Leitsatz (amtlich)
1. Die vorläufige Heranziehung abgabepflichtigen Vermögens als Sondervermögen nach § 52 1. StDVO-SHG setzt voraus, daß die Ungewißheit über die Person des Eigentümers oder das rechtliche Schicksal dieses Vermögens am Währungsstichtag bestanden hat. Nur in diesen Fällen kann das Ergebnis von Entscheidungen und Vereinbarungen, die nach dem Währungsstichtag getroffen werden und die bestehende Ungewißheit endgültig beseitigen, auf den Währungsstichtag zurückbezogen werden.
2. Die Entscheidungen der Spruchkammern in der amerikanischen Zone, in denen vor dem Währungsstichtag gegen einen Abgabepflichtigen rechtskräftig auf Einziehung von Vermögen erkannt ist, sind nicht unbedingt als Entscheidungen anzusehen, die eine bestehende Ungewißheit über das rechtliche Schicksal dieses Vermögens endgültig beseitigen; dem Sinn und Zweck des § 52 1. StDVO-SHG entspricht es vielmehr, auch noch spätere Entscheidungen, die zur Rückgabe des Vermögens an den Abgabepflichtigen führen, zu berücksichtigen und das Ergebnis auf den Währungsstichtag zurückzubeziehen. Dies muß insbesondere dann gelten, wenn der Abgabepflichtige selbst die Entscheidung der Spruchkammer nicht als endgültig angesehen und die Aufhebung der Entscheidung und die Wiedererlangung seines Vermögens betrieben hat.
Normenkette
1. StDVO-SHG § 52
Tatbestand
Der Streit geht um die Heranziehung des Abgabepflichtigen M. in N. zur Soforthilfeabgabe. Das Finanzamt hat den Abgabepflichtigen mit einem landwirtschaftlichen Vermögen von 2 290 DM und einem Grundvermögen von 12 800 DM zur Soforthilfe herangezogen und die Abgabe auf 300 DM jährlich festgesetzt. Demgegenüber macht der Abgabepflichtige geltend, daß nicht er, sondern das Land Hessen am maßgebenden Stichtag (Währungsstichtag) Eigentümer des abgabepflichtigen Vermögens gewesen sei.
Der Einspruch des Abgabepflichtigen hatte keinen Erfolg. Dagegen wurde der Abgabepflichtige auf seine Berufung hin durch Urteil des Finanzgerichts von der Soforthilfeabgabe freigestellt. Gegen diese Freistellung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts.
Das Finanzgericht hat in tatsächlicher Hinsicht folgendes festgestellt: Durch Verfügung der amerikanischen Militärregierung vom 18. Oktober 1945 wurde das Vermögen des Abgabepflichtigen gemäß dem Gesetz Nr. 52 der Militärregierung in Kontrolle genommen und für seine Verwaltung ein Treuhänder eingesetzt. Anschließend wurde gegen den Abgabepflichtigen ein Verfahren nach dem Hessischen Befreiungsgesetz vom 5. März 1946 (Hessisches Gesetz- und Verordnungsblatt -- GVBl. -- S. 57) eingeleitet und durchgeführt. In diesem Verfahren stellte die Spruchkammer mit Bescheid vom 20. Juni 1946 fest, daß der Abgabepflichtige Belasteter (Gruppe II) ist, und ordnete neben der Einweisung in ein Arbeitslager die Einziehung des gesamten Vermögens des Steuerpflichtigen an. Der Bescheid der Spruchkammer wurde bezüglich der Einstufung des Abgabepflichtigen in die Gruppe der Belasteten und bezüglich der Einziehung des gesamten Vermögens durch Entscheidung der Berufungskammer vom 20. Dezember 1946 bestätigt.
