Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmereigenschaft: alleinige Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG als deren Liquidatorin, Geschäftsführung des Gesellschafters für die Gesellschaft gegen Sonderentgelt
Leitsatz (amtlich)
Eine GmbH war als Liquidator einer GmbH & Co. KG, deren Geschäfte sie als alleiniger persönlich haftender Gesellschafter geführt hatte, unternehmerisch tätig, wenn sie die Liquidatorentätigkeit gegen Zahlung eines (Sonder-)Entgelts ausübte.
Orientierungssatz
1. Insoweit ist unbeachtlich, daß die GmbH --als Gesellschafterin der GmbH & Co. KG-- handelsrechtlich im Zweifel zur Annahme des Liquidatorenamts verpflichtet war. Ferner enthält auch die Richtlinie 77/388/EWG keine Regelung des Inhalts, daß die Tätigkeit von Liquidatoren nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden darf.
2. Geschäftsführungstätigkeiten eines Gesellschafters ergeben selbst dann keinen Leistungsaustausch mit der Gesellschaft, wenn die Tätigkeiten gegen Entgelt ausgeführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 17.7.1980 V R 5/72). Diese Aussage bezieht sich ausschließlich auf Geschäftsführungstätigkeiten, die nur von den Gesellschaftern selbst und nicht von Dritten ausgeführt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 5.5.1994 V R 76/92), und ist somit auf eine Liquidatorentätigkeit nicht anwendbar.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 15 Abs. 1; HGB § 146
Verfahrensgang
FG Bremen (Entscheidung vom 21.01.1992; Aktenzeichen II 236/88 K; EFG 1992, 633; LEXinform-Nr. 0102169) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren (1981 bis 1984) aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 20. Oktober 1980 zusammen mit einer KG als Liquidatorin einer GmbH § Co. KG tätig. Die Klägerin war zuvor einzige persönlich haftende Gesellschafterin der GmbH & Co. KG. Daneben war die Klägerin ab 1982 einzige persönlich haftende Gesellschafterin einer weiteren GmbH & Co. KG.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre unterwarf die Klägerin das Entgelt für ihre Liquidatorentätigkeit der Umsatzsteuer und machte die sich im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit ergebenden Vorsteuerbeträge geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Das FA gelangte später zu der Auffassung, die Liquidatorentätigkeit und die geschäftsführende Tätigkeit der Klägerin seien keine Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980); die Klägerin sei daher nicht Unternehmerin und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das FA änderte die gegenüber der Klägerin ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre mit Bescheiden vom 13. März 1987 entsprechend und nahm die Klägerin wegen des gesonderten Ausweises der Umsatzsteuer in ihrer Rechnung über ihre Liquidatorentätigkeit nach § 14 Abs. 3 UStG 1980 in Anspruch.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verneinte mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 633 veröffentlichten Urteil ebenso wie das FA die Unternehmereigenschaft der Klägerin und meinte, die Klägerin sei deshalb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Sie habe weder durch ihre Geschäftsführertätigkeit für die GmbH & Co. KG noch durch ihre Liquidatorentätigkeit für die GmbH & Co. KG i.L. Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 erbracht. Diese Rechtsansicht wurde im wesentlichen auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Juli 1980 V R 5/72 (BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622) gestützt.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, die von ihr in den Streitjahren ausgeübte Liquidatorentätigkeit sei eine entgeltliche sonstige Leistung i.S. des UStG gewesen. Sie sei daher Unternehmerin gewesen und zum Vorsteuerabzug berechtigt. Das vom FG zur Begründung herangezogene Urteil des BFH in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622 sei im Streitfall nicht anwendbar, da sie --die Klägerin-- die Liquidatorenposition nicht kraft Gesellschafterstellung, sondern durch Beschluß erlangt habe und nicht die einzige Liquidatorin der GmbH & Co. KG gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, die Umsatzsteueränderungsbescheide 1981 bis 1984 aufzuheben.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Klägerin war in den Streitjahren zum Vorsteuerabzug berechtigt. Sie war als Liquidatorin unternehmerisch i.S. von § 15 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG 1980 tätig, da sie Leistungen gegen Entgelt nachhaltig und selbständig ausgeführt hat.
1. Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft können ihren Grund entweder im gesellschaftsrechtlichen Beitragsverhältnis oder in einem gesonderten schuldrechtlichen Austauschverhältnis haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtet sich die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft danach, ob es sich um Leistungen handelt, die gegen (Sonder-)Entgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, oder um Leistungen, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft abgegolten werden. Steuerbare entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 sind gegeben, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft beruhen und auf den Austausch der Leistungen des Gesellschafters gegen Entgelt gerichtet sind (vgl. Senatsurteile vom 10. Mai 1990 V R 47/86, BFHE 161, 185, BStBl II 1990, 757 m.w.N.; vom 7. November 1991 V R 116/86, BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269; BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 52/90, BFHE 171, 117, BStBl II 1993, 562).
