Leitsatz (amtlich)
Ein "Erwerb eines unbebauten Grundstücks zwecks Errichtung von steuerbegünstigten Wohnungen" kann im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Schleswig-Holsteinisches GrESWG nicht vorliegen, wenn Erwerbsvorgang ein einheitlicher Kauf eines Grundstücks nebst dem von dem Veräußerer noch zu errichtenden Gebäude ist.
Normenkette
Schleswig-Holsteinisches GrESWG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin hat im Jahr 1961 zu gleichen Bruchteilen mit ihren beiden Schwestern von einer Wohnungsbaugesellschaft ein Grundstück gekauft. Dieses war bei Vertragsschluß nicht bebaut. Der notariell beurkundete Kaufvertrag bezeichnete es als "mit einem Kaufeigenheim bebaut". Der in drei Raten zu zahlende "Kaufpreis" für Gebäude und Grundstück betrug 79 139,77 DM; die letzte Rate war "am Tage der Übergabe des bezugsfertigen Bauvorhabens" zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils und den Kaufvertrag Bezug genommen. Die Klägerin und ihre Schwestern haben die Wohnungen des Hauses nicht selbst bezogen, sondern vermietet.
Das FA hat gegen die Klägerin aus einem Drittel des "Kaufpreises" von 79 139,77 DM, somit aus 26 379,92 DM, eine Grunderwerbsteuer von 1 846,50 DM festgesetzt. Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe ein unbebautes Grundstück erworben und sei deshalb gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus und bei Maßnahmen im Rahmen des Schleswig-Holsteinischen Aufbaugesetzes und des Baulandbeschaffungsgesetzes - GrESWG - vom 12. August 1954 (Schleswig-Holsteinisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1954 S. 138) von der Steuer befreit. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die zulässige (§ 184 Abs. 2 FGO) Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der Erwerb der Klägerin unterliegt der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Besteuerungsgrundlage ist die Gegenleistung (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), soweit sie auf ihren Miteigentumsanteil entfällt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG, §§ 1008, 741 BGB).
Zwar war das Grundstück bei Abschluß des Kaufs unbebaut, und es muß zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß sie beim Kauf dieses unbebauten Grundstücks und anschließender Bebauung im eigenen und ihrer Schwestern Namen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 GrESWG von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen wäre. Gegenstand eines Kaufes kann aber nicht nur eine bereits bestehende Sache (oder ein bereits bestehendes Recht), sondern auch eine erst zu schaffende Sache (oder ein erst zu bestellendes Recht) sein (vgl. RGZ 106, 301 [302]). Folglich ist es auch nicht ausgeschlossen, daß sich ein Kaufvertrag über ein bislang unbebautes Grundstück von vornherein auf Verschaffung des Eigentums und Übergabe (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) des bebauten Grundstücks bezieht. Ob dies anzunehmen, also das Grundstück samt dem erst zu errichtenden Gebäude gekauft ist, oder ob sich der als Kauf zu qualifizierende Vertragsteil allein auf das unbebaute Grundstück bezieht und über dessen Bebauung mit dem Verkäufer ein Werkvertrag geschlossen ist, hängt von den Abreden des Einzelfalles ab (vgl. Urteile des BFH II 73/63 vom 20. Juni 1967, BFH 90, 82 [86 f.], BStBl III 1967, 794; II 102/63 vom 28. November 1967, BFH 90, 534 [536], BStBl II 1968, 186; V 37/65 vom 7. Dezember 1967, BFH 90, 557 [558], BStBl II 1968, 253).