In der Folgezeit bemühte sich der Abgabepflichtige fortgesetzt (Eingaben vom März 1947, vom April und Dezember 1948) eine Milderung der gegen ihn ergangenen Entscheidung im Gnadenweg (Art. 54 des Befreiungsgesetzes) bzw. eine Wiederaufnahme des Verfahrens (Art. 48 des Befreiungsgesetzes) oder eine Nachprüfung der Entscheidung durch den Minister für politische Befreiung (Art. 52 des Befreiungsgesetzes) zu erreichen. Seine Bemühungen hatten zunächst keinen Erfolg. Vielmehr wurde am 30. Mai 1949 einem Antrage des Befreiungsministers entsprechend der durch die Entscheidung der Berufungskammer eingezogene Grundbesitz des Abgabepflichtigen im Grundbuch auf das Land Hessen (Wiedergutmachungsfonds) überschrieben. In der Zwischenzeit war bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1949 das Vermögen des Abgabepflichtigen aus der Kontrolle der Militärregierung herausgenommen und bis zum Vollzug der Einziehung in die treuhänderische Verwaltung des Landesamts für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung (AVW) überführt worden. Erst nach mehreren weiteren Eingaben des Abgabepflichtigen an den Befreiungsminister hob dieser schließlich mit Erlaß vom 10. September 1949 den Bescheid der Spruchkammer vom 20. Juni 1946 sowie die Entscheidung der Berufungskammer vom 20. Dezember 1946 auf, ordnete die erneute Durchführung des Verfahrens an und verwies die Sache zur Entscheidung an die Berufungskammer. Dieses erneute Verfahren, in dem gegen den Abgabepflichtigen Klage mit dem Antrage auf Einreihung in die Gruppe III (Minderbelastete) erhoben war, wurde nicht mehr durchgeführt, sondern auf Grund des Hessischen Abschlußgesetzes vom 30. November 1949 (Hessisches GVBl. S. 167) am 4. April 1950 durch die Zentralspruchkammer eingestellt. Erst auf Grund dieser Einstellung und einer entsprechenden Anordnung des Befreiungsministers vom 28. Juni 1950 wurde das Vermögen des Abgabepflichtigen durch das AVW freigegeben, der im Grundbuch eingetragene Sperrvermerk gelöscht und der Abgabepflichtige wieder als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Der Abgabepflichtige ist der Auffassung, daß die Entscheidung der Berufungskammer mit ihrer Verkündung am 20. Dezember 1946 Rechtskraft erlangt hat. Mit dem Eintritt der Rechtskraft sei sein gesamtes Vermögen einschließlich des abgabepflichtigen Grundbesitzes auf den Hessischen Staat (Wiergutmachungsfonds) übergegangen. Im gleichen Zeitpunkt sei das Grundbuch unrichtig geworden. Diese Unrichtigkeit sei durch die Überschreibung des Grundbesitzes auf das Land Hessen beseitigt worden. Die Überschreibung selbst habe nur deklaratorischen, nicht aber konstitutiven Charakter gehabt. An dem für die Soforthilfeabgabe maßgebenden Stichtag (Beginn des 21. Juni 1948) sei daher das Land Hessen Eigentümer des abgabepflichtigen Grundbesitzes gewesen. Ihm (dem Abgabepflichtigen) könne der Grundbesitz zum genannten Stichtag auch steuerlich nicht zugerechnet werden. Auch für eine vorläufige Heranziehung des Grundbesitzes als Sondervermögen im Sinn des § 52 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum ersten Teil des Soforthilfegesetzes (1. StDVO-SHG) zur Soforthilfeabgabe fehle die gesetzliche Grundlage; denn es könne keine Rede davon sein, daß am Stichtag hinsichtlich des Eigentums an dem Grundbesitz eine Ungewißheit bestanden habe.
Demgegenüber bestreitet der Beschwerdeführer (Bf.) keinesfalls, daß das Land Hessen am Währungsstichtag rechtlich Eigentümer des abgabepflichtigen Vermögens gewesen ist. Steuerlich müsse aber der Grundbesitz zum Währungsstichtag dem Abgabepflichtigen zugerechnet werden (§ 11 des Steueranpassungsgesetzes -- StAnpG --), weil ihm später das Eigentum an seinem Grundbesitz mit allen Nutzungen für die Vergangenheit zugesprochen worden sei und er rückwirkend so gestellt worden sei, als wenn er immer wirtschaftlicher Eigentümer gewesen sei. Auch sei zur Zeit der vorgeschriebenenen Vermögensanzeige (abzugeben bis zum 20. Oktober 1949) das Schicksal des eingezogenen Vermögens -- trotz der Entscheidung der Berufungskammer -- ungewiß gewesen. Demgemäß hätten die Voraussetzungen des § 52 Abs. 11.StDVO-SHG vorgelegen. Der abgabepflichtige Grundbesitz hätte vorläufig -- bis zur Beseitigung der Ungewißheit -- als Sondervermögen herangezogen werden müssen. Dem Finanzamt sei lediglich ein formaler Fehler insofern unterlaufen, als der Soforthilfeabgabebescheid nicht dem Treuhänder, sondern dem Abgabepflichtigen bekanntgegeben worden sei. Dieser Fehler sei jedoch durch die Freigabe des Vermögens an den Abgabepflichtigen geheilt worden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
I.
Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß nach § 2 Abs. 1 des Soforthilfegesetzes (SHG) persönlich abgabepflichtig ist, wer am Beginn des Währungsstichtags Eigentümer von abgabepflichtigem Vermögen gewesen ist. Auf Grund dieser Vorschrift könne aber der Abgabepflichtige nicht zur Soforthilfeabgabe herangezogen werden, da er am Stichtag das bürgerlich-rechtliche Eigentum -- auf das es zunächst ankomme -- an dem abgabepflichtigen Grundbesitz nicht gehabt habe. Denn durch die Entscheidung der Berufungskammer vom 20. Dezember 1946 habe das Land Hessen das Eigentum an dem abgabepflichtigen Grundbesitz erlangt. Diese Entscheidung sei am Währungsstichtag noch in Kraft gewesen. Diesen Ausführungen, die keinen Rechtsirrtum erkennen lassen, tritt der erkennende Senat bei. Die auf Grund des Befreiungsgesetzes in Hessen eingerichteten Spruch- und Berufungskammern gelten nach § 138 des Hessischen Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 15. September 1946 (Hessisches GVBl. S. 194) als besondere Verwaltungsgerichte im Sinn des § 22 dieses Gesetzes. Trotzdem könnte zweifelhaft sein, ob mit der Rechtskraft eines Spruchkammerbescheids oder einer Berufungskammerentscheidung das Eigentum an den eingezogenen Vermögensgegenständen auf das Land (Wiedergutmachungsfonds) übergeht. Zweifel könnten vor allem deswegen auftreten, weil nach Art. 52 Abs. 3 des Befreiungsgesetzes der Befreiungsminister das Recht hat, rechtskräftige Entscheidungen nach Überprüfung aufzuheben. Die Vorschrift des Art. 52 Abs. 3 des Befreiungsgesetzes befindet sich in einem Abschnitt, der die Überschrift "Überprüfung" trägt. Damit wurde für das Befreiungsgesetz ein, den ordentlichen Rechtsgrundsätzen völlig unbekanntes, Rechtsinstitut geschaffen, das sowohl dem Inhalt als auch der Form nach völlig neu ist. Dieses neue Verfahren rechtfertigt sich einmal durch den Charakter des Gesetzes als ein Sondergesetz; andererseits soll es die fehlende Revision gegen die Entscheidungen der Berufungskammern ersetzen (vgl. Priese-Pokorny, Kommentar zum Befreiungsgesetz, Anm. I zu Art. 52). Allerdings kann der Befreiungsminister nach dem Gesetz die rechtskräftigen Entscheidungen aufheben, aber nicht zum Nachteil des Betroffenen abändern. Außerdem kann er nur die erneute Durchführung des Verfahrens, wenn auch bei einer anderen Spruchkammer, anordnen. Der erkennende Senat glaubt hieraus keine Folgerungen für die rechtliche Bedeutung der rechtskräftigen Entscheidung der Spruchkammern und Berufungskammern ziehen zu können. Im übrigen hat auch das "Ständige Rechtskollegium zur einheitlichen Auslegung und Anwendung des Befreiungsgesetzes in der US-Zone" unter R C 13/46 folgende Mitteilung -- abgedruckt im Amtsblatt des Hessischen Ministeriums für politische Befreiung 1947 S. 42 -- herausgegeben: "Die Einziehung des Vermögens bewirkt mit der Rechtskraft den unmittelbaren dinglichen Übergang jedes Vermögensgegenstandes in das Eigentum des Wiedergutmachungsfonds." Auch der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 21. Mai 1953, III Z R 272/51 (Bundesgerichtshof in Zivilsachen, Slg. Bd. 10 S. 55), entschieden, daß die Sprüche der Spruchkammern in der amerikanischen Zone "Urteile in in einer Rechtssache" im Sinn des § 839 Abs. 2 BGB sind; ebenso Bayerisches Oberlandesgericht vom 29. April 1952 I U 1583/51, mitgeteilt in Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1952 S. 826. Die Aufhebung der Entscheidung der Berufungskammer durch den Befreiungsminister hat dem Abgabepflichtigen nicht rückwirkend sein Eigentum wieder verschafft mit der Maßgabe, daß der abgabepflichtige Grundbesitz seit seiner Einziehung ununterbrochen dem Abgabepflichtigen gehört habe. Vielmehr ist ihm durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch das verlorengegangene Eigentum erst später wieder beschafft worden. Danach ist daran festzuhalten, daß am Währungsstichtag das Land Hessen (Wiedergutmachungsfonds) und nicht der Abgabepflichtige bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des abgabepflichtigen Grundbesitzes gewesen ist. Aus § 2 Abs. 1 SHG kann daher der Abgabepflichtige nicht zur Soforthilfeabgabe herangezogen werden.
