Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückzahlung gewährter Wohnungsbau-Prämien wegen Beleihung; Festsetzungsfrist bei Anfechtung eines nichtigen Bescheids
Leitsatz (amtlich)
1. Gewährt das FA in Unkenntnis der prämienschädlichen Beleihung der gesamten Ansprüche aus einem Bausparvertrag später beantragte Wohnungsbau-Prämien, sind diese nach § 5 Abs.2 WoPG zurückzuzahlen.
2. Die Anfechtung eines nichtigen Bescheides hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht.
Orientierungssatz
1. Werden vor Ablauf der Sperrfrist Ansprüche aus einem Bausparvertrag beliehen, so werden die bei der Beleihung empfangenen Beträge prämienschädlich verwendet, wenn sie für die Finanzierung von Baulichkeiten eingesetzt werden, die ausschließlich betrieblichen bzw. landwirtschaftlichen Zwecken dienen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Werden vor Ablauf der Sperrfrist Ansprüche aus einem Bausparvertrag beliehen, übersteigen die aufgrund der Beleihung empfangenen Beträge die Summe der bis zur Beleihung angesparten Beträge und werden die empfangenen Beträge für prämienschädliche Zwecke verwendet, so entfällt die Prämienbegünstigung nicht nur für die bisher erbrachten Sparleistungen, sondern bis zur Höhe der aufgrund der Beleihung empfangenen auch für spätere Sparleistungen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. Für die Fälle des anfänglichen Fehlens der Voraussetzungen für die Gewährung der Wohnungsbauprämie gilt für die Festsetzungsverjährung hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs die Sonderregelung des § 4 Abs. 4 Satz 2 WoPG. Die Verjährungsvorschriften der AO 1977 gelten für diesen Anspruch nicht. Für Fälle der prämienschädlichen Verwendung dagegen richtet sich die Verjährung des Rückforderungsanspruchs, wenn dieser nach dem 31.12.1976 entstanden ist, nach den für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO 1977.
4. Der Rückforderungsanspruch nach § 5 Abs. 2 Satz 3 WoPG entsteht grundsätzlich mit der prämienschädlichen Verwendung. Für den Beginn der Festsetzungsfrist ist jedoch wegen der Anzeigepflicht (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WoPG) § 170 Abs. 2 AO 1977 maßgebend. Bei unterlassener Anzeige ist daher der Beginn der Festsetzungsfrist entsprechend hinausgeschoben.
Normenkette
WoPG 1975 § 5 Abs. 2 S. 3; WoPG 1977 § 5 Abs. 2 S. 3; WoPG 1979 § 5 Abs. 2 S. 3; AO 1977 § 171 Abs. 3; WoPG 1975 § 5 Abs. 2 S. 2; WoPG 1977 § 5 Abs. 2 S. 2; WoPG 1979 § 5 Abs. 2 S. 2; AO 1977 § 174 Abs. 4, § 170 Abs. 2; WoPG 1975 § 4 Abs. 4 S. 2; WoPG 1977 § 4 Abs. 4 S. 2; WoPG 1979 § 4 Abs. 4 S. 2, § 8; WoPG 1975 § 8; WoPG 1977 § 8
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann bewirtschafteten gemeinsam einen Aussiedlerhof; u.a. bauten sie Wein an. Mit Hilfe von Krediten der S-Bank errichteten die Eheleute 1978 für rd. 50 000 DM einen Flaschenlagerkeller (Baubeginn 1977) und 1981 für rd. 14 000 DM als Anbau zum Wohnhaus einen Kelterraum mit Weinprobierstube.
Die Klägerin schloß 1975 mit der Bausparkasse X einen Bausparvertrag ab, dessen Bausparsumme 1977 auf 45 000 DM erhöht wurde. Am 9.Dezember 1977 trat die Klägerin ihre gegenwärtigen und künftigen Rechte aus dem Bausparvertrag sicherheitshalber an die S-Bank mit der Erklärung ab, die aufgrund der Abtretung empfangenen Beträge würden unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet. Tatsächlich diente der Bausparvertrag der Sicherung eines betrieblichen Zwischenkredits zum Bau des Flaschenlagerkellers, der mit der Auszahlung des Bausparguthabens von 19 741 DM und des Baudarlehens von 25 259 DM Mitte 1980 abgelöst wurde. Auskünfte über Zeitpunkt und Höhe der durch die Abtretung gesicherten Kreditgewährungen erteilten weder die Klägerin noch die S-Bank - letztere mit dem Hinweis, sie sei hierzu von den Eheleuten nicht ermächtigt.
