Leitsatz (amtlich)
Wurde ein bisher als gewerblich behandelter Weinbau- und Weinhandelsbetrieb dadurch, daß der Steuerpflichtige den Zukauf von Weintrauben einschränkte und den Eigenanbau erweiterte, zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, und blieb daher der Grund und Boden bei der Gewinnermittlung für die Zukunft außer Ansatz, so führte dies nicht zur Realisierung der im Grund und Boden enthaltenen stillen Reserven.
Normenkette
EStG 1958 § 16 Abs. 3, § 4 Abs. 1 S. 5
Tatbestand
Berichtigung: Im BStBl II Nr. 15 vom 26. Juni 1972 muß das Datum des Urteils I R 205/66 auf der Inhaltseite 445 und auf der Textseite 455 anstatt 9. Februar richtig 10. Februar 1972 heißen.
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) betreibt im Rahmen ein und desselben Unternehmens Weinbau, Weinhandel und Landwirtschaft. Das Unternehmen wurde in der Vergangenheit wegen des erheblichen Weinzukaufs als Gewerbebetrieb behandelt. Ab Mitte der fünfziger Jahre schränkte die Steuerpflichtige den Weinzukauf ein und erhöhte ihre Eigenproduktion. Unter Hinweis auf diesen Sachverhalt beantragte sie im Mai 1960, ihren Weinbau- und Weinhandelsbetrieb ab 1958 als landwirtschaftlichen Betrieb zu behandeln. Der Revisionskläger (das FA) stellte die Entscheidung über diesen Antrag zunächst zurück, um die Entwicklung des Betriebs in den Jahren 1960 und 1961 abzuwarten. Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahre 1963 wurde unstreitig, daß ab 1960 ein landwirtschaftlicher Betrieb vorliege.
Unter Berufung darauf, daß die Umwandlung des gewerblichen in einen landwirtschaftlichen Betrieb den Übergang von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu der nach § 4 Abs. 1 EStG auslöse, berichtigte das FA die einheitliche Gewinnfeststellung 1959, indem es die im Grund und Boden liegenden stillen Reserven in Höhe von 36 282 DM als realisiert ansah und den Gewinn um diesen Betrag erhöhte.
Der Einspruch der Steuerpflichtigen blieb erfolglos. Dagegen hatte ihre Berufung Erfolg. Das FG, dessen Urteil in EFG 1967, 61 abgedruckt ist, begründete seine Entscheidung wie folgt:
Nach den Vorschriften des EStG führten Veräußerungen und Entnahmen zur Gewinnrealisierung (§ 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG). Eine Veräußerung scheide hier von vornherein aus. Es sei aber auch weder eine Gesamtentnahme noch eine Entnahme des Grund und Bodens gegeben und daher eine Auflösung der im Grund und Boden liegenden stillen Reserven zu verneinen. Der Grund und Boden diene nach wie vor in gleicher Weise und in gleichem Umfang betrieblichen Zwecken. Er werde auch weiterhin in den Bilanzen als Betriebsvermögen ausgewiesen. Bei diesen Verhältnissen würde die Annahme einer Entnahme eine Sachverhaltsfiktion bedeuten.
Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 4 bis 6 EStG und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben. Es führt aus: Würden beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu der nach § 4 Abs. 1 EStG die stillen Reserven nicht erfaßt, so würden sie endgültig der Besteuerung entzogen. Der Gesetzgeber wolle mit den Gewinnermittlungsvorschriften des EStG erreichen, daß ein in der Vergangenheit erzielter Totalgewinn der Besteuerung nicht verlorengehe. Stille Reserven müßten danach spätestens dann erfaßt werden, wenn das Wirtschaftsgut für die künftige Gewinnermittlung des Betriebs, dem es diene, ausscheide. Da im Streitfall die gesetzlichen Voraussetzungen einer Veräußerung oder einer Entnahme als einer jeweils bestimmten Art des Ausscheidens eines Wirtschaftsguts aus der Gewinnermittlung nicht vorlägen, sei eine Gesetzeslücke gegeben. Diese müsse so ausgefüllt werden, daß unter Würdigung der im Gesetz zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen und Wertungen die Lösung gesucht werde, die der Gesetzgeber wahrscheinlich gewählt hätte, wenn die Frage in seinen Gesichtskreis getreten wäre (Urteil des BFH VI 240/64 U vom 9. Juni 1965, BFH 83, 303, BStBl III 1965, 611).
