Entscheidungsstichwort (Thema)
Inkompatibilität: Syndikusanwalt und Steuerberater
Leitsatz (NV)
Die Tätigkeit als Arbeitnehmer ist mit dem Beruf eines Steuerberaters auch dann unvereinbar, wenn der Bewerber zugleich die mit dem Steuerberaterberuf vereinbare freiberufliche Anwaltstätigkeit ausübt.
Normenkette
StBerG § 40 Abs. 3 Nr. 2, § 57 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist hauptberuflich als Direktor der Steuerabteilung bei einer Bank angestellt. Ferner ist er als Rechtsanwalt zugelassen. Sein Antrag, ihn aufgrund der bestandenen Prüfung auch zum Steuerberater zu bestellen, wurde von der Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagte) mit der Begründung abglehnt, daß eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbar sei (§ 57 Abs. 4 Nr.2 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -). Die Klage des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, dem Kläger sei nach § 40 Abs. 3 Nr.2 StBerG die beantragte Bestellung als Steuerberater zwingend zu versagen, solange er als Abteilungsdirektor einer Bank eine mit diesem Beruf unvereinbare Arbeitnehmertätigkeit (§ 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG) ausübe. Einer der gesetzlichen Ausnahmefälle, in denen die Arbeitnehmertätigkeit mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar sei (§§ 57 Abs. 3 Nr.4, 58, 59 StBerG), liege nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers scheitere die Anwendung des § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG nicht etwa daran, daß der Kläger als freiberuflicher Rechtsanwalt zugleich eine (nebenberufliche) Tätigkeit ausübe, die nach § 57 Abs. 3 Nr.2 StBerG mit dem Steuerberaterberuf vereinbar sei. Der Wortlaut des Gesetzes und seine Systematik seien eindeutig. Der zwingende Versagungsgrund des § 40 Abs. 3 Nr.2 StBerG verweise lediglich auf die Unvereinbarkeitsregelung des § 57 Abs. 4 StBerG unabhängig davon, ob im Einzelfall neben der Tätigkeit nach § 57 Abs. 4 StBerG zugleich eine Tätigkeit nach § 57 Abs. 3 StBerG ausgeübt werde. Dies allein entspreche dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen. Stelle nämlich die Arbeitnehmertätigkeit einen zwingenden Versagungsgrund dar, so könne der Grund für diese Unvereinbarkeitsregelung nicht dadurch entfallen, daß der Bewerber neben der inkompatiblen beruflichen Tätigkeit (hier als Bankangestellter) zusätzlich noch eine kompatible nebenberufliche Tätigkeit (hier als freiberuflicher Rechtsanwalt) entfalte.
Die Inkompatibilitätsregelung im StBerG verstoße auch nicht gegen Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe hinsichtlich der nach Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Freiheit der Berufswahl die Beschränkung des Zugangs zu einem zweiten Beruf im Interesse der Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Berufs des Steuerberaters für zulässig angesehen (BVerfG-Beschlüsse vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62 und vom 25. Juli 1967 1 BvR 585/62, BVerfGE 21, 173 und 22, 275). Von einer unverhältnismäßigen Härte könne erst recht dann keine Rede sein, wenn es - wie hier - um die Zulassung zu einem Drittberuf gehe. Die vom Kläger gerügte unterschiedliche Regelung der Vereinbarkeit einer Arbeitnehmertätigkeit mit den Berufen von Rechtsanwälten und Steuerberatern verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie beruhe gerade auf den Unterschieden der beiden vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Typisierungskompetenzen geschaffenen Berufsbilder. Dem stehe nicht entgegen, daß das BVerfG in anderem Zusammenhang (Beschluß vom 4. Juli 1989 1 BvR 1460/85, 1239/87, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1989, 2611) die Vergleichbarkeit der anwaltlichen und der steuerberatenden Berufe betont habe. Der Berufstypus des Syndikusanwalts entspreche einer gewissen Tradition, der der Gesetzgeber durch die §§ 7 Nr.8 und 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) Rechnung getragen habe, während eine vergleichbare Tradition für den (Syndikus-)Steuerberater fehle. Die Vergleichbarkeit oder Ähnlichkeit der Berufe könne den Gesetzgeber nicht zur unterschiedslosen Regelung der Inkompatibilität zwingen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das FG habe bei seiner Gesetzesauslegung die Wertungen aus den übrigen Regelungen des StBerG unbeachtet gelassen. Nach § 3 Abs. 1 Nr.2 StBerG seien Rechtsanwälte ebenso wie Steuerberater zur unbeschränkten geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Das gelte uneingeschränkt auch für nebenberufliche Rechtsanwälte. Der Syndikus- anwalt erschließe sich somit durch die Zulassung zum Beruf des Steuerberaters keine neuen Beratungsaufgaben. Mithin bedeute seine Zulassung nur noch die Gewährung eines formalen Rechtsaktes.
