Entscheidungsstichwort (Thema)
Damnum - Werbungskosten bei Einfamilienhaus
Leitsatz (NV)
Ein Damnum, das vereinbarungsgemäß vor Ansatz des Grundbetrages nach § 21 a Abs. 1 EStG durch Zahlung getilgt wird, ist in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar, wenn kein Gestaltungsmißbrauch vorliegt. Das gilt auch bei Zahlung des Damnums aus einem Zwischenkredit, den ein Dritter gewährt hat.
Normenkette
EStG § 21a; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie errichteten im Streitjahr 1980 ein Einfamilienhaus, das sie seit dem 28. Dezember 1980 bewohnen. Zur Endfinanzierung schlossen sie mit der A-Bank, vertreten durch die B-Bank, einen Darlehensvertrag über zwei Darlehen von insgesamt 239 000 DM. Die Darlehen sollten nach dem Vertrag mit 92,25 v. H. ausgezahlt werden.
Gleichzeitig schlossen die Kläger mit der B-Bank zwei Darlehensverträge über Bauzwischenkredite von 215 000 DM und 25 000 DM. Aus dem Zwischenkredit überwiesen sie am 16. Dezember 1980 das Damnum von 18 522,50 DM für die Endfinanzierungsdarlehen an die A-Bank. Am 15. Januar 1981 teilte diese den Klägern mit, sie habe die Darlehenssumme der Endfinanzierungsdarlehen - ohne Kürzung um das Damnum - nach Abzug von Zinsen und Bereitstellungszinsen vereinbarungsgemäß ,,per 1. Januar 1981" überwiesen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) ließ bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1980 das Damnum nicht zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu. Nach insoweit erfolglosem Vorverfahren trugen die Kläger zur Begründung ihrer Klage u. a. vor, sie hätten zunächst vereinbart, das Damnum aus einem fälligen Bausparvertrag im voraus zu entrichten. Aufgrund von Gesprächen mit Vertretern der B-Bank hätten sie dann das Damnum zu Lasten des Zwischenkredits gezahlt und die Bausparsumme für die Entlohnung eines Architekten verwendet.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Das Damnum sei im Streitjahr nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar, weil die Überweisung nicht mit der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehe. Die Kläger hätte keine Veranlassung gehabt, das Damnum bereits am 16. Dezember 1980 zu zahlen. Daß die A-Bank und die B-Bank möglicherweise mit der vorzeitigen Überweisung des Betrages, der dem Damnum entspricht, einverstanden gewesen seien, ändere nichts. Denn die vorzeitige Zahlung sei nicht Vertragsinhalt gewesen. Der Abzug scheitere auch dann an § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn man den wirtschaftlichen Zusammenhang der umstrittenen Zahlung mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkenne. Grundsätzlich entspreche zwar bei Banküberweisungen der Zeitpunkt der Leistung im Sinne dieser Vorschrift dem Zeitpunkt der Auftragserteilung bzw. Lastschrift. Das könne aber dann nicht gelten, wenn der Steuerpflichtige einen Betrag von einem Bankkonto auf ein anderes überweise, über die er beide verfügungsberechtigt sei. Schließlich sei jedenfalls § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) anzuwenden.
Dagegen wenden sich die Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision, mit der sie Verletzung der §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG rügen. Auch wenn man davon ausgehe, daß sie das Damnum am 16. Dezember 1980 vor Fälligkeit bezahlt hätten, sei es im Streitjahr als Werbungskosten abziehbar. Da die Endfinanzierungsdarlehen am 1. Januar 1981 ausgezahlt werden sollten, seien sie als ordentliche Kunden gehalten gewesen, das Damnum unter Berücksichtigung der anstehenden Feiertage rechtzeitig vorher zu überweisen. Es liege daher keine willkürliche Vorauszahlung des Damnums vor. Darauf, daß nach den Gepflogenheiten des Kreditgewerbes das Damnum bei der Darlehensauszahlung verrechnet werde, komme es nicht an. Denn sie hätten mit der A-Bank vereinbart, daß diese den vollen Darlehensbetrag der Endfinanzierungsdarlehen zur Abdeckung der Zwischenkredite überweisen sollte. Deshalb hätten sie das Damnum an die A-Bank zahlen müssen. Das FG habe zudem den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Zahlung des Damnums und der Fälligkeit der Endfinanzierungsdarlehen unberücksichtigt gelassen.
Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid 1980 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, daß weitere 18 522,50 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Entscheidung der Vorinstanz verletzt § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG.
