Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prüfung der Veranlassung von Vergütungsvereinbarungen durch das Gesellschaftsverhältnis nur unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit
Leitsatz (NV)
Es gibt keine allgemein gültige Untergrenze für die Bandbreite der angemessenen Gesamtvergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH. Der angemessene Betrag ist vielmehr im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Am Stammkapital der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --einer GmbH-- von 100 000 DM waren im Erhebungszeitraum 1993 (Streitjahr) vier Personen zu je 1/4 beteiligt. Zwei Gesellschafter waren zu Geschäftsführern und zwei zu Prokuristen bestellt worden. Neben Festgehältern von 6 300 DM bzw. 5 500 DM pro Monat standen ihnen aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung vom 12. Januar 1993 jeweils ein sog. "variables Gehalt" und eine Tantieme zu.
Das variable Gehalt war wie folgt gestaffelt:
wirtschaftlicher Umsatz der Klägerin |
Staffelsatz |
Betrag in DM/Person |
bis 1 000 000 DM |
1,000 % |
10 000 |
+ 100 000 DM |
1,125 % |
+ 1 125 |
+ 100 000 DM |
1,250 % |
+ 1 250 |
+ 100 000 DM |
1,275 % |
+ 1 375 |
+ 100 000 DM |
1,500 % |
+ 1 500 |
+ 100 000 DM |
1,625 % |
+ 1 625 |
= 1 500 000 DM |
|
16 875 |
Die Tantieme war umsatz- und gewinnabhängig:
- Bei einem wirtschaftlichen Umsatz zwischen 1,6 und weniger als 1,7 Mio. DM sollte jeder der Gesellschafter eine zusätzliche Vergütung von 1 750 DM, bei einem Umsatz von 1,7 und weniger als 1,8 Mio. DM weitere 1 875 DM und bei einem Umsatz von 1,8 Mio. DM und mehr weitere 2 000 DM erhalten.
- Darüber hinaus sollte jeder der Gesellschafter 7,5 % des Jahresergebnisses gemäß Gewinn- und Verlustrechnung, jedoch vor Berücksichtigung von Sonderabschreibungen und gewinnabhängigen Steuern erhalten. Unterschritt die Bemessungsgrundlage 10 000 DM, sollte der Tantiemeanspruch gekappt werden.
Wirtschaftlicher Umsatz war nach der Vereinbarung die Summe der Rechnungsbeträge ohne Umsatzsteuer und ohne Einnahmen aus Hilfsgeschäften (z.B. Verkauf von Anlagevermögen, Mieterträge). Kundenskonti und Forderungsverluste minderten nach der Vereinbarung nicht den wirtschaftlichen Umsatz.
Im Streitjahr und den beiden Folgejahren entwickelten sich die Umsätze und Jahresüberschüsse der Klägerin und die Summen der Tätigkeitsvergütungen wie folgt (Zahlen zum Teil gerundet):
Jahr |
Umsatz in Mio. DM |
Jahresergebnis lt. G+V DM |
Summe der Festver- gütungen DM |
Summe der variablen Gehälter DM |
Summe der Tantiemen DM |
1993 |
1,641 |
- 6 000 |
274 000 |
67 500 |
32 426 |
1994 |
1,920 |
+ 869 |
274 000 |
67 500 |
0 |
1995 |
1,760 |
-87 000 |
274 000 |
0 |
0 |
Die Tantiemenansprüche für das Streitjahr berechnete die Klägerin nach einem Jahresergebnis vor Sonderabschreibungen und gewinnabhängigen Steuern von 108 088 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die im Streitjahr in Form von Rückstellungen gewinnmindernd berücksichtigten variablen Gehälter und Tantiemen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und erließ für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbescheid, dem diese Rechtsauffassung zugrunde liegt. Einspruch und Klage waren erfolglos.
Mit der Revision beantragt die Klägerin sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und unter Abänderung des angefochtenen Gewerbesteuermessbescheids den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag auf 46 DM herabzusetzen (Steuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag 0 DM, Steuermessbetrag nach dem Gewerbekapital 46 DM).
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Änderung des angefochtenen Gewerbesteuermessbescheids (Entscheidung gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar zu Recht die umsatz- und gewinnabhängigen Vergütungsbestandteile als vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG beurteilt, die den Gewerbeertrag nicht mindern dürfen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes). Es hat aber nicht berücksichtigt, dass das variable Gehalt in Höhe des Sockelbetrages von 10 000 DM pro Person ein zusätzliches Festgehalt war.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei Kapitalgesellschaften Vermögensminderungen und verhinderte Vermögensmehrungen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruhen, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirken und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind (s. Senatsurteil vom 4. Juni 2003 I R 38/02, BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139, m.w.N.). Dazu gehören insbesondere die einem Gesellschafter gezahlten Tätigkeitsvergütungen, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (§ 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) einem Nicht-Gesellschafter unter ansonsten vergleichbaren Verhältnissen nicht gewährt hätte (Senatsurteile vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111; in BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139).
Ist der Begünstigte ein beherrschender Gesellschafter, kann die Vermögensminderung auch dann ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an ihn keine klare und von vornherein abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, z.B. Urteile vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645; vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761). Der erkennende Senat hat jedoch mehrfach entschieden, dass auch Verträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter auszulegen sind. Erst wenn sich der Inhalt eines Vertrages nicht zweifelsfrei feststellen lässt, ist Raum für die Annahme einer vGA wegen unklarer Vereinbarung (s. z.B. Urteile vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362; vom 25. Oktober 1995 I R 9/95, BFHE 179, 270, BStBl II 1997, 703; vom 22. Oktober 1998 I R 29/98, BFH/NV 1999, 972, m.w.N.).
Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Regelfall eine Erfolgsvergütung in Form einer Gewinn- und nicht in Form einer Umsatztantieme gewährt hätte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die einschlägigen Entscheidungen des erkennenden Senats Bezug genommen (s. Urteile vom 19. Februar 1999 I R 105-107/97, BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321; vom 5. Juni 2002 I R 69/01, BFHE 199, 315, BStBl II 2003, 329, m.w.N.).
2. Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen, was revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Es hat jedoch zu Unrecht die variablen Gehälter in voller Höhe als Umsatztantieme beurteilt.
a) Die Rückstellung wegen der Tantiemeverpflichtungen hat das FG als vGA angesehen, da die Gewinntantiemevereinbarung unangemessen gewesen sei und ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Vereinbarung deshalb allenfalls bei gleichzeitiger Herabsetzung der Festgehälter abgeschlossen hätte. Dies ist in Anbetracht der vom FG festgestellten Jahresüberschüsse (in den Jahren 1990 bis 1992 insgesamt nur ca. 15 000 DM) eine vertretbare Beurteilung des Sachverhaltes.
Der erkennende Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, im Streitjahr seien Gesamtvergütungen in Höhe von bis zu 100 000 DM pro Jahr und Gesellschafter-Geschäftsführer stets als angemessen anzusehen und nur dann als vGA zu beurteilen, wenn sie in Form einer Nur-Gewinntantieme geleistet wurden. Ebenso wenig wie es feste Regeln und eine Obergrenze für eine angemessene Gesamtvergütung von Gesellschafter-Geschäftsführern gibt, gibt es auch keine allgemein gültige Untergrenze der Bandbreite der angemessenen Gesamtvergütung; der angemessene Betrag ist vielmehr im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln (s. Urteil in BFHE 202, 500, BStBl II 2004, 139, m.w.N.).
b) Die Vermögensminderung aufgrund der Rückstellung wegen der variablen Gehälter in Höhe von insgesamt 67 500 DM ist nur in Höhe von 27 500 DM eine vGA.
Nach der Vereinbarung vom 12. Januar 1993 waren die variablen Gehälter umsatzabhängig, soweit sie den Sockelbetrag von 10 000 DM pro Person überstiegen. Der Auffassung der Klägerin, sie seien in vollem Umfang als Festgehälter zu beurteilen, folgt der Senat nicht. Gemäß der Präambel der Vereinbarung vom 12. Januar 1993 waren sich die Klägerin und ihre Gesellschafter zwar einig, dass das variable Gehalt "gleichwertig neben dem vereinbarten Festgehalt steht und keine Zusatzleistung darstellt". Es mag auch sein, dass die Klägerin und ihre Gesellschafter bei Abschluss der Vereinbarung die begründete Erwartung hatten, der wirtschaftliche Umsatz der Klägerin werde im Streitjahr und den Folgejahren mehr als 1,5 Mio. DM pro Jahr betragen; daher sei das variable Gehalt ein fester Vergütungsbestandteil. Dies ändert aber nichts daran, dass die variablen Gehälter in Höhe von insgesamt 27 500 DM von der Umsatzentwicklung abhängig waren und --was die Klägerin auch einräumt-- das Über- oder Unterschreiten der in der Vereinbarung festgelegten fünf Umsatzschwellen zwischen 1,0 und 1,5 Mio. DM zu einer progressiven Erhöhung bzw. Minderung des variablen Gehalts führen konnte. Die Vereinbarung über die Zahlung des variablen Gehalts ist deshalb nicht mit einer Vergütungsregelung vergleichbar, nach der sich bei Überschreiten einer einzig festen Umsatzgrenze das Festgehalt um einen bestimmten Betrag erhöht (s. Senatsurteil in BFHE 199, 315, BStBl II 2003, 329).
Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte keine derartigen umsatzabhängigen Tantiemen vereinbart. Denn sie sind für die Gesellschaft mit dem Risiko verbunden, dass die Empfänger der Tantiemen mehr Wert auf eine Umsatzsteigerung oder -sicherung statt auf eine Steigerung des Gewinns legen und auch gewinnlose Umsätze zu erhöhten Tätigkeitsvergütungen führen. Im Streitfall bestand dieses Risiko insbesondere auch deshalb, weil nach der Vereinbarung vom 12. Januar 1993 Forderungsausfälle den wirtschaftlichen Umsatz nicht minderten.
c) Die Sockelbeträge der variablen Gehälter waren nicht umsatzabhängig. Sie waren nach dem klaren Wortlaut der Vereinbarung "bei einem wirtschaftlichen Umsatz bis DM 1 Mio." zu zahlen und somit Teile des Festgehaltes. Anhaltspunkte dafür, dass die um den Sockelbetrag erhöhten Festgehälter (Beträge zwischen ca. 76 000 DM und 86 000 DM pro Jahr und Person) unangemessen waren und deshalb vGA sind, gibt es nicht. Das FA und das FG haben die variablen Gehälter erkennbar nur deshalb als vGA beurteilt, weil sie nach Auffassung des FA und des FG in vollem Umfang Umsatztantiemen waren.
3. Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid war daher wie folgt zu ändern:
4. Die Kosten des gesamten Rechtsstreites haben die Klägerin zu 57 v.H. und das FA zu 43 v.H. zu tragen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1277700 |
BFH/NV 2005, 248 |
HFR 2005, 255 |