Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum zolltariflichen Begriff ,,Briefmarke"
Leitsatz (NV)
1. Zum Gegenstand einer ,,Klage wegen verbindlicher Zolltarifauskunft".
2. Eine Marke ist zolltariflich nur dann als Briefmarke anzusehen, wenn sie zum Freimachen von Postsendungen verwendet zu werden pflegt. Das ist bei sog. Goldbriefmarken regelmäßig nicht der Fall.
Normenkette
FGO § 37 Nr. 2; Zolltarif (KN) Pos. 97,04, 4911
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin auf deren Antrag eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) über ,,Sambia Goldbriefmarken", in der sie die Waren der Unterposition 9704 0000 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zuwies (,,Briefmarken, Stempelmarken, Steuerzeichen, Ersttagsbriefe, Ganzsachen und dergleichen, entwertet oder nicht entwertet, jedoch im Bestimmungsland weder gültig noch zum Umlauf vorgesehen"). Später hob die OFD diese vZTA auf und teilte der Klägerin unverbindlich mit, die Waren seien in die Position 4911 KN einzureihen (,,andere Drucke, einschließlich Bilddrucke und Photographien").
Bei den Erzeugnissen handelt es sich um die fünf Werte zu jeweils 90n der Serie ,,Zambia Olympics 22 k Gold". Die Marken sind 4,5 x 6 cm groß, aus Papier, im Prägedruck hergestellt, ungummiert und nicht entwertet. Die Bildseiten mit Motiven von Olympischen Spielen in den Vereinigten Staaten sind mit einer dünnen 22 k (Karat-)Goldschicht überzogen.
Der von der Klägerin gegen die Aufhebung der vZTA eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin im wesentlichen folgendes geltend: Bei den Marken handele es sich schon deshalb um Briefmarken im Sinne des ZT, weil sie von der staatlichen Postverwaltung Sambias herausgegeben und vom Weltpostverein (UPU) in Bern als vollgültige Postwertzeichen anerkannt worden seien. Wesentliches Merkmal einer Briefmarke sei die Amtlichkeit ihrer Ausgabe durch eine nationale Postverwaltung. Diese Voraussetzung ergebe sich im vorliegenden Fall urkundlich aus der Briefmarke selbst. Auf die Ausstattung einer Briefmarke und auf ihr äußeres Erscheinungsbild komme es hingegen nicht an. In den übrigen EG-Staaten würden solche Marken der Position 9704 zugewiesen. Die OFD habe gegen ihre Ermittlungspflicht verstoßen, weil sie weder bei der Deutschen Bundespost noch bei der UPU Auskünfte über die Verkehrsfähigkeit der streitbefangenen Briefmarken im internationalen Postverkehr eingeholt habe.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist zulässig, soweit sie gegen den Bescheid der OFD und die Einspruchsentscheidung gerichtet ist; im übrigen ist sie unzulässig.
Die Klägerin begehrt in erster Linie Aufhebung des genannten Bescheids - in der Gestalt der Einspruchsentscheidung -, mit dem die OFD die vZTA aufgehoben hat. Es ist also von einer Anfechtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszugehen. Die Zuständigkeit des BFH als Gericht des ersten und letzten Rechtszugs zugleich ergibt sich aus § 37 Nr. 2 FGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats handelt es sich auch dann um eine ,,Klage wegen verbindlicher Zolltarifauskunft" im Sinne dieser Vorschrift, wenn, wie hier, nicht die vZTA als solche, sondern der Bescheid der OFD, mit dem die vZTA aufgehoben worden ist, angegriffen wird (Urteile des Senats vom 27. Januar 1976 VII K 5/74, BFHE 118, 391; vom 11. Oktober 1988 VII K 5/88, BFHE 155, 1, BStBl II 1989, 149).
2. Mit dem weiteren Antrag, die vZTA aufzuheben, soweit sie für sie - die Klägerin - belastend sei, begehrt die Klägerin eine Abänderung der vZTA. Insoweit ist die Klage unzulässig. Abgesehen davon, daß der Antrag zu unbestimmt und eine Beschwer nicht zu erkennen ist, zumal die vZTA aufgehoben worden ist, fehlt es insoweit an dem vorgeschriebenen Vorverfahren.
3. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie nicht begründet. Der Aufhebungsbescheid hinsichtlich der vZTA und die Einspruchsentscheidung verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die erteilte vZTA war rechtswidrig und ist daher von der OFD zu Recht aufgehoben worden (§ 31 der Allgemeinen Zollordnung - AZO -). Die Erzeugnisse, die Gegenstand der aufgehobenen vZTA waren, sind darin zu Unrecht der Position 9704 KN zugewiesen worden. Sie sind keine Briefmarken im Sinne dieser Vorschrift.
Nach den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur - Harmonisiertes System - (ErlKN) Position 9704 (HS) RZ 02.0 sind Briefmarken ,,Marken, die gewöhnlich zum Freimachen von Briefen, Karten oder Postkarten verwendet werden". Diese Erläuterungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des erkennenden Senats maßgebliche Auslegungsmittel für die Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT). Sie machen, wie der Senat bereits zu der vor Einführung der KN für Briefmarken maßgeblichen Tarifnr. 99.04 entschieden hat (Urteil vom 6. Mai 1986 VII K 8/85, BFHE 146, 310) deutlich, daß eine Marke zolltariflich nur dann als Briefmarke anzusehen ist, wenn sie zum Freimachen von Postsendungen verwendet zu werden pflegt, d. h. potentiell und im Regelfall dazu bestimmt ist, durch Aufkleben auf entsprechende Sendungen den Beweis für die Zahlung des Beförderungsentgelts oder eine besondere Beförderungsberechtigung zu erbringen.