1. Nach dieser Vorschrift sind Ausgaben in dem Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Beschluß des Großen Senats vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144; Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, und Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1987 IX R 85/85, BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492) kommt es für den Zeitpunkt der Leistung des Damnums auf die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten an, sofern sie tatsächlich durchgeführt worden sind. Ein vom Darlehensschuldner vereinbarungsgemäß vor Auszahlung des Darlehens an den Darlehensgläubiger geleistetes Damnum ist danach im Zeitpunkt der Zahlung als Werbungskosten abziehbar. Erfolgt die Zahlung vor Ansatz des Grundbetrages nach § 21 a Abs. 1 EStG, so greift die Beschränkung der Abziehbarkeit nach § 21 a Abs. 3 EStG grundsätzlich nicht ein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn zwischen der Zahlung des Damnums und der Auszahlung des Darlehens kein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und deshalb die Vorauszahlung des Damnums rechtsmißbräuchlich ist. Ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, wenn das Darlehen innerhalb eines Monats nach Zahlung des Damnums ausgezahlt wird (Urteile in BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, und vom 13. Dezember 1983 VIII R 64/83, BFHE 140, 437, BStBl II 1984, 426; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 14. Januar 1986 IX R 188/84, BFH / NV 1986, 280).
Hat sich der Darlehensnehmer dagegen, um die volle Auszahlung eines Darlehens zu erreichen, für das vereinbarte Damnum vom Gläubiger ein zusätzliches Darlehen gewähren lassen, so kann er, wenn die Vereinbarungen eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit bilden, nur die zur Tilgung des Zusatzdarlehens geleisteten Teilbeträge gleich einem Damnum als Werbungskosten absetzen. Diese sog. Tilgungsstreckung bedeutet wirtschaftlich eine Stundung des Damnums (Urteil des BFH vom 26. November 1974 VIII R 105/70, BFHE 114, 412, BStBl II 1975, 330, m. w. N.).
Der erkennende Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Zur Begründung wird auf das Urteil vom 8. November 1988 IX R 142/83, BFH / NV 1989, 4 verwiesen.
2. Nach diesen Grundsätzen durfte das FG die Abziehbarkeit des Damnums als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht mit der Begründung verneinen, das Damnum stehe nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und sei nicht im Streitjahr abgeflossen.
a) Der wirtschaftliche Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist schon deshalb zu bejahen, weil das Damnum Teil des Entgelts ist, das die Kläger für ein Darlehen zur Finanzierung des Baus des Einfamilienhauses zu entrichten hatten. Das Damnum gehört zum Gesamtentgelt für die Kapitalnutzung (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1988 IV R 47/85, BFHE 153, 543, m. w. N.).
b) Die Kläger haben das Damnum vor Beginn der Selbstnutzung des Einfamilienhauses an die A-Bank überwiesen und damit i. S. des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG geleistet (vgl. zum Zeitpunkt der Leistung bei Überweisung Urteil des erkennenden Senats vom 11. August 1987 IX R 163/83, BFHE 152, 440). Ein Fall der sog. Tilgungsstreckung, bei dem das Damnum nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erst mit der Tilgung des Zusatzdarlehens geleistet ist, liegt nicht vor, weil der Zwischenkredit, aus dessen Mitteln die Kläger das Damnum überwiesen haben, von einem anderen Gläubiger stammt als das Hauptdarlehen. Die beiden Gläubiger sind zwar nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wirtschaftlich miteinander verflochten (Mutter- und Tochtergesellschaft), rechtlich jedoch selbständig. In den Fällen der sog. Tilgungsstreckung vereinbaren zudem Gläubiger und Schuldner, daß das Damnum - vor oder neben dem Hauptdarlehen - erst mit der Tilgung des Zusatzdarlehens geleistet wird. Im vorliegenden Fall haben die Vertragsparteien nach dem Vortrag der Kläger dagegen vereinbart, das Damnum im voraus und in einer Summe aus dem Zwischenkredit zu tilgen.
c) Die Vorauszahlung des Damnums stellt auch keinen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar (§ 42 AO 1977), weil die A-Bank die Endfinanzierungsdarlehen noch innerhalb eines Monats nach Überweisung des Damnums ausgezahlt hat.
3. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung führt die Vorauszahlung des Damnums indes nur dann zu einem Abfluß des Aufwandes i. S. von § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, wenn der Zahlung eine Vereinbarung der Parteien des Darlehensvertrages zugrunde liegt. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, daß die Vorauszahlung zur Tilgung des Damnums führt. Die Sache ist insoweit nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen eine abschließende Entscheidung nicht zu. Das FG hat nicht festgestellt, ob die Überweisung des Damnums vor der Auszahlung der Endfinanzierungsdarlehen auf einer Vereinbarung der Vertragsparteien beruht. Im Tatbestand seines Urteils führt das FG zwar aus, die Kläger hätten das Damnum am 16. Dezember 1980 mit Einverständnis der Gläubigerbanken überwiesen; in den Entscheidungsgründen läßt das FG aber dahinstehen, ob das Einverständnis vorgelegen habe, weil die vorzeitige Zahlung des Damnums jedenfalls nicht Vertragsinhalt geworden sei. Das FG wird die tatsächlichen Feststellungen darüber, ob und welche Vereinbarungen der Überweisung des Damnums zugrunde lagen, nachzuholen haben und dazu erforderlichenfalls den von den Klägern benannten Zeugen hören müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 62380 |
BFH/NV 1989, 496 |