Allerdings wird nach allgemeiner Erfahrung ein Grundstück regelmäßig in dem Zustand veräußert, in dem es sich im Zeitpunkt der Veräußerung befindet (Beschluß des BFH II B 50/69 vom 18. November 1969, BFH 97, 193 [195, 196], BStBl II 1970, 66), und es wäre aufgrund des Vertragswortlauts allein nicht auszuschließen, daß die Vertragsparteien übereinstimmend (vgl. RGZ 99, 147; 109, 334) etwas anderes gewollt haben, als ihrer notariell beurkundeten Erklärung entspricht (vgl. Urteil des BFH II 149/63 vom 21. Dezember 1966, BFH 87, 458 [460 f.], BStBl III 1967, 189). Für eine solche Annahme bietet aber der festgestellte Sachverhalt keine Stütze. Dieser hätte nur mit einer Verfahrensrüge angefochten werden können (§ 118 Abs. 2 FGO; § 296 Abs. 1, §§ 288, 290 Abs. 1 AO a. F.), und eine solche ist nicht oder jedenfalls nicht rechtzeitig (§ 289 Abs. 2 AO a. F.) erhoben worden.
Zwar ist der Klägerin unbedenklich zu unterstellen, daß sie - wie behauptet - den steuerrechtlich günstigsten Weg wählen wollte; daraus kann aber nicht geschlossen werden, daß sie diesen Weg auch gefunden und übereinstimmend mit der Verkäuferin (vgl. Urteil des BFH II R 132/66 vom 24. Juni 1969, BFH 97, 92 [94]) gewählt hat. Im Schriftsatz vom 7. November 1963 hat die Klägerin selbst die Möglichkeit eines Motivirrtums (nicht Erklärungsirrtums) in Betracht gezogen. Auch ist nicht zu ersehen, ob die Interessen der Verkäuferin mit denen der Käuferin übereinstimmten; möglicherweise war der Vorerwerb der Verkäuferin gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG begünstigt und sie konnte diese Befreiung wegen § 7 GrESWG nur bewahren, wenn auf die Nacherwerber nicht § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG, sondern § 2 Nr. 1 GrESWG anwendbar war.
Somit bleibt, da das angefochtene Urteil in sich schlüssig ist (vgl. dagegen BFH-Urteile V 118/65 vom 16. November 1967, BFH 91, 336, BStBl II 1968, 348, und II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416 [418], BStBl II 1968, 610), gemäß § 118 Abs. 2 FGO als Beurteilungsgrundlage allein der notariell beurkundete Vertrag, und dieser ist nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB auszulegen. Er enthält nur Elemente eines Kaufs (§§ 433 ff. BGB) und keine eines Werkvertrags (§§ 631 ff. BGB) oder Werklieferungsvertrags (§ 651 BGB). Als Gegenstand des Vertrags ist in § 2 der Verkauf des Grundstücks nebst Kaufeigenheim bezeichnet. § 3 nennt nur einen einheitlichen Preis (also für Grundstück nebst Eigenheim). In diesem sind "die Kosten für Vermessung, Aufschließung, Straßenbau, Versorgungsleistungen, Anliegerleistungen und sonstige öffentliche Auflagen enthalten"; von den Baukosten ist nicht die Rede. Die Feuerversicherung sollte gemäß § 4 zunächst die Wohnungsbaugesellschaft abschließen. In § 9 mußte "der Käufer" die (offenbar der Wohnungsbaugesellschaft auferlegten) öffentlichen Bauauflagen "als eigene anerkennen".
