Leitsatz (amtlich)
Stellt der Unternehmer zur Ausführung laufender Aufträge seiner Kunden hochwertige Stahlformen her, die jeweils nur zur Durchführung von Aufträgen eines bestimmten Kunden verwendet werden dürfen (kundengebundene Formen), und erhält er vom Kunden bei Beginn der Bestellungen eine die Herstellungskosten der Formen in etwa deckende Anzahlung, die in der Regel innerhalb eines längeren Zeitraums mit einem bestimmten Hundertsatz auf die Rechnungsbeträge der laufenden Lieferungen angerechnet und, soweit diese Anrechnung nicht mehr möglich ist, nicht zurückgezahlt wird, so kann der Unternehmer die Formen als selbständige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens behandeln, davon dem Zeitraum der voraussichtlichen Anrechnung entsprechend AfA vornehmen und unabhängig davon die Anzahlungen und die sich daraus ergebenden Verrechnungsverpflichtungen nach den allgemeinen Grundsätzen bilanzieren.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Gesellschaft) stellte Massenartikel aus Kunststoff jeweils für bestimmte Auftraggeber (Kunden) her. Diese Herstellung erfoderte für jeden einzelnen Auftrag und Artikel die Anfertigung nur der Ausführung dieses Auftrages dienender Spritzgußformen aus hochwertigem Stahl, die im Eigentum der Gesellschaft verblieben, aber für Aufträge anderer Kunden nicht benutzt wurden und nicht benützt werden durften (sog. kundengebundene Form). Zur Finanzierung der kostspieligen Herstellung dieser Formen erhielt die Gesellschaft von Kunden eine mit den Kaufpreisen späterer Lieferungen zu verrechnende Anzahlung, die sich nicht mit den tatsächlichen Herstellungskosten der Formen zu decken brauchte und zum Teil niedriger und zum Teil höher war. Vereinbarungsgemäß wurde diese Anzahlung in Höhe von 5 v. H. der Rechnungsbeträge für künftige, mit den Formen hergestellte und gelieferte Plastikteile so lange verrechnet, bis sie getilgt war. Wenn wider Erwarten künftige Aufträge und Lieferungen unterblieben oder die dafür in Rechnung gestellten Kaufpreise zu der bezeichneten Verrechnung der Anzahlung nicht ausreichten, so verblieb die Anzahlung der Gesellschaft. Streitig war die bilanzmäßige Behandlung der Abwicklung der einzelnen Aufträge im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung 1965.
Die Gesellschaft aktivierte die Herstellungskosten der Formen und nahm auf diese gleichbleibende AfA nach § 7 EStG vor, wobei sie im allgemeinen von einer Nutzungsdauer von vier Jahren ausging. Jede Anzahlung eines Kunden wurde zunächst dadurch erfolgsmäßig neutralisiert, daß die Gesellschaft einen gleichhohen Schuldposten einbuchte, der ihre künftige Verrechnungspflicht mit Kaufpreisen zum Ausdruck bringen sollte. Diese Verbindlichkeit verminderte sich in der Regel durch die Verrechnung der 5 v. H. der Kaufpreise für die späteren Lieferungen. Sobald feststand, daß eine solche Verrechnung nicht mehr möglich sein werde, buchte die Gesellschaft die dann noch bestehende Verpflichtung zugunsten des Ertrages aus.
Der Revisionskläger (FA) erkannte erstmals im Streitjahr diese Verbuchung nicht an und verrechnete den mit 171 263 DM in der Schlußbilanz vom 31. Dezember 1965 aktivierten Formenbestand mit den mit 509 312 DM passivierten Amortisationsverpflichtungen. Er strich weiter den dann verbleibenden Posten der Amortisationsverpflichtungen. Das FA ging davon aus, daß die Anzahlung als Formkostenerstattung zum Kaufpreis der ersten Lieferung gehöre und somit ein Entgelt für diese Lieferung darstelle. Die vereinbarten Formkostenamortisationen seien in Wahrheit ein Vorzugspreis, den der Kunde für spätere Lieferungen wegen der vorhergehenden Finanzierung der Formen erhalte und stelle somit in Wirklichkeit eine erst später wirksam werdende Rabattzusage dar.
