Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstückserwerb zur Erfüllung eines auf Geld gerichteten Pflichtteils(ergänzungs)anspruchs „an Erfüllung statt“(Änderung der Rspr.)
Leitsatz (amtlich)
Ein Grundstückserwerb zur Erfüllung eines auf Geld gerichteten Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs "an Erfüllung statt" ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer befreit (Aufgabe des BFH-Urteils vom 30. September 1981 II R 64/80, BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76).
Normenkette
GrEStG 1983 § 3 Nr. 2 Sätze 1, 3; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Durch gemeinsames Testament 1987, geändert durch Testament 1991, setzten sich die Eltern der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Nach dem Tode des überlebenden Ehegatten sollte der beiderseitige Nachlass an ihre drei ehelichen Kinder ―die Klägerin und zwei Schwestern― fallen. Die Schwestern der Klägerin sollten je einen Anteil von 41,665 %, die Klägerin einen Anteil von 16,67 % des Nachlasses erhalten. Das Testament enthielt die Bestimmung, dass, wer dieses Testament anficht oder den Pflichtteil geltend macht oder sonstwie nicht anerkennt bzw. es nicht befolgt, sowohl nach dem Tode des Erstversterbenden wie auch nach dem Tode des Längstlebenden der Ehegatten nur den Pflichtteil erhält.
Vor ihrem Tode machten die Ehegatten den Schwestern der Klägerin umfangreiche Vorschenkungen die wesentlich aus Grundbesitz bestanden.
1992 verstarb der Vater und 1993 die Mutter der Klägerin. Im Nachlass befand sich kein Grundbesitz mehr.
Nach dem Tod der Mutter machte die Klägerin in Verhandlungen mit ihren miterbenden Schwestern den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend. Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 7. Mai 1993 schlossen die Klägerin und ihre zwei Schwestern eine als "Teilerbauseinandersetzung" bezeichnete Vereinbarung. Die Vereinbarung ging davon aus, dass die drei Töchter die Erbschaft nach ihrer Mutter angenommen hätten. Die als Miterbin bezeichnete Klägerin schied durch Übertragung ihres Erbteils zu gleichen Teilen auf ihre beiden Miterbinnen (Schwestern) aus der Erbengemeinschaft aus. Im Gegenzug verpflichteten sich ihre Schwestern, drei bisher in deren Miteigentum stehende Grundstücke, die ihnen im Rahmen der Vorschenkungen von ihrer Mutter übereignet worden waren, auf die Klägerin zu übertragen. Mit der Erfüllung dieses Vertrags sollten alle Ansprüche der Klägerin aus ihrer Erbteilsquote nach ihrer Mutter und ihre sämtlichen Pflichtteilsergänzungsansprüche am Nachlass der Mutter und aufgrund deren Vorschenkungen gegenüber den beiden Schwestern abgefunden sein. Zwischen den Beteiligten sollten keine gegenseitigen erbrechtlichen Ansprüche mehr bezüglich des Nachlasses nach der Mutter und der genannten Pflichtteilsergänzungsansprüche bestehen.
Durch unter Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Bescheid vom 9. November 1993 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) gegen die Klägerin Grunderwebsteuer fest. Als Bemessungsgrundlage zog das FA den nach ihrem Anteil am Nachlass berechneten Wert des Erbteils der Klägerin heran.
Dagegen richtete sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage. Mit dieser wurde geltend gemacht, der Erwerb im Wege der Teilerbauseinandersetzung sei nach § 3 Nr. 2 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 von der Grunderwerbsteuer befreit.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerbsvorgang der Klägerin sei nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Die Klägerin sei letztlich nicht Erbin, sondern nur Pflichtteilsberechtigte geworden, weil sie durch die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen die testamentarische Verfügung ihrer Eltern verstoßen habe und damit nach deren Willen lediglich pflichtteilsberechtigt war. Die Übertragung der Grundstücke anstelle des eigentlich auf Geld gerichteten Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs sei aber ein Grundstückserwerb von Todes wegen i.S. des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Februar 1982 II R 160/80 (BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350).
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Zur Begründung beruft sich das FA auf die Änderung der BFH-Rechtsprechung hinsichtlich der erbschaftsteuerrechtlichen Beurteilung geltend gemachter Pflichtteilsansprüche, die durch Hingabe von Grundstücken an Erfüllungs statt erfüllt werden (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1998 II R 52/96, BFHE 187, 50, BStBl II 1999, 23).
