Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendbarkeit der Vorausfestsetzung einer Ausfuhrerstattung
Leitsatz (NV)
1. Die Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung in einer Ausfuhrlizenz, die auch eine Vorausfestsetzung des Währungsausgleichsbetrages enthält, darf nicht angewandt werden, wenn die Ausfuhr aus einem anderen als dem in der Lizenz angegebenen Mitgliedstaat erfolgt.
2. Enthält die Ausfuhrlizenz den ausdrücklichen Vermerk, daß sie nur in einem Mitgliedstaat gilt, kann die Durchführung der Ausfuhrmöglichkeiten durch die Zollbehörde eines anderen Mitgliedstaates kein berechtigtes Vertrauen des Exporteurs darauf begründen, daß ihm die Ausfuhrerstattung trotz entgegenstehender gesetzlicher Regelung in der im voraus festgesetzten Höhe gewährt wird.
3. Zur Frage der Anwendung des Vertrauensschutzgrundsatzes nach nationalem Recht neben dem nach dem Gemeinschaftsrecht.
4. Zur Frage, ob derjenige Vertrauensschutz beanspruchen kann, der sich auf das Verhalten eines Beamten beruft, zu dem er diesen im Zusammenhang mit der Abwägung der bestehenden Bedenken selbst veranlaßt hat.
Normenkette
EWGV 243/78 Art. 2 Abs. 3; EWGV 2727/75 Art. 16 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ insgesamt 1 250 000 kg Gerste zur Ausfuhr aus der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) nach der Schweiz - im gemeinschaftlichen Versandverfahren - abfertigen. Die Versandzollstelle bescheinigte auf dem jeweils für das Versandverfahren maßgeblichen Kontrollexemplar, daß die Ausfuhrsendung ,,auf Teillizenz No. FA . . . abgeschrieben" worden sei. Die in Frankreich ausgestellte Teillizenz enthielt Vorausfestsetzungen der Ausfuhrerstattung und des Währungsausgleichsbetrags sowie einen Vermerk, daß sie in Frankreich gültig sei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) gewährte mit Bescheid vom 7. August 1979 Ausfuhrerstattung und Währungsausgleichsbeträge nur nach den im maßgebenden Zeitpunkt gültigen Sätzen mit der Begründung, daß die in der Teillizenz vorausfestgesetzten Ausfuhrvergünstigungssätze nicht angewandt werden könnten, da die Lizenz nicht in der Bundesrepublik gültig sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) verpflichtete entsprechend dem Klageantrag das HZA, den Bescheid dahin zu ändern, daß Ausfuhrerstattung nach dem in der Ausfuhrlizenz Nr. . . . im voraus festgesetzten Erstattungssatz zu gewähren sei. Es führte aus, die Ausfuhrerstattung sei in der Lizenz rechtsgültig im voraus festgesetzt worden. Sie sei für die Ausfuhr aus allen Mitgliedstaaten in Drittländer gleich hoch. Anzuwenden sei der im voraus festgesetzte Erstattungssatz. Zwar habe die Teillizenz nur in Frankreich gegolten, da in ihr der Währungsausgleich im voraus festgesetzt worden sei. Die Beschränkung des Gültigkeitsbereichs der Lizenz berühre jedoch nicht die wirksam erfolgte Vorausfestsetzung des Erstattungssatzes. Eine Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung sei innerhalb des gemeinsamen Marktes frei übertragbar und in allen Mitgliedstaaten gültig.
Das HZA legte gegen das Urteil des FG Revision ein mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Auf den Vorlagebeschluß des Senats vom 29. Oktober 1986 VII R 126/81 (BFHE 147/575) entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) durch Urteil vom 26. April 1988 Rs. 316/86 wie folgt:
,,1. Art. 2 Abs. 3 der VO Nr. 243/78 und Art. 16 Abs. 4 VO Nr. 2727/75 sind dahin auszulegen, daß die Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung in einer Ausfuhrlizenz, die auch eine Vorausfestsetzung des Währungsausgleichsbetrags enthält, nicht angewandt werden darf, wenn die Ausfuhr aus einem anderen als dem in der Lizenz angegebenen Mitgliedstaat erfolgt.
2. Die nationale Stelle, die für die Anwendung des Systems der Ausfuhrerstattungen im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte zuständig ist, muß den Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten. Allerdings kann im Fall einer Ausfuhrlizenz, die eine Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung und des Währungsausgleichsbetrags sowie den ausdrücklichen Vermerk enthält, daß sie nur in einem Mitgliedstaat gilt, die Durchführung der Ausfuhrmöglichkeiten durch die Zollbehörde eines anderen Mitgliedstaats kein berechtigtes Vertrauen des Exporteurs darauf begründen, daß ihm entgegen Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 234/78 die Ausfuhrerstattung in der im voraus festgesetzten Höhe gewährt wird."