Für die in den Jahren 1975, 1976, 1977, 1979 und 1980 geleisteten Einzahlungen von 18 585 DM gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) der Klägerin im Rahmen des prämienrechtlichen Höchstbetrages für Ehegatten mit Kindern Wohnungsbau-Prämien von insgesamt 1 263,70 DM.
Nachdem das FA durch eine Kontrollmitteilung vom 30.März 1983 von der Abtretung und Verwendung der Bausparsumme erfahren hatte, forderte es zunächst durch einen an die Eheleute gerichteten Bescheid vom 21.Juni 1983 die Wohnungsbau-Prämien in Höhe von 1 972,66 DM zurück. In dem Bescheid, der als Prämienberechtigte die Eheleute bezeichnet hatte, waren nicht nur Prämien für Sparleistungen auf den Bausparvertrag der Klägerin, sondern auch solche für einen Bausparvertrag des Ehemannes erfaßt. Diesen Bescheid hob das FG durch Urteil vom 14.November 1984 auf. Der Bescheid sei inhaltlich unbestimmt und deshalb nichtig. Das Urteil wurde am 14.Januar 1985 zugestellt; es wurde nicht angefochten. Durch einen nunmehr an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 29.Januar 1985 forderte das FA die der Klägerin (zwischen 1975 und 1980) gewährten Wohnungsbau-Prämien (insgesamt 1 263,70 DM) zurück. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der Klage machte die Klägerin im wesentlichen geltend, der Rückforderungsanspruch sei verjährt: Für zu Unrecht gewährte Prämien betrage die Festsetzungsfrist gemäß § 4 Abs.4 Satz 2 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) zwei Jahre. Im übrigen sei auch der aufgrund prämienschädlicher Verwendung im Kalenderjahr 1977 entstandene Rückforderungsanspruch verjährt.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Es war der Auffassung, die prämienbegünstigten Aufwendungen seien nicht vertragsgemäß verwendet, weil die Klägerin vor Ablauf der Sperrfrist die gesamten Ansprüche aus dem Bausparvertrag zur Sicherung eines betrieblichen Zwischenkredits abgetreten und die Mittel nicht zum Wohnungsbau, sondern zur Errichtung des ausschließlich betrieblich genutzten Flaschenlagerkellers verwendet habe. Der Rückforderungsanspruch sei im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides vom 29.Januar 1985 nicht verjährt gewesen. Für die Festsetzungsfrist gälten nicht die Sonderregelungen des § 4 Abs.4 Satz 2 WoPG, sondern nach § 5 Abs.2 Satz 3 i.V.m. § 8 Abs.1 WoPG die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977), denn § 5 Abs.2 WoPG betreffe die Rechtsfolgen der prämienschädlichen Verwendung. Die vierjährige (§ 169 Abs.2 Satz 1 Nr.2 AO 1977) Festsetzungsfrist beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für die Rückforderung maßgebende Ereignis eingetreten sei (§ 170 Abs.1 i.V.m. §§ 38, 175 Abs.1 Satz 2 AO 1977). Im Streitfall sei dies der Beginn der Bauarbeiten für den Flaschenlagerkeller 1977 und die Finanzierung dieser Arbeiten durch die Kreditmittel aufgrund der Beleihung des Bausparvertrages am 9.Dezember 1977. Unerheblich sei, daß die betriebliche Verwendung der Kredit- und Bausparmittel 1978 bis 1980 fortgesetzt worden sei. Der Anlauf der Festsetzungsfrist sei gemäß § 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977 gehemmt gewesen, weil die prämienschädliche Verwendung nicht angezeigt worden sei. Der Ablauf der danach am 31.Dezember 1984 endenden Festsetzungsfrist sei zumindest bis zum 14.Februar 1985 gemäß § 171 Abs.3 Satz 1 AO 1977 gehemmt gewesen, weil die Klägerin vor dem 31.Dezember 1984 durch Einspruch und anschließende Klage die Aufhebung des ersten Rückforderungsbescheids vom 21.Juni 1983 beantragt habe, und über diesen Aufhebungsantrag erst nach Ablauf der Revisionsfrist am 14.Februar 1985 unanfechtbar entschieden worden sei. Auf die Fragen, ob die Festsetzungsverjährung durch Ablaufhemmung infolge des Beginns einer Außenprüfung (§ 171 Abs.4 Satz 1 AO 1977), wegen widerstreitender Steuerfestsetzungen (§ 174 Abs.4 Satz 3 AO 1977) oder durch eine Verlängerung der Festsetzungsfrist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung (§ 169 Abs.2 Satz 2 AO 1977) hinausgeschoben sei, komme es deshalb nicht an.