Entscheidungsstichwort (Thema)
Sprunghaft angestiegene Gewinntantieme nicht notwendigerweise vGA
Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine Gewinntantieme der Höhe nach angemessen ist, muss grundsätzlich anhand derjenigen Umstände und Erwägungen beurteilt werden, die im Zeitpunkt der Tantiemezusage gegeben waren bzw. angestellt worden sind.
2. Hielt eine Tantiemevereinbarung im Zeitpunkt ihres Abschlusses einem Fremdvergleich stand und erhöhte sich die Bemessungsgrundlage für die Tantieme später in unerwartetem Maße, so führt die entsprechende Erhöhung der Tantieme nur dann zu einer vGA, wenn die Gesellschaft die Vereinbarung zu ihren Gunsten hätte anpassen können und darauf aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen verzichtete.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit der Bezüge von Gesellschafter-Geschäftsführern.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Bereich der Datenverarbeitung tätige GmbH. Ihre Gesellschafter waren in den Streitjahren (1988 bis 1991) X mit 60 v.H. Y mit 40 v.H. der Anteile am Stammkapital. X und Y waren zugleich Geschäftsführer der Klägerin.
Die Klägerin wurde im Jahr 1986 gegründet und setzte die Geschäftstätigkeit einer XY-GbR fort. Sie betrieb ihr Gewerbe in angemieteten Räumlichkeiten, die der XY-GbR gehörten, und beschäftigte zwischen 43 (1989) und 30 (1992) Mitarbeiter. Für Entwicklungsleistungen wurden ihr von X und Y arbeitsstundenbezogene Rechnungen erteilt, und zwar in den Streitjahren über Beträge zwischen ca. 379 000 DM und ca. 581 300 DM jährlich (Arbeitsstunden zwischen 1 516 und 2 236 pro Jahr).
Die Umsätze der Klägerin beliefen sich in den Streitjahren ―nach 4,9 Mio. DM in 1987― auf 9,1 Mio. DM (1988) bis 11,7 Mio. DM (1991). Die Jahresüberschüsse betrugen ―nach 416 000 DM in 1987―- 1 188 000 DM (1988), 1 541 000 DM (1989), 1 760 000 DM (1990) und 1 448 000 DM (1991). Hiervon wurden in den Streitjahren wiederholt offene Gewinnausschüttungen vorgenommen.
In den von Januar 1986 datierenden Geschäftsführer-Anstellungsverträgen sagte die Klägerin X und Y ein Grundgehalt sowie für 1987 bis 1989 außerdem ein Weihnachtsgeld, später ―ab 1988― zusätzlich eine Tantieme sowie eine Direktversicherung und die Gestellung von PKW zu. Das Festgehalt des X sollte sich für die Streitjahre und das Folgejahr auf 159 000 DM bis 184 000 DM und dasjenige des Y auf 100 000 DM bis 122 000 DM belaufen. Die Tantiemeversprechen bezogen sich auf 18 v.H. (X) bzw. 12 v.H. (Y) des "Gewinns vor Steuern". Hieraus ergaben sich für die Streitjahre für X Gesamtvergütungen von 706 422 DM (1988), 893 707 DM (1989), 1 042 599 DM (1990) und 916 720 DM (1991), für Y solche in Höhe von 466 039 DM (1988), 590 829 (1989), 695 512 DM (1990) und 610 669 DM (1991).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah im Anschluss an eine Außenprüfung die an X und Y gezahlten Vergütungen, soweit sie insgesamt jeweils 998 400 DM jährlich überstiegen, als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an. Dem lagen Berechnungen des Prüfers zu Grunde, der hierbei u.a. Daten aus Gehaltsstrukturuntersuchungen ausgewertet hatte. Die Klage gegen die auf dieser Basis erlassenen Steuerbescheide hatte nur teilweise Erfolg: Das Finanzgericht (FG) korrigierte die vom Prüfer angestellten Berechnungen und gelangte so zu dem Ergebnis, dass in den Streitjahren Gesamtvergütungen in Höhe von 1 056 507 DM (1988), 1 109 333 DM (1989), 1 164 800 (1990) und 1 223 040 DM (1991) angemessen gewesen seien. Es änderte die angefochtenen Bescheide entsprechend ab; die weiter gehende Klage wies es ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1069 abgedruckt.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise zu ändern, dass bei der Festsetzung der Steuer und der Messbeträge sowie bei der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Ansatz von vGA jeweils unterbleibt.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG. Dessen Feststellungen lassen keine abschließende Beurteilung der Frage zu, ob und ggf. inwieweit die von der Klägerin gezahlten Geschäftsführervergütungen steuerrechtlich als vGA anzusehen sind.
