Leitsatz (amtlich)
1. Soweit Aufwendungen aus der Unterhaltung eines Gästehauses seit dem 6. August 1960 bei der Gewinnermittlung ausscheiden, liegt keine echte, sondern eine sog. unechte, retrospektive Rückwirkung vor, die nach den Umständen des Falles mit dem GG vereinbar ist.
2. "Ort des Betriebes" im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG 1960 ist in der Regel die politische Gemeinde, in deren Grenzen sich der Betrieb befindet.
Normenkette
EStG 1960 § 4 Abs. 5 Nr. 2, § 52 Abs. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH mit dem Sitz in H, unterhält in A ein Gästehaus, das an schönen Wochenenden auch von der Familie des alleinigen Gesellschafters der Steuerpflichtigen benutzt wird. Das Haus enthält neben einem Wohnraum, einem Frühstückszimmer, einer Küche nebst Speisekammer vier Gästezimmer und zwei Zimmer für die Wirtschafterin; in einem Seitenbau befinden sich zwei Zimmer und Küche für den Gärtner. Das Grundstück, auf dem sich das Gästehaus befindet, ist rund 32 500 qm groß. Die Entfernung zwischen den Gemeindegrenzen von H und A beträgt 13 km, die Entfernung zwischen dem Betrieb der Steuerpflichtigen und ihrem Gästehaus 17 km. Streitig ist, ob und inwieweit die nach dem 5. August 1960 entstandenen Aufwendungen der Steuerpflichtigen für das Gästehaus als Betriebsausgaben abzugsfähig sind (§ 4 Abs. 5 Nr. 2, § 52 Abs. 2 EStG in der Fassung des StÄndG vom 30. Juli 1960 - EStG 1960 - BGBl I 1960, 616).
Bei der Veranlagung der Steuerpflichtigen für das Streitjahr 1960 hatte der Revisionsbeklagte (das FA) zunächst die gesamten Aufwendungen, die der Steuerpflichtigen im Streitjahr durch das Gästehaus erwachsen waren (Abschreibungen, Personal- und Sachaufwendungen), dem Betriebsergebnis außerhalb der Bilanz hinzugesetzt. Der Einspruch der Steuerpflichtigen führte zum Abzug des streitigen Betrages (abzüglich eines dem Privatkonto des Gesellschafters belasteten Betrages für die private Benutzung des Hauses in Höhe von 12 000 DM). Auf die Berufung des FA setzte das FG dem Betriebsergebnis der Steuerpflichtigen die auf die Zeit vom 6. August bis 31. Dezember 1960 entfallenden Aufwendungen (abzüglich des dem Privatkonto des Gesellschafters der Steuerpflichtigen bereits belasteten Anteils) wieder hinzu. Seine Entscheidung, die in EFG 1965, 319 veröffentlicht ist, begründet es wie folgt:
Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal des Ortes des Betriebes könne nicht in jedem Fall nach Begriff und Gebiet der politischen Gemeinde gleichgesetzt werden, in der sich der Betrieb eines Steuerpflichtigen befinde. Der in Abschn. 20 Abs. 9 EStR 1960 eingeführte Begriff der Nähe ("... zwar außerhalb der Grenze der Gemeinde, aber in deren Nähe ...") sei weder durch den Begriff des Einzugsgebiets, der umfassender sei, noch durch eine feste km-Grenze bestimmbar. Es sei auch nicht entscheidend, ob in kürzerer Entfernung Hotelunterkünfte überhaupt oder zur Unterbringung von Gästen geeignete Hotels vorhanden seien. Entscheidend seien deshalb die örtlichen Verkehrsverhältnisse. So könne einerseits ein jenseits der Gemeindegrenze gelegenes Gästehaus noch als am Ort des Betriebes gelegen angesehen werden, insbesondere wenn der Betrieb nahe der Gemeindegrenze und damit nahe zum Gästehaus liege; andererseits könne in Großstädten mit entsprechender Flächenausdehnung ein Gästehaus, das am anderen Ende der Stadt liege als der Betrieb, nicht mehr als am Ort des Betriebes gelegen anerkannt werden. Im Streitfall, in dem die Entfernung zwischen Betrieb und Gästehaus der Steuerpflichtigen rund 20 km betrage und auf dem Wege vom einen zum anderen mehrere Ortschaften durchfahren werden müßten, befände sich das Gästehaus nicht am Ort des Betriebes der Steuerpflichtigen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde der Steuerpflichtigen, zu deren Begründung sie vortragen läßt:
Mit dem Inkrafttreten des StÄndG vom 30. Juli 1960 würden die bisher als Betriebsausgaben unbestrittenen Aufwendungen für Gästehäuser nun mit rückwirkender Kraft steuerlich nicht mehr anerkannt. Während die Steuerpflichtigen sich hinsichtlich ihrer Aufwendungen für Geschenke sowie für die Pacht oder Ausübung der Jagd und Fischerei, für die Haltung oder Benutzung von Segeloder Motorjachten vom Zeitpunkt der Gesetzesänderung an auf die neue Rechtslage einstellen könnten, sei das hinsichtlich der Gästehäuser nicht der Fall. Denn selbst bei Stillegung eines Gästehauses würde zwangsläufig eine Reihe von Aufwendungen (so für Abgaben, Instandhaltung und Versicherung) anfallen, die - obwohl Betriebsausgaben - nun nicht mehr abzugsfähig sein sollten. Auch die Anschaffungskosten für das Haus stellten - unbeschadet ihrer Verteilung auf die Zeit der Nutzung (Absetzung für Abnutzung) - Betriebsausgaben dar, die im Vertrauen auf den Bestand geltenden Rechts gemacht worden seien. Das Abzugsverbot schließe somit eine bereits vor seinem Inkrafttreten angefallene Betriebsausgabe von ihrer steuerlichen Berücksichtigung aus, erstrecke sich mithin - als ein rückwirkend belastendes Steuergesetz - auf einen bereits vor seinem Inkrafttreten abgeschlossenen Tatbestand. Würde das Haus veräußert werden, so würde der Veräußerungserlös, falls er den Anschaffungskosten abzüglich des zwischenzeitlichen Wertverzehrs entspräche, die Verweisung des Wertverzehrs in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen deutlich machen, falls er dagegen eine Wertsteigerung zum Ausdruck brächte, unter Umständen die Versteuerung eines Veräußerungsgewinns auslösen.
Darüber hinaus habe das FG den Begriff des Ortes des Betriebes verkannt. Die Auffassung, daß in Großstädten mit entsprechender Flächenausdehnung ein Gästehaus, das am anderen Ende der Stadt liege, als der Betrieb, nicht mehr als am Ort des Betriebes gelegen anerkannt werden könne, widerspreche dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Müsse man danach davon ausgehen, daß die Entfernung zwischen Betrieb und Gästehaus in großen Gemeinden oft erheblich sein könne, so dürfe sie für Fälle wie den vorliegenden nicht so eng begrenzt werden, wie geschehen. Die Steuerpflichtige stimme dem FG darin zu, daß örtliche und verkehrstechnische Gesichtspunkte für die Auslegung des Begriffs des Ortes des Betriebes im Hinblick auf die Lage des Gästehauses entscheidend sein müßten. Gerade von diesen habe sich die Steuerpflichtige bei dem Erwerb ihres Gästehauses leiten lassen. Die Entfernung betrage vom Betrieb zum Gästehaus 17 km, von Gemeindegrenze zu Gemeindegrenze 13 km. Das Gästehaus sei vom Betriebe aus in 20 Fahrminuten auf einer Bundesstraße zu erreichen, die eine der beiden zu durchfahrenden Ortschaften geradlinig durchquere. Die Belegenheitsgemeinde des Gästehauses - A - sei verwaltungsmäßig wie wirtschaftlich der Betriebsgemeinde H zugeordnet, die innerhalb ihrer Gemeindegrenzen räumlich keine Möglichkeit zur Errichtung eines Gästehauses zu tragbaren finanziellen Bedingungen geboten habe.
