Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Freibetrag nach § 13 Abs.2a Satz 1 Nr.1 ErbStG 1974 für Vermächtnisnehmer
Leitsatz (amtlich)
Das aufgrund eines Vermächtnisses vor dem 1. Januar 1996 erworbene Betriebsvermögen ist nicht nach § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 ErbStG 1994 i.d.F. des StandOG begünstigt.
Orientierungssatz
§ 13 Abs.2a Satz 1 Nr.1 ErbStG verstößt durch die Nichtbegünstigung der Vermächtnisnehmer nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 GG. Auch der --nicht rückwirkend anzuwendende-- Beschluß des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsbesteuerung führt zu keinem anderen Ergebnis.
Normenkette
ErbStG 1974 § 12 Abs. 5 Fassung 1993-09-13, § 13 Abs. 2a S. 1 Nr. 1 Fassung 1993-09-13; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Sohn des im März 1994 verstorbenen A, der Kommanditist einer KG war. Alleinige Erbin des A ist aufgrund eines Erbvertrages die Mutter des Klägers. Zu dessen Gunsten war im Erbvertrag ein Vermächtnis angeordnet, das u.a. einen Teil des Kommanditanteils des Erblassers zum Gegenstand hat.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger wegen des Vermächtniserwerbs mit Bescheid vom 13. April 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) Erbschaftsteuer fest. Dabei setzte es den Wert des steuerpflichtigen Erwerbs nach Abzug des persönlichen Freibetrags von 90 000 DM mit abgerundet 125 100 DM an; in diesem Betrag ist der Kommanditanteil mit rd. 48 000 DM enthalten.
Mit der hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte der Kläger die Berücksichtigung des Betriebsvermögens-Freibetrags für den Kommanditanteil gemäß § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der durch Art. 13 des Standortsicherungsgesetzes (StandOG) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) geänderten Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1991 (BGBl I 1991, 468, BStBl I 1991, 356), da diese Vorschrift nicht nur den Erwerb im Wege des Erbanfalls, sondern auch den Vermächtniserwerb erfasse. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 870 veröffentlichten Urteil als unbegründet abgewiesen; eine Steuerbegünstigung nach § 13 Abs. 2 a ErbStG komme nur für Erben des verstorbenen Unternehmers, nicht aber für Vermächtnisnehmer in Betracht.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt. Er rügt sinngemäß die Verletzung des § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 ErbStG und macht im wesentlichen geltend, daß der Gesetzgeber mit dieser Regelung unabhängig davon, ob der Erwerb von Todes wegen durch Erbeinsetzung oder durch Vermächtnis erfolgt, wegen der erhöhten Sozialpflichtigkeit und des höheren Risikos des Betriebsvermögens dessen Entlastung erreichen und damit den Bestand eines Betriebes im Inland sichern wollte.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Begünstigungsvorschrift des § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 ErbStG für das aufgrund eines Vermächtnisses erworbene Betriebsvermögen nicht greift.
Nach dieser Vorschrift bleibt Betriebsvermögen i.S. des § 12 Abs. 5 ErbStG "beim Erwerb durch Erbanfall" bis zu einem Wert von 500 000 DM außer Ansatz; "beim Erwerb durch mehrere Erben ist für jeden Erben ein seinem Erbteil entsprechender Teilbetrag von 500 000 DM maßgebend, wenn nicht der Erblasser schriftlich eine andere Aufteilung des Freibetrags verfügt hat". Das ErbStG erläutert in § 3 Abs. 1, was als Erwerb von Todes wegen gelten soll und differenziert in Nr. 1 der Vorschrift unter Hinweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zwischen dem Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) und dem Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB). Bei der Verwendung des Begriffs "Erwerb durch Erbanfall" in § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 ErbStG knüpft der Gesetzgeber an diese Differenzierung an. Gemäß § 1922 BGB fällt nur dem Erben, nicht aber dem Vermächtnisnehmer, mit dem Tode des Erblassers dessen Vermögen an. Ein Vermächtnis verschafft dagegen nach § 2174 BGB dem Bedachten nur ein Forderungsrecht gegen den beschwerten Erben. Für den Streitfall bedeutet dies, daß mit dem Erbfall nur die Mutter des Klägers Betriebsvermögen in der Form des Kommanditanteils "durch Erbanfall" erworben hat, nicht jedoch der Kläger, auf den dieses Betriebsvermögen erst durch die Erfüllung des Vermächtnisses übergegangen ist. Damit entfällt die vom Kläger für den Erwerb des Kommanditanteils begehrte Gewährung des (anteiligen) Freibetrags nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 ErbStG. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, spricht für die Beschränkung der Begünstigung des Betriebsvermögens auf den Erwerb "durch Erbanfall" auch die weitere in § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 1 ErbStG enthaltene Regelung über die Aufteilung des Freibetrags auf mehrere Erwerber. Denn das Gesetz verwendet hier den Begriff des Erwerbs "durch mehrere Erben" und setzt als Maßstab für die Aufteilung des Freibetrags den "Erbteil" an; es verwendet somit zivilrechtliche Begriffe, die nur für den Erwerb durch Erbanfall gelten.