Nach § 58 Abs. 2 Nr.1 StBerG dürften ferner zugelassene Steuerberater als Angestellte von Rechtsanwälten tätig werden. Das Gesetz mache auch hier keinen Unterschied, ob der arbeitgebende Rechtsanwalt haupt- oder nebenberuflich Anwalt sei. Wenn es ihm aber gestattet sei, zur Erfüllung seiner Beratungsaufgaben einen Steuerberater als Mitarbeiter einzustellen, dann sei kein sachlich zu rechtfertigender Grund erkennbar, der es ihm bei gleicher Qualifikation wie der seines Mitarbeiters verwehren dürfte, selbst zum Beruf des Steuerberaters zugelassen zu werden.
Gesetzessystematisch stehe § 57 Abs. 3 Nr.2 StBerG vor § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG. Damit gehe die erlaubte Tätigkeit im Range vor. Stünden sich zwei gegensätzliche Rechtsfolgen gleichwertig gegenüber, dann sei im Zweifel für den Antragsteller zu entscheiden. Jedenfalls fehle es, wenn der Bewerber neben der nicht vereinbarten Arbeitnehmertätigkeit gleichzeitig die mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbare Rechtsanwaltstätigkeit ausübe, an einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die Versagung, so daß es bei dem Anspruch auf Bestellung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 StBerG) verbleibe. Die Versagung der Bestellung sei jedenfalls in diesem Falle ermessensfehlerhaft und willkürlich.
Die vom FG zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei auf den Streitfall nicht anwendbar, weil in den dort entschiedenen Fällen nur eine mit dem Beruf vereinbarte Arbeitnehmertätigkeit vorgelegen habe. Auf die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 5. September 1978 VII R 50/77, BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202, 206) könne die Versagung der Bestellung im Streitfall - ebenso wie bei einem Rechtsanwalt - nicht gestützt werden. Denn die Unterschiede zwischen Rechtsanwälten und Steuerberatern seien - wie das BVerfG in NJW 1989, 2611 erkannt habe - nicht von solcher Art und von solchem Gewicht, daß sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Insbesondere benötige ein Rechtsanwalt für die steuerliche Beratung die gleichen Einblicke in die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mandanten wie ein Steuerberater.Darüber hinaus verstoße die Versagung seiner Bestellung gegen mehrere Verfassungsnormen, die das FG nicht geprüft habe. Der nebenberufliche (Syndikus-)Anwalt, der steuerberatend tätig werden wolle, erleide gegenüber seinem hauptberuflich tätigen Kollegen, der als Steuerberater zugelassen werde, erhebliche Wettbewerbsnachteile, die zu einer nicht zu rechtfertigenden Chancenungleichheit führten. Er könne gegenüber der potentiellen Mandantschaft seine gleichzeitig bestehende Qualifikation als Steuerberater nicht in der gleichen Weise nach außen sichtbar machen wie ein hauptberuflich tätiger Rechtsanwalt, obwohl die BRAO dem nebenberuflichen und dem hauptberuflichen Rechtsanwalt dieselben Rechte und Chancen gewähre. Aus dem Gleichheitsgrundsatz folge, daß die Kompatibilität im Hauptberuf auch die Kompatibilität im Nebenberuf bedingen müsse.