An dieser Rechtsprechung ist auch nach Inkrafttreten der KN zum 1. Januar 1988 festzuhalten. Zunächst ist die besagte Erläuterung in ihren hier wesentlichen Teilen unverändert aus dem alten System übernommen worden, so daß kein Anlaß dem das FG einen chen Begriffsbestimmung hinsichtlich Briefmarken besteht. Des weiteren ist es nicht gerechtfertigt, die zolltarifliche Auslegung des Begriffs ,,Briefmarke" durch eine Auslegung nach der Verkehrsanschauung in dem betreffenden Wirtschaftszweig, d. h. hier durch eine postalische Betrachtung zu ersetzen oder zu korrigieren. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in Übereinstimmung mit der Auffassung des EuGH bei der Auslegung des GZT die Verkehrsanschauung nur dann maßgebend, wenn sich Entsprechendes aus den Vorschriften des ZT selbst ergibt (vgl. etwa das Senatsurteil vom 30. August 1988 VII R 178/85, BFH/NV 1989, 333 m. w. N.; ferner Lux in Bail / Schädel / Hutter, Kommentar Zollrecht, F II 1 Anm. 202 ff., 207). Das ist hier nicht der Fall.
Ob die Ansicht der Klägerin richtig ist, eine Briefmarke müsse bereits nach der Verkehrsanschauung begriffsnotwendig von einer staatlichen Postverwaltung ausgegeben und von der UPU als gültiges Postwertzeichen anerkannt sein, bedarf demnach keiner Entscheidung; denn das reicht nicht aus, um die Anforderungen zu erfüllen, die der ZT - wie dargelegt - an den Begriff ,,Briefmarke" stellt. Wenn die von der Klägerin angführten Kriterien tatsächlich bereits im Begriff ,,Briefmarke" vorgegeben sein sollten - für das Erfordernis einer Ausgabe durch eine zuständige Stelle könnten insbesondere die Erläuterungen zu der parallelen Position 4907 für im Bestimmungsland gültige oder zum Umlauf vorgesehene Briefmarken sprechen (vgl. ErlKN Pos. 4907 - HS - RZ 01.0) -, so müßten die tariflichen Anforderungen jedenfalls zusätzlich erfüllt sein, um einer Marke die Briefmarkeneigenschft im Sinne der Position 9704 KN zu verleihen. Der Senat braucht jedoch nicht abschließend zu entscheiden, ob neben den aufgezeigten tariflichen Anforderungen noch weitere Merkmale erfüllt sein müssen, wie sie die Klägerin aufgezeigt hat, weil im vorliegenden Fall die vom ZT geforderten Kriterien für das Vorliegen einer Briefmarke nicht erfüllt sind.
Nach Auffassung des Senats sind die streitbefangenen Marken zumindest für den Regelfall nicht zum Freimachen von Postsendungen im Herkunftsland bestimmt. Das entnimmt der Senat vor allem daraus, daß ein Aufkleben auf Postsendungen dadurch erschwert wird, daß die Rückseiten der Marken im Gegensatz zu den üblicherweise für Frankaturzwecke bestimmten Briefmarken (vgl. ErlKN Pos. 4907 - HS - RZ 04.0) keine Gummierung aufweisen. Zum Aufkleben auf eine Postsendung müßte also eigens Klebstoff beschafft und verwendet werden. Gegen eine Verwendung im Postverkehr als Regelfall sprechen auch die Bildseiten der Marken mit ihren 22-K-Goldauflagen. Das gibt zu folgenden Erwägungen Anlaß: Eine Briefmarke für Frankaturzwecke wird üblicherweise zu ihrem aufgedruckten Wert (Nennwert) am Postschalter verkauft. Die streitbefangenen fünf Marken der Serie ,,Zambia Olympics" weisen je einen Nennwert von 90n auf. ,,n" bedeutet Ngwee, denn die Währung Sambias lautet auf 1 Kwacha (K) = 100 Ngwee (Gabler, Banklexikon, 10. Aufl. 1988, S. 1802). Im maßgeblichen Ausgabejahr 1984 hatte 1 Kwacha nach dem Mittelkurs der DM in Sambia einen Gegenwert von 1,4024 DM (vgl. Bekanntmachung der Umrechnungskurse für ausländische Währungen am 31. Dezember 1984 vom 14. Mai 1985, BStBl I Sondernr. 3/1985 S. 139). 90n entsprachen also etwa 1,26 DM. Dieser Nennwert steht nach Überzeugung des Senats in einem auffälligen Mißverhältnis zum Materialwert der Marke. Bei einer relativ großen Markenfläche (27 qcm), die zur Gänze mit einer, wenn auch dünnen Goldschicht von 22 Karat, also mit einer nahezu 100 %igen Goldschicht, überzogen ist, muß angenommen werden, daß allein die Materialkosten als nur ein Bestandteil der Herstellungskosten bereits ein Vielfaches des Nennwerts ausmachen (vgl. auch die Abhandlung in der einschlägigen Fachliteratur zu einer vergleichbaren Ausgabe von Sambia-Goldbriefmarken der Serie ,,100 Jahre Automobil", ,,Gold aus Sambia", Michel-Rundschau 4/1988, S. 278). Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, daß für die Abgeltung eines Beförderungsentgelts noch Raum ist. Auch das spricht dafür, daß die streitbefangenen Marken nicht für Frankaturzwecke in Sambia bestimmt waren.
Der Senat hält die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts für offenkundig. Er ist daher nicht nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415). Die Klägerin hat ihre Behauptung, in anderen EG-Mitgliedstaaten würden die streitbefangenen Marken als Briefmarken in die Position 9704 eingereiht, nicht belegt. Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, daß das zutrifft.
Fundstellen
Haufe-Index 417982 |
BFH/NV 1992, 494 |