Leitsatz (amtlich)
1. Wird bei schenkweiser Grundstücksübertragung auf den minderjährigen Sohn ein Nießbrauch der Eltern unter Freihaltung des Sohnes von allen mit dem Grundstückseigentum verbundenen Belastungen vorbehalten, so stellen die entsprechend vorgenommenen Tilgungen bestehender Grundpfandrechte durch die Eltern im allgemeinen weder Werbungskosten bei ihren Mieteinkünften aus dem belasteten Grundstück noch Sonderausgaben dar.
2. Nach den Umständen des Einzelfalls kann von einer fortbestehenden AfA-Berechtigung der Eltern ausgegangen werden.
Normenkette
EStG 1961 §§ 21, 9 Nr. 6, §§ 7, 10
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezieht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Mietwohngrundstücks auf Grund eines ihr an diesem eingeräumten Nießbrauchsrechts, das ihr verstorbener Ehemann bei Übereignung des Grundbesitzes an den minderjährigen Sohn für sich und seine Ehefrau auf Lebenszeit vorbehalten hatte. Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1961 der Klägerin, ob die von ihr erbrachten Tilgungsleistungen auf hypothekarische Grundstücksbelastungen (Hypotheken, HGA) steuermindernd zu berücksichtigen sind. Streitig war in der Vorinstanz außerdem, ob verneinendenfalls die Klägerin zur Inanspruchnahme der Gebäude-Absetzung für Abnutzung berechtigt sei.
Der im Jahre 1955 verstorbene Ehemann der Klägerin hatte im Jahre 1952 für sich und seine Ehefrau einen dinglichen Nießbrauch von einem Mietwohngrundstück mit der Maßgabe bestellt, daß zunächst er, sodann die Klägerin jeder bis zum Lebensende zum Nießbrauch berechtigt sein sollten. Die Nießbrauchseinräumung zugunsten der Ehefrau geschah unter der mündlich erteilten Auflage, aus den Nießbrauchseinkünften sämtliche fälligwerdenden Hypothekenschulden und öffentlichen Lasten zu tragen. Das Eigentum an dem so belasteten Grundstück übertrug der Ehemann dann im Schenkungswege auf seinen und der Klägerin gemeinsamen, damals 12jährigen Sohn. Auf diese Weise sollte der Sohn von allen mit dem Grundeigentum verbundenen Belastungen befreit sein.
Im Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 1961 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den in diesem Jahr auflagegemäß erbrachten Tilgungsleistungen der Klägerin (970,95 DM) auf die Grundstücksbelastungen den beanspruchten Abzug als Werbungskosten. Der Einspruch, mit dem die Klägerin hilfsweise Berücksichtigung der etwa gleichhohen Absetzungen für Abnutzung als Werbungskosten erstrebte, hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer seit Inkrafttreten der FGO als Klage behandelten Berufung machte die Klägerin zusätzlich geltend, es handle sich bei den Tilgungsleistungen um eine auf besonderem Verpflichtungsgrund beruhende dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, weil die unentgeltliche Nießbrauchsbestellung zu ihren Gunsten unter der Auflage der Tilgung der Grundstücksbelastungen in den jeweils fälligen Tilgungsbeträgen geschehen sei.
Das FG hielt in seiner die Klage abweisenden Entscheidung die begeherte steuerliche Berücksichtigung der Tilgungsleistungen ebenfalls für nicht gerechtfertigt. Wirtschaftlich handele es sich insoweit um eine ratenweise zu entrichtende und entsprechend gezahlte Gegenleistung für die Erlangung der Nießbrauchsberechtigung, vergleichbar der Leistung von Kaufpreisraten. - Eine Befugnis der Klägerin zur Inanspruchnahme von Absetzungen für Abnutzung auf das Gebäude verneinte das FG mit der Begründung, ihr Sohn habe als zur Verfügung (Belastung, Veräußerung) des Grundstücks allein befugter bürgerlich-rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer den baulichen Wertverzehr zu tragen gehabt.