Die Sprungklage der Gesellschaft hatte Erfolg. Das FG begründete seine in EFG 1969 S. 394 veröffentlichte Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Wie sich aus den Urteilen des BFH III 15/53 S vom 24. Juli 1953 und I 195/60 U vom 28. Februar 1961, BFH 57, 688 und 73, 322, BStBl III 1953, 264 und 1961, 384, ergebe, müsse die Gesellschaft die hergestellten Formen als Anlagevermögen aktivieren und der geschätzten Nutzungsdauer entsprechend abschreiben. Das habe die Gesellschaft zutreffend getan. Diese lineare AfA dürfe mit den Amortisationsverpflichtungen der Anzahlungen nicht in Zusammenhang gebracht werden. Da nach dem wahrscheinlichen und in der Regel auch eintretenden Geschäftsablauf die Anzahlungen durch die späteren laufenden Kürzungen der Rechnungsbeträge für Lieferungen verrechnet würden, führe jede Anzahlung zunächst in gleicher Höhe zum Ausweis einer künftigen Amortisationsverpflichtung, da die Gesellschaft mit der vollen Rückvergütung der Anzahlung rechnen müsse. Bei dieser späteren vereinbarten Anrechnung der Anzahlungen handle es sich also nicht um die Vereinbarung einer künftigen Rabattgewährung, sondern um eine bestimmte vereinbarte Form der Verrechnung von Anzahlungen auf die Kaufpreise künftiger Lieferungen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt, was auch den Überlegungen des FG zugrunde liegt, von der Eigenschaft der Formen als aktivierungspflichtige und damit nach § 7 EStG auch linear abschreibungsfähige selbständige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens oder als unmittelbar zu den Herstellungskosten der Lieferungen gehörende Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens ab, von denen keine AfA nach § 7 EStG vorgenommen werden darf; damit steht dann die weitere Frage in engem Zusammenhang, welche Bedeutung der Vereinbarung über die Anzahlungen beizumessen ist.
Im aktienrechtlichen Bilanzschema (§ 151 Abs. 1, Aktivseite II A Nr. 6 des Aktiengesetzes 1965 - AktG -) sind anders als in § 131 Abs. 1 A II Nr. 4 AktG 1937 neben der "Betriebs- und Geschäftsausstattung" die "Werkzeuge" nicht mehr gesondert aufgeführt. Sie gehören zur Betriebsausstattung und jedenfalls dann in der Regel zum Anlagevermögen, wenn ihre voraussichtliche Nutzungsdauer länger als ein Jahr ist, und wenn es sich um Gegenstände von erheblichem Wert handelt, die nicht alsbald verbraucht werden. Deshalb rechnen z. B. die Gemeinschaftsrichtlinien für das Rechnungswesen, Teil Buchführung, Ausgabe Industrie (GRB), Formkästen, Vorrichtungen und Modelle zum Anlagevermögen (GRB 201.142). Das gilt auch für die sogenannten Sonderanlagen. Das sind Werkzeuge, Vorrichtungen und Formen, die für einen Sonderbedarf, z. B. für die Ausführung eines bestimmten Auftrages, angeschafft werden. Die Abgrenzung dieser Sonderanlagen von den Sonderbetriebsmitteln, die zum Umlaufvermögen gehören, ist flüssig. Sonderbetriebsmittel sind stärker als Sonderanlagen auftragsgebunden und dürfen deshalb bei der Kalkulation und bei der Ermittlung der Herstellungskosten eines Auftrages nur diesem Auftrag als Fertigungskosten zugerechnet werden (vgl. z. B. Nr. 14 Abs. 1 und 2 der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten vom 21. November 1953, Bundesanzeiger 1953 Nr. 244 vom 18. Dezember 1953 - LSP -). Deshalb werden auch im BFH-Urteil I 195/60 U die Herstellungskosten von Sonderwerkzeugen für einen am Bilanzstichtag noch schwebenden Auftrag zu den aktivierungspflichtigen Aufwendungen des schwebenden Geschäfts gerechnet, ohne daß sich das Urteil allerdings mit der Abgrenzung zum Anlagevermögen befaßt.
