Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Verspätungszuschlags
Leitsatz (NV)
Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Höhe des Verspätungszuschlags den durch die verspätete Abgabe der Steuererklärung bewirkten Zinsvorteil erheblich übersteigt.
Normenkette
AO 1977 § 152 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständig tätiger Zahnarzt. Seine Ehefrau (Klägerin und Revisionsklägerin) ist bei einem anderen Arzt als Sprechstundenhilfe tätig. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) forderte die Kläger mit formularmäßigem Schreiben vom 15. März 1982 auf, die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1981 bis zum 30. September 1982 abzugeben. Nach Angabe der Kläger haben sie dieses Schreiben nicht erhalten.
In einem ebenfalls formularmäßig gestalteten Antrag erbat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 30. September 1982 seine Teilnahme am vereinfachten Verfahren der Fristverlängerung. Er kündigte an, die Steuererklärungen seiner Mandantschaft in der Zeit vom 1. Oktober 1982 bis 28. Februar 1983 kontinuierlich zu fertigen. Das FA lehnte diesen Antrag bezüglich der Kläger durch Schreiben vom 12. Oktober 1982 mit dem Hinweis ab, die vorgetragenen Gründe könnten eine Fristverlängerung nicht rechtfertigen; es bleibe daher bei der Abgabefrist vom 30. September 1982. Auf die mögliche Festsetzung eines Verspätungszuschlags wurde hingewiesen. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 1981 ging am 24. Januar 1983 beim FA ein. Mit der von beiden Klägern unterschriebenen Erklärung wurde die Zusammenveranlagung nach § 26 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragt.
Durch zusammengefaßten Bescheid vom 16. Mai 1983, der an die namentlich benannten Eheleute gerichtet ist, setzte das FA die Einkommensteuer 1981 auf 186 567 DM fest. Es verblieb eine Abschlußzahlung von 58 018 DM. Außerdem setzte das FA einen Verspätungszuschlag von 3 730 DM fest.
Gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags erhoben die Kläger mit Schreiben vom 16. Juni 1983 Beschwerde. Unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 8. Dezember 1981 XIII/IV 39/78 AO (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 498) machten sie geltend, der mit der Einkommensteuerfestsetzung verbundene Verwaltungsakt zur Festsetzung eines Verspätungszuschlages sei nichtig, weil ihm die von § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geforderte inhaltliche Bestimmtheit fehle. Eine derartige Entscheidung könne nicht in einem zusammengefaßten Bescheid ergehen, da wegen § 1 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 die Vorschrift des § 155 Abs. 3 AO 1977 keine Anwendung finde. Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die Beschwerde mit Entscheidung vom 8. August 1983 zurück.
Mit der Klage begehren die Kläger die Aufhebung der Festsetzung des Verspätungszuschlags.
Im Laufe des Klageverfahrens legten die Kläger dem FG eidesstattliche Versicherungen vor, in denen sie versicherten, die besondere Aufforderung des FA zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1981 bis zum 30. September 1982 nicht erhalten zu haben. Daraufhin setzte das FA mit Bescheid vom 12. November 1985 den Verspätungszuschlag auf 3 000 DM mit der Begründung herab, daß auf der Grundlage der klägerischen Versicherung von einem geringeren Berechnungszeitraum für die Errechnung des Zinsvorteils ausgegangen sei. Die Kläger stellten den Antrag, den Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Das FG wies die Klage mit dem in EFG 1986, 476 veröffentlichten Urteil ab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet.
1. Zutreffend hat das FG die Auffassung der Kläger verneint, der ergangene Bescheid über einen Verspätungszuschlag wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung 1981 sei wegen Fehlens inhaltlicher Bestimmtheit i. S. des § 119 Abs. 1 AO 1977 nichtig. Die mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1981 vom 16. Mai 1983 verbundene Festsetzung eines Verspätungszuschlages entspricht den gesetzlichen Anforderungen und ist den Klägern wirksam bekanntgemacht worden. Der erkennende Senat nimmt im einzelnen Bezug auf die Gründe seines Urteils vom 9. April 1987 IV R 192/85 (BFHE 149, 416, BStBl 1987, 540).
2. Das FG hat ferner zutreffend bejaht, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung 1981 gegeben sind. Nach § 149 Abs. 1 AO 1977 in der ab Veranlagungszeitraum 1980 anzuwendenden Fassung waren die Erklärungen spätestens 5 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres 1981 abzugeben. Jedoch haben die obersten Finanzbehörden der Länder durch gleichlautende Erlasse vom 15. Januar 1982 (BStBl I 1982, 284) die am 31. Mai 1982 ablaufende Frist für bestimmte Fälle verlängert. Steuerpflichtigen, die durch Steuerberater betreut werden, wurde eine allgemeine Fristverlängerung bis zum 30. September 1982 gewährt. Eine weitere sog. Nachfrist bis zum 28. Februar 1983 konnte auf Antrag in einem vereinfachten Verfahren zugestanden werden. Darüber hinaus war eine Fristverlängerung nur noch in zwingenden Ausnahmefällen möglich.