Die Klägerin war aufgrund Beschlusses der Gesellschafter der aufgelösten GmbH & Co. KG --zusammen mit einem weiteren Liquidator-- zur Abwicklung der GmbH & Co. KG eingesetzt worden. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der im Rahmen der Abwicklung durch die Klägerin ausgeführten Leistungen ist es unerheblich, daß die Klägerin --als Gesellschafterin der GmbH & Co. KG-- im Zweifel zur Annahme des Liquidatorenamts verpflichtet war (vgl. Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., § 146 Rdnr.4). Nach den Feststellungen des FG übte die Klägerin die Liquidatorentätigkeit gegen eine bestimmte Vergütung, also gegen Entgelt, aus. Dies war handelsrechtlich --trotz grundsätzlich vorgesehener Unentgeltlichkeit-- möglich (vgl. Baumbach/Hopt, a.a.O.). Den Feststellungen des FG sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die 1981 gezahlte Vergütung lediglich eine Gewinn- oder Verlustbeteiligung gewesen sei, der die Entgeltseigenschaft gefehlt habe (vgl. Senatsurteil in BFHE 166, 195, BStBl II 1992, 269). Die Klägerin stellte der GmbH & Co. KG über ihre Liquidatorentätigkeit demgemäß eine Rechnung aus.
2. Die Klägerin war gegenüber der GmbH & Co. KG ebenfalls selbständig tätig. Als juristische Person hätte sie ihre Selbständigkeit nach der Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980 nur bei finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers (Organschaft) verloren, was nicht der Fall war. Die gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1980 vorliegende selbständige Tätigkeit entfällt im übrigen nicht etwa aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafter gegenüber Liquidatoren gemäß § 152 des Handelsgesetzbuches (HGB). Insoweit handelt es sich um eine Konkretisierung des Weisungsrechts kraft Auftragsrechts (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 152 Rdnr.1).
Die Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steht einer solchen Beurteilung nicht entgegen. Die Richtlinie 77/388/EWG enthält keine Regelung des Inhalts, daß die Tätigkeit von Liquidatoren nicht der Mehrwertsteuer unterworfen werden darf.
3. Die nachhaltige Ausübung der Liquidatorentätigkeit ist nicht fraglich.
4. Das Senatsurteil in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622, auf das sich FA und FG gestützt haben, steht der Annahme steuerbarer eigenständiger Liquidatorenleistungen der Klägerin an die GmbH & Co. KG nicht entgegen.
Nach dieser Entscheidung ergeben Geschäftsführungstätigkeiten eines Gesellschafters selbst dann keinen Leistungsaustausch mit der Gesellschaft, wenn die Tätigkeiten gegen Entgelt ausgeführt werden. Diese Aussage bezieht sich ausschließlich auf Geschäftsführungstätigkeiten, die nur von den Gesellschaftern selbst und nicht von Dritten ausgeführt werden können (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1994 V R 76/92, BFH/NV 1995, 356).
Der Senat braucht sich mit der Entscheidung in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622 im Streitfall nicht weiter auseinanderzusetzen. Die Beurteilung von Geschäftsführungstätigkeiten ist hier nicht erheblich, weil nach den Feststellungen des FG kein Anhalt für eine Geschäftsführung der Klägerin gegen Entgelt zu finden ist. Die --im vorliegenden Verfahren allein zu beurteilende-- Tätigkeit als Liquidatorin einer Gesellschaft kann auch von Nichtgesellschaftern ausgeübt werden (§ 161 Abs. 2, § 146 Abs. 1 Satz 1 HGB).
5. Das angefochtene Urteil und die Umsatzsteueränderungsbescheide 1981 bis 1984 in Gestalt der Einspruchsentscheidung waren aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 65684 |
BFH/NV 1996, 86 |
BFH/NV 1996, 86-87 (LT) |
BStBl II 1996, 176 |
BFHE 179, 186 |
BFHE 1996, 186 |
BB 1996, 522 |
BB 1996, 679 |
BB 1996, 679 (LT) |
DB 1996, 557 (L) |
DStR 1996, 501-502 (KT) |
DStZ 1996, 283-284 (KT) |
HFR 1996, 265 (L) |
StE 1996, 158 (K) |