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 4 Abs.4 WoPG und des § 171 AO 1977.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils den Wohnungsbau-Prämienrückforderungsbescheid vom 29.Januar 1985 und die Einspruchsentscheidung vom 13.September 1985 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist aus anderen als den geltend gemachten Erwägungen begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
I. Zutreffend hat das FG die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Rückforderungsanspruch nach § 5 Abs.2 Satz 3 WoPG in der für die Streitjahre maßgeblichen --insoweit unveränderten-- Fassung (WoPG 1975, 1977, 1979, --im folgenden WoPG, soweit nicht Änderungen für den Streitfall von Bedeutung sind--) beurteilt und bejaht.
1. Vor prämienschädlicher Verwendung ausgezahlte Prämien
Werden Beiträge an eine Bausparkasse zur Erlangung von Baudarlehen (prämienbegünstigte Aufwendungen i.S. des § 2 Abs.1 Nr.1 WoPG) nicht zu dem vertragsgemäßen Zweck verwendet, ist die Prämie an das FA zurückzuzahlen (§ 5 Abs.2 Satz 3 WoPG). Solche Aufwendungen werden u.a. dann nicht vertragsgemäß verwendet, wenn die Ansprüche aus dem Bausparvertrag vor Ablauf der Sperrfrist ganz oder zum Teil beliehen werden (§ 2 Abs.2 Satz 3 WoPG) und wenn der Prämienberechtigte die bei der Beleihung empfangenen Beträge nicht unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet (§ 2 Abs.2 Satz 3 WoPG 1975 bzw. insoweit inhaltlich unverändert § 2 Abs.2 Satz 4 Nr.2 WoPG 1977, 1979).
Prämienschädlich, weil nicht zum Wohnungsbau verwendet, sind Kreditmittel, wenn sie für die Finanzierung von Baulichkeiten verwendet werden, die ausschließlich betrieblichen bzw. landwirtschaftlichen Zwecken dienen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27.November 1964 VI 55/63 S, BFHE 81, 598, BStBl III 1965, 214; vom 18.März 1965 IV 61/62 U, BFHE 82, 207, BStBl III 1965, 320).
2. Nach prämienschädlicher Verwendung ausgezahlte Prämien
Übersteigen die aufgrund der Beleihung empfangenen Beträge die Summe der bis zur Beleihung angesparten Beträge und werden die empfangenen Beträge für prämienschädliche Zwecke verwendet, so entfällt die Prämienbegünstigung nicht nur für die bisher erbrachten Sparleistungen, sondern bis zur Höhe der aufgrund der Beleihung empfangenen Beträge auch für spätere Sparleistungen (BFH-Urteile vom 22.März 1968 VI R 49/67, BFHE 91, 507, BStBl II 1968, 404; vom 22.März 1968 VI R 305/66, BFHE 92, 82, BStBl II 1968, 510). Gewährt das FA in Unkenntnis der prämienschädlichen Verwendung der gesamten Ansprüche aus dem Bausparvertrag die später beantragte Wohnungsbau-Prämie, so ist diese ebenfalls nach § 5 Abs.2 Satz 3 WoPG und nicht nach § 4 Abs.4 Satz 2 an das FA zurückzuzahlen.
a) Das folgt schon aus dem verschiedenartigen Regelungsgegenstand der beiden Vorschriften. Entsprechend der zeitlichen Abfolge von Prämiengewährung (Überschrift zu § 4 WoPG) und Prämienverwendung (Überschrift zu § 5 WoPG) unterscheidet das WoPG Rückforderungstatbestände danach, ob die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung nicht vorgelegen haben (§ 4 Abs.4 WoPG) oder ob die Aufwendungen prämienschädlich verwendet worden sind (§ 5 Abs.2 Satz 3 WoPG).