Der Senat folgt mit dieser Auslegung der herrschenden Ansicht im Schrifttum (vgl. Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 13 Rz. 189 ff.; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 13 Anm. 60; Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 13 Rz. 92; Troll/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13a Tz. 357; Felix, Betriebs-Berater --BB-- 1994, 477; Hübner, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1995, 197, 199; Stephan, Der Betrieb --DB-- 1995, 293; Weinmann, DStR 1993, 1237, 1239; vgl. auch gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 29. November 1994, BStBl I 1994, 905 Tz. 2.1; a.A. Jordan/ Kapp, BB 1995, 800).
Entgegen der Auffassung des Klägers stehen dieser am klaren Wortlaut orientierten Auslegung weder Sinn und Zweck noch die Entstehungsgeschichte des durch das StandOG in § 13 ErbStG eingefügten Absatz 2 a entgegen. Zwar trifft es zu, daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift eine Erbschaftsteuerentlastung des Erwerbs von Betriebsvermögen "wegen der verhältnismäßig geringen Fungibilität, der erhöhten Sozialverpflichtung (Erhaltung von Arbeitsplätzen) und des höheren Risikos" bezweckt hat; doch ist er hierbei bewußt von dem Erwerb durch Erbanfall ausgegangen. Denn nach der Gesetzesbegründung führt die Begünstigungsvorschrift zu einer deutlichen Entlastung bei der Erbschaftsteuer, weil die "Erben" dem Betriebsvermögen nur noch in entsprechend gemindertem Umfang liquide Mittel für die Zahlung der Erbschaftsteuer entnehmen müssen (s. BTDrucks 12/4487, S. 47 vom 5. März 1993).
Da der Erbe im Gegensatz zum Vermächtnisnehmer Gesamtrechtsnachfolger des Betriebsinhabers wird und sich seine Rechtsstellung damit wesentlich von der eines Vermächtnisnehmers unterscheidet, verletzt die vom Gesetzgeber getroffene Einschränkung der Begünstigung auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Daß der Gesetzgeber später mit der Einfügung des § 13a ErbStG durch das Jahressteuergesetz 1997 (JStG 1997) vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049, BStBl I 1996, 1523, 1531) die Begünstigung des Betriebsvermögens mit Wirkung vom 1. Januar 1996 an (s. § 37 ErbStG i.d.F. des JStG 1997) auf alle Erwerbe von Todes wegen, also auch auf einen Erwerb durch Vermächtnis ausgedehnt hat, steht dem nicht entgegen.
Auch der Hinweis des Klägers auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 1993, 165, BStBl II 1995, 671) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsbesteuerung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn abgesehen davon, daß das BVerfG zu der in § 13 Abs. 2 a ErbStG geregelten Begünstigung des Betriebsvermögens nicht Stellung genommen hat, läßt es die weitere Anwendung des ErbStG auf die bis zum 31. Dezember 1995 entstandenen Erbschaftsteuer-Fälle ausdrücklich selbst insoweit zu, als die Erbschaftsbesteuerung mit dem GG unvereinbar ist (BVerfG in BVerfGE 1993, 165, 178, BStBl II 1995, 671, 675). Der Beschluß des BVerfG zwingt nicht dazu, die darin gewonnenen Erkenntnisse auf zurückliegende Zeiträume anzuwenden (s. Beschluß des BVerfG vom 28. Oktober 1997 1 BvR 1644/94, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 1997, 466, DStRE 1997, 968, 970).
Fundstellen
Haufe-Index 66374 |
BFH/NV 1998, 536 |
BFH/NV 1998, 536-537 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 117 |
BFHE 184, 121 |
BFHE 1998, 121 |
BB 1998, 361 |
BB 1998, 361 (Leitsatz) |
DB 1998, 403 |
DStR 1998, 206 |
DStRE 1998, 145 |
DStRE 1998, 145 (Leitsatz) |
HFR 1998, 297 |
StE 1998, 89 |