Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Bemessung des Zollwerts für leichtverderbliche Waren, die nach der Abfertigung zum freien Verkehr kommissionsweise in Parteien verkauft werden.
Normenkette
ZTG §§ 5, 6/1; ZG § 58/1; WertZO §§ 18, 38
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) beantragte am 8. Juni 1954 beim Zollamt die Abfertigung von 687 Säcken zu je 25 kg aus Spanien importierter Frühkartoffeln zum freien Verkehr. Da sie die Kartoffeln zum kommissionsweisen bestmöglichen Verkauf übernommen hatte, gab sie eine vorläufige Zollwertanmeldung nach Muster C (ß 32 der Wertzollordnung - WertZO - 1951) ab. Das Zollamt setzte einen vorläufigen Zollwert von 5.436,60 DM fest und errechnete demgemäß in dem formlosen vorläufigen Steuerbescheid vom 9. Juni 1954 Eingangsabgaben in Höhe von 1.913,65 DM. Nach dem Verkauf der Kartoffeln, der in Partien erfolgte und sich bis zum 30. Juni 1954 hinzog, gab die Bfin. am 7. Juli 1954 eine Zollwertanmeldung nach Muster B ab, der sie eine Kommissionsabrechnung und eine Abrechnung der mit dem Verkauf beauftragten Firma beifügte. Das Zollamt errechnete einen endgültigen Zollwert von 6.867,88 DM auf der Grundlage eines Durchschnittspreises von 14,29 DM je Sack Kartoffeln. Dieser Durchschnittspreis wurde gebildet auf Grund von Verkaufserlösen, die die Firma in der Zeit vom 8. bis 18. Juni 1954 erzielt hatte. Das Zollamt forderte demgemäß mit endgültigem formlosem Steuerbescheid vom 9. Juli 1954 503,80 DM an Eingangsabgaben nach. Mit Steuerbescheid vom 17. September 1954 forderte das Zollamt weitere 74,65 DM an Eingangsabgaben an, weil es mittlerweile zur Auffassung gelangt war, daß der der endgültigen Zollwertfestsetzung zugrunde gelegte Durchschnittserlös von 14,29 DM pro Sack nicht dem im maßgebenden Bewertungszeitpunkt erzielbaren freien Marktpreis entsprach. Es errechnete nunmehr den Zollwert aus Verkaufserlösen der Firma vom 8. Juni 1954 - maßgebender Bewertungszeitpunkt gemäß § 58 des Zollgesetzes (ZG) - und 9. Juni 1954 - weil der Verkauf am 8. Juni 1954 sehr gering war -, wobei es einen Durchschnittspreis von 14,71 DM je Sack als freien Marktpreis ansah. Das Zollamt hatte mit den drei Steuerbescheiden also insgesamt 2.492,10 DM an Eingangsabgaben gefordert. Der Einspruch führte zur Herabsetzung der Abgaben auf 2.349 DM. Das Hauptzollamt errechnete einen Durchschnittsverkaufspreis von 13,91 DM je Sack aus den in der Zeit vom 8. bis 18. Juni 1954 erzielten Verkaufspreisen und legte ihn als Normalpreis der Zollwertbemessung für die ganze Sendung zugrunde. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Mit der Rechtsbeschwerde wird geltend gemacht, daß der im vorläufigen Steuerbescheid vom 9. Juni 1954 festgestellte Zollwert dem Normalpreis im maßgebenden Bewertungszeitpunkt entsprochen habe, und beantragt, unter Aufhebung der Steuerbescheide vom 9. Juli und 17. September 1954 den vorläufigen Steuerbescheid vom 9. Juni 1954 in einen endgültigen umzuwandeln.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, führt aus, maßgebender Bewertungszeitpunkt für eine zum freien Verkehr abzufertigende Ware sei der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Abfertigung des gestellten und angemeldeten Zollguts zum freien Verkehr gestellt wird (ß 6 Abs. 1 des Zolltarifgesetzes - ZTG - 1951, § 58 Abs. 1 ZG in der für den Streitfall maßgebenden Fassung). Bei Kommissionsgeschäften sei es aber häufig praktisch nicht möglich, den Normalpreis schon im maßgebenden Bewertungszeitpunkt festzustellen. Für diese Fälle greife § 18 WertZO 1951 - heute § 38 WertZO 1957 - als Schätzungshilfe Platz. Danach könne für die Zollwertbemessung vom Verkaufspreis des Kommissionärs ausgegangen werden. Aus diesem Verkaufspreis seien die zollwertfremden Preisbestandteile auszusondern. § 18 WertZO 1951 und § 38 WertZO 1957 seien praktikable und den Zollbeteiligten wie die Verwaltung arbeitsmäßig entlastende Schätzungsgehilfen. In der Regel führe ihre Anwendung auch nicht zu einem vom Normalpreis wesentlich abweichenden Ergebnis, weil sich die Preise zwischen dem maßgebenden Bewertungszeitpunkt und dem Zeitpunkt des Verkaufs bei Waren, die wegen ihrer leichten Verderblichkeit schnell abgesetzt werden müssen - solche bildeten den Hauptteil von Kommissionseinfuhren - meist nur geringfügig änderten. Bei der Bewertung von Waren, deren Verkauf aber erst längere Zeit nach dem maßgebenden Bewertungszeitpunkt stattfände und deren Normalpreis nicht schon bei der Abfertigung zum freien Verkehr festgestellt werde, sei grundsätzlich zu prüfen, ob die erzielten Verkaufspreise dem erzielbaren freien Wettbewerbspreis im maßgebenden Bewertungszeitpunkt entsprächen.