Für die Fälle des anfänglichen Fehlens der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gilt für die Festsetzungsverjährung die Sonderregelung des § 4 Abs.4 Satz 2 WoPG; danach erlischt der Rückforderungsanspruch, wenn er nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres geltend gemacht worden ist, das auf das Kalenderjahr der Auszahlung der Prämie durch das Unternehmen oder Institut folgt.
Für die Fälle der prämienschädlichen Verwendung (§ 5 Abs.2 Satz 3 WoPG) dagegen richtet sich die Verjährung des Rückforderungsanspruchs, wenn dieser wie im Streitfall nach dem 31.Dezember 1976 entstanden ist, nach den für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO 1977 (§ 8 WoPG i.d.F. der Änderung durch Art.50 Nr.5 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung 1977 --EGAO 1977-- vom 14.Dezember 1976, BGBl I 1976, 3341 i.V.m. § 10 Abs.1 WoPG).
Die Unterscheidung findet --wie das FG zutreffend erkannt hat-- ihre innere Rechtfertigung darin, daß das FA aufgrund der vom Bausparer eingereichten Unterlagen (Prämienantrag, Einkommensteuererklärung und Einkommensteuerakten) in der Regel alle für die Prämiengewährung erheblichen Voraussetzungen (wie z.B. die Person des Prämienberechtigten, § 1 WoPG; die begünstigten Aufwendungen, § 2 Abs.2 und § 2 Abs.1 Satz 1 WoPG; die Einkommensgrenze, § 2a WoPG; die Ausübung des Wahlrechts, § 2b WoPG) überprüfen, mit Hilfe dieser Unterlagen jedoch nicht feststellen kann, ob die Ansprüche aus dem Bausparvertrag bereits prämienschädlich verwendet worden sind und der Sparer die Prämie gleichwohl beantragt.
b) Auch der Gesetzeszusammenhang spricht für diese Abgrenzung der Rückforderungstatbestände. Weil die prämienschädliche Verwendung dem FA aus anderen Unterlagen nicht bekannt wird, sind dem Unternehmen oder Institut, an das die begünstigten Mittel und die Prämie (§ 5 Abs.1 WoPG) ausgezahlt werden, und dem Prämienberechtigten Anzeigepflichten auferlegt (§ 5 Abs.2 Satz 2 WoPG, bzw. § 1 Abs.1 bis 3 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsbau-Prämiengesetzes --WoPDV--). Wäre, wie die Klägerin meint, in den Fällen, in denen das FA in Unkenntnis der prämienschädlichen Verwendung weitere Prämien gewährt, § 4 Abs.4 Satz 2 WoPG die Rechtsgrundlage für den Rückforderungsanspruch, hätte die unterlassene Anzeige auf den Beginn der Festsetzungsfrist keinen Einfluß.
aa) Der Rückforderungsanspruch nach § 5 Abs.2 Satz 3 WoPG entsteht grundsätzlich mit der prämienschädlichen Verwendung. Für den Beginn der Festsetzungsfrist ist jedoch wegen der Anzeigepflicht § 170 Abs.2 AO 1977 maßgebend. Bei unterlassener Anzeige ist der Beginn der Festsetzungsfrist entsprechend hinausgeschoben.
bb) Die Anlaufhemmung des § 170 Abs.2 AO 1977 tritt dagegen für den Rückforderungsanspruch nach § 4 Abs.4 Satz 2 WoPG schon deshalb nicht ein, weil dieser ausschließlich an die Auszahlung der Prämie anknüpft. Darüber hinaus gelten für diesen Anspruch die Verjährungsvorschriften der AO 1977 nicht, denn gemäß § 8 Abs.1 Satz 3 WoPG sind die Vorschriften der AO 1977 nur anzuwenden, soweit das WoPG keine abweichenden Vorschriften enthält. Die Sonderregelung in § 4 Abs.4 Satz 2 WoPG über die Festsetzungsverjährung schließt danach Regelungen der AO 1977 über einen abweichenden Beginn der Festsetzungsfrist aus (Stäuber/Walter, Kommentar zum Wohnungsbau-Prämiengesetz, 10.Aufl. 1986, Anm.425; Klose in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 4 WoPG Anm.25; Höllig in Koch, Kommentar zur Abgabenordnung, 3.Aufl. 1986, § 169 Anm.40; v.Bornhaupt, Betriebsberater --BB-- 1977, 834; Schlarb, BB 1979, 1087, 1091).