Bei der oft schwierigen Abgrenzung der Sonderanlagen und der unmittelbar in die Herstellungskosten eingehenden und zum Umlaufvermögen gehörenden Sonderbetriebsmittel muß in Zweifelsfällen dem Ermessen des Kaufmanns ein gewisser Spielraum gelassen werden, wenn seine konstante und konsequente buchmäßige Behandlung der Vorgänge auf eine längere Zeitperiode gesehen zu einer vertretbaren und betriebswirtschaftlich zutreffenden laufenden Gewinnermittlung führt. Werden der Herstellungsaufwand und die AfA auf die auftragsgebundenen Formen mit der Abwicklung der Aufträge, zu deren Durchführung sie dienen sollen, nicht unmittelbar in Beziehung gebracht und so behandelt, als habe der Unternehmer ein allgemein zur Durchführung von Aufträgen dienendes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens angeschafft (Sonderanlagen), so ist die notwendige Folge, daß diese Sonderanlagen auch linear im Rahmen des § 7 EStG abgeschrieben werden dürfen, und zwar unabhängig davon, ob sie kalkulatorisch anders verrechnet werden oder ob diese Verteilung mit dem durch die Ausführung bestimmter Aufträge im Zusammenhang stehenden Verschleiß des Wirtschaftsguts übereinstimmt. Dienen dagegen die Aufwendungen unmittelbar der Durchführung eines bestimmten Lieferungsvertrages, dann sind die Grundsätze anzuwenden, die für die Aktivierung aller unmittelbaren Aufwendungen für die Herstellung eines von Kunden in Auftrag gegebenen Wirtschaftsguts gelten (Sonderbetriebsmittel). Die Aufwendungen müssen dann in voller Höhe so lange aktiviert bleiben, bis die Lieferung ausgeführt und damit der Gewinn aus der Lieferung realisiert wird. Aus dieser unterschiedlichen Behandlung der Aufwendungen als Sonderanlagen oder als Sonderbetriebsmittel ergibt sich eine gewisse Gewinnverschiebung, die aber nicht dazu führen kann, dem Kaufmann jeden Ermessensspielraum zu versagen, wenn sie nur in betriebswirtschaftlich vertretbarem Umfang verbleibt und mit den allgemeinen Grundsätzen der handelsrechtlichen und steuerlichen Gewinnermittlung nicht im Widerspruch steht.
Der Senat entschließt sich hier in Übereinstimmung mit der Auffassung der Gesellschaft und dem FG für die Möglichkeit, die Aufwendungen für die Formen als Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Sonderanlagevermögens zu behandeln. Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Auffassung, von der auch der III. Senat des BFH in dem bezeichneten Urteil III 15/53 S ausgegangen ist. Entscheidend ist die Tatsache, daß es sich um hochwertige Wirtschaftsgüter handelt, die nicht zur Ausführung eines einmaligen, verhältnismäßig kurzfristigen Auftrages verwendet werden und betriebswirtschaftlich gesehen nicht in ihm aufgehen, sondern dazu bestimmt sind, in einem meist mehrjährigen Zeitraum der Durchführung laufender Aufträge, wenn auch für einen bestimmten Kunden, zu dienen.
Der Auffassung des FG ist weiter darin zuzustimmen, daß die Bilanzierung der jeweils vereinbarten Anzahlungen der Kunden unter dem Gesichtspunkt der kaufmännischen Vorsicht so lange dem regelmäßigen und zu erwartenden Ablauf des Geschehens berücksichtigen müssen, bis der Eintritt einer nicht zu erwartenden Entwicklung wahrscheinlich wird. Es können deshalb keine Einwendungen dagegen erhoben werden, daß die Gesellschaft jede Anzahlung durch eine gleich hohe Anrechnungsverpflichtung auf später entstehende und fällig werdende Kaufpreisansprüche neutralisierte. Denn da die Gesellschaft damit rechnen mußte, daß die Anzahlungen tatsächlich mit ihren späteren Kaufpreisansprüchen verrechnet werden würden, durfte durch die Anzahlungen so lange kein Gewinn realisiert werden, als Lieferungen in Aussicht standen, für die vereinbarungsgemäß die Anzahlungen anteilig bestimmt waren. Es handelte sich also bei jeder Anzahlung um eine Vorauszahlung auf Kaufpreise derjenigen künftigen Lieferungen, die erforderlich waren, um bei der vereinbarten Verrechnungsmethode der Anzahlung zum Verbrauch der Anzahlung zu führen.