II.
Das Finanzamt glaubt die persönliche Abgabepflicht des Abgabepflichtigen u. a. aus § 2 Abs. 2 SHG herleiten zu können. Richtig ist, daß nach den Vorschriften des StAnpG (§ 11), die als allgemeines Steuerrecht auch für die Soforthilfeabgabe gelten, in bestimmten Fällen das Vermögen für die Besteuerung einem anderen als dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen ist. Die Fälle, in denen das zu geschehen hat, sind in § 11 Ziff. 1 bis 4 StAnpG aufgezählt. Der Fall des Abgabepflichtigen kann unter keinen dieser Fälle gebracht werden. Übereignung zum Zweck der Sicherung sowie Übereignung bzw. Erwerb zu treuen Händen (§ 11 Ziff. 1 bis 3 StAnpG) scheiden ohne weiteres aus. Aber auch die Vorschrift des § 11 Ziff. 4 StAnpG (Zurechnung an den Eigenbesitzer) trifft nicht zu. Der Abgabepflichtige war am maßgebenden Währungsstichtag nicht Eigenbesitzer des abgabepflichtigen Grundbesitzes. An diesem Tage war ihm der abgabepflichtige Grundbesitz nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich entzogen. Wirtschaftliches Eigentum im Sinn des § 11 Ziff. 4 StAnpG könnte nur dann angenommen werden, wenn nach den Verhältnissen am Stichtag, auf die es allein ankommt, nach dem Willen der Beteiligten der Abgabepflichtige trotz mangelnden rechtlichen Eigentums über den Grundbesitz zu schalten und zu walten berechtigt sein sollte und auch wirtschaftlich so geschaltet hat. Davon kann aber keine Rede sein. Auch eine spätere Herausgabe der Nutzungen des Grundbesitzes an den Abgabepflichtigen kann nicht dazu führen, ihm den Grundbesitz rückwirkend auf den Währungsstichtag steuerlich zuzurechnen. Der Abgabepflichtige kann daher auch nicht aus § 2 Abs. 2 SHG zur Soforthilfeabgabe herangezogen werden.
III.
Die Vorinstanz hat es weiter abgelehnt, das abgabepflichtige Vermögen vorläufig als Sondervermögen nach § 52 Abs. 1 1. StDVO-SHG zur Soforthilfeabgabe heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift ist abgabepflichtiges Vermögen in den Fällen, in denen zur Zeit der Vermögensanzeige (bis zum 20. Oktober 1949) die Person, der abgabepflichtiges Vermögen zuzurechnen ist, oder in denen das rechtliche Schicksal dieses Vermögens ungewiß ist und aus diesem Grunde durch Anordnung der Militärregierung oder deutscher Behörden ein Treuhänder oder Verwalter zur Verwaltung des Vermögens bestellt ist oder das Vermögen der Anzeigepflicht und Vermögenssperre unterliegt, vorläufig gesondert zur Soforthilfeabgabe heranzuziehen. Unstreitig ist, daß in dem zur Entscheidung stehenden Fall das Vermögen des Abgabepflichtigen der Vermögenssperre und der Sonderverwaltung unterlegen hat. Die Vorinstanz ist jedoch der Auffassung, daß nicht sämtliche Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 a. a. O. erfüllt seien. Diese Vorschrift könne nur angewendet werden, wenn die Ungewißheit über die Person des Eigentumers bzw. das rechtliche Schicksal des betreffenden Vermögens nicht lediglich im Zeitpunkt der Vermögensanzeige, sondern auch am Beginn des Währungsstichtages bestanden habe. In der Fassung der genannten Vorschrift komme das zwar nicht besonders zum Ausdruck, dies ergebe sich aber aus dem in § 2 SHG festgelegten, das Soforthilfegesetz beherrschenden Stichtagsprinzip Auch aus der Vorschrift in § 52 Abs. 5 a. a. O., in der ausdrücklich von dem Bestehen der Ungewißheit am Währungsstichtag ausgegangen werde, sei das zu schließen. Da jedoch im Fall des Abgabepflichtigen am Währungsstichtag keine Ungewißheit über die Zurechnung bzw. das rechtliche Schicksal des abgabepflichtigen Vermögens bestanden habe, könne § 52 Abs. 1 a. a. O. nicht angewendet werden. Diesen Ausführungen kann nicht in vollem Umfang beigetreten werden.