cc) Die unterschiedliche Berücksichtigung einer unterlassenen Anzeige der prämienschädlichen Verwendung je nach dem, ob die Prämien bereits vor der Verwendung oder nachher auf Antrag des Sparers trotz prämienschädlicher Beleihung ausgezahlt worden sind, widerspräche erkennbar dem Sinn und Zweck der Anzeigepflicht.
c) Das Ergebnis wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte. Die Berichtigungsmöglichkeit des § 4 Abs.4 WoPG ist durch Art.4 des Einkommensteuerreformgesetzes (EStRG) vom 5.August 1974 (BGBl I 1974, 1769) eingeführt worden. Begründet wurde die Einführung damit, eine zusätzliche umfassende Berichtigungsmöglichkeit sei notwendig für Fälle, in denen die Prüfung der Einkommensgrenze erst nachträglich vorgenommen werden könne, obwohl die betreffende Einkommensteuerveranlagung im Zeitpunkt der Prämiengewährung bereits durchgeführt worden sei (BTDrucks 7/2180, S.27 zu Art.4 Nr.4 und Art.3 Nr.4 EStRG). Die neu geschaffene Berichtigungsmöglichkeit sollte daher nur Fälle betreffen, in denen das FA erst nachträglich feststellen kann, daß die Voraussetzungen für die Prämiengewährung von Anfang an nicht vorlagen, nicht jedoch Fälle der späteren prämienschädlichen Verwendung.
3. Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen.
Nach den für den Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen bindenden Feststellungen (§ 118 Abs.2 FGO) hat die Klägerin mit dem Vertrag vom 9.Dezember 1977 ihre gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem Bausparvertrag zur Sicherung eines betrieblichen Zwischenkredits an die S-Bank abgetreten; die Klägerin hat diese Kreditmittel entgegen ihrer Erklärung im Sicherungsvertrag nicht für Wohnungsbauzwecke, sondern zur Finanzierung ausschließlich betrieblichen Zwecken dienender Baulichkeiten, nämlich der Errichtung des betrieblichen Flaschenlagerkellers mit Baukosten von rd. 50 000 DM (und damit prämienschädlich) verwendet. Da nicht nur die bisher angesparten Bausparbeträge, sondern darüber hinaus alle künftigen Ansprüche aus dem Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 45 000 DM zur Sicherung eines betrieblichen Zwischenkredits abgetreten worden sind, umfaßt die prämienschädliche Verwendung auch die späteren, nach diesem Zeitpunkt ausgezahlten Prämien.
II. Die tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben jedoch keine abschließende Entscheidung darüber, ob der Rückforderungsanspruch nach § 5 Abs.2 Satz 3 WoPG verjährt ist.
1. Für die Festsetzungsverjährung gelten, da der Rückforderungsanspruch jedenfalls nicht vor der Beleihung der Ansprüche aus dem Bausparvertrag am 9.Dezember 1977, also nach dem 31.Dezember 1976, entstanden ist, die Vorschriften der AO 1977 (§ 8 Abs.1 WoPG 1977/79 i.V.m. Art.97 § 10 EGAO 1977, BGBl I 1976, 3341).
Die vierjährige (§ 169 Abs.2 Nr.2 AO 1977) Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für die Rückforderung maßgebliche Ereignis eingetreten ist (§§ 38, 175 Abs.1 Sätze 1 und 2 AO 1977). Das für die Rückforderung maßgebliche Ereignis ist im Streitfall gemäß § 5 Abs.2 Satz 1 WoPG die prämienschädliche Verwendung, d.h. hier der Empfang der aufgrund der Beleihung ausgezahlten Beträge (BFH-Urteil vom 17.Oktober 1980 VI R 185/77, BFHE 131, 551, BStBl II 1981, 141). Für Prämien, die nach prämienschädlicher Verwendung in Unkenntnis dieses Sachverhalts gewährt worden sind, beginnt die Frist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prämie ausgezahlt worden ist.
