Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Überlassung i.S. des § 4 Satz 2 EigZulG an einen Angehörigen
Leitsatz (NV)
Die 15 Jahre vor Erstellung eines Förderobjekts erfolgte Freigabe einer Altenteilerwohnung stellt keine Gegenleistung für die Überlassung der neu geschaffenen Wohnung dar.
Normenkette
EigZulG § 4 S. 2; AO 1977 § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erbte 1991 von seinem Vater einen landwirtschaftlichen Betrieb, den sein Vater im Jahr 1968 vom Großvater des Klägers im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen erhalten hatte. Nach den Bestimmungen des Hofübergabevertrages hatte der Vater des Klägers seinen Eltern ein lebenslängliches Altenteil zu gewähren, zu dem u.a. ein freies und unentgeltliches Wohnungsrecht an allen Räumlichkeiten im Obergeschoss des damaligen Betriebsleiterwohnhauses gehörte. Das Altenteil wurde im Grundbuch eingetragen. 1981 baute der Vater des Klägers ein neues Altenteilerwohnhaus, in das die Altenteilsberechtigten einzogen.
Im Jahr 1996 errichtete der Kläger in einem Teil des ehemaligen Kälberstalles eine neue Wohnung, die er seiner noch altenteilsberechtigten Großmutter zur Nutzung überließ. Die im Hofübergabevertrag aus dem Jahr 1968 als Altenteilerwohnung bezeichneten Räumlichkeiten im Obergeschoss des alten Betriebsleiterwohnhauses bewohnt der Kläger.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Eigenheimzulage zunächst antragsgemäß ab 1996 fest. Mit Bescheid vom 21. Dezember 1998 hob das FA die Festsetzung der Eigenheimzulage für die Zeit ab 1999 gemäß § 11 Abs. 5 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) auf, da es sich bei der Nutzungsüberlassung der (Ersatz-)Altenteilerwohnung nicht um eine nach dem Eigenheimzulagengesetz begünstigte Nutzung handele.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Überlassung der Wohnung an die Großmutter sei nicht unentgeltlich erfolgt. Denn als Gegenleistung habe sie auf die Ausübung ihres Wohnungsrechts am Obergeschoss des alten Betriebsleiterwohnhauses verzichtet und so dem Kläger die Nutzung der Altenteilerwohnung ermöglicht.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das finanzgerichtliche Urteil sowie den Eigenheimzulagen-Änderungsbescheid vom 21. Dezember 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil des FG und der Aufhebungsbescheid vom 21. Dezember 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2001 sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Zu Unrecht hat das FG die Überlassung der 1996 errichteten Wohnung als nicht unentgeltlich beurteilt.
a) Unentgeltlich i.S. des § 4 Satz 2 EigZulG ist eine Wohnungsüberlassung ohne Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Juli 2001 IX R 9/99, BFHE 196, 481, BStBl II 2002, 77, m.w.N.). Ob eine Gegenleistung vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmen. Erforderlich ist, dass der als Gegenleistung in Betracht kommende Vorteil im wirtschaftlichen (Veranlassungs-)Zusammenhang (gerade) mit der Wohnungsüberlassung steht (BFH-Urteil in BFHE 196, 481, BStBl II 2002, 77).
b) Zu Unrecht hat das FG eine Gegenleistung für die Überlassung der neu errichtete Wohnung darin gesehen, dass die Großmutter des Klägers auf die Ausübung ihres Wohnungsrechts am Obergeschoss des alten Betriebsleiterwohnhauses verzichtet habe. Denn nach den Feststellungen des FG wurde die ursprüngliche Altenteilerwohnung bereits 1981 freigegeben. Dies schließt es aus, hierin die Gegenleistung für die erst 15 Jahre später erfolgte Erstellung und Überlassung der vom Kläger neu geschaffenen Wohnung zu erblicken.