Der dem Verfahren beigetretene BMWF führt aus: Die im Streitfall zu entscheidende Frage habe für künftige Fälle des Strukturwandels keine Bedeutung mehr. Nach dem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und anderer steuerrechtlicher Vorschriften vom 10. August 1971 - 2. StÄndG 1971 - (BGBl I, 1266, BStBl I 1971, 373) unterlägen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft seit dem 1. Juli 1970 auch die bei der Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden entstandenen Gewinne der Besteuerung. Der Strukturwandel eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs brauche daher jetzt nicht mehr - wie vom BMWF ursprünglich angenommen - unbedingt zwingend als Betriebsaufgabe angesehen zu werden. Abgesehen davon, daß eine Betriebsaufgabe u. a. regelmäßig voraussetze, daß die wesentlichen Grundlagen des Betriebs an einen oder mehrere Abnehmer veräußert oder endgültig ins Privatvermögen überführt würden, was bei einem Strukturwandel nicht der Fall sei, sei durch die Einbeziehung des Grund und Bodens in die Einkommensbesteuerung wohl die Notwendigkeit für die Behandlung eines Strukturwandels als Betriebsaufgabe weggefallen.
Auch könne dem BFH-Urteil I R 55/66 vom 28. April 1971 (BFH 102, 374, BStBl II 1971, 630) entnommen werden, daß der Senat dazu neige, nur in den Fällen eine Betriebsaufgabe anzunehmen, in denen - wie bei der Betriebsverlegung ins Ausland - alle Wirtschaftsgüter eines Betriebs "entstrickt" würden. Würden dagegen nur einzelne Wirtschaftsgüter "entstrickt", wie dies auch bei der Umwandlung eines Gewerbebetriebs in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nach der früheren Rechtslage hinsichtlich des Grund und Bodens der Fall sei, so sei auch nur hinsichtlich dieser Wirtschaftsgüter eine Versteuerung der im Entstrickungszeitpunkt vorhandenen stillen Reserven notwendig, also nur die Annahme einer Art "Entnahme" erforderlich. Es sei nicht ausgeschlossen, beim Übergang der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu einer solchen nach § 4 EStG a. F. bei den Wirtschaftsgütern, die durch den Übergang aus dem ertragsteuerlich bedeutsamen Bereich ausschieden, die Rechtsfolgen eintreten zu lassen, die mit einer Entnahme verbunden seien. Wegen der Auslegung des Begriffes "Entnahme" werde auf die Ausführungen des BMWF, die im BFH-Urteil IV 72/65 vom 16. März 1967 (BFH 88, 129, BStBl III 1967, 318) wiedergegeben seien, verwiesen. Es sei, wie auch der BFH im Urteil IV 72/65 (a. a. O.) ausführe, der Zweck der Entnahmevorschriften, insbesondere die Erfassung der zu Lasten des steuerlichen Betriebsergebnisses entstandenen stillen Reserven zu gewährleisten.
Man könne aber auch der Ansicht zuneigen, daß beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 5 EStG zu einer solchen nach § 4 EStG a. F. hinsichtlich des Grund und Bodens die spätere steuerliche Erfassung der stillen Reserven sichergestellt sei, so daß eine steuerliche Erfassung der stillen Reserven im Übergangszeitpunkt unterbleiben könnte. Die spätere Versteuerung der stillen Reserven wäre nicht gefährdet, weil die Wirtschaftsgüter in demselben betrieblichen Organismus verblieben. Erst wenn sie - nach der bisherigen Rechtslage - durch Veräußerung oder Entnahme aus diesem betrieblichen Organismus ausschieden, würden die während der gewerblichen Betriebszeit beim Grund und Boden entstandenen stillen Reserven zu besteuern sein. Für die Zeit nach Inkrafttreten des 2. StÄndG 1971 könnte die spätere Versteuerung der stillen Reserven des Grund und Bodens aus der gewerblichen Betriebszeit dadurch sichergestellt werden, daß der nach § 55 EStG (1971) zu ermittelnde Wert, der als Anschaffungs- und Herstellungskosten des Grund und Bodens per 1. Juli 1970 gelte, um die Höhe der im gewerblichen Bereich entstandenen stillen Reserven gekürzt würde.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. a) Die Steuerpflichtige hatte als Gewerbetreibende bis zum Ablauf des Jahres 1959 ihren Grund und Boden nach den gemäß § 5 EStG auch für das Steuerrecht geltenden handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung als Betriebsvermögen anzusetzen (§ 40 HGB). Da die Steuerpflichtige ab 1. Januar 1960 aufgehört hat, gewerbliche Einkünfte zu erzielen und nunmehr Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bezieht, gelten für sie von da an die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des § 4 Abs. 1 EStG. Ihr zum Anlagevermögen gehörender Grund und Boden bleibt bei der Gewinnermittlung außer Ansatz (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG in der bis zum Inkrafttreten des 2. StÄndG 1971 geltenden Fassung). Das BVerfG hat zwar im Beschluß 1 BvL 17/67 vom 11. Mai 1970 (BVerfGE 28, 227) entschieden, daß die unterschiedslose Privilegierung der Landwirte bei der steuerlichen Erfassung des Gewinns aus der Veräußerung von Grund und Boden mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sei. Indes hat das BVerfG § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1958 nicht für nichtig erklärt, da eine verfassungsgerechte Regelung auf verschiedenen Wegen herbeigeführt werden könne.