Im Streitfall seien für die zu bewertenden Waren im maßgebenden Zeitpunkt (8. Juni 1954) keine geeigneten Vergleichspreise vorhanden gewesen. Da die Verkaufspreise wegen des sukzessiven Verkaufs der Waren sehr unterschiedlich gewesen seien, müßten sie - in der Gesamtheit gesehen - auch als Schätzungsunterlagen ausscheiden. Der Normalpreis der abgefertigten Waren sei deshalb auf andere Weise zu ermitteln. Zu diesem Zweck sei der Preis festzustellen, der für die Kartoffeln im maßgebenden Bewertungszeitpunkt bei einem Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zwischen einem unabhängigen Verkäufer und Käufer - unter Zwischenschaltung eines Kommissionärs - erzielbar gewesen sei. Im maßgebenden Bewertungszeitpunkt habe die Bfin. lediglich 325 kg Kartoffeln verkauft und dafür Preise von 15 DM je 25 kg bzw. hinsichtlich einer Partie von 250 kg einen Preis von 14,75 DM je 25 kg erzielt - tatsächlich wurden am 8. Juni 1954 30 Sack = 750 kg Kartoffeln zu Preisen von 15 DM bzw. 14,75 DM je 25 kg verkauft -. Zu bewerten seien aber nicht 325 kg - richtig 750 kg - Kartoffeln, sondern insgesamt 687 Sack von je 25 kg = 17.175 kg Kartoffeln. Hätte die Bfin. diese gesamte Menge im maßgebenden Bewertungszeitpunkt verkauft, so hätte sie sehr wahrscheinlich eine plötzlichen Marktdruck ausgeübt und dabei wohl kaum einen Preis von 15 DM je 25 kg erzielen können. Denn die Nachfrage nach Kartoffeln in der Preislage von 15 DM / 25 kg sei zu dieser Zeit noch geringer gewesen als das Angebot. Der echte freie Wettbewerbspreis (Normalpreis) wäre also beim Angebot einer derartigen Menge niedriger gewesen als der für eine kleine Menge tatsächlich erzielte Preis. Da dieser Preis nicht einwandfrei feststellbar sei, sei er zu schätzen. Es bestünden keine Bedenken, wenn man, wie die Vorinstanz es getan habe, der Normalpreisermittlung den Durchschnittsverkaufserlös für die Kartoffeln aus den ersten 10 Tagen zugrunde lege. Diese Schätzung komme im Streitfall dem Normalpreis am nächsten.
Die Bfin. hat hierzu keine äußerung abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.