Die Versagung seiner Bestellung als Steuerberater verstoße auch gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit i.S. des Art. 20 Abs. 3 GG, da es hierfür an einer Eingriffsnorm fehle. Jedenfalls verstießen die §§ 40 Abs. 3 Nr.2, 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG, auf die sich die Verwaltungsbehörde stütze, gegen die Gebote der Klarheit und Bestimmtheit von belastenden Rechtsvorschriften. Denn es sei unklar, ob die Bestellung als Steuerberater stets zu versagen sei, sofern der Bewerber neben einer mit diesem Beruf vereinbaren auch eine (geringfügige) unvereinbare Tätigkeit ausübe oder ob die Versagung nur dann in Betracht komme, wenn ausschließlich eine mit dem Steuerberaterberuf nicht vereinbare Tätigkeit vorläge. Im Streitfall sei die Nichtzulassung zum Beruf des Steuerberaters schließlich auch deshalb rechtsstaatswidrig, weil es unverhältnismäßig sei, für den formalen Bestellungsakt Hürden aufzustellen (hier: keine Arbeitnehmertätigkeit), die auf den Umfang der nach dem StBerG erlaubten Beratungstätigkeit - mit oder ohne die Bestellung - keinen Einfluß hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger wegen seiner fortbestehenden Tätigkeit als angestellter Abteilungsdirektor einer Bank keinen Anspruch auf die Bestellung als Steuerberater nach § 40 Abs. 1 StBerG hat. Nach § 40 Abs. 3 Nr.2 StBerG ist die Bestellung zu versagen, solange der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf unvereinbar ist (§ 57 Abs. 4 StBerG). Als Tätigkeit, die mit dem Beruf des Steuerberaters nicht vereinbar ist, gilt nach § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG insbesondere die Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Abs. 3 Nr.4 sowie der §§ 58 und 59 StBerG, die im Streitfall unbestritten nicht vorliegen.
Im Gegensatz zur Auffassung der Revision ergibt sich aus den §§ 40 Abs. 3 Nr.2, 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG im Hinblick auf die Arbeitnehmertätigkeit des Klägers ein zwingender Versagungsgrund für die begehrte Bestellung als Steuerberater. Es fehlt nicht an einer Eingriffsnorm (Art. 20 Abs. 3 GG), und die den Kläger belastenden Rechtsvorschriften entbehren nicht der im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip gebotenen Klarheit und Bestimmtheit. Das Gericht hat - entgegen der Meinung des Klägers - den ablehnenden Bescheid nicht auf Ermessensfehlgebrauch zu überprüfen, weil der Verwaltungsbehörde für die Entscheidung über die Bestellung als Steuerberater kein Ermessen eingeräumt war; sie hat vielmehr mit der Versagung der Bestellung einen gebundenen Verwaltungsakt rechtmäßig erlassen. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß wegen der mit einer fremdbestimmten Tätigkeit verbunden zeitlichen,örtlichen und inhaltlichen Bindung jeder Arbeitnehmertätigkeit - mit Ausnahme der hier nicht vorliegenden gesetzlichen Ausnahmefälle (§§ 57 Abs. 3 Nr.4, 58, 59 StBerG) - mit dem Beruf des Steuerberaters, der nach § 57 Abs. 1 StBerG ,,unabhängig" auszuüben ist, nicht zu vereinbaren ist (BFH-Urteil vom 1. März 1977 VII R 71/76, BFHE 122, 210, BStBl II 1977, 445; vom 4. August 1987 VII R 169/85, BFHE 150, 272, BStBl II 1987, 790, und in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202).