b) Durch das 2. StÄndG 1971 wurde § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG gestrichen (Art. 1 Nr. 2a des 2. StÄndG 1971). Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1969 ist jedoch bei Grund und Boden, der zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehört, letztmals noch für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1970 enden (§ 52 Abs. 5 Satz 1 EStG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des 2. StÄndG 1971). Die Streitfrage, ob die im Grund und Boden der Steuerpflichtigen bis 31. Dezember 1959 angesammelten stillen Reserven infolge der in ihrem Unternehmen eingetretenen Veränderung auf den 31. Dezember 1959 aufzudecken sind, ist daher auch nach Inkrafttreten des 2. StÄndG 1971 bedeutsam geblieben. Der Grund und Boden der Steuerpflichtigen ist mit Ablauf des 31. Dezember 1959 aus ihrer steuerlichen Gewinnermittlung ausgeschieden.
2. Das EStG kennt eine Reihe gesetzlicher Tatbestände, deren Anwendung zur Folge hat, daß stille Reserven von Wirtschaftsgütern der Besteuerung unterworfen werden. Im Streitfall ist keiner dieser Besteuerungstatbestände erfüllt. Insbesondere liegt weder eine Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) noch eine Entnahme des Grund und Bodens (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) vor.
a) Was als Betriebsaufgabe zu gelten hat, ist im Gesetz nicht eindeutig bestimmt; der Begriff bedarf mithin der Auslegung. Bei der Auslegung des Gesetzes ist dessen objektiver Sinn zu erforschen, wie er sich nach dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Vorschrift hineingestellt ist (vgl. BVerfGE 1, 299, 312). Die Auslegung findet ihre Grenze am möglichen Wortsinn einer Vorschrift (BFH-Urteil III 193/60 S vom 11. Dezember 1964, BFH 81, 222, BStBl III 1965, 82). Diese Grundsätze gelten jedenfalls bei der Auslegung einer steuerbegründenden Norm (BFH-Urteil II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129, BStBl II 1969, 550).
Eine Betriebsaufgabe erfordert auch bei dem nach dem Wortsinn weitestmöglichen Verständnis zumindest eine Handlung des Steuerpflichtigen, die darauf gerichtet ist, den Betrieb als selbständigen Organismus nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen zu lassen. Lediglich innerhalb der Grenzen, die dieser mögliche Wortsinn der Auslegung zieht, kann es auf den Zweck ankommen, den die Vorschrift des § 16 Abs. 3 EStG verfolgt, und der darin zu erblicken ist, daß die Versteuerung der stillen Reserven sichergestellt wird (BFH-Urteil I R 55/66, a. a. O.). Der Entschluß, den Betrieb als selbständigen Organismus nicht mehr unverändert fortbestehen zu lassen, kann etwa dadurch verwirklicht werden, daß die wesentlichen Grundlagen des Betriebs ins Privatvermögen übernommen, einzeln veräußert, oder unter den im Urteil I R 55/66 näher bestimmten Voraussetzungen ins Ausland verlegt werden. Eine Betriebsaufgabe liegt indes nicht vor, wenn der Betrieb als selbständiger Organismus in dem der inländischen Besteuerung unterliegenden Gebiet weitergeführt wird und lediglich die Einschränkung des Zukaufs und die Ausdehnung der Eigenproduktion bestimmter Erzeugnisse dazu führt, daß die Einkünfte des Steuerpflichtigen rechtlich anders eingeordnet werden. In einem solchen Fall greift im übrigen auch der § 16 Abs. 3 EStG zugrunde liegende Gedanke, die Besteuerung der stillen Reserven sicherzustellen, nicht durch; denn mit Ausnahme des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens werden die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bei der Ermittlung des Gewinns des landwirtschaftlichen Betriebs angesetzt. Die Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven bleibt insoweit sichergestellt.
b) Es liegt aber auch keine Entnahme des Grund und Bodens vor. Entnahmen sind alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Lauf des Wirtschaftsjahres entnommen hat (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Eine Entnahme setzt eine eindeutige Entnahmehandlung voraus (vgl. BFH-Urteil IV 346/61 U vom 7. Oktober 1965, BFH 83, 462, BStBl III 1965, 666, mit weiteren Hinweisen). Dazu kann ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen genügen, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betrieb gelöst wird (vgl. BFH-Urteil IV 99/63 S vom 12. November 1964, BFH 81, 128, BStBl III 1965, 46). Aber auch an einem solchen Verhalten des Steuerpflichtigen fehlt es im Streitfall. Zwar beruht auch hier der im Betrieb der Steuerpflichtigen eingetretene Wandel auf bestimmten unternehmerischen Handlungen (Einschränkung des Zukaufs, Ausdehnung der Eigenproduktion). Diese Handlungen lassen aber die Verknüpfung des Grund und Bodens mit dem Betrieb der Steuerpflichtigen unberührt.