Aus der Nachkriegsgesetzgebung (insbesondere Rückerstattungsgesetze, Befreiungsgesetze) heraus waren viele Eigentumsveränderungen zu erwarten; viele Eigentümer von Vermögen mußten damit rechnen, Vermögen zu verlieren oder Teile ihres Vermögens wieder herausgeben zu müssen. Zur Sicherung dieser Maßnahmen, deren Durchführung naturgemäß eine gewisse Zeit erforderte, unterlag das betroffene Vermögen der Verfügungssperre und oft zudem noch der Verwaltung eines Treuhänders. In derartigen Fällen erschien es dem Gesetzgeber nicht angebracht, die Soforthilfeabgabe gegenüber dem formalen Eigentümer, der die Herausgabe des betroffenen Vermögens gewärtigen mußte, festzusetzen. Auch eine bloße vorläufige Festsetzung der Soforthilfeabgabe gemäß § 100 der Reichsabgabenordnung (AO) hätte den formalen Eigentümer dann schwer getroffen, wenn ihm die Verfügungsgewalt über das Vermögen und die Nutzung daran entzogen war. Aus diesem Grund ist derartiges Vermögen bis zur Klärung der Sach- und Rechtslage vorläufig als Sondervermögen zur Soforthilfeabgabe heranzuziehen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß unter diese Regelung nur solche Fälle fallen sollen, in denen am Währungsstichtag (auf den es bei der Soforthilfeabgabe entscheidend ankommt) eine Ungewißheit über die Person des Eigentümers oder das rechtliche Schicksal des Vermögens bestanden hat. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Der Fall, daß die Ungewißheit zur Zeit der Vermögensanzeige noch fortbestanden hat (§ 52 Abs. 1 a. a. O) und der Fall, daß die Ungewißheit schon vor der Vermögensanzeige weggefallen ist (§ 52 Abs. 5 a. a. O.). Es bedarf keines besonderen Hinweises, daß, wenn das vorläufige Verfahren nach § 52 a. a. O. durchgeführt werden soll, eine echte Ungewißheit vorliegen muß. Ist nach den Umständen des Falles anzunehmen, daß trotz vorliegender Vermögenssperre und Sonderverwaltung die Eigentumsverhältnisse, wie sie am Währungsstichtag bestanden haben, sich nicht ändern werden, so könnte das vorläufige Verfahren unterbleiben. Die vorläufige Heranziehung abgabepflichtigen Vermögens als Sondervermögen nach § 52 1. StDVO-SHG setzt daher voraus, daß die Ungewißheit über die Person des Eigentümers oder das rechtliche Schicksal des Vermögens am Währungsstichtag bestanden hat.
Nach Beseitigung der Ungewißheit durch Entscheidung der zuständigen Stelle oder durch Einigung ist derjenige, dem das Vermögen zugesprochen wird, für die Soforthilfeabgabe so zu behandeln, wie wenn er bereits am Währungsstichtag Eigentümer des Vermögens gewesen wäre (§ 52 Abs. 3 Satz 1 a. a. O.). Durch diese Vorschrift werden somit -- das ist das Bedeutsame an ihr -- die Ergebnisse von Entscheidungen und Vereinbarungen, die nach dem Währungsstichtag getroffen werden und die bestehende Ungewißheit beseitigen, steuerlich auf den Zeitpunkt des Währungsstichtages zurückbezogen. Der innere Grund für diese Regelung ist offenbar der Gedanke gewesen, daß bei der Soforthilfeabgabe eine Entwicklung, die in vielen Fällen schon bald nach dem Währungsstichtag zu grundlegenden Änderungen der Vermögensverhältnisse geführt hat oder führt, nicht gänzlich außer acht gelassen werden darf. Bei den Entscheidungen und Vereinbarungen, deren Ergebnis auf den Währungsstichtag zurückzubeziehen ist, muß es sich naturgemäß um Entscheidungen und Vereinbarungen handeln, die die bestehende Ungewißheit tatsächlich beseitigen, also um endgültige Entscheidungen und endgültige Vereinbarungen.