Nachdem das FA den angefochtenen Steuerbescheid vom 27. Januar 1960 gemäß § 222 Abs. 1 AO durch einen neuen Bescheid ersetzt hat, ist auf Antrag der Steuerpflichtigen dieser Bescheid Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (§§ 68, 123 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Wie das BVerfG bereits wiederholt ausgesprochen hat, verletzt der Gesetzgeber den Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit und damit aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes das Rechtsstaatsprinzip, wenn er das Abgabenrecht dergestalt zum Nachteil der Abgabenpflichtigen ändert, daß er an bereits abgeschlossene Tatbestände ungünstigere Rechtsfolgen knüpft, als das bisherige Recht es getan hat. "Gesetze, die dem Bürger rückwirkend eine öffentlich-rechtliche Leistungspflicht gegenüber dem Staat auferlegen oder erhöhen, sind grundsätzlich unzulässig. Sie zerstören das Vertrauen in die bestehende Rechtsordnung ..." (Beschluß des BVerfG 2 BvL 4/59 vom 31. Mai 1960, BVerfGE 11, 139 [145] zur Änderung des Kostenrechts). Dennoch ist eine rückwirkend belastende Normsetzung, die nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (echte, retroaktive Rückwirkung), ausnahmsweise zulässig, wenn das Vertrauen des Bürgers keinen Schutz erfordert, so z. B., "wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen mußte" (Beschluß des BVerfG 2 BvL 8/64 vom 16. November 1965, BVerfGE 19, 187 [195], zu § 11 Abs. 2 GewStG in der Fassung des StÄndG vom 13. Juli 1961).
Ein solcher Fall echter Rückwirkung ist bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer einmal gegeben, wenn, wie im Fall der Tariferhöhung, die Steuer auf das Jahreseinkommen erhöht wird und das die Steuer erhöhende Gesetz auf einen bei seiner Verkündung schon abgelaufenen Veranlagungszeitraum (VZ) zurückwirkt (Urteil des BVerfG 2 BvL 6/59 vom 7. November 1961, BVerfGE 13, 261). Bezieht sich die Steuererhöhung nur auf Einkünfte bestimmter Art, z. B. beim Wegfall einer Steuervergünstigung auf bestimmte Zinsen, so ist - entsprechend wie bei einer Besteuerung von Handlungen in anderen Steuergesetzen (vgl. Urteil des BVerfG 2 BvL 6/59, a. a. O. [271]) - eine echte Rückwirkung anzunehmen, soweit Einkünfte berührt werden, die schon vor Inkrafttreten des belastenden Gesetzes entstanden sind.
Außerhalb der echten Rückwirkung liegen mehrere Fälle sogenannter unechter Rückwirkung, die nicht ohne weiteres gegen das Grundgesetz verstoßen. Allerdings ergeben sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des daraus folgenden Vertrauensschutzes sachliche Grenzen auch für solche die Steuerlast verschärfende Gesetze, die ihre Wirkung auf Steuertatbestände erstrecken, deren Verwirklichung bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits begonnen hat, aber noch nicht beendet ist (Beschluß des BVerfG 2 BvL 22 und 23/63 vom 7. Juli 1964, BVerfGE 18, 135 [143], BStBl I 1964, 539 [541] zu § 7b Abs. 1 Satz 5 EStG 1958).
Dazu gehört einmal eine Steuererhöhung für das laufende Veranlagungsjahr. Das BVerfG hat hierzu erklärt, der Steuerpflichtige dürfe angesichts der Erfordernisse der öffentlichen Finanzwirtschaft nicht darauf vertrauen, daß der zu Beginn eines VZ geltende Steuertarif bis zu dessen Ende unverändert bleibt, vorausgesetzt, daß die Erhöhung, die während des VZ eintritt, in maßvollen Grenzen bleibt (Urteil des BVerfG 2 BvR 1/60 vom 7. November 1961, BVerfGE 13, 274 zu § 19 Abs. 1 KStG in der Fassung des StÄndG vom 27. Juni 1951).