2. Das FG ist davon ausgegangen, der Rückforderungsanspruch sei mit dem Ablauf des Kalenderjahres 1977 entstanden, möglicherweise, weil es den Zeitpunkt der Sicherungsabtretung für maßgeblich gehalten hat. Tatsächliche Feststellungen darüber, wann der Klägerin die durch die Abtretung gesicherten Kredite eingeräumt worden sind, fehlen; vielmehr hat das FG in anderem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt, daß die Klägerin (auch) dem Kreditinstitut untersagt hat, gegenüber dem FA Angaben über Zeitpunkt und Höhe der durch die Abtretung gesicherten Kreditmittel zu machen. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beleihung am 9.Dezember 1977 ist nicht ausgeschlossen, daß die Kreditmittel der Klägerin erst im Jahre 1978 gutgeschrieben worden sind und die Verjährungsfrist erst mit dem Ablauf des Jahres 1978 zu laufen begann.
3. Sind der Klägerin die Kreditmittel bereits 1977 zugeflossen, war entgegen der Auffassung des FG der Rückforderungsanspruch für die bis dahin ausgezahlten Prämien im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids bereits verjährt, wenn nicht die Voraussetzungen für die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 169 Abs.2 Satz 2 AO 1977 (leichtfertige Steuerverkürzung) vorgelegen haben.
a) Ist der Rückforderungsanspruch 1977 entstanden, so begann die Festsetzungsfrist mit dem Ablauf dieses Kalenderjahres. Der Ablauf der Frist war gemäß § 170 Abs.2 Nr.1 AO 1977 gehemmt, weil die prämienschädliche Verwendung nicht angezeigt worden ist.
Die Festsetzungsfrist begann mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Rückforderungsanspruch entstanden ist; die Festsetzungsfrist für den Rückforderungsanspruch für bis einschließlich 1977 ausgezahlte Prämien endete danach mit dem Ablauf des Kalenderjahres 1984.
b) Entgegen der Auffassung des FG war der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs.3 AO 1977 gehemmt.
Nach § 171 Abs.3 Satz 1 i.V.m. § 155 Abs.6 AO 1977 ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt, wenn vor deren Ablauf der Rückforderungsbescheid angefochten war. In diesem Fall läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über das Anfechtungsbegehren unanfechtbar entschieden ist.
Diese Rechtsfolge tritt jedoch dann nicht ein, wenn der "angefochtene Bescheid" nichtig war.
aa) Die Ablaufhemmung des § 171 Abs.3 AO 1977 steht im Zusammenhang mit der Fristwahrung der Steuerfestsetzung (§ 169 Abs.1 AO 1977). Wird ein fristwahrender, "vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassener Steuerbescheid (§ 169 Abs.1)" angefochten, so verlängert § 171 Abs.3 AO 1977 lediglich die durch den angefochtenen Steuerbescheid gewahrte Festsetzungsfrist zur Durchführung des Verfahrens bis zu dessen Beendigung.
Ein nichtiger Steuerbescheid ist jedoch unwirksam (§ 124 Abs.3 AO 1977). Er erzeugt keinerlei Rechtswirkungen und ist deshalb nicht geeignet, den Lauf der Festsetzungsfrist zu beeinflussen. Das gilt unabhängig davon, auf welche Weise die Nichtigkeit verbindlich festgestellt wird. Auch wenn dies (abweichend von § 125 Abs.5 AO 1977) in einem gerichtlichen Verfahren geschieht und der Rechtsuchende statt der Feststellung (§ 41 FGO) zulässigerweise (BFH-Urteil vom 7.August 1985 I R 309/82, BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42) die "Aufhebung" des nichtigen Bescheides begehrt, ändert dies nichts daran, daß ein solcher Verwaltungsakt keinerlei Rechtswirkung entfalten kann. Das gegenüber dem Feststellungsbegehren unterschiedliche Klageziel erklärt sich aus dem Interesse an der Beseitigung des durch den nichtigen Verwaltungsakt begründeten Rechtsscheins. Die Anfechtung eines nichtigen Bescheides kann daher den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen (ebenso Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 171 Rz.4; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 171 AO 1977, Anm.1 und 10; FG Düsseldorf, Urteil vom 9.August 1985 XV 431/85 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 1986, 57).
bb) Dem steht das zu § 146a Abs.1 AO i.d.F. vor dem 1.Januar 1977 (Reichsabgabenordnung --AO--) ergangene Urteil des BFH vom 17.Februar 1982 II R 176/80 (BFHE 135, 234, BStBl II 1982, 524) nicht entgegen.