An der Qualifikation des Vertrags als eines einheitlichen Kaufs (§ 433 BGB) des Grundstücks samt dem erst noch zu errichtenden Gebäude würde auch dann nichts geändert, wenn die Klägerin und ihre Schwestern im Ergebnis "das wirtschaftliche Risiko" des Baus getragen hätten. So wichtig dieses Merkmal auch sein kann, um die Bauherreneigenschaft (vgl. § 367 Nr. 15 StGB, § 11e Abs. 3 EStDV 1967) zu bestimmen (vgl. Urteile des BFH II 66/57 U vom 2. September 1959, BFH 69, 518, BStBl III 1959, 453; II 250/57 U vom 9. Dezember 1959, BFH 70, 542, BStBl III 1960, 202), so wenig genügt es für sich allein, diese Eigenschaft zu begründen und von ihr auf eine bestimmte Vertragsgestaltung zurückzuschließen (vgl. BFH-Urteile II 139/63 vom 20. Juni 1967, BFH 89, 485 [488], BStBl III 1967, 677; II 73/63 vom 20. Juni 1967, BFH 90, 82 [83, 86], BStBl III 1967, 794; II 102/63 vom 28. November 1967, BFH 90, 534 [537], BStBl II 1968, 186). Denn auch mit dem Begriff eines Kaufs (§ 433 BGB) ist es verträglich, daß durch Bestimmung eines variablen Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB; vgl. auch §§ 315 ff. BGB) - für den sich hier kein Anhalt ergibt - und Ausschluß der Gewährleistung (§§ 459 ff. BGB) - insofern ist die Bedeutung des § 6 des Vertrags unklar - nahezu das gesamte Risiko auf den Käufer übergewälzt wird.
Das Merkmal des wirtschaftlichen Risikos kann also nur in den - allerdings häufigen - Grenzlagen bedeutsam sein; es muß versagen, wenn die bürgerlich-rechtliche Gestaltung selbst nur eine Auslegung zuläßt. Der hier vorliegende Vertrag enthält aber nicht nur in der Ausdrucksweise der Vertragsparteien, sondern auch in objektiver Qualifikation des Erklärten (vgl. BFH-Urteil II R 11-12/67 vom 5. August 1969, BFH 96, 491 [493], BStBl II 1969, 689) nur Elemente eines Kaufs (§§ 433 ff. BGB) und keine solchen eines Werkvertrags (§§ 631 ff. BGB) oder Werklieferungsvertrags (§ 651 BGB).
§ 14 des Vertrags, auf den sich die Revision beruft, kann deren Standpunkt nicht stützen. Er bestimmt in Abs. 1 zunächst, daß "der Käufer" sämtliche Kosten des Vertrags und seines Vollzugs einschließlich etwaiger Steuern, insbesondere etwaige Grunderwerbsteuer tragen sollte. Daran anschließend beantragt "der Käufer" in Abs. 2 "aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen Gebührenbefreiung von der Grunderwerbsteuer" und versichert die Wohnungsbaugesellschaft, daß die Kaufeigenheime den für Kleinwohnungen geltenden Bestimmungen entsprechen. Aus diesen Klauseln ergibt sich kein Anhalt dafür, daß das noch zu erstellende Gebäude namens der Käufer errichtet werden sollte. Sie belegen eher, daß eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GrEStG oder § 2 Nr. 1 GrESWG für den ersten Erwerb eines Eigenheims ins Auge gefaßt war.
Ob die Voraussetzungen einer dieser beiden Vorschriften für den vorliegenden Erwerb erfüllbar gewesen wären, kann dahingestellt bleiben; eine Befreiung nach einer dieser Vorschriften scheitert allein schon daran, daß keine der Käuferinnen eine der beiden Wohnungen beziehen sollte und bezogen hat. Denn der Begriff des Eigenheims (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c GrEStG, § 2 Nr. 1, § 3 GrESWG) erfordert u. a. , daß wenigstens eine Wohnung zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist (Erstes Wohnungsbaugesetz § 20 Abs. 1, Zweites Wohnungsbaugesetz § 9 Abs. 1).
