Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Arbeitnehmer können die Bewertungsfreiheit für geringwertige Anlagegüter nach § 6 Abs. 2 EStG nicht in Anspruch nehmen.
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, daß der Gesetzgeber die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG nicht auf Arbeitsmittel (Arbeitsgeräte) von Arbeitnehmern ausgedehnt hat.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 7 Abs. 1, § 9/6, § 9/1/6
Tatbestand
Der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) ist Arbeitnehmer. Im Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1961 machte er die Anschaffungskosten von zwei Büromaschinen, die er beruflich benötigt, als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt setzte die Nutzungsdauer der Maschinen auf 5 Jahre an und ließ demgemäß nach § 9 Ziff. 6 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 EStG 1/5 der Kosten zum Abzug zu. Der Bf. will die Kosten sofort voll abschreiben und beruft sich darauf, daß nach § 6 Abs. 2 EStG Steuerpflichtige, die ihre Gewinne auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, geringwertige Wirtschaftsgüter im Jahre der Anschaffung voll als Betriebsausgaben absetzen können. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geböte, auch Arbeitnehmern diese Vergünstigung zu gewähren. Der Einspruch und die Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht stellt fest, daß die Anschaffungskosten der Maschinen unter 600 DM lagen. Für die vom Bf. erstrebte sofortige Absetzung der ganzen Anschaffungskosten fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 EStG gelte nur für Steuerpflichtige, die Einkünfte (Gewinn) nach § 2 Abs. 3 Ziff. 1 bis 3 EStG erzielten, d. h. für Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende und Angehörige freier Berufe. Auf andere Steuerpflichtige, besonders auf Arbeitnehmer, sei die Vorschrift nicht unmittelbar oder entsprechend anwendbar. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 EStG verstoße auch nicht, wie der Bf. meine, gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG niedergelegten Gleichheitsgrundsatz. Zwischen den Gruppen der Steuerpflichtigen, die Einkünfte nach § 2 Abs. 3 Ziff. 1 bis 3 EStG erzielten und ihren Gewinn gemäß § 4 und § 5 EStG ermittelten, und denen, die Einkünfte im Sinn von § 2 Abs. 3 Ziff. 4 bis 7 EStG bezögen, bestünden so erhebliche Unterschiede, daß auch eine unterschiedliche steuerliche Behandlung zulässig sei.
Mit der Rb. rügt der Bf. die Verletzung des sachlichen Rechts, vor allem dadurch, daß das Finanzgericht die Bestimmung des § 6 Abs. 2 EStG für verfassungsgerecht erklärt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. konnte keinen Erfolg haben.
Die angefochtene Entscheidung wendet die für die Absetzung für Abnutzung auf Arbeitsgeräte und Arbeitsmittel maßgebenden Vorschriften des § 9 Ziff. 6 und § 7 Abs. 1 EStG zutreffend an, indem sie die Anschaffungskosten für die vom Bf. beruflich genutzten Büromaschinen auf die voraussichtliche Nutzungsdauer von fünf Jahren gleichmäßig verteilt.
Der Bf. glaubt, der Gesetzgeber habe das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG dadurch verletzt, daß er nicht auch Arbeitnehmern die erweiterte Abschreibungsmöglichkeit des Art. 6 Abs. 2 EStG für sogenannte geringwertige Anlagegüter eingeräumt, sondern auf Steuerpflichtige beschränkt habe, die als Einkunft den Gewinn nach § 4 und § 5 EStG ermitteln.
Die Erwägungen, aus denen das Finanzgericht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bf. für nicht durchgreifend gehalten hat, sind indessen frei von Rechtsirrtum. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor, wenn ungleiche Tatbestände ungleich behandelt werden (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 2 BvG 1/51 vom 23. Oktober 1951, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 1 S. 14; 1 BvL 39, 44/56 vom 17. März 1959, BVerfGE Bd. 9 S. 201). Den Gleichheitsgrundsatz verletzt der Gesetzgeber nur, wenn er versäumt, tatsächlich Gleiches oder Ungleiches der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu beachten, die bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtung beachtet werden müßten. Das Bundesverfassungsgericht räumt mit Recht dem Ermessen des Gesetzgebers in der Berücksichtigung und Wertung von Lebensverhältnissen einen weiten Spielraum ein. Es ist nach den verfassungsrechtlichen Prinzipien des Grundgesetzgebers nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern nur, ob er die äußersten Grenzen der Gerechtigkeit gewährt hat (vgl. dazu besonders das Urteil des Senats VI 20/58 U vom 28. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 196, Slg. Bd. 66 S. 512). Der Gesetzgeber ist auch grundsätzlich frei in der Wahl der Merkmale, an denen er Gleichheit und Ungleichheit der gesetzlichen Regelung orientiert (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 10/59 vom 16. Juni 1959, BVerfGE Bd. 9 S. 334). Ist eine ungleiche Regelung sachlich hinreichend gerechtfertigt und hält sie sich in den gebotenen Grenzen, so ist der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 29/57, 20/60 vom 21. Februar 1961, BVerfGE Bd. 12 S. 151, BStBl 1961 I S. 55 ff.). Von diesen Grundsätzen geht auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus (vgl. die Zusammenstellung bei Grimm, "Besteuerung und Grundgesetz", vor allem S. 7 ff).
