Leitsatz (amtlich)
Zur AfA-Berechtigung des Vorbehaltsnießbrauchers.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 4-5, § 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb ein Lebensmittelgeschäft auf ihrem Grundstück in X. Der gewerblich genutzte Grundstücks- und Gebäudeteil war in der Bilanz zum 20. Juni 1948 mit einem Betrag von 5 140 DM angesetzt worden. In den Folgejahren wurden Zugänge zu dem bilanzierten Gebäudewert gebucht. In der Bilanz zum 31. Dezember 1968 wurde der Bilanzposten erstmals in einen anteiligen Grundstückswert von 950 DM und einen Gebäudewert von damals noch 6 345 DM aufgegliedert.
Durch Vertrag vom 22. November 1973 übertrug die Klägerin dieses Grundstück auf ihren Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Sohn räumte der Klägerin im gleichen Vertrag das Nießbrauchsrecht an dem Grundbesitz ein. In den dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) eingereichten Bilanzen setzte die Klägerin den Gebäudewert und den Grundstückswert auch in den Folgejahren 1974 und 1975 an und setzte davon Absetzungen für Abnutzung (AfA) ab. Auch im Rahmen der Einkünfteermittlung aus Vermietung und Verpachtung setzte die Klägerin die AfA weiter an. Am 1. September 1976 gab die Klägerin ihren Betrieb auf.
Bei der Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 1975 wurde dem FA der Schenkungsvertrag bekannt. Im Steuerbescheid 1975 vom 1. April. 1977 gewährte das FA die AfA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr. Das FA errechnete für den gewerblich genutzten Grundstücks- und Gebäudeteil einen Entnahmewert von 5 592 DM. Der Bitte, ein Wertgutachten über den Gebäudeteil vorzulegen, kam der Bevollmächtigte der Klägerin nicht nach. Durch Bescheide vom 26. Oktober 1977 berichtigte das FA die Steuerbescheide für 1973 bis 1975, indem es für 1973 einen Entnahmegewinn von 19 422 DM dem gewerblichen Gewinn hinzurechnete und der Klägerin ab 1. Dezember 1973 keine AfA mehr gewährte.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage beantragte die Klägerin, den betrieblich genutzten Gebäudeteil nicht als entnommen anzusehen und ihr die AfA in den Jahren 1973 bis 1975 wie bisher zu belassen.
Das FA beantragte, bei der Berechnung des Entnahmegewinns von dem im Erörterungstermin vom 19. Mai 1981 dargestellten Grundstücks- und Gebäudewert auszugehen und im übrigen die Klage abzuweisen. Im Erörterungstermin vom 19. Mai 1981 waren sich die Beteiligten darin einig, daß der Grundstückswert mit 25 DM pro qm zu berechnen sei und von der gesamten Grundfläche nur die Hälfte von 66 qm auf den betrieblich genutzten Teil entfalle. Außerdem waren sich die Beteiligten einig, den Gebäudewert (Buchwert) im Zeitpunkt der Nießbrauchseinräumung mit 5 500 DM anzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage im Ergebnis für begründet, weil es bei der Berechnung des Entnahmegewinns des betrieblich genutzten Teils des Gebäudegrundstücks von niedrigeren Entnahmewerten ausging (so daß der Entnahmegewinn sich nur auf 155 DM belief) und der Klägerin für die Streitjahre 1974 und 1975 AfA zugestand.
Das FG vertrat die Auffassung, der gewerblich genutzte Grundstücks- und Gebäudeteil sei mit der Eigentumsübertragung auf den Sohn aus dem Betriebsvermögen entnommen worden und demzufolge bei der Gewinnermittlung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem Teilwert zu berücksichtigen, da die Schenkung an den am Betriebe nicht beteiligten Sohn unter Nießbrauchsvorbehalt eine Entnahmehandlung darstelle. Der Vorbehalt des Nießbrauchs führe im vorliegenden Fall nicht zur Annahme von wirtschaftlichem Eigentum des Nießbrauchers nach § 39 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Bundesfinanzhof (BFH) habe allerdings in den Entscheidungen vom 8. März 1977 VIII R 180/74 (BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629) und vom 21. Juni 1977 VIII R 18/75 (BFHE 124, 313, BStBl II 1978, 303) bei vorweggenommener Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt dann den Nießbraucher als wirtschaftlichen Eigentümer angesehen, wenn der Nießbraucher aufgrund der besonderen rechtlichen Ausgestaltung des Nießbrauchsrechtes das Grundstück wirtschaftlich unverändert in gleicher Weise, gegen Entzug gleichgesichert und auf die gleiche Dauer wie das Eigentumsrecht nutzen könne. Eine solche besondere Ausgestaltung des Nießbrauchsrechtes liege hier ausweislich der notariellen Bestellungsurkunde nicht vor.