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. VGA in diesem Sinne sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (z.B. Senatsurteile vom 19. Januar 2000 I R 24/99, BFHE 191, 107, BStBl II 2000, 545; vom 15. März 2000 I R 40/99, BFHE 191, 330, BStBl II 2000, 504; vom 9. August 2000 I R 12/99, BFHE 193, 274, BStBl II 2001, 140). Dazu gehören insbesondere einem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des GmbH-Gesetzes) einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteil vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111).
2. Der hiernach erforderliche Fremdvergleich (Vergleich mit dem Verhalten eines ordentlichen Geschäftsleiters) ist nicht, wie die Klägerin meint, in Fällen der vorliegenden Art entbehrlich. Die Klägerin macht hierzu geltend, dass sie einen unüblich hohen Unternehmenserfolg erzielt habe, der überwiegend auf der Leistung der Geschäftsführer beruhe. Das unterscheide sie einerseits von anderen Unternehmen, so dass ein Fremdvergleich gar nicht möglich sei. Andererseits sei ein solcher auch nicht erforderlich, da angesichts der erzielten Kapitalverzinsung ohnehin jeder fremde dritte Kapitalgeber bereit gewesen wäre, den Geschäftsführern Vergütungen in der tatsächlich gezahlten Höhe zuzugestehen. Dem ist nicht beizupflichten.
Denn der Fremdvergleich ist letztlich Ausfluss des Gedankens, dass bei Unternehmen in der Rechtsform der GmbH die Gesellschaft dasjenige Rechtssubjekt ist, das unternehmerisch tätig wird und dem deshalb im Grundsatz der Unternehmenserfolg gebührt. Dieser Erfolg soll nach dem Willen des Gesetzgebers nach den für die Gesellschaft geltenden Regeln besteuert werden, wozu u.a. die Anwendung von Bilanzierungsgrundsätzen und die Belastung des Ertrags mit Gewerbesteuer gehören (vgl. dazu im Einzelnen Blümich/Rengers, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 KStG Rz. 220). Mit dieser gesetzgeberischen Zielsetzung wäre es nicht vereinbar, wenn der Gewinn der Gesellschaft durch beliebige vertragliche Gestaltungen auf die Gesellschafter verlagert und dadurch eine günstigere Besteuerung erreicht werden könnte. Das ist der Grund für die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, die inhaltlich im Wege des Fremdvergleichs ausgefüllt wird.
Die Gefahr der Gewinnverlagerung besteht aber auch ―und sogar in besonderem Maße― im Bereich der mittelständischen Unternehmen, die einerseits von ihren Gesellschafter-Geschäftsführern beherrscht werden und deren Unternehmenserfolg andererseits weitgehend von Einsatz und Fähigkeiten der Gesellschafter-Geschäftsführer abhängt. Angesichts dessen hat der Senat es gerade in diesem Bereich seit jeher für erforderlich erachtet, dass Vereinbarungen zwischen einer Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer für Zwecke der Besteuerung einem Fremdvergleich unterzogen werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 15. März 2000 I R 74/99, BFHE 192, 267, BStBl II 2000, 547; vom 15. März 2000 I R 73/99, BFH/NV 2000, 1245; vom 27. April 2000 I R 88/99, BFH/NV 2001, 342). Folglich kann die von der Klägerin angeführte "Personenbezogenheit" ihres Geschäftserfolgs kein Anlass sein, von einem Fremdvergleich überhaupt abzusehen.