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Änderung der BFH-Rechtsprechung zur Erbschaftsteuer habe keine Auswirkung auf die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Rechtsfehlerhaft hat das FG angenommen, dass die Leistung eines Grundstücks an Erfüllungs statt zur Befriedigung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs als Grundstückserwerb von Todes wegen im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) anzusehen und deshalb von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 ausgenommen sei.
Das FG ist davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Pflichtteilsanspruch (§ 2303 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) zugestanden und sie diese Ansprüche geltend gemacht habe. Danach ist der durch den Vertrag vom 7. Mai 1993 erfolgte Übergang der Grundstücke auf die Klägerin kein Grundstückserwerb der Klägerin von Todes wegen im Sinn des Erbschaftsteuergesetzes, denn Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch sind auf Erfüllung in Geld gerichtet. Von Todes wegen erworben wurden diese Geldansprüche. Die nachfolgende Erfüllungsabrede vom 7. Mai 1993 (Übertragung von Grundstücken an Erfüllungs statt) hat das ursprüngliche Schuldverhältnis zwar zum Erlöschen gebracht, dessen für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Inhalt (= Geldanspruch) aber nicht verändert. Diese Auffassung hat der Senat mit Urteil in BFHE 187, 50, BStBl II 1999, 23 zum Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB) vertreten. Sie gilt auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB), da insoweit zivilrechtlich kein relevanter Unterschied zwischen beiden Anspruchsarten besteht. Die abweichende Auffassung im BFH-Urteil in BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350 hat der Senat im Urteil in BFHE 187, 50, BStBl II 1999, 23 ausdrücklich aufgegeben.
Grunderwerbsteuerrechtlich hat dies zur Folge, dass die Hingabe eines Grundstücks an Erfüllungs statt für den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch (oder Pflichtteilsergänzungsanspruch) nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 von der Besteuerung ausgenommen ist, denn diese Vorschrift setzt voraus, dass das ―nämliche― Grundstück Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen im Sinn des Erbschaftsteuergesetzes ist. An der hiervon abweichenden Auffassung im BFH-Urteil vom 30. September 1981 II R 64/80 (BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76) kann daher nicht festgehalten werden.
2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage wird abgewiesen; das FA hat den Erwerb der Klägerin zu Recht der Grunderwerbsteuer unterworfen.
Durch den Vertrag vom 7. Mai 1993 sind Anprüche der Klägerin auf Übertragung des Eigentums an inländischen Grundstücken begründet worden. Dieser Vorgang unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer. Eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 GrEStG 1983 ist nicht gegeben.
Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin zivilrechtlich ―wovon das FG ausgeht― ihre Erbenstellung aufgrund der Verwirkungsklausel im Testament ihrer Eltern verloren hat und ihr stattdessen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche zustanden, oder ob sie ―wovon die Parteien der Vereinbarung vom 7. Mai 1993 ausgegangen sind― Erbin geblieben ist.
a) Hatte die Klägerin bereits aufgrund der Verwirkungsklausel ihre Erbenstellung verloren, so hat sie ―zivilrechtlich― die Grundstücke in Erfüllung ihrer auf Geld gerichteten Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche erhalten. Hierfür kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 ―wie oben zu 1. ausgeführt― nicht in Betracht. Die erworbenen Grundstücke gelten auch nicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG fiktiv als vom Erblasser zugewendet und damit als von Todes wegen erworben. Die Klägerin hat ―nach den Feststellungen des FG― auf keinen Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch verzichtet, sondern diese geltend gemacht und die Grundstücke an Erfüllungs statt erhalten. Damit liegen auch die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nicht vor.
b) Ist die Klägerin zivilrechtlich Erbin geblieben, so hat sie die Grundstücke für die Aufgabe (Übertragung) ihrer Miterbenstellung erhalten. Zwar diente das Rechtsgeschäft der Teilung des Nachlasses, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 3 GrEStG 1983 für den Erwerb der Grundstücke durch die Klägerin sind jedoch gleichwohl nicht erfüllt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Grundstücke nicht aus dem Nachlass erworben worden sind.
Auch wenn der Klägerin als Erbin ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zugestanden hätte, wäre die Übertragung der Grundstücke an Erfüllungs statt zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ―wie dargelegt― nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983 befreit. Auch ein Erwerb von Todes wegen i.S. von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG läge nicht vor, da die Klägerin auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht verzichtet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 782017 |
BFH/NV 2002, 1398 |
BStBl II 2002, 775 |
BFHE 199, 28 |
BFHE 2002, 28 |
BB 2002, 1902 |
DB 2002, 2026 |
DStR 2002, 1527 |
DStRE 2002, 1144 |
HFR 2002, 1106 |