Ob die Käuferinnen sich "als Bauherrinnen gefühlt" haben, und ob sie so handeln wollten, daß ihnen eine Steuerbefreiung zustatten käme, ist unerheblich. Denn die Steuerpflicht tritt ein, wenn der Tatbestand zutrifft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) und verwirklicht ist (§ 3 Abs. 1 StAnpG), an den das Gesetz die Steuer knüpft. § 6 Abs. 1 und 2 StAnpG erlaubt keinen Umkehrschluß derart, daß bei mehr oder minder versehentlicher Erfüllung des Steuertatbestandes oder Nichterfüllung eines Befreiungstatbestandes die Besteuerung zu unterbleiben habe; hier kann allenfalls § 131 AO eingreifen (vgl. Urteil des BFH II R 29/66 vom 5. Februar 1969, BFH 95, 287, BStBl II 1969, 400), sofern dessen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. BFH-Urteile II 184/62 vom 29. September 1965, HFR 1966, 31; II 151/64 vom 7. Mai 1968, BFH 93, 14, BStBl II 1968, 663; II R 123/68 vom 25. März 1969, BFH 96, 283, BStBl II 1969, 602). Denn § 6 Abs. 1 und 2 StAnpG will nur den Steuergläubiger, der auf die bürgerlich-rechtliche Gestaltung keinen Einfluß hat, vor einem zu seinen Lasten gehenden Mißbrauch dieser Freiheit schützen; er ist - anders als etwa die §§ 134, 138 BGB (zu diesen vgl. § 5 Abs. 2 StAnpG) - nicht dazu bestimmt, die bürgerlichrechtliche Gestaltungsfreiheit einzuengen.
Auch vermittels des § 1 Abs. 3 StAnpG ist kein anderes Ergebnis zu erreichen, weil es für den hier maßgebenden Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG - im besonderen unter Beachtung des § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG - einen wirtschaftlichen Unterschied bedeutet, ob ein unbebautes oder ein bebautes Grundstück Gegenstand des Kaufs ist (§ 10 Abs. 1 GrEStG) und § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG seiner wirtschaftlichen Bedeutung nach eben den begünstigen will, der ein Grundstück erwirbt, um es selbst zu bebauen (mit der Folge, daß diese Befreiung bei einer Kette von Erwerbern nur einmal gewährt werden kann).
Der vorliegende Sachverhalt ist grundsätzlich verschieden von dem, über den in den Urteilen des FG Schleswig-Holstein III 36/63 vom 30. August 1963 (EFG 1964, 67) und des BFH II 139/63 vom 20. Juni 1967 (BFH 89, 485, BStBl III 1967, 677) zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden wurde. Denn dort stand außer Zweifel, daß die Steuerpflichtige das Grundstück im unbebauten Zustand erworben hatte, und es war allein darüber zu befinden, ob ihr unter den besonderen Umständen des Einzelfalles die Bauausführung durch einen Dritten als eigene zugerechnet werden könne. Gemeinsam ist beiden Fällen zwar, daß die Fassung des maßgebenden Vertrags "verunglückt" war. In dem dort entschiedenen Falle war aber der von der eigenen rechtlichen Qualifikation des Vertragsschließenden abweichende wirkliche Vertragswille (vgl. BFH-Urteil II 149/63 vom 21. Dezember 1966, BFH 87, 458 [460], BStBl III 1967, 189) aus deren rechtsgeschäftlichen Erklärungen zu erschließen (vgl. BFH-Urteile II 93/63 vom 14. November 1967, BFH 91, 130 [131]; II R 11-12/67, BFH 96, 491 [493], BStBl II 1969, 689), während hier das im Vertrag mit Rechtsfolgewillen Erklärte genau die im Vertrag gewählte Bezeichnung "Kauf" - und nur diese - rechtfertigt. Der "Irrtum" der Klägerin bezog sich also nicht auf das, was sie erklärt hat (vgl. § 119 Abs. 1 BGB, § 5 Abs. 4 StAnpG), sondern auf das, was sie zweckmäßigerweise hätte erklären sollen (wobei offenbleibt, ob die Verkäuferin auf eine andere Vertragsgestaltung eingegangen wäre). Der vorliegende Fall erlaubt daher nicht, die Klägerin als Erwerberin (Miterwerberin) nur des unbebauten Grundstücks und als Bauherrin (Mitbauherrin) des darauf errichteten Gebäudes anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 69120 |
BStBl II 1970, 749 |
BFHE 1970, 558 |