2. Die Entscheidung des FG erweist sich auch nicht nach § 126 Abs. 4 FGO aus anderen Gründen als zutreffend. Denn die Großmutter nutzt die 1996 geschaffene Wohnung nicht auf Grund eigenen Rechts.
a) Wird das Förderobjekt nicht zu eigenen Wohnzwecken (§ 4 Satz 1 EigZulG), sondern durch einen Angehörigen zu Wohnzwecken genutzt, so besteht gemäß § 4 Satz 2 EigZulG ein Anspruch auf Gewährung von Eigenheimzulage, soweit die Wohnung dem Angehörigen (unentgeltlich) überlassen wird. Überlassen einer Wohnung bedeutet, dass der Nutzungsberechtigte seine Berechtigung unmittelbar vom Steuerpflichtigen ableitet. Das ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige als bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer dem Angehörigen die Nutzung der für diesen fremden Wohnung durch Einräumung eines obligatorischen oder dinglichen Nutzungsrechts ermöglicht (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1998 X R 56/96, BFHE 187, 239, BStBl II 1999, 89 - zu § 10h des Einkommensteuergesetzes --EStG--; Thüringer FG, Urteil vom 28. Mai 1998 II 415/96, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 1501; Wacker, EigZulG, 3. Aufl., § 4 Rz. 25).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Tatbestandsmerkmal des § 4 Satz 2 EigZulG erfüllt. Denn der Kläger war 1996 in seiner Entscheidung frei, den vormaligen Kälberstall auszubauen und der Großmutter zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Eine Verpflichtung des Klägers zum Bau einer neuen Wohnung folgt insbesondere nicht aus dem Hofüberlassungsvertrag vom Juni 1968. Das in diesem Vertrag eingeräumte Altenteil bestand u.a. in dem Wohnungsrecht an den Räumlichkeiten im Obergeschoss des damaligen Betriebsleiterwohnhauses. Diese Wohnung ist, auch wenn sie bereits seit 1981 nicht mehr von den begünstigten Altenteilern bewohnt wird, weiterhin an der Hofstelle vorhanden. Damit aber kann das Nutzungsrecht der Großmutter des Klägers an der 1996 neu errichteten Wohnung nicht aus der 28 Jahre vorher vereinbarten Altenteilsverpflichtung abgeleitet werden.
Diese Beurteilung entspricht auch dem Zweck der Eigenheimzulage, die Bildung von Wohnungseigentum zu fördern. Durch Begünstigung der Überlassung von Wohnraum an Angehörige soll die Mobilisierung von Raumreserven im Eigenheimbereich gefördert werden, nicht jedoch die Umverteilung des Eigentums innerhalb der Familie einen Anspruch auf Förderungsleistung eröffnen, ohne dass tatsächlich für die Familie neuer Wohnraum hergestellt oder angeschafft worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juli 1999 IX B 43/99, BFH/NV 2000, 35). Unstreitig aber ist durch den Ausbau des vormaligen Kälberstalles eine neue Wohnung hergestellt und der Wohnraum innerhalb der Familie erweitert, mithin ein neues, förderungswürdiges Objekt geschaffen worden.
3. Weil die Vorentscheidung diesen Grundsätzen nicht entspricht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Der Änderungsbescheid des FA vom 21. Dezember 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2001 ist aufzuheben. Mit Aufhebung des Änderungsbescheides tritt der Bescheid über die Neufestsetzung der Eigenheimzulage ab 1998 vom 28. Oktober 1998 wieder in Kraft (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1994 III R 201/94, BFH/NV 1995, 982; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 68 Rz. 61, m.w.N.).
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ein solcher Antrag im Revisionsverfahren unzulässig ist. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; dafür ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig (z.B. BFH-Urteil vom 2. Mai 2000 IX R 99/97, BFH/NV 2001, 14, unter II. 4.).
Fundstellen
Haufe-Index 1548949 |
BFH/NV 2006, 1635 |
HFR 2006, 1203 |