2. a) Die vorstehende Beurteilung wird durch den Umstand, daß der Kläger neben seiner unvereinbaren Tätigkeit als Arbeitnehmer zugleich als Rechtsanwalt zugelassen ist und diese freiberufliche Tätigkeit gemäß § 57 Abs. 3 Nr.2 StBerG mit dem Beruf eines Steuerberaters vereinbar ist, nicht berührt. Der ausdrückliche Hinweis auf § 57 Abs. 4 in § 40 Abs. 3 Nr.2 StBerG bedeutet, daß die Frage, ob die Tätigkeit als Arbeitnehmer mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar ist, ausschließlich nach dieser Vorschrift zu beurteilen ist und nicht auch nach den Bestimmungen des Abs. 3 des § 57 StBerG (vgl. ebenso Senat in BFHE 122, 210, BStBl II 1977, 445, 446 zur Auslegung der entsprechenen Widerrufsregelung in § 46 Abs. 2 Nr.2 StBerG). Der Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202 eine Arbeitnehmertätigkeit als mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar angesehen, obwohl er Berufsträger auch in diesem Falle daneben zugleich (unbeanstandet) seinen Beruf als Rechtsanwalt ausübte. Er hält an dieser Rechtsprechung auch für den Streitfall fest. Die freiberufliche Nebentätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt, die für sich allein gesehen mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar wäre (§ 57 Abs. 3 Nr.2 StBerG), hat auf die Frage der Versagung seiner Bestellung als Steuerberater keinen Einfluß. Die Bestellung war allein deshalb zu versagen, weil der Kläger hauptberuflich als Arbeitnehmer tätig ist. Die mit dem Steuerberaterberuf unvereinbare Tätigkeit verliert nicht deshalb ihre Eigenschaft als Versagungsgrund für die Bestellung, weil neben ihr noch eine weitere, kompatible Tätigkeit ausgeübt wird. Der Kläger geht deshalb zu Unrecht davon aus, daß im Hinblick auf die Bestellung als Steuerberater ein Syndikusanwalt anders (schlechter) behandelt werde als ein Nuranwalt. Maßgeblich ist, daß letzterer nicht zugleich auch als Arbeitnehmer tätig ist.
b) Die Auslegung der Inkompatibilitätsregelung in § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG durch das FG und den erkennenden Senat verstößt nicht - wie die Revision meint - gegen die Wertungen in anderen Vorschriften des StBerG.
Die Tatsache, daß ein Rechtsanwalt - auch wenn er, wie der Kläger, nebenberuflich als Syndikusanwalt tätig ist - bereits nach § 3 Abs. 1 Nr.2 StBerG wie ein Steuerberater zu geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, macht die begehrte Bestellung als Steuerberater nicht zum bloßen formalen Rechtsakt.
Der Kläger weist selbst darauf hin, daß es aus Wettbewerbsgründen wegen der von der Mandantschaft erwarteten steuerlichen Spezialkenntnisse im Wirtschaftsleben einen Unterschied macht, ob ein Rechtsanwalt lediglich gestützt auf § 3 Abs. 1 Nr.2 StBerG Hilfeleistung in Steuersachen betreibt oder ob er sich hierzu auch auf seine Bestellung zum Steuerberater und damit auf die Zugehörigkeit zu der nach dem Gesetz primär und spezifisch zur Hilfeleistung in Steuersachen vorgesehenen Berufsgruppe (§ 3 Abs. 1 Nr.1 StBerG) beruft. Die Bestellung hat schon deshalb auch bei einem Rechtsanwalt eine eigenständige Bedeutung, die es rechtfertigt, sie an weitere eigenständige Voraussetzungen nach dem StBerG zu knüpfen.