Mit ihrer vom BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hat zwar im Ergebnis mit Recht eine steuerliche Auswirkung der geltend gemachten Tilgungsleistungen der Klägerin verneint. Die Vorentscheidung beruht indes auf einer Verkennung materiellen Rechtes, soweit sie die Klägerin zur Inanspruchnahme von Absetzungen für Abnutzung auf das nießbrauchsbelastete Gebäude für nicht berechtigt angesehen hat. Diese Rechtsverletzung ist trotz fehlender Geltendmachung in der Revision zu beachten, weil der Senat auf eine Prüfung der als Revisionsgründe vorgetragenen Verletzungen materiellen Rechtes nicht beschränkt ist (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1970, Rdnrn. 28, 29 zu § 118; BVerwGE vom 14. August 1959, Deutsches Verwaltungsblatt 1959 S. 812 - DVBl 1959, 812-).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist auf Grund der von ihr getroffenen und von der Klägerin nicht beanstandeten Tatsachenfeststellungen der Erwerb des Nießbrauchsrechtes durch die Klägerin nicht als entgeltlicher, sondern als unentgeltlicher Vorgang zu beurteilen. Denn hat nach dem festgestellten Sachverhalt der Ehemann im Jahre 1952 das Eigentum an dem ihm gehörigen Grundstück - unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechtes für sich und seine Ehefrau (die Klägerin) - unter Ausschluß des Übergangs der mit dem Grundstückseigentum verbundenen Nutzungen und Belastungen auf den gemeinsamen, damals 12jährigen Sohn übertragen, so ist darin ein Erwerb des Nießbrauchs gegen Entgelt auf seiten der Eltern (oder ein entgeltlicher Vorgang auf seiten des Sohnes) nicht zu finden. Insbesondere ist die Annahme einer Entgeltlichkeit des Nießbrauchserwerbs durch die Klägerin nicht im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß sie - wie ebenfalls einwandfrei und unangegriffen in tatsächlicher Hinsicht festgestellt - aus den ihr überlassenen Mieteinnahmen, also beschränkt auf diese, die jeweils fällig werdenden Zinsen und Tilgungen der Grundstücksbelastungen (Hypotheken, HGA) zu leisten hatte und geleistet hat. Denn hierin liegt nicht ein als Gegenleistung aufzufassendes Wertopfer der Klägerin aus eigenem Vermögen oder anderen Einkünften, sondern ein Erwerb ohne Gegenleistung. Hinzu kommt, daß auch anderweitig nicht zu ersehen noch festgestellt worden ist, daß die Vertragsbeteiligten von einem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ausgegangen wären. Nichts anderes ergibt sich, soweit nach den Verhältnissen des Streitfalls eine Beurteilung der Vorgänge als Vermögensregelung zwischen nahen Angehörigen im Wesen einer vorweggenommenen Erbfolge berechtigt ist, weil auch dann eine Entgeltlichkeit des Nießbrauchserwerbs verneint werden muß. Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt hiernach nur den Rechtsschluß auf eine Unentgeltlichkeit der erfolgten Nießbrauchseinräumung zugunsten der Klägerin zu. Indes ergibt sich auch bei anzunehmender Unentgeltlichkeit der Nießbrauchsbestellung aus den erfolgten Tilgungen der Grundstücksbelastungen keine Minderung der veranlagten Einkommensteuer.
Mit der vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht, welcher der erkennende Senat beitritt (vgl. Urteil vom 6. Juli 1966 VI 148/65, BFHE 86, 676, BStBl III 1966, 622, und die dort angegebene Rechtsprechung; Entscheidungen vom 12. September 1969 VI R 336/67, BFHE 96, 527, BStBl II 1969, 727; vom 8. August 1969 VI R 299/67, BFHE 96, 473, BStBl II 1969, 683; vom 12. September 1969 VI R 333/67, BFHE 96, 523, BStBl II 1969, 706), ist davon auszugehen, daß der Erwerb des dinglichen Nießbrauchs an einem Grundstück einen Rechtsausschnitt aus dem belasteten Eigentum und damit eine Rechtsstellung verleiht, die der des Eigentümers im wesentlichen gleichkommt (BFH-Urteil VI R 333/67; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl. 1972, § 21 Rdnr. 16). Das gilt vor allem, wenn, wie hier, die Nießbrauchsbestellung unter völligem Ausschluß des Eigentümers von den mit dem Grundstückseigentum verbundenen Nutzungen und Lasten erfolgt und dieser Ausschluß durch den bisherigen Eigentümer ausschließlich zu seinen und seiner Ehefrau Nutzen und Lasten anläßlich der Übertragung des Eigentums auf das gemeinsame minderjährige Kind (hier den 12jährigen Sohn) geschieht. Wirtschaftlich ändert sich dann in bezug auf die bislang erfolgte und weiterhin vorbehaltene Nutzung des Grundbesitzes einschließlich der Lastentragung nichts Wesentliches, weil der Überlasser den ihm kraft Eigentums bisher zustehenden Eigentumsausschnitt (vor allem die Rechte zum Besitz und zur Ziehung von Nutzungen sowie die Tragung aller mit dem Grundstückseigentum verbundenen Belastungen einschließlich der Zinsen und Tilgungen auf bestehende Grundpfandrechte) weiterhin - unter völligem Ausschluß des neuen Eigentümers insoweit - als Kerngehalt der mit dem Eigentum verbundenen bisherigen Einkunftsgrundlagen praktisch unverändert zurückbehalten hat. Unter diesen Verhältnissen kann beim Überlasser auch eine Änderung des Charakters der bislang nicht als Werbungskosten abzugsfähigen und weiterhin getragenen Tilgungsleistungen auf Hypotheken bzw. HGA nicht angenommen werden.
Daraus ergibt sich, daß die Klägerin, der die Rechtsstellung ihres Ehemannes mit dessen Ableben unentgeltlich zugefallen ist, wie dieser in bezug auf die genannte Einkunftsquelle zur Ziehung von Nutzungen des nießbrauchsbelasteten Grundstücks und zur Geltendmachung der damit verbundenen, von ihr getragenen Grundstücksbelastungen als Werbungskosten für berechtigt anzusehen ist. Deshalb sind die von ihr auf Grund dieser Rechtsposition gezogenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wie beim Ehemann - auch nicht weitergehend - zwar um die von ihr auf die Grundpfandrechte (Hypotheken, HGA) geleisteten Zinsaufwendungen als Werbungskosten zu mindern, nicht jedoch um die hierauf erbrachten Tilgungen, weil diese - im Rahmen der ihr überlassenen und gezogenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - als Entschuldung des genutzten Grundbesitzes ausschließlich vermögensumschichtenden Charakter innerhalb der Einkunftsgrundlage gehabt haben, nicht jedoch werbende Natur hinsichtlich der aus dieser Einkunftsgrundlage gezogenen