§ 5 ZTG vom 16. August 1951 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 527) bestimmt, daß der Zoll für wertzollbare Waren nach ihrem Zollwert bemessen wird und Zollwert der Normalpreis ist. Nach § 6 a. a. O. ist Normalpreis der Preis, der für die eingeführte Ware bei einem Verkauf zum freien Marktpreis zwischen unabhängigen Verkäufern und Käufern in dem für die Anwendung der Zollvorschriften maßgebenden Zeitpunkt (§§ 58, 60 ZG) erzielt werden kann. § 58 ZG (in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung), auf den auch § 1 WertZO 1951 verweist, besagt, daß sich die Zollschuld für Zollgut nach den Zollvorschriften bemißt, die im Zeitpunkt des Antrags auf Abfertigung des gestellten und angemeldeten Zollguts zum freien Verkehr gelten. Der Antrag auf Abfertigung des zu bewertenden Zollguts ist am 8. Juni 1954 gestellt worden. Dieser Tag ist daher der für die Zollwertbemessung maßgebende Zeitpunkt, d. h. der Zollwertberechnung ist der für die eingeführten 687 Sack Kartoffeln an diesem Tage erzielbare Preis zugrunde zu legen (vgl. auch § 6 ZTG 1951 und § 59 ZG). Die Firma hat am 8. Juni 1954 tatsächlich nur 30 Sack zu einem Durchschnittspreis von 14,79 DM verkauft. Der für diese Teilmenge erzielte Durchschnittspreis kann jedoch nicht als der an diesem Tage für die Gesamtmenge erzielbare Preis angesehen werden. Es ist nämlich kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß die Firma die gesamte Ware zu dem gleichen Preis an diesem Tage hätte absetzen können und sie etwa nur aus spekulativen Gründen zurückgehalten hätte, sondern es muß vielmehr angenommen werden, daß bei einem Verkauf der Gesamtmenge am 8. Juni 1954 die Firma nicht die für die Teilmenge erhaltenen Preise hätte erzielen können. Da somit die Höhe des am 8. Juni 1954 für die Gesamtmenge erzielbaren Preises nicht feststeht, bleibt nur übrig, den Normalpreis für diese Menge und diesen Tag gemäß § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung Bedeutung haben.
Für die Gewinnung eines solchen geschätzten Preises bietet sich folgender Weg. Nach § 18 Abs. 1 WertZO 1951 kann bei einer Verkaufskommission, da der Kommissionär in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis (ß 8 Abs. 2 ZTG 1951) zum ausländischen Lieferer steht, der Verkaufspreis, den der Kommissionär dem Käufer in Rechnung stellt, der Zollwertberechnung zugrunde gelegt werden. Diese Vorschrift kann aber nicht dazu führen, daß dann, wenn sich der Verkauf einer Warenmenge in Parteien über eine längere Zeitspanne hingezogen hat und unter Umständen erhebliche Preisänderungen stattgefunden haben, ohne weiteres die Summe dieser Preise der Zollwertberechnung zugrunde gelegt wird. Das verbietet sich schon deshalb, weil die letzten Preise zeitlich zu weit vom maßgebenden Zeitpunkt der Bewertung entfernt liegen. Es ist daher auch im vorliegenden Fall nicht angängig, die Preise, die für die einzelnen Partien Kartoffeln im Laufe von etwa drei Wochen erzielt worden sind und infolge eines erheblichen Absinkens der Preise sehr verschieden sind, zusammenzurechnen und auf diesem Wege zu einem Schätzpreis für den Fall des Absatzes der Gesamtmenge am 8. Juni 1954 zu gelangen. Es muß vielmehr ein an den Bewertungszeitpunkt anschließender kürzerer Zeitabschnitt gewählt werden, in dem sich auch die Preise einigermaßen beständig gezeigt haben. Im vorliegenden Fall haben sich die Preise vom 8. Juni 1954 an 10 Tage lang zwischen 12 und 15 DM je 25 kg bewegt. Erst am 18. Juni 1954 und in der Folgezeit ist ein Absinken der Preise auf 10 bis 4 DM festzustellen. Die in der Zeitspanne vom 8. Juni bis 18. Juni 1954 erzielten Preise können daher im Hinblick auf die nur mäßigen Schwankungen als unter normalen Verhältnissen erzielbar angesehen werden, während die späteren Preise wegen ihres zeitlichen Abstandes vom Bemessungszeitpunkt und ihres starken Absinkens nicht mehr herangezogen werden können, zumal da dieses Absinken auch darauf zurückzuführen sein dürfte, daß, wie sich aus dem Schreiben der Firma vom 2. März 1955 ersehen läßt, die Frühkartoffeln Schaden genommen haben.
Der Senat ist daher in übereinstimmung mit der Vorinstanz der Auffassung, daß der aus den in der Zeit vom 8. bis 18. Juni 1954 erzielten Preisen gebildete Durchschnittspreis von 13,91 DM dem am 8. Juni 1954 für die gesamte Warenmenge vermutlich erzielbaren Preis am nächsten kommen dürfte und daher im Wege der Schätzung als am 8. Juni 1954 erzielbarer Preis der Zollwertbemessung zugrunde gelegt werden kann. Diese Auffassung wird gestützt durch die vom Zollamt ermittelten Vergleichspreise für spanische Frühkartoffeln anderer Firmen oder anderer Orte für ungefähr die gleiche Zeit. Diese ermittelten Preise stimmen im wesentlichen mit dem im Streitfall ermittelten Durchschnittspreis überein.
Fundstellen
Haufe-Index 409331 |
BStBl III 1959, 209 |
BFHE 1959, 553 |
BFHE 68, 553 |