3. Zu den demnach auch im Streitfall einschlägigen Kriterien des Fremdvergleichs gehört u.a., dass die Vergütung der Gesellschafter-Geschäftsführer in ihrer Gesamtheit (Gesamtausstattung) nicht denjenigen Betrag übersteigt, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem vergleichbaren Fremdgeschäftsführer zubilligen würde. Dieser Frage ist das FG deshalb zu Recht nachgegangen. Bei der hierzu vorgenommenen einzelfallbezogenen Würdigung hat es jedoch nicht alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt:
Das FG hat mangels betriebsinterner Vergleichsdaten einen externen Fremdvergleich durchgeführt und zu diesem Zweck auf allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen zurückgegriffen. Dabei hat es auf den höchsten Wert der von ihm herangezogenen Vergleichstabelle ("oberes Quartil") abgestellt, im Hinblick auf die besondere Situation der Klägerin diesen Wert um 40 v.H. erhöht und diesen erhöhten Wert als angemessenes Gehalt für die Mitte des Streitzeitraums angesetzt. Ferner hat es den so ermittelten Wert für die verschiedenen Streitjahre um Ab- und Zuschläge korrigiert, um auf diese Weise die fortschreitende Einkommensentwicklung zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise ist zwar insoweit zutreffend, als Gehaltsstrukturuntersuchungen regelmäßig ein geeignetes Mittel zur Ermittlung des maßgeblichen Fremdvergleichswerts sein können. Sie lässt jedoch die Besonderheit des Streitfalls außer Acht, die darin liegt, dass die Höhe der tatsächlich angefallenen Bezüge maßgeblich auf die Tantiemen und diese wiederum auf den sprunghaft gesteigerten Geschäftserfolg zurückzuführen sind.
a) Nach den Feststellungen des FG hatte die Klägerin ihren Geschäftsführern für die Streitjahre Festbezüge in Höhe von insgesamt 259 000 DM bis 306 000 DM zugesagt. Diese Beträge übersteigen, wie sich aus der vom FG vorgenommenen Würdigung der Gehaltsstrukturuntersuchungen ergibt, die Grenze des Fremdüblichen nicht. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
b) Dass die Gesamtbezüge von X und Y den aus den Gehaltsstrukturuntersuchungen abgeleiteten Vergleichswert überstiegen, ist durch die außerdem vereinbarten gewinnabhängigen Bezüge ausgelöst, die sich für X auf 18 v.H. und für Y auf 12 v.H. des "Jahresgewinns vor Steuern" beliefen. Die absoluten Beträge der Tantiemen sind in den Streitjahren 1988 bis 1990 deshalb erheblich angestiegen, weil der Jahresüberschuss als Bemessungsgrundlage von 416 000 DM (1987) auf 1 760 000 DM (1990) angewachsen ist. Diesem Punkt hat das FG, das nur auf den Vergleich mit den Gehaltsstrukturuntersuchungen abgestellt hat, keine Bedeutung beigemessen. Richtigerweise wäre dies aber erforderlich gewesen.