Den Klägern kam zunächst die allgemeine Fristverlängerung bis zum 30. September 1982 zugute, da sie von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe betreut werden. Das Schreiben des FA vom 15. März 1982, mit dem die Kläger zur Abgabe der Einkommensteuererklärung bis zum 30. September 1982 aufgefordert wurden, war insoweit fristneutral, so daß es hier dahingestellt bleiben kann, ob die Kläger - wie sie behaupten - dieses Schreiben nicht erhalten haben. Da diesem Schreiben aufgrund seiner allgemein gehaltenen Aufforderung nicht zu entnehmen war, warum das FA diese Frist gewählt hat, und das Schreiben des weiteren nicht erkennen ließ, daß das FA keinesfalls zu einer Fristverlängerung bereit war, konnte es dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger nicht verwehrt werden, von der Möglichkeit einer weiteren Fristverlängerung im Wege des sog. Nachfristverfahrens Gebrauch zu machen. Diesen mit Fristablauf am 30. September 1982 gestellten Antrag hat das FA jedoch mit Bescheid vom 12. Oktober 1982 abgelehnt und auf der Abgabefrist vom 30. September 1982 bestanden. Das Risiko einer Säumnis wegen möglicher Ablehnung des weiteren Fristverlängerungsantrages haben die Kläger zu tragen, denn es wäre ihnen zuzumuten gewesen, diesen Antrag unter Beachtung einer angemessenen Bearbeitungsfrist seitens des FA rechtzeitig und nicht erst am letzten Tag der gewährten Frist zu stellen. Jedenfalls ist nicht zu beanstanden, daß das FA aus den vorgenannten Gründen keine weitere Fristverlängerung (etwa bis zum 31. Oktober 1982) gewährt hat und damit aufgrund des abschlägigen Bescheids vom 12. Oktober 1982 auf den 1. Oktober 1982 der Zustand der Säumnis eingetreten ist.
Diese Säumnis ist nicht durch eine spätere Fristverlängerung seitens des FA beseitigt worden. Die Kläger haben zwar vorgetragen, eine von ihnen namentlich nicht benennbare Sachbearbeiterin des FA habe ihrem Prozeßbevollmächtigten in einem Telefongespräch vom 20. Oktober 1982 Fristverlängerung bis Mitte Januar 1983 gewährt. Das FG hat jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung diese Einlassung der Kläger für nicht erwiesen erachtet. Da in bezug auf die vom FG angestellten Erwägungen ein Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze nicht ersichtlich ist, die vom FG vorgenommene Würdigung zumindest möglich ist und überdies Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, ist der erkennende Senat an das vom FG gefundene Ergebnis gebunden. Die Ermessenserwägungen bezüglich der Festsetzung und Höhe des Verspätungszuschlages begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Die Säumnis der Kläger umfaßte den Zeitraum vom 1. Oktober 1982 bis zum 24. Januar 1983, also ca. 3‹ Monate. Bei einer festgesetzten Einkommensteuer von 186 567 DM verblieb eine Abschlußzahlung von 58 018 DM; das ist nahezu ein Drittel der gesamten Steuerschuld. Für den Zeitraum der Säumnis hat das FA - ohne Widerspruch seitens der Kläger - einen Zinsvorteil von 1 450 DM errechnet. Nach dem gesetzlichen Ziele, den Steuerpflichtigen für die Zukunft zur Einhaltung der Fristen anzuhalten, ist es erforderlich, daß der vom Verspätungszuschlag ausgehende Druck den Steuerpflichtigen auch erreicht. Das wäre ersichtlich nicht ohne weiteres der Fall, wenn man dem Steuerpflichtigen lediglich den erwirtschafteten Zinsvorteil nähme. Dementsprechend sind nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 weitere Kriterien bei der Bemessung des Verspätungszuschlages zu berücksichtigen. Im engeren Sinne geht im Streitfall der Druck auf die Kläger von dem Betrag aus, der den Zinsvorteil übersteigt; das sind 2 280 DM. Es handelt sich um knapp 4 v. H. der Abschlußzahlung bzw. knapp 1,4 v. H. der festgesetzten Steuer. Berück- sichtigt man im Streitfall die Länge der Fristüberschreitung, das Fehlen jeglicher Entschuldigungsgründe und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger, dann ist im festgesetzten Verspätungszuschlag keine Maßnahme des FA zu sehen, die unangemessen oder gar willkürlich wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 415090 |
BFH/NV 1988, 750 |