Diesen Grundsätzen widerspricht es nicht, daß der BFH eine Entnahme dann angenommen hat, wenn der Steuerpflichtige einen landwirtschaftlichen Betrieb auf Grund einer gesellschaftsrechtlichen Gestaltung oder einer Schenkung aus dem gewerblichen Betriebsvermögen ausgliedert (BFH-Urteile IV 72/65, a. a. O.; VI 9/65 vom 14. April 1967, BFH 88, 331, BStBl III 1967, 391) oder wenn er Wirtschaftsgüter aus dem inländischen Betrieb einer OHG in eine ausländische Betriebstätte überführt (BFH-Urteil I 266/65 vom 16. Juli 1969, BFH 97, 342, BStBl II 1970, 175). In diesen Fällen hatte der Steuerpflichtige bestimmte Dispositionen getroffen, die als Entnahmehandlungen gewertet werden konnten. In der Entscheidung IV 72/65 (a. a. O.) hat der IV. Senat des BFH die Frage, wie "der nicht durch eine Entnahme bedingte Wechsel der Gewinnermittlungsart (z. B. bei Strukturveränderung eines Betriebs)" rechtlich zu beurteilen sei, ausdrücklich offengelassen.
3. Eine Aufdeckung der stillen Reserven kann auch nicht damit begründet werden, daß die Vorschriften über die Betriebsaufgabe oder die Entnahme entsprechend angewandt werden (Gesetzesanalogie). Es gibt auch keinen allgemeinen Grundsatz des Einkommensteuerrechts, nach dem die stillen Reserven eines Wirtschaftsguts dann aufzudecken sind, wenn das Wirtschaftsgut künftig nicht mehr in die Gewinnermittlung einzubeziehen ist (Rechtsanalogie). Zwar ist die Analogie eine zulässige Methode richterlicher Rechtsfortbildung zur Ausfüllung offener Lücken (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., S. 359 f.). Jedoch sind der richterlichen Rechtsfortbildung dann Grenzen gesetzt, wenn sie zu einer Verschärfung der Besteuerung führen würde. Steuern dürfen nur erhoben werden, wenn der Tatbestand erfüllt ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 1 Abs. 1 AO). Nach dem Verfassungsprinzip des Rechtsstaates (Art. 20 GG) ist es bedenklich, wenn das Gericht einen Steuertatbestand über seinen möglichen Wortsinn hinaus ausweitet. Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, den Kreis der steuerbaren Tatbestände und den Umfang der Besteuerung zu bestimmen (BVerfGE 13, 318, 328; BFH-Urteil II 25/61, a. a. O., mit weiteren Hinweisen). Für die vom BMWF vertretene Annahme einer "Art Entnahme" ist daher kein Raum.
4. Der BMWF geht offenbar von der Überlegung aus, daß - obwohl im Streitfall eine Art Entnahme vorliege - die Aufdeckung der stillen Reserven gleichwohl auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden könne. Das vermag nicht zu überzeugen. Eine Sicherstellung der späteren Versteuerung der stillen Reserven, die während der Zugehörigkeit des Grund und Bodens zum gewerblichen Bereich entstanden sind, in der Weise, daß der nach § 55 EStG (1971) zu ermittelnde Wert um die Höhe der gewerblich verursachten stillen Reserven gekürzt wird, ist zwar technisch möglich, läßt sich aber aus dem geltenden Recht nicht herleiten.
Auch die von Söffing (Die Information über Steuer und Wirtschaft, Ausgabe L 1965, S. 101, 105) vertretene Ansicht findet im Gesetz keine Stütze. Söffing meint, die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG schließe es nicht aus, daß die während der Zugehörigkeit des Grund und Bodens zum gewerblichen Bereich angefallenen stillen Reserven bei einer späteren Gewinnverwirklichung im landwirtschaftlichen Bereich versteuert würden. Dabei wird aber nicht ausreichend gewürdigt, daß bei einem Wirtschaftsgut, das aus dem Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG und damit aus dem System der steuerlichen Gewinnermittlung ausscheidet, in Zukunft keine stillen Reserven mehr aufgelöst werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 413148 |
BStBl II 1972, 455 |