Denn der Veranlassungszusammenhang einer Gewinntantieme kann nicht allein daraus abgeleitet werden, wie sich die Tantiemeverpflichtung bei rückschauender Betrachtung ausgewirkt hat. Er ist vielmehr im Grundsatz anhand derjenigen Umstände und Erwägungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der Tantiemezusage vorlagen bzw. angestellt wurden (vgl. hierzu schon Senatsurteil vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549, 551, unter II. 3. b der Entscheidungsgründe; Senatsbeschluss vom 26. November 1996 I B 50/96, BFH/NV 1997, 530). Denn sobald eine Tantieme einmal wirksam zugesagt ist, ist die Gesellschaft in der Regel an diese Zusage gebunden; sie kann sich jedenfalls nicht allein deshalb einseitig von ihr lösen, weil der Gewinn unerwartet stark angestiegen ist und demzufolge die Höhe der geschuldeten Tantieme die ursprünglichen Vorstellungen der Vertragsparteien übersteigt. Mithin ist in einem solchen Fall das Festhalten an der Tantiemeverpflichtung in der Regel nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst; vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass im Zweifel auch einem Fremdgeschäftsführer gegenüber dessen Tantiemeanspruch nicht in Frage gestellt worden wäre. Insoweit gilt für die Tantiemezusage dasselbe wie für die Zusage einer Pension, deren Veranlassung grundsätzlich ebenfalls aus dem Blickwinkel des Zusagezeitpunkts zu ermitteln ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 8. November 2000 I R 70/99, BFHE 193, 422, BFH/NV 2001, 866). Eine andere Beurteilung ist nur dann angezeigt, wenn die Gesellschaft aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen entweder eine zivilrechtlich zulässige einseitige Änderung der Tantiemezusage nicht wahrnimmt oder darauf verzichtet hat, sich eine sachgerechte Anpassungsmöglichkeit vorzubehalten; hier kann der Verzicht auf die Anpassungsmöglichkeit bzw. auf deren Wahrnehmung zur Annahme einer vGA führen.
c) Angesichts dessen kann im Streitfall die Frage, ob und ggf. inwieweit die Tantiemeversprechen an X und Y im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, auf Grund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beantwortet werden. Denn das angefochtene Urteil enthält keine Angaben dazu, wie die Klägerin und ihre Geschäftsführer bei Abschluss der Geschäftsführungsverträge die zukünftige Gewinnsituation eingeschätzt haben und wie sich die Tantiemen entwickelt hätten, wenn diese Einschätzung sich bewahrheitet hätte. Nur diese Daten sind indessen richtigerweise dem erforderlichen Fremdvergleich zu Grunde zu legen. Insbesondere können nur sie u.a. Aufschluss darüber geben, ob im Verhältnis zwischen fremden Dritten eine Tantiemezusage auf einen Höchstbetrag beschränkt bzw. in zeitlicher Hinsicht begrenzt worden wäre, weil schon bei Vertragsschluss die sprunghafte Entwicklung der Gewinne absehbar war. Deshalb muss das Verfahren an das FG zurückverwiesen werden, damit dieses die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt und auf dieser Basis die getroffenen Absprachen erneut auf ihre Fremdüblichkeit hin würdigt. Soweit diese aus der Perspektive des Vertragsschlusses zu bejahen sein sollte, müsste das FG sodann der Frage nach einer möglichen späteren Anpassung der Vertragsbedingungen nachgehen.
4. Im zweiten Rechtsgang wird das FG ggf. auch prüfen müssen, ob die im Streitfall zu beurteilenden Tantiemevereinbarungen diejenigen Anforderungen erfüllen, die an die Eindeutigkeit von Verträgen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter gestellt werden. Diese Anforderungen sind im Streitfall deshalb zu beachten, weil X und Y einerseits sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin hielten und andererseits von dieser einander entsprechende Vergütungszusagen erhalten hatten. Sie bildeten daher eine die Klägerin beherrschende Personengruppe, weshalb die für Beherrschungsverhältnisse geltenden Regeln im Streitfall hinsichtlich beider Gesellschafter eingreifen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Februar 1999 I R 51/89, BFH/NV 1999, 1384; Senatsbeschluss vom 27. Oktober 1998 I B 48/98, BFH/NV 1999, 671; Blümich/Rengers, a.a.O., § 8 KStG Rz. 127 ff., m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 871473 |
BFH/NV 2003, 269 |
BStBl II 2003, 418 |
BFHE 199, 536 |
BFHE 2002, 536 |
BB 2003, 84 |
DB 2003, 20 |
DStR 2003, 23 |
DStRE 2003, 128 |
DStZ 2003, 83 |
HFR 2003, 389 |