Wenn es einem Rechtsanwalt - auch einem Syndikusanwalt - nach § 58 Abs. 2 Nr.1 StBerG erlaubt ist, einen Steuerberater als Angestellten einzustellen, so folgt daraus - entgegen der Auffassung der Revision - ebenfalls nicht, daß der Syndikusanwalt auch selbst zum Steuerberater bestellt werden müßte. Die Vorschrift bestimmt lediglich eine Ausnahme von dem Verbot der Arbeitnehmertätigkeit für Steuerberater (vgl. § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG); sie besagt dagegen - über die mögliche Arbeitgebereigenschaft hinaus - nichts über die Behandlung eines Rechtsanwalts nach dem StBerG.
Der Senat vermag der Auffassung des Klägers nicht zu folgen, daß § 57 Abs. 3 Nr.2 StBerG - Vereinbarkeit einer freiberuflichen rechtsberatenden Tätigkeit mit dem Beruf eines Steuerberaters - der Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG für eine Tägigkeit als Arbeitnehmer im Range vorgeht. Beide Vorschriften stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander. Sind - wie im Streitfall - beide Tatbestände erfüllt, so greift - wie oben ausgeführt - wegen der Arbeitnehmertätigkeit unabhängig von der gleichzeitigen Tätigkeit als Rechtsanwalt die Unvereinbarkeitsregelung durch. Da folglich ein Gegensatz zwischen den Vorschriften nicht besteht, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Anwendung nur der für ihn günstigen Regelung.
3. Die vorstehende Auslegung der Inkompatibilitätsregelung im StBerG verstößt, wie das BVerfG und der erkennende Senat wiederholt entschieden haben, nicht gegen die Art. 12 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Der Senat verweist insoweit auf die Beschlüsse des BVerfG in BVerfGE 21, 173 und in BVerfGE 22, 275 und auf seine Urteile in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202 und in BFHE 150, 272, BStBl II 1987, 790.
a) Das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) umfaßt zwar grundsätzlich auch das Recht, mehrere Berufe zu wählen und gleichzeitig nebeneinander auszuüben. Die gesetzlich normierte Inkompatibilität zwischen dem Beruf des Steuerberaters und einer Tätigkeit als Arbeitnehmer ist ein objektives Hindernis, zu dem Beruf eines Steuerberaters einen weiteren Beruf hinzuzuwählen. Insoweit wirkt die Inkompatibilität als absolute Berufssperre. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, werden aber an objektive Beschränkungen der Zuwahl eines zweiten und - wie hier - sogar eines dritten Berufs nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht dieselben strengen Anforderungen gestellt, die sonst für objektive Zulassungsvoraussetzungen gelten.
Denn es ist ein wesentlicher Unterschied, ob eine gesetzliche Regelung den Zugang zu einem bestimmten gewünschten Beruf erheblich beschränkt oder nur den Zugang zu einem weiteren Beruf versperrt. Dem Berufsbewerber bleibt jedenfalls die ungehinderte und freie Entscheidung, je nach seiner Neigung einen der mehreren Berufe zu ergreifen (BVerfG in BVerfGE 21, 173, 181). Die gesetzliche Inkompatibilität zwischen dem Beruf des Steuerberaters und einer Arbeitnehmertätigkeit verstößt somit nicht gegen Art. 12 GG, da sie dazu dient, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Steuerberaters zu wahren (BVerfGE 21, 173 und 22, 275).
Die Versagung der Bestellung des Klägers als Steuerberater aufgrund des § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG war auch nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots nicht unzumutbar. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 21, 173 und BVerfGE 22, 275) kann zwar der Gesetzgeber aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gehalten sein, bei Neuregelung der Unvereinbarkeit mit dem Beruf des Steuerberaters für bestimmte Härtefälle eine Übergangsregelung zu treffen. Dabei können die Zeitdauer, die Art und die wirtschaftliche Bedeutung der bisher nebeneinander ausgeübten Tätigkeiten, das Alter des Betroffenen und die Zumutbarkeit der Einstellung der - nunmehr unzulässigen - (Steuerberater-)Tätigkeit zu berücksichtigen sein. Ein solcher Härtefall liegt aber beim Kläger nicht vor. Da er erst neu in den Beruf des Steuerberaters eintreten will, konnte er bei seiner Berufswahl die seit längerer Zeit bestehende Inkompatibilität berücksichtigen. Der angestrebte (Neben-)Beruf dient in seinem Falle auch nicht der unmittelbaren wirtschaftlichen Existenzsicherung.