Die Ansicht des FA, daß die Sonderkosten für die Formen in vollem Umfang bereits mit der ersten Lieferung verrechnet und durch sie als abgegolten angesehen werden müßten und die späteren Verrechnungen als Rabattgewährungen anzusehen seien, findet weder in der betriebswirtschaftlichen Kostenlehre noch in den handelsund steuerrechtlichen Grundsätzen der Gewinnermittlung eine Stütze. In diesem Zusammenhang wird auf die Verrechnungsmethode hingewiesen, die nach § 10 der allgemeinen Bedingungen für Beschaffungsaufträge des Bundesministeriums für Verteidigung, abgedruckt bei Pribilla, Kostenrechnung und Preisbildung, Loseblattausgabe, Stand 1. Mai 1969, Teil I Nr. 21 d, vorgesehen ist, wo Sonderanlagen und Sonderbetriebsmittel eine große Rolle spielen. Hiernach sollen nur die jeweils anfallenden Abschreibungsbeträge verrechnet werden, wobei zunächst von einem größeren Lieferungsprogramm ausgegangen wird. Erst wenn sich eindeutig herausstellt, daß weitere Aufträge nicht mehr eingehen werden, muß der Auftraggeber den noch nicht verrechneten Restwert erstatten. Die vom FA verlangte Verrechnung mit dem ersten Lieferungsauftrag steht auch mit der tatsächlich vereinbarten, durchgeführten und dem voraussichtlichen und normalen Geschehensablauf entsprechenden Verrechnung im Widerspruch und führt, worauf die Gesellschaft mit Recht hinweist, besonders dann zu einer ungerechtfertigten Gewinnrealisierung und Gewinnverschiebung, wenn dieser erste Auftrag im Verhältnis zu den Kosten der Formen gering ist. Der Annahme einer späteren Rabattgewährung in Höhe von 5 v. H. steht auch entgegen, daß die Preise der einzelnen Lieferungen nur so lange gekürzt werden, bis der Passivposten Anzahlungen getilgt ist, es für eine Rabattgewährung aber typisch ist, daß, je größere Aufträge in Zukunft erteilt werden, sich der Rabatt eher erhöht, aber nicht wegfällt. Der betriebswirtschaftliche Grundgedanke des FA, daß die gesamten Sonderkosten als mit der ersten Lieferung abgerechnet behandelt werden müßten, kann deshalb nicht als zutreffend anerkannt werden.
Diese Grundsätze führen in Übereinstimmung mit dem FG zu folgendem Ergebnis. Der bei der Anzahlung zu bildende Passivposten wird mit jeweils 5 v. H. der Lieferpreise erfolgsneutral verrechnet, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Anzahlung die Herstellungskosten der Formen deckt. Bei Unterdeckung ist die Verrechnung früher abgeschlossen als bei Überdeckung. Erfolgswirksam ist erst die Auflösung des Passivpostens, die bei Ausbleiben von Anschlußlieferungen notwendig wird. Die regelmäßigen Absetzungen von dem aktivierten Formenbestand brauchen nicht mit der Abwicklung der Aufträge gekoppelt zu werden. Erst wenn keine weiteren Aufträge mehr zu erwarten sind, kommt es zu korrespondierenden Buchungen, indem der Restwert der Formen und der Restwert der noch bestehenden Anzahlung ausgebucht werden. Daraus ergibt sich, daß die Sachbehandlung der Aufträge und der Anzahlungen durch die Gesellschaft nicht zu beanstanden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 69280 |
BStBl II 1971, 51 |
BFHE 1971, 249 |