Nach § 146a Abs.1 AO verjährten, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist die Festsetzung einer Abgabe angefochten war, die Ansprüche aus dem Sachverhalt, der dem Verfahren zugrunde lag, nicht vor Ablauf von sechs Monaten, nachdem die Abgabenfestsetzung unanfechtbar geworden war. Die zu dieser Regelung vertretene Auffassung, § 146a AO gelte auch, wenn ein Steuerbescheid "wegen inhaltlicher Unbestimmtheit aufgehoben" werde, beruhte auf der Überlegung, daß die weite Fassung des § 146a Abs.1 AO und das Ziel der Regelung, bei Aufhebung eines Steuerbescheides die zutreffenden steuerlichen Folgen aus dem zugrundeliegenden Sachverhalt ziehen zu können, eine weite Auslegung gebiete. Diese Überlegungen lassen sich auf die Nachfolgeregelungen der AO 1977 nicht übertragen, denn diese Vorschriften regeln die Voraussetzungen, unter denen der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt (§ 171 Abs.3 AO 1977) oder ausnahmsweise unbeachtlich (§ 174 Abs.1 bis 5 AO 1977) ist, im einzelnen nach konkreten Konfliktsituationen.
cc) Das FG hat den innerhalb der Festsetzungsfrist erlassenen, gegen die Klägerin und ihren Ehemann gerichteten Bescheid durch Urteil vom 14.November 1984 deshalb aufgehoben, weil er inhaltlich unbestimmt (§ 119 Abs.1 AO 1977) und daher nichtig (§ 125 Abs.1, § 124 Abs.3 AO 1977) sei. Der Senat muß dahingestellt lassen, ob er dieser rechtlichen Beurteilung des Bescheides folgen könnte, denn die Rechtskraft dieses Urteils (vgl. § 110 FGO) steht nicht nur einer anderen Entscheidung über diesen Bescheid entgegen, sondern bindet auch hinsichtlich der im Urteil getroffenen Feststellung der Nichtigkeit.
c) Aus denselben Gründen ist der Ablauf der Festsetzungsfrist auch nicht nach § 174 Abs.4 AO 1977 unbeachtlich, denn auch insoweit ist Voraussetzung, daß ein zwar rechtswidriger, aber wirksamer Steuerbescheid angefochten ist.
4. Die Sache ist nicht spruchreif, denn wie unter II. 2. ausgeführt, kann anhand der Feststellungen des FG nicht abschließend entschieden werden, wann die Rückforderungsansprüche entstanden sind und wann insoweit die Festsetzungsfrist zu laufen begonnen hat. Das FG hat die hierzu erforderlichen Feststellungen noch zu treffen: Für die prämienschädliche Verwendung wird es aufklären müssen, wann die Mittel aus der Beleihung ausbezahlt worden sind. Wenn die Klägerin ihre Mitwirkung hierzu verweigern sollte, wird es die unterlassene Mitwirkung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen haben (hierzu BFH-Urteil vom 15.Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462).
Soweit Prämien nach der schädlichen Verwendung gewährt wurden und dieses schädliche Ereignis nach dem 31.Dezember 1977 lag, ist die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen.
Kommt das FG zu dem Ergebnis, daß für einen Teil der Rückforderungsansprüche die vierjährige Festsetzungsfrist am 31.Dezember 1984 abgelaufen ist, wird es weiter zu prüfen haben, ob nicht die fünfjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs.2 Satz 2 AO 1977 eingreift.
Fundstellen
Haufe-Index 62947 |
BFH/NV 1990, 1 |
BFHE 158, 491 |
BFHE 1990, 491 |
BB 1990, 133-133 (L1-2) |
HFR 1990, 209 (LT) |
StE 1990, 5 (K) |