im übrigen hat der Senat es in Anknüpfung an die ständige Rechtsprechung des RFH in den Fällen der Materialbeistellung als Voraussetzung für die Anerkennung einer solchen bezeichnet, daß ein stofflicher Beitrag des Bestellers in irgendeiner Form im fertigen Werk enthalten sein muß (BFH-Urteil V 150/55 S vom 21. September 1955, BFH 61, 354, BStBl III 1955, 334).
2. Der Steuerpflichtigen ist einzuräumen, daß elektrischer Strom umsatzsteuerrechtlich als Gegenstand der Lieferungen und damit als körperlicher Gegenstand angesehen wird (vgl. zuletzt BFH-Urteil V 173/56 U vom 7. März 1957, BFH 64, 534, BStBl III 1957, 199).
Geht man mit der Steuerpflichtigen davon aus, daß elektrischer Strom umsatzsteuerrechtlich in jeder Hinsicht einen körperlichen Gegenstand und damit einen Gegenstand der Lieferung darstellt, so setzt die Annahme einer Werklieferung im Streitfall voraus, daß der elektrische Strom als Stoff im Gegenstand der Werklieferung enthalten ist. Das trifft im Streitfall nicht zu. Die Graphitelektroden stellen lediglich das Ergebnis der Wirkungsweise des elektrischen Stromes dar. Elektrischer Strom selbst ist in ihnen als Stoff gegenständlich nicht mehr enthalten. Die Fiktion von der Stoffeigenschaft des elektrischen Stromes greift nur in den Fällen ein, in denen elektrischer Strom Gegenstand des Leistungsaustausches ist. Diese Fiktion besagt jedoch nicht, daß auch die an ein Werkstück abgegebene Arbeit elektrischen Stromes umsatzsteuerrechtlich als Werkstoff zu beurteilen sei. Da der elektrische Strom als Stoff nicht mehr im fertigen Werk (Graphitelektroden) enthalten ist, bedarf es auch nicht der Erörterung, ob er Haupt- oder Nebenstoff bei der Herstellung der Graphitelektroden ist.
3. Die Berufung der Steuerpflichtigen auf das Urteil des Senats V 160/58 U vom 19. Januar 1961 (BFH 72, 303, BStBl III 1961, 112) geht fehl. Der Senat hatte in diesem Urteil das Verzinken von Eisen- und Blecherzeugnissen als Werklieferung beurteilt, weil er das dabei verwendete Zink als einen Hauptstoff angesehen hatte. Zu der Annahme einer Werklieferung hätte der Senat aber nicht kommen können, wenn das Zink nicht gegenständlich in den gelieferten Enderzeugnissen enthalten gewesen wäre. Insofern unterscheidet sich dieser Sachverhalt wesentlich von dem vorliegenden. Im Streitfall ist nicht mehr elektrischer Strom als fingierter körperlicher Gegenstand, sondern lediglich das von ihm bewirkte chemisch-physikalische Ergebnis vorhanden.
Unter diesen Umständen kann die Leistung der Steuerpflichtigen nicht als (vergütungsfähige) Werklieferung, sondern nur als (nicht vergütungsfähige) Werkleistung angesehen werden. Die Vorentscheidung war daher im Ergebnis zu bestätigen.
Fundstellen
BStBl II 1972, 44 |
BFHE 1972, 257 |