b) Der Senat hält auch trotz der von der Revision und teilweise im Schrifttum (vgl. Kraft/Schröder, Verfassungswidrige Ungleichbehandlung der rechtsberatenden Beruf zu Lasten der Steuerberater?, Der Steuerberater 1990, 401, 403, 404) erhobenen Einwendungen an seiner Rechtsprechung fest, nach der die Unvereinbarkeitsregelung in § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG nicht deshalb gegen die Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil bei Rechtsanwälten gemäß § 7 Nr.8 und insbesondere § 46 BRAO eine solche strenge Inkompatibilität einer Arbeitnehmertätigkeit nicht besteht, diese also auch als Syndikusanwalt zugelassen werden können. Wie bereits in BFHE 126, 346, BStBl II 1979, 202, 206 ausgeführt, bestehen zwischen der Berufsausübung eines Rechtsanwalts und der eines Steuerberaters im allgemeinen wesentliche Unterschiede. Diese Unterschiede ergeben sich vor allem daraus, daß der Steuerberater über einen gegebenen Einzelfall hinaus meist eingehende und umfassende Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - einschließlich der beruflichen Tätigkeit, der Betriebsverhältnisse und dergl. - seiner Mandanten benötigt, um sie richtig beraten und ihre Interessen in vollem Umfang wahrnehmen zu können. Für das Tätigwerden eines Rechtsanwalts sind derartige Kenntnisse in der Regel nicht erforderlich. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn sie gemäß § 3 Abs. 1 Nr.2 StBerG Hilfe in Steuersachen leisten; denn diese bezieht sich bei Rechtsanwälten in der Regel auf die Beratung und Prozeßvertretung in steuerrechtlichen Einzelfragen, während sie bei Steuerberatern meist eine umfassende steuerliche Beratung - einschließlich Gewinnermittlung und Erstellung der gesamten Steuererklärungen - häufig im Sinne eines Dauermandats umfaßt. Wenn ein Steuerberater sich neben diesem Beruf noch als Arbeitnehmer betätigt, so ist grundsätzlich nicht auszuschließen, daß er aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines Mandanten bei der Erledigung seiner Aufgaben als Arbeitnehmer in Interessenkollision gerät. Diese - abstrakte - Gefahr macht bei dieser Berufsgruppe eine derartige Berufskombination zumindest weniger erträglich als bei anderen freien Berufen (vgl. BVerfGE 21, 173, 182). Unterschiedliche Regelungen über die Vereinbarkeit einer Arbeitnehmertätigkeit mit dem freien Beruf erlangen dadurch eine Erklärung und können deshalb wegen der aufgezeigten grundsätzlichen Unterschiede in der Berufsausübung von Rechtsanwälten und Steuerberatern nicht als willkürlich bezeichnet werden.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Steuerberatung einen Ausschnitt der allgemeinen Rechtsberatung darstellt und sich Stellung und Organisation der Berufsstände von Rechtsanwälten und Steuerberatern - wie das BVerfG (NJW 1989, 2611, 2612) im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit von Sozietäten von Anwaltsnotaren mit Steuerberatern betont hat - weitgehend gleichen. Die unterschiedliche Gefahr von Interessenkollisionen bei gleichzeitiger Arbeitnehmertätigkeit wird damit für die beiden Berufsgruppen nicht berührt, da hierfür nicht die Rechtsstellung der Berufsträger und die Organisation ihrer Berufsstände, sondern die praktische Berufsausübung, wie sie sich in ihrer typischen Form darstellt, maßgebend ist. Der Gesetzgeber ist im übrigen auch befugt, von der Besonderheit gleichliegender Verhältnisse, wo diese im Einzelfall vorliegen, abzusehen und typisierende Regelungen zu erlassen (Senat in BFHE 105, 272, 274 am Ende, BStBl II 1987, 790, 791). Dabei kann er im Rahmen der gesetzlichen Fixierung von Berufsbildern durch Schaffung von Vereinbarkeitsregelungen auch bestehenden beruflichen Traditionen, wie der des Syndikusanwalts - für die es Vergleichbares bei den Steuerberatern nicht gibt - Rechnung tragen. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist schließlich nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Das ist für die Unvereinbarkeitsregelung in § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG aus den vorstehenden Gründen zu bejahen.