Nach der Übereignung des Gebäudes auf den Sohn stünden der Klägerin AfA auf das Gebäude in den Folgejahren nicht mehr zu, weil sie den Wertverbrauch nicht mehr trage. Gebäudeabschreibungen könnte nur der Eigentümer geltend machen, wenn er die Sache zur Erzielung von Einkünften nutze. Die Klägerin könne jedoch während der Dauer der Nutzung des Gebäudes Beträge in Höhe der beim Grundstückseigentümer anfallenden AfA-Beträge als Absetzungen auf das ihr mit dem Nießbrauch eingeräumte Nutzungsrecht geltend machen. Das gelte sowohl für den betrieblich genutzten Teil als auch für den außerbetrieblichen Bereich.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FA wendet sich dagegen, daß der Klägerin als Nießbraucherin für die Veranlagungszeiträume 1974 und 1975 noch AfA für das von ihr genutzte Gebäude zustünden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
a) Streitig ist nur, ob der Klägerin als Vorbehaltsnießbraucherin auf ihr Nießbrauchsrecht AfA zustehen. Die Entscheidung dieser Streitfrage setzt jedoch die Entscheidung der Vorfragen voraus, ob das FG das wirtschaftliche Eigentum der Klägerin an dem Grundstück nach der Schenkung zutreffend verneint hat und ob es hinsichtlich des zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörenden Teils des Gebäudegrundstücks mit Recht eine Entnahme des Grundstücksteils als Ganzes, ohne Abspaltung eines bei ihr verbleibenden Nutzungsrechtes bejaht hat.
aa) In dem Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 35/79 (BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380) und in den Urteilen vom 2. August 1983 VIII R 57/80 und VIII R 170/78 (BFHE 139, 73, BStBl II 1983, 739, und BFHE 139, 76, BStBl II 1983, 735) vertritt der VIII. Senat die Auffassung, daß Eltern, die im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ihren Kindern schenkweise Grundstücke übertragen und sich gleichzeitig den unentgeltlichen lebenslänglichen Nießbrauch an dem Grundstück vorbehalten, im Normalfall nicht wirtschaftliche Eigentümer der Grundstücke sind bzw. bleiben.
Diese Auffassung, die auch dem Urteil des erkennenden Senats vom 28. Februar 1974 IV R 60/69 (BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481) zugrunde liegt, hält der Senat für zutreffend, da der Nießbraucher in der Regel keine Herrschaft über das nießbrauchsbelastete Grundstück i. S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 in der Weise ausübt, daß er den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das nießbrauchsbelastete Wirtschaftsgut ausschließen kann. Da im Streitfall keine Anhaltspunkte erkennbar sind, daß sich die Stellung der Klägerin von der eines normalen Nießbrauchers unterscheidet, ist mit dem FG davon auszugehen, daß sie nicht wirtschaftliche Eigentümerin des an den Sohn übereigneten Grundstücks geblieben ist.
bb) Im Urteil in BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481 hat der Senat die Auffassung vertreten, daß, wer ein zu seinem Betriebsvermögen gehöriges Grundstück in Vorwegnahme der Erbfolge unter Vorbehalt des Nießbrauchsrechtes unentgeltlich seinen Kindern schenken will, das gesamte Grundstück vorher mit dem vollen Teilwert aus dem Betriebsvermögen entnehmen muß, weil eine solche Schenkung einen familiären, privaten Vorgang darstellt und daher nur im außerbetrieblichen, privaten Bereich vollzogen werden kann. Auch die mit der Schenkung gekoppelte Bestellung des Nießbrauchsrechtes am gesamten Grundstück stellt einen Teil dieser in der Privatsphäre liegenden Regelung dar. "Sie setzt nicht nur zivilrechtlich, sondern auch begrifflich die Schenkung des gesamten Grundstücks und damit bilanzrechtlich die Entnahme des gesamten betrieblichen Teils des Grundstücks voraus." Das durch eine familiäre Regelung in der Privatsphäre begründete Nießbrauchsrecht stellt bilanziell ein neues, im privaten Bereich geschaffenes selbständiges Wirtschaftsgut dar, das - wenn es der Nießbraucher teilweise weiterhin betrieblich nutzen und daher insoweit mit Recht zu seinem Betriebsvermögen rechnen will - erst durch eine Einlage wieder Betriebsvermögen wird. Diese Einlage hat nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert zu erfolgen.
Abgesehen von dem vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, daß Schenkungen aus familiären Gründen einkommensteuerrechtlich außerbetriebliche, in der Privatsphäre liegende Vorgänge darstellen, hält der Senat daran fest, daß Grundstück und Nießbrauch am Grundstück nicht zwei in der Weise zusammenhängende Wirtschaftsgüter sind, daß das eine einen Teil des anderen darstellt. Das Wirtschaftsgut des Vorbehaltsnießbrauchs entsteht zumindest in allen von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen erst mit der Übertragung des Grundstückseigentums, d. h. also gleichzeitig mit der Schenkung. Es ist kein "Stück Eigentum", das beim alten Eigentümer verblieben ist (so Wolff-Diepenbrock, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1983, 250, 252).