Die Klägerin ist der Auffassung, daß nach dieser Entscheidung des EuGH ein Anspruch auf die vorausfestgesetzte Erstattung nur noch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes in Betracht kommt. Dazu führt sie aus: Zwar sei ihr ein Vertrauensschutz nach der Entscheidung des EuGH nicht zuzugestehen. Der EuGH habe sich aber nur mit der Geltung des gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensschutzes befaßt. Es sei deshalb noch die Frage offen, ob sich der von ihr geltend gemachte Anspruch nicht aus dem im deutschen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ergebe. Einen Grundsatz, nach dem der gemeinschaftsrechtliche Vertrauensschutz einen - weitergehenden - Vertrauensschutz nach dem Recht eines Mitgliedstaats ausschließe, gebe es nicht. Im Streitfall sei nach nationalem Recht Vertrauensschutz zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Festsetzung der Ausfuhrerstattung in dem angefochtenen Bescheid ist entgegen der Auffassung des FG rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anwendung der in der streitbefangenen Lizenz vorausfestgesetzten Ausfuhrerstattung.
1. Die in dieser Lizenz enthaltene Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung ist im Streitfall nicht anwendbar, da die Ausfuhr aus der Bundesrepublik erfolgt ist. Wegen der weiteren Begründung wird auf die vorgenannte Entscheidung des EuGH, die den Beteiligten zugegangen ist, verwiesen.
2. Die Klägerin kann die Anwendung der in der Lizenz festgesetzten Ausfuhrerstattung auch nicht nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes fordern.
a) Als Grundsatz des Gemeinschaftsrechts kann der Vertrauensschutz im Streitfall auf Grund der vorgenannten Entscheidung des EuGH nicht angewandt werden.
b) Daneben ist für die Anwendung des Vertrauensschutzes als Grundsatz des nationalen Rechts kein Raum, da im Streitfall nur Gemeinschaftsrecht zu berücksichtigen ist (vgl. Urteil des Senats vom 4. Oktober 1983 VII R 82/80, BFHE 139, 325, 330 f.).
Im übrigen könnte die Klägerin entgegen ihrer Auffassung auch aus dem nationalen Grundsatz des Vertrauensschutzes einen Anspruch auf Anwendung der Ausfuhrerstattung entsprechend der Festsetzung in der Lizenz nicht herleiten. Sie stützt ihre Auffassung darauf, der Zollbeamte, der die Waren zur Ausfuhr abgefertigt hat, habe nach Überprüfung der Rechtslage keine Bedenken mehr gehabt, die Teillizenz anzuerkennen und die Abschreibung auf ihr vorzunehmen. Im Vertrauen darauf, daß auch die vorausfestgesetzten Erstattungssätze gewährt würden, habe sie auf Grund der Teillizenz die Ausfuhr aus der Bundesrepublik vorgenommen. Auch wenn das HZA das Verhalten des abfertigenden Zollbeamten für falsch halte, sei es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, den Standpunkt des Beamten nicht mehr anzuerkennen.
Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben als Bestandteil des nationalen Rechts können aus dem Verhalten eines Beamten nur dann Rechte hergeleitet werden, wenn das Verhalten zu einem bestimmten Vertrauen Anlaß gibt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30. April 1980 VII R 57/77, BFHE 131, 6, 10). Bei der Prüfung dieser Frage ist im Streitfall zu beachten, daß die Klägerin sich auf ein Verhalten eines Beamten beruft, das nach ihrem eigenen Vorbringen von ihrer Seite veranlaßt worden ist. Nach diesem Vorbringen haben Einwirkungen von seiten der Klägerin auf den Beamten dazu geführt, daß dieser seine Bedenken gegen die Gültigkeit der Lizenz in der Bundesrepublik, die er dem darin enthaltenen Gültigkeitsvermerk entnommen hatte, zurückgestellt hat. Das folgt aus der dienstlichen Äußerung des Beamten, auf die die Klägerin sich beruft. Diesem Vorbringen ist zu entnehmen, daß im Streitfall die Voraussetzungen, das Verhalten des abfertigenden Beamten habe die Klägerin zu einem bestimmten Vertrauen veranlaßt, nicht erfüllt sind. Vielmehr ist dem Vorbringen der Klägerin zu entnehmen, daß sie auf der Ausfuhr auf Grund der streitbefangenen Teillizenz bestanden hat, obwohl ihr die Bedenken des abfertigenden Beamten gegen die Gültigkeit der Lizenz bekannt waren. Wenn sie trotzdem auf der Ausfuhr bestanden und sich dabei gegenüber dem abfertigenden Beamten auch durchgesetzt hat, so kann sie schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht für sich in Anspruch nehmen, sie habe auf Grund des Verhaltens des Beamten auf die Gültigkeit der Lizenz vertraut.
Fundstellen
Haufe-Index 416051 |
BFH/NV 1989, 474 |