Normenkette
GewStG § 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete in ... ein Wohngebäude, das im Oktober 1971 bezugsfertig war. Schon vorher vermietete sie in diesem Haus für zunächst 2 x 20 Monate ca. 24 Betten in Doppel- und Einzelzimmern an das Berufsförderungswerk des ... zur Unterbringung von Umschülern. Als Entgelt war ein Tagessatz von 9,50 DM je Bett vereinbart. Die Klägerin hatte folgende Leistungen zu erbringen: Unterkunft einschließlich Wäschegestellung, übliches Frühstück mit Bedienung, Zimmerversorgung, Heizung mit fließendem kalten und warmen Wasser, Dusch- und Badeversorgung, tägliche Benutzung des Aufenthaltsraums und allgemeine Hausaufsicht. Eine Garantie für die Vollbelegung wurde vom Mieter nicht übernommen. Die Umschüler nahmen an den vom Berufsförderungswerk veranstalteten Umschulungslehrgängen, die 20 Monate dauerten, teil. Bei Abwesenheit der Umschüler wegen Familienheimfahrten und Kurzferien ermäßigte sich der Tagessatz um 2,50 DM (Kosten für das Frühstück). Für die Zeit der vierwöchigen Sommerferien wurde für jeden in Anspruch genommenen Bettplatz eine Tagespauschale von 3,50 DM vereinbart. Das Vertragsverhältnis war zunächst für 2 x 20 Monate vorgesehen; die Fortsetzung oder Auflösung des Mietverhältnisses mußten die Vertragspartner sechs Monate vor Ablauf der 2 x 20 Monate geregelt haben.
Für 1972 hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Klägerin zunächst als gewerbesteuerpflichtig angesehen, dann aber auf ihren Einspruch hin die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags aufgehoben. Für den streitigen Erhebungszeitraum 1973 erließ das FA einen Gewerbesteuermeßbescheid über 24 DM.
Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit der Begründung zurück, deren Tätigkeit gehe über eine bloße Vermietungstätigkeit hinaus und sei daher als gewerbliche Tätigkeit anzusehen. Das Finanzgericht (FG) gab der von der Klägerin erhobenen Klage statt und hob den Gewerbesteuermeßbescheid und die Einspruchsentscheidung auf.
Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Das FA rügt Verletzung materiellen Rechts.
Die Revision ist begründet.
Entscheidungsgründe
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage.
Das FG hat zu Unrecht in der Vermietungstätigkeit der Klägerin keine gewerbliche Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i. V. m. § 15 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) gesehen.
Die Vermietung unbeweglichen Vermögens ist zwar im allgemeinen eine private Vermögensverwaltung (§ 9 GewStDV). Die hieraus bezogenen Einkünfte werden in der Regel als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) steuerlich erfaßt. Liegen aber besondere Umstände vor, welche der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, tritt die Nutzung des Vermögens zurück (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1976 VIII R 27/72, BFHE 121, 60, BStBl II 1977, 244). Bei der Überlassung von Wohnräumen ist eine gewerbliche Tätigkeit erst gegeben, wenn die Nutzung des Vermögens hinter der Bereitstellung einer dem Beherbergungsbetrieb vergleichbaren Organisation zurücktritt. Eine gewerbliche Tätigkeit liegt demnach bei der Vermietung (auch Untervermietung) einzelner möblierter Zimmer noch nicht vor, auch wenn außer der Nutzungsüberlassung als Nebenleistung die Reinigung der Räume, die Gestellung des Frühstücks und dergleichen besonders erbracht werden (vgl. Abschn. 15 Abs. 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR - 1969).
Als nachhaltige vom Gewinnstreben getragene Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind vom BFH z. B. angesehen worden: Bestimmte ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen des Vermieters oder ein besonders schneller Wechsel der Mieter und damit verbunden eine gegenüber der Anlage eigenen Vermögens in den Vordergrund tretende spekulative Absicht (Urteil vom 18. Januar 1973 IV R 196/71, BFHE 109, 194, BStBl II 1973, 561). In dem genannten Urteilsfall sind als Sonderleistungen bei der Vermietung von Wohnschlafplätzen in einem Arbeiterwohnheim beurteilt worden: Die Ausstattung der Räume in einer den ins einzelne gehenden Wünschen und Bedürfnissen der Firmen entsprechenden Weise, insbesondere die Bereitstellung eines Tagesraumes mit Fernsehgerät, die Reinigung der Räume, die Bereitstellung der Bettwäsche und deren 14tägiger Wechsel, die Heimleitung einschließlich Verwaltungs-, Reinigungs- und Wachpersonal und die Gestellung eines Dolmetschers. Darüber hinaus ergab sich ein häufiger Mieterwechsel.
Im Streitfall liegen nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG vergleichbare Verhältnisse vor. Das Vertragsverhältnis mit dem Berufsförderungswerk war von vornherein darauf ausgerichtet, eine größere Anzahl von Umschülern für eine bestimmte Zeit unterzubringen. Das erfordert eine gewisse Organisation. Die Klägerin mußte, um die von ihr übernommenen Leistungen - Wäschegestellung, Zimmerversorgung, Stellung des Frühstücks - zu erbringen, Personal einstellen. Die räumliche Gestaltung des Hauses, die sanitären Anlagen und Feuerschutzeinrichtungen mußten für die Beherbergung einer großen Anzahl Menschen hergerichtet sein. Es muß davon ausgegangen werden, daß diese Gesichtspunkte schon beim Bau des Hauses berücksichtigt worden sind; denn die Klägerin hat schon etwa ein Vierteljahr vor der Bezugsfertigkeit die Räumlichkeiten an das Berufsförderungswerk vermietet.
Hieraus folgt, daß die Klägerin dem Berufsförderungswerk eine bestimmte Organisation zur Verfügung gestellt und dieses von Aufgaben entlastet hat, deren Erfüllung dem Berufsförderungswerk wegen der Dauer der mehrmonatigen Umschulungslehrgänge obgelegen hätte. Im Vordergrund des Vertragsverhältnisses mit dem Berufsförderungswerk stand nicht die Überlassung von Wohnraum, sondern die Zurverfügungstellung der vom Berufsförderungswerk benötigten Bettenzahl. Damit übernahm das Berufsförderungswerk nicht einmal die Garantie der vollen Belegung, so daß der Klägerin ein erhebliches Risiko aufgebürdet war. Das Gesamtbild der Verhältnisse ergibt, daß die wirtschaftliche Betätigung der Klägerin dem Betrieb einer Fremdenpension nahekommt, die einkommensteuerrechtlich und damit auch gewerbesteuerrechtlich als Gewerbebetrieb behandelt werden muß.
Der Annahme eines Gewerbebetriebs steht nicht entgegen, daß als Benutzer der Räume nur Teilnehmer an den Lehrgängen des Berufsförderungswerks in Betracht kommen. Auch Unternehmer, die nur einen beschränkten Kundenkreis oder mitunter nur einen Auftraggeber haben, nehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil.
Das FA war nach Treu und Glauben nicht gehindert, für den Erhebungszeitraum 1973 einen Gewerbesteuermeßbetrag festzusetzen. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß ihr ein zuständiger Beamter des FA bindend zugesagt hat, wie die Tätigkeit der Klägerin künftig gewerbesteuerrechtlich zu beurteilen ist. Eine derartige Bindung ist durch die für die Klägerin günstige Einspruchsentscheidung für das Jahr 1972 nicht eingetreten. Das FA durfte bei der Festsetzung für das Streitjahr 1973 den Steuerfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht neu würdigen und beurteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 75081 |
BStBl II 1984, 722 |
BFHE 1985, 282 |