In diesen Zusammenhang gehören auch die Fälle, in denen Einkünfte, die durch eine erst für die Zukunft wirkende, also nicht unter den Begriff der echten Rückwirkung fallende Maßnahme des Gesetzgebers höher besteuert werden, auf vor Inkrafttreten des Gesetzes durchgeführten oder in der Entwicklung begriffenen Handlungen des Steuerpflichtigen beruhen, bei denen er von dem Weiterbestehen der früheren steuerlichen Behandlung ausgegangen ist und entsprechend disponiert hat. Hierzu hat das BVerfG ausgeführt: "Das Vertrauen, das der Staatsbürger dem ordnungsgemäß gesetzten Recht entgegenbringen darf, ermöglicht es ihm, auf längere Zeit zu planen und zu disponieren, also auf die Beständigkeit und Berechenbarkeit des Rechts zu bauen. In diesem Vertrauen wird der Bürger getäuscht, wenn der Gesetzgeber an zurückliegende oder in der Entwicklung befindliche Tatbestände andere, und zwar ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, auf welche sich der Betroffene bei seinen Dispositionen hatte einrichten dürfen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn seine Dispositionen nicht mehr abänderbar sind. Der Gesetzgeber kann aber triftige Gründe haben, bestehende Rechtslagen zu ändern, auch wenn er dabei auf Tatbestände einwirken muß, die sich in der Entwicklung befinden und die im Vertrauen auf eine bestehende günstige Rechtslage geplant wurden. Ein Vertrauensschutz kommt jedenfalls dort nicht in Frage, wo das Vertrauen sachlich nicht gerechtfertigt ist ..." (Beschluß des BVerfG 2 BvL 22 und 23/63, a. a. O.).
Hierzu hat das BVerfG noch erklärt, der Steuerpflichtige könne nicht darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er bisher mit Rücksicht auf bestimmte Tatsachen oder Umstände aus konjunkturpolitichen Erwägungen gewährt habe, immer und uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhalten werde. Wenn die Tatbestände, an die die gesetzliche Regelung anknüpfe, erst in der Entwicklung begriffen gewesen seien, so sei eine Verschlechterung der Rechtsposition der Steuerpflichtigen durch Entzug der Vergünstigungen und durch ihre Schmälerung in gewissen Grenzen vertretbar, auch wenn sie auf Dispositionen beruhten, die im Vertrauen auf bisher geltendes Recht getroffen worden seien.
In dieser Entscheidung des BVerfG handelte es sich um einen vor Inkrafttreten der verschärften Bestimmungen des § 7b Abs. 1 Satz 5 EStG noch nicht abgeschlossenen Bau eines Wohngebäudes. Das Urteil des BVerfG 1 BvR 228/65 (BVerfGE 19, 119 ff.) zur sogenannten Kuponsteuer befaßt sich dagegen u. a. mit dem schon abgeschlossenen zurückliegenden Tatbestand der Zeichnung von Altbesitzanleihen durch beschränkt Steuerpflichtige, für die sich bei Einführung der Kuponsteuer ungünstigere steuerliche Folgen hatten ergeben können, als diejenigen, auf die sie sich eingerichtet hatten. Das BVerfG hat es dahingestellt gelassen, ob auch in diesem Falle unechte Rückwirkung vorliegt. Es beurteilte den Tatbestand aber sachlich ebenso wie den in seinem Beschluß 2 BvL 22 und 23/63 (a. a. O.) behandelten Fall, indem es einen Vertrauensschutz für auf Währungs- und Konjunkturpolitik beruhenden steuerlichen Vergünstigungen versagt.