c) Der Kläger sieht eine seine Chancengleichheit verletzende Ungleichbehandlung i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG ferner darin, daß er als zugleich als Arbeitnehmer tätiger Syndikusanwalt nach § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG nicht zum Steuerberater bestellt werden kann, während für einen Nur-Rechtsanwalt eine solche Inkompatibilität nicht besteht (§ 57 Abs. 3 Nr.2 StBerG). Er stellt hier zu Unrecht darauf ab, daß die BRAO dem hauptberuflichen und dem nebenberuflichen Rechtsanwalt dieselben Rechte und wirtschaftlichen Chancen gewährt. Maßgeblich für die Bestellung als Steuerberater ist nicht die BRAO, sondern das StBerG, das in § 57 Abs. 3 Nr.2 und Abs. 4 Nr.2 die Vereinbarkeit bzw. Unvereinbarkeit einer Tätigkeit mit dem angestrebten Beruf nicht von der Rechtstellung als Nuranwalt oder Syndikusanwalt abhängig macht, sondern grundsätzlich jede Arbeitnehmertätigkeit mit dem Beruf des Steuerberaters für unvereinbar erklärt. Für die für die Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) maßgebliche Frage, ob der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obgleich zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfG-Beschluß vom 29. November 1989 1 BvR 1402/87, 1528/87, BStBl II 1990, 479, 482 m.w.N.), sind im Streitfall der Berufsgruppe der hauptberuflichen Rechtsanwälte, die nach § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG zum Steuerberater bestellt werden können, nicht die Syndikusanwälte, sondern sämtliche Arbeitnehmer als Berufsgruppe (§ 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG) gegenüberzustellen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß zwischen den freiberuflichen Rechtsanwälten und der Gruppe der Arbeitnehmer im Hinblick auf deren Weisungsgebundenheit in örtlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht wesentliche Unterschiede bestehen, die die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Berufe mit dem Beruf des Steuerberaters rechtfertigen.
d) Die von der Revision angegriffene Vorschrift des § 57 Abs. 4 Nr.2 StBerG verstößt auch nicht gegen sonstige Verfassungsnormen. wie bereits ausgeführt, enthält sie in Verbindung mit § 40 Abs. 3 Nr.2 StBerG eine Eingriffsnorm für die Versagung der Bestellung des Klägers als Steuerberater, die im Hinblick auf das hier vorliegende Tatbestandsmerkmal der Arbeitnehmertätigkeit - unabhängig von dem weiteren Beruf des Syndikusanwalts - nicht der erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit entbehrt (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Versagung der Bestellung ist trotz der für alle Rechtsanwäle bestehenden Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen (§ 3 Abs. 1 Nr.2 StBerG) nicht unverhältnismäßig, weil ein Rechtsanwalt, der gleichzeitig zum Steuerberater bestellt worden ist, im Wirtschaftsleben aus der Sicht der Mandanten eine gegenüber dem Nuranwalt herausgehobene Stellung einnimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 419016 |
BFH/NV 1993, 693 |