In der Regel werden die rechtskräftigen Entscheidungen der zuständigen Stellen (Spruchkammern, Berufungskammern, Wiedergutmachungskammern der Landgerichte usw.) als endgültige Entscheidungen nach § 52 Abs. 3 a. a. O. anzusehen sein. Unbedingt kann das aber nicht gelten. Es sind Fälle möglich, in denen die Entscheidung der zuständigen Stelle die bestehende Ungewißheit nicht beseitigt hat. Es würde dem Sinn und dem Zweck des § 52 a. a. O. nicht entsprechen, wollte man das Ergebnis solcher Entscheidungen der endgültigen Besteuerung zugrunde legen. So kann § 52 a. a. O. nicht verstanden werden. Wenn nach den Verhältnissen am Währungsstichtag damit zu rechnen war, daß sich die Eigentumsverhältnisse trotz der ergangenen Entscheidung noch ändern werden, muß angenommen werden, daß die vorher bestehende Ungewißheit am Währungsstichtag noch weiter bestanden hat und noch nicht beseitigt ist. Bei den Entscheidungen der Spruchkammern nach dem Befreiungsgesetz kommt noch ein Weiteres hinzu. Zwar bewirkt auch bei diesen Entscheidungen -- wie oben schon dargelegt worden ist -- die Einziehung von Vermögen mit der Rechtskraft der Entscheidung den unmittelbaren dinglichen Übergang jedes Vermögensgegenstandes; es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei den Entscheidungen der Spruchkammern die Rechtskraftwirkung weitgehend eingeschränkt ist. Abgesehen von der Möglichkeit der Milderung der ergangenen Entscheidung im Gnadenweg (Art. 54 des Befreiungsgesetzes) und der Wiederaufnahme des Verfahrens (Art 48 des Befreiungsgesetzes) steht dem Befreiungsminister die Befugnis zu, sich jede Entscheidung zur Nachprüfung vorlegen zu lassen, jede Entscheidung aufzuheben, die erneute Durchführung des Verfahrens anzuordnen und hierbei den Fall an eine andere Spruchkammer zu verweisen (Art. 52 des Befreiungsgesetzes). Die Entscheidungen der Spruchkammern können daher, auch wenn in ihnen vor dem Währungsstichtag gegen einen Abgabepflichtigen auf Einziehung von Vermögen erkannt ist, nicht unbedingt als Entscheidungen angesehen werden, die eine bestehende Ungewißheit über das rechtliche Schicksal dieses Vermögens endgültig beseitigen. Dem Sinn und Zweck des § 52 1. StDVO-SHG entspricht es vielmehr, auch noch spätere Entscheidungen, die zur Rückgabe des Vermögens an den Abgabepflichtigen führen, zu berücksichtigen und dieses Ergebnis auf den Währungsstichtag zurückzubeziehen. Das muß insbesondere dann gelten, wenn der Abgabepflichtige selbst die Entscheidung der Spruchkammer nicht als endgültig angesehen und die Aufhebung der Entscheidung und die Wiedererlangung seines Vermögens betrieben hat. In dem zur Entscheidung stehenden Fall hat der Abgabepflichtige offenbar selbst von Anfang an die Entscheidung der Berufungskammer nicht als endgültig betrachtet. Andernfalls wäre es nicht zu verstehen, daß er alsbald nach der Verkündung der maßgebenden Entscheidung fortgesetzt und hartnäckig die Aufhebung oder Milderung dieser Entscheidung und die Wiedererlangung seines Vermögens betrieben hat. Danach muß die Anwendung des § 52 1. StDVO-SHG auf das Vermögen des Abgabepflichtigen als zulässig angesehen werden. Daß tatsächlich die vorläufige gesonderte Heranziehung zur Soforthilfeabgabe (§ 52 Abs. 1 a. a. O.) unterblieben und der Abgabepflichtige nach Beseitigung der Ungewißheit gleich endgültig zur Abgabe herangezogen worden ist (§ 52 Abs. 3 a. a. O.), ist unschädlich.
Der Rb. war daher stattzugeben, die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung des Abgabepflichtigen als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 307 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 407831 |
BStBl III 1954, 52 |
BFHE 1954, 366 |