Im vorliegenden Falle ergibt sich aus § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG 1960 für die Betriebsausgaben, die mit dem Gästehaus zusammenhängen, eine steuerliche Mehrbelastung, da diese künftig bei der Gewinnermittlung auszuscheiden haben. Eine echte Rückwirkung ist jedoch nicht gegeben, weil es sich nur um solche Aufwendungen handelt, die nach dem Tage der Verkündung des belastenden Gesetzes, d. h. nach dem 5. August 1960, angefallen sind. Allerdings liegt hier eine schon vor der Verkündung getroffene zurückliegende Disposition des Steuerpflichtigen vor, der das Gästehaus in einem früheren Zeitpunkt erworben hat und dabei von der damaligen Rechtslage, wonach die mit dem Gästehaus zusammenhängenden Ausgaben als Betriebsausgaben behandelt wurden, ausgegangen ist. Zwar ist hier der Fall des Wegfalls einer Vergünstigung nicht gegeben. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß der Steuerpflichtige angesichts der Tatsache, daß die Unterhaltung eines Gästehauses der vorliegenden Art die Grenze zwischen Betriebsausgaben und privater Lebensführung berührt, nicht darauf vertrauen konnte, daß die damit zusammenhängenden Ausgaben für alle Zukunft gewinnmindernd behandelt werden würden. Wenn auch nach Ansicht des Senats eine sogenannte unechte Rückwirkung vorliegt, so ist er doch der Auffassung, daß die in das EStG eingeführte Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG dem GG nicht widerspricht.
Zu den von der Steuerpflichtigen angeschnittenen Fragen, die sich im Falle einer Veräußerung des Gästehauses zu einem über den Anschaffungskosten gelegenen Preis ergeben, braucht der Senat in diesem Zusammenhang nicht Stellung zu nehmen.
2. Was den Begriff des Ortes des Betriebes betrifft, so sind die Beteiligten darüber einig, daß der Begriff der Auslegung bedarf (so auch Abschn. 20 Abs. 9 EStR 1960). Ob dabei der Auffassung des FG für den Fall der Belegenheit des Betriebes und des Gästehauses innerhalb der Gemeindegrenzen einer Großstadt zu folgen ist (siehe dazu auch Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, Anm. 26d zu §§ 4, 5 EStG; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 51h zu § 4 EStG; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 8. Aufl., Anm. 778 zu §§ 4, 5 EStG), kann der Senat im Streitfall dahingestellt lassen. Doch können nach Ansicht des Senats weder für diesen Fall noch für den Fall, daß Betrieb und Gästehaus in verschiedenen politischen Gemeinden liegen, aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Frage des Vorliegens einer Dienstreise (BFH-Urteil VI 116/65 vom 17. August 1966, BFH 86, 713, BStBl III 1966, 634: Reise in eine andere politische Gemeinde oder Tätigwerden in einer Entfernung von mindestens fünf km von der regelmäßigen Arbeitsstätte) oder von Werbungskosten (bei einer Entfernung bis zu 40 km zwischen Wohnort und Ort der Arbeitsstätte: BFH-Urteile VI 172/63 U vom 15. Oktober 1964, BFH 81, 90, BStBl III 1965, 31, und VI 40/64 U vom 8. Oktober 1965, BFH 83, 651, BStBl III 1965, 736) Anhaltspunkte gewonnen werden.
Obwohl das Gesetz weder vom Wohnsitz des Steuerpflichtigen noch vom Sitz des Unternehmens, sondern vom "Ort des Betriebes" spricht, scheint es dem Sinngehalt der Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG nach Ansicht des Senats am nächsten zu kommen, wenn man für den Regelfall den Ort des Betriebes der politischen Gemeinde gleichsetzt, in deren Grenzen sich der Betrieb des Steuerpflichtigen befindet. Befinden sich Betrieb und Gästehaus in verschiedenen politischen Gemeinden, so erscheint es vertretbar, sie gleichwohl beide als am "Ort des Betriebes" gelegen anzusehen, wenn sich die Entfernung zwischen ihnen in Grenzen hält, die es erlauben, zur Vermeidung von Härten über den Verlauf der Grenzlinie zwischen zwei verschiedenen politischen Gemeinden hinwegzusehen. Das wird in der Regel der Fall sein, wenn es sich bei der Belegenheitsgemeinde des Gästehauses um eine Vorortgemeinde oder um eine Gemeinde handelt, die als anerkanntes Wohngebiet räumlich und verkehrstechnisch zur Belegenheitsgemeinde des Betriebes gehört. Da dies für die Gemeinde A im Verhältnis zu H nach eigener Einlassung der Steuerpflichtigen im Schreiben vom 6. Juni 1963 und nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht zutrifft, ist die Entscheidung des FG nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 68100 |
BStBl II 1968, 603 |
BFHE 1968, 476 |