Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Kann bei einer Unfallversicherung gegen Einmalprämie mit Prämienrückgewähr, die auf drei Jahre abgeschlossen worden ist, die Einmalprämie als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 a EStG 1953 abgesetzt werden?
Normenkette
EStG § 10/1/2/a
Tatbestand
Der Bg., ein Gewerbetreibender, hat im Jahre 1954 mit einer Versicherungs-AG einen Unfallversicherungsvertrag mit Prämienrückgewähr geschlossen und als Prämie zuzüglich Versicherungsteuer den Betrag von 6.029,10 DM gezahlt. Die Versicherungsgesellschaft muß nach dem Vertrag bei einer auf Unfall beruhenden Invalidität des Bg. diesem 40.000 DM zahlen. Sie ist außerdem verpflichtet, die eingezahlten Prämien ohne Zinsen entweder beim Tode des Bg. oder spätestens nach Ablauf der vereinbarten Versicherungsdauer von drei Jahren ohne Abzug für etwa geleistete Unfallentschädigungen zurückzuerstatten.
Der Bg. machte die 6.029,10 DM als Sonderausgaben geltend. Das Finanzamt nahm an, der gleiche Versicherungsschutz ohne Prämienrückgewähr würde jährlich nur 90 DM gekostet haben und ließ darum als Sonderausgaben nur (3 X 90 =) 270 DM zum Abzug zu. Im Einspruchsverfahren strich es auch diesen Betrag, weil in der Einzahlung der Einmalprämie ein versicherungsfremdes Darlehnsgeschäft des Bg. liege, das nicht nach § 10 EStG begünstigt sei. Prämien seien nur geleistet, soweit der Bg. auf Zinsen verzichtet und hierfür Versicherungsschutz erhalten habe. Diese Aufwendungen seien Betriebsausgaben. Da aber betriebliche Geldbewegungen nicht stattgefunden hätten, ergebe sich keine Auswirkungen auf den betrieblichen Gewinn.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und berücksichtigte die Beiträge in vollem Umfange als Sonderausgaben, weil unter § 10 Abs. 1 Ziff. 2 a EStG 1953 "Beiträge und Versicherungsprämien zu Unfall- und Invalidenversicherungen" fielen und das Gesetz seinem Wortlaut und Zweck nach keine Einschränkung dahin verlange, daß Prämien mit Rückgewähranspruch nicht begünstigt seien.
Mit seiner Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Nach seiner Auffassung ist die Einmalzahlung von 6.029,10 DM jedenfalls nicht als Sonderausgabe anzuerkennen, soweit sie den Betrag von (3 x 90 =) 270 DM zuzüglich der darauf entfallenden Versicherungsteuer übersteigt.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren nach § 287 Ziff. 2 AO beigetreten ist, erhebt gegen die Anerkennung des vollen Betrags als Sonderausgabe keine Bedenken. Er führt aus, die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr sei die Kombination einer Unfallversicherung mit einer Lebensversicherung. Die Eigenart der in der kombinierten Versicherung enthaltenen Lebensversicherung (Prämienrückgewähr-Versicherung) bestehe darin, daß die Versicherungssumme gleich der Summe der für die kombinierte Unfall- und Lebensversicherung zu zahlenden Bruttoprämien sei. Bei einer Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr gegen laufende Prämien bestehe die weitere Besonderheit darin, daß die Versicherungssumme der Prämienrückgewähr-Versicherung jährlich steige. Unter diesen Umständen könne man nicht die Prämienrückgewähr-Versicherung (Lebensversicherungsanteil der kombinierten Versicherung) als darlehnsähnliches Rechtsverhältnis ansehen. Nach versicherungsmathematischen Grundsätzen müsse dem Einmalbeitrag der Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr der Prämienanteil für die reine Unfallversicherung sofort entnommen werden, so daß lediglich der Rest für die Rückgewährversicherung übrigbleibe. Wenn der Prämienanteil für die reine Unfallversicherung im Verhältnis zum Einmalbeitrag auch nur gering sei, so stehe doch keineswegs der volle Einmalbeitrag der Versicherungsgesellschaft als Darlehen zur Verfügung. Sterbe die versicherte Person bereits kurze Zeit nach Abschluß des Vertrages, so zeige sich, daß nicht die Einmalprämie wie ein Darlehen zurückgezahlt werde. Ein Teil der Einmalprämie sei bereits für die Unfallversicherung abgezweigt worden; ein weiterer Teil diene der Deckung der Verwaltungskosten; der Rest diene zur Ansammlung des Deckungskapital und zur Sicherstellung der infolge Todesfalles vorzeitig fällig werdenden Leistungen aus der Prämienrückgewähr-Versicherung. Im Streitfall sei der durch das Deckungskapital ausgedrückte Sparanteil zwar außerordentlich hoch. Aber jede Versicherung, die auf den Lebensfall und den Todesfall abstelle, enthalte einen nicht geringen Sparanteil. Bei einer Versicherung gegen Einmalbeitrag sei zudem der Sparanteil während der Versicherungsdauer mit Ausnahme des letzten Jahres größer als bei einer Versicherung gegen laufenden Beitrag, da mit der Einmalprämie gewissermaßen alle Jahresprämien auf einmal vorausgezahlt würden. Im übrigen sei der Risikoanteil um so geringer und der Sparanteil um so höher, je kürzer die Dauer der Versicherung sei. Der Teil der Prämie, der zur Bildung der Deckungsrücklage Verwendung finde, müsse als Versicherungsprämie im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 a EStG 1953 angesehen werden. Versicherungsverträge seien einheitliche Verträge, die man nicht aufspalten dürfe. Eine andere Frage sei es, ob gemäß § 6 StAnpG bestimmte mit Versicherungsgesellschaften abgeschlossene Versicherungsverträge nicht als nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 a EStG 1953 begünstigte Versicherungsverträge anzuerkennen seien. Im Streitfall liege jedoch keine mißbräuchliche Umgehung vor.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1953 sind Beiträge und Versicherungsprämien zu Unfall- und Invalidenversicherungen sowie zu Versicherungen auf den Lebens- oder Todesfall bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Das Finanzgericht führt zutreffend aus, daß der Wortlaut der Vorschrift keine Einschränkung enthalte, daß Prämien auf eine Unfall- oder Invalidenversicherung mit Anspruch auf Prämienrückgewähr nicht begünstigt sein sollten. Mit dem Bundesminister der Finanzen ist auch anzunehmen, daß eine Versicherung der hier vorliegenden Art die Kombination einer Unfallversicherung mit einer Lebensversicherung sein kann. Prämien auf eine Lebensversicherung mit Anspruch auf Prämienrückgewähr sind, wie der Senat in dem Urteil VI 237/59 U vom 11. Januar 1963 (BStBl 1963 III S. 138) entschieden hat, grundsätzlich durch § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1953 begünstigt. In dem Urteil ist ausgeführt worden, daß für die steuerliche Anerkennung nicht zuletzt auch die Tatsache von Bedeutung ist, daß das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen die für diese Verträge vorgesehenen Tarife genehmigt hat.