Der VIII. Senat hat sich im Urteil vom 2. August 1983 VIII R 170/78 dieser Auffassung des erkennenden Senats angeschlossen.
b) Hinsichtlich der AfA-Berechtigung des Vorbehaltsnießbrauchers bzw. seines Rechtes, sein Nutzungsrecht abzuschreiben, liegt die Besonderheit des Streitfalles darin, daß das übertragene Grundstück der Klägerin und Vorbehaltsnießbraucherin teilweise zu ihrem Privatvermögen gehörte und teilweise Betriebsvermögen war und von ihr weiterhin betrieblich genutzt wurde.
Im Urteil in BFHE 134, 133, BStBl II 1982, 380 hat der VIII. Senat die Auffassung vertreten, daß in den Fällen, in denen der Vorbehaltsnießbraucher das belastete Grundstück zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt, dieser im gleichen Umfang wie zuvor als Eigentümer des Gebäudes zu AfA gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 EStG berechtigt ist.
Bei der Schenkung eines Betriebsgrundstücks aus privaten Gründen unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs an dem vom bisherigen Eigentümer weiterhin betrieblich genutzten Grundstück vertritt der VIII. Senat im Urteil vom 2. August 1983 VIII R 170/78 die Auffassung, daß der Nießbraucher keine AfA auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes in Anspruch nehmen könne, weil das Gebäude nicht mehr zu seinem Betriebsvermögen gehöre; er sei aber berechtigt, das eingelegte Nießbrauchsrecht, dessen Teilwert dem Betrag entspreche, den der Nießbraucher hätte aufwenden müssen, wenn ihm das Nießbrauchsrecht entgeltlich von einem Dritten eingeräumt worden wäre, auf die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs abzuschreiben.
Danach würde der Teilwert des eingelegten Nutzungsrechtes in etwa dem für die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs kapitalisierten Mietwert des betrieblich genutzten Grundstücksteils entsprechen.
Würde man im Streitfall diesen Grundsätzen folgen, so müßte man für den privat genutzten Grundstücksteil AfA ansetzen, deren Bemessungsgrundlage die AfA wären, die der Klägerin für den privat genutzten Gebäudeteil als Eigentümerin zugestanden hätten; daneben müßte man für den Teil des Nießbrauchsrechtes, der den betrieblich genutzten Gebäudeteil umfaßt, eine auf die voraussichtliche Dauer des Nutzungsrechtes zu verteilende AfA von dem Betrag (Teilwert) zulassen, den die Klägerin hätte aufwenden müssen, wenn ihr dieses Nießbrauchsrecht entgeltlich von einem Dritten eingeräumt worden wäre. Letzteres würde ein AfA-Volumen ergeben, das höher wäre als die vom FG antragsgemäß angesetzten AfA-Beträge, die der Klägerin als Eigentümerin zugestanden hätten, obwohl ihr durch die Bestellung des Nießbrauchs kein zusätzlicher Aufwand entstanden ist und von ihr auch keine nennenswerten stillen Reserven aufgedeckt und versteuert worden sind.
Da aber der Senat über das Klagebegehren nicht hinausgehen kann (§ 96 FGO), kann es dahingestellt bleiben, ob danach im Streitfall ein höheres AfA-Volumen bzw. eine höhere AfA als die vom FG angesetzte zuzubilligen wäre.
Andererseits ist der Senat grundsätzlich der Auffassung, daß bei einem anläßlich der Schenkung eines betrieblich genutzten Gebäudegrundstücks dem schenkenden Elternteil unentgeltlich eingeräumten Nießbrauchsrecht auf Lebenszeit (Vorbehaltsnießbrauch), das mit dem Tod des Nießbrauchers ersatzlos wegfällt, das Abschreibungsvolumen während der Dauer der betrieblichen Nutzung nicht unter der Summe der AfA-Beträge liegt, die der Grundstückseigentümer selbst während dieser Zeit hätte geltend machen können, wenn er das Gebäudegrundstück steuerlich relevant entsprechend genutzt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1980 IV R 117/79, BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68). Im Streitfall entspricht die vom FG angesetzte AfA diesem Wert. Da nämlich der Buchwert des betrieblich genutzten Gebäudeteils und sein Entnahmewert nach Ansicht der Beteiligten und des FG fast identisch waren, also keine stillen Reserven aufgedeckt wurden, bedeutet das im Ergebnis, daß der Sohn der Klägerin als der neue Eigentümer während der voraussichtlichen Dauer des Nießbrauchs, wenn er den betrieblichen Grundstücksteil zur Erzielung eigener entsprechender Einkünfte eingesetzt hätte, keine höhere Gebäude-AfA hätte geltend machen können als die, die der Klägerin auch als Eigentümerin des Grundstücks zugestanden hätte. Danach sind der Klägerin als Nießbraucherin für den betrieblich genutzten Teil des Nießbrauchsrechtes jedenfalls dieselben AfA-Beträge verblieben, die ihr auch als Eigentümerin des Grundstücks zugestanden hätten.
Daneben stehen der Klägerin für den Teil des Gebäudegrundstücks, den sie als Vorbehaltsnießbraucherin zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzt, die AfA zu, die ihr zuvor als Eigentümerin dieses Grundstücksteils zustanden. Auch diese Beträge hat das FG zutreffend angesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 74892 |
BStBl II 1984, 202 |
BFHE 1984, 556 |