Die Regelung des § 6 Abs. 2 EStG verstößt nach diesen Grundsätzen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie macht keine willkürlichen und sachlich ungerechtfertigten Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen von Steuerpflichtigen. § 6 Abs. 2 EStG dient in erster Linie der Vereinfachung der Buchführung und Bilanzierung bei buchführenden Steuerpflichtigen. Der Gesetzgeber will Steuerpflichtigen, von denen er im Interesse der Besteuerung die erhebliche Mehrarbeit der Buchführung und Bilanzierung verlangt, die Arbeit dadurch erleichtern, daß er ihnen in § 6 Abs. 2 EStG die Freiheit gibt, geringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Jahre der Anschaffung sofort voll zu Lasten des Gewinns abzuschreiben. Die Wertgrenze liegt zur Zeit bei 600 DM. Die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG führt nicht zu einer endgültigen Gewinnschmälerung, sondern zu einer Gewinnverlagerung innerhalb mehrerer Jahre. Macht ein Steuerpflichtiger von der Bewertungsfreiheit im Anschaffungsjahr Gebrauch, so hat er in den folgenden Jahren keine Abschreibungsmöglichkeit mehr. Veräußert dieser Steuerpflichtige abgeschriebene geringwertige Wirtschaftsgüter, so entsteht für ihn in Höhe der Veräußerungspreises ein außerordentlicher Ertrag, der dem Gewinn des Veräußerungsjahrs zugute kommt. Die Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 2 EStG bringt den Steuerpflichtigen, für die er gilt, also zwar den Vorteil einer Gestaltungsmöglichkeit, ohne sie aber endgültig steuerlich zu bevorzugen.
Die Rechtslage ist bei Arbeitnehmern wesentlich anders als bei buchführenden Steuerpflichtigen. Veräußert ein Arbeitnehmer einen abgeschriebenen Gegenstand (Arbeitsmittel), so entsteht dadurch für ihn kein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn, sondern ein von der Einkommensteuer nicht zu erfassender außerbetrieblicher Vermögenszuwachs. Würde der Gesetzgeber auch Arbeitnehmern die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG geben, so würden dadurch Steuerausfälle eintreten, die bei den durch § 6 Abs. 2 EStG begünstigten Personengruppen nicht eintreten. Wenn der Gesetzgeber die vom Bf. erstrebte Regelung treffen würde, so könnten sich eher sogar die bisher durch § 6 Abs. 2 EStG begünstigten Gruppen auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes berufen, weil nämlich dann die Bewertungsfreiheit bei Arbeitnehmern vielfach zu einer endgültigen steuerlichen Entlastung führte, während sie bei den bisher begünstigten Gruppen nur zu einer Gewinnverlagerung führt.
Selbst wenn man aber auch der Rechtsauffassung des Bf. folgen wollte, könnte seine Rb. keinen Erfolg haben. Denn dann könnten die Gerichte nur die Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 2 EStG feststellen mit der Folge, daß die bisher begünstigten Personengruppen keinen Anspruch auf die Begünstigung mehr hätten. Durch eine Nichtigkeitserklärung des § ( Abs. 2 EStG könnte aber der Bf. nicht das von ihm erstrebte Ergebnis erreichen daß die Steuergerichte auch ihm die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG zugeständen, also den Angehörigen einer Personengruppe, denen der Gesetzgeber die Bewertungsfreiheit nicht gewähren wollte.
Aus der Tatsache, daß Aufwendungen für geringwertige Arbeits- oder Fortbildungsmittel, z. B. für Fachzeitschriften u. ä., gewöhnlich sofort voll zum Abzug zugelassen werden, kann der Bf. nicht herleiten, daß ihm auch für seine Büromaschinen die sofortige Absetzung gestattet werden müßte. Es steht im Ermessen der Finanzverwaltungsbehörden, ob sie, wie es tatsächlich zuweilen geschieht, aus Gründen der Vereinfachung kleinere Ausgaben sofort zum Abzug zulassen. Es ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie bei Wirtschaftsgütern, deren Anschaffungskosten nicht unbedeutend sind und die der Steuerpflichtige mehrere Jahre benutzt, die in § 9 Ziff. 6 und § 7 Abs. 1 EStG vorgeschriebene Verteilung der Anschaffungskosten auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung verlangen (vgl. Hartz-Over, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: "Abnutzung eines Wirtschaftsgutes").
Fundstellen
Haufe-Index 411022 |
BStBl III 1964, 36 |
BFHE 1964, 96 |
BFHE 78, 96 |