Wenn § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1953 nach seinem Wortlaut auch keine Einschränkungen enthält, so muß die Vorschrift doch, wie der Senat im Urteil VI 237/59 U dargelegt hat, auch nach ihrem Sinn und Zweck ausgelegt werden. Wenn die Vorschrift auch von Beiträgen und Prämien zu Unfallversicherungen schlechthin spricht, so kann sie doch keine Begünstigung "um jeden Preis" wollen. Bei einer nur für wenige Tage eingegangenen Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr könnte zum Beispiel zweifelhaft sein, ob überhaupt ernstlich mit einem Risiko gerechnet worden ist. Selbst wenn das aber bejaht würde, so leuchtet doch ein, daß zwar - vom Versicherungsnehmer her gesehen - die echte nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechenbare Unfallversicherungsprämie gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1953 zu begünstigen ist, nicht aber auch eine viel höhere "Prämie", auf deren Rückzahlung nach wenigen Tagen der Steuerpflichtige auf Grund des Vertrags einen Anspruch hat. Wie die Versicherungsgesellschaft die "Prämie" beurteilt, kann nicht ausschlaggebend sein, weil es nicht um die Begünstigung der Versicherungsgesellschaft, sondern um die Begünstigung des Versicherungsnehmers geht.
Bei dem streitigen Vertrag ist der Sparanteil, wie der Bundesminister der Finanzen mit Recht herausstellt, "außerordentlich hoch". Wirtschaftlich hat der Bg. aus seiner Sicht, weil ihm die eingezahlten Prämien auf jeden Fall erstattet werden, nicht diese Prämien, sondern lediglich die aus diesen möglicherweise zu ziehenden Nutzungen (Zinsverlust) aufgewendet. Der Bf. "spart" die gezahlte Prämie, verzichtet aber auf Zinsen. Dieses ganz eindeutige übergewicht des Sparcharakters rechtfertigt es, den Vertrag, auch wenn man ihn mit dem Bundesminister der Finanzen als eine Kombination von Unfall- und Lebensversicherung und als einheitlichen Vertrag würdigt, nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen, wie einen auf drei Jahre abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag gegen Einmalprämie, der wirtschaftlich nur ein Sparvertrag ist.
In dem Urteil VI 237/59 U hat der Senat ausgesprochen, es sei zweifelhaft, ob man einen Lebensversicherungsvertrag gegen Einmalprämie in Anlehnung an die für die Begünstigung von Kapitalansammlungsverträgen erforderte Frist von drei Jahren als durch § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1953 begünstigt ansehen könne. Diese Frage wurde aber offengelassen. Auch im Streitfall kann sie dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn man sie bejahte, würde es an eine Festlegung für drei Jahre fehlen. Die Beteiligten haben zwar "die Versicherung fest auf die Dauer von drei Jahren abgeschlossen" und "auf die im § 17 der Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen niedergelegten Rechte auf vorzeitige Beendigung des Versicherungsverhältnisses" verzichtet. Andererseits aber ist im Vertrag vorgesehen, daß auf Antrag des Versicherungsnehmers frühestens nach Ablauf eines Jahres "Vorauszahlungen gewährt" werden "und zwar bis zur Höhe von 75 % des Deckungskapitals". Unter diesen Umständen hat der Bg. die Prämie nicht auf drei Jahre "fest" angelegt, sondern kann über die "Vorauszahlungen" schon früher verfügen.
Nach allem ist der streitige Vertrag, auf Grund dessen der Bg. 6.029,10DM gezahlt hat, um spätestens nach drei Jahren 5.742 DM zurückzuerhalten, nicht nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a EStG begünstigt. Daß der Bg. auch einen Unfallschutz erstrebte, muß wegen der völlig untergeordneten Bedeutung der hierauf entfallenden Prämie von jährlich nur 90 DM und der Notwendigkeit, den Vertrag einheitlich zu beurteilen, außer Betracht bleiben.
Das angefochtene Urteil war danach wegen unrichtiger Anwendung von § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a EStG 1953 aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410722 |
BStBl III 1963, 234 |
BFHE 1963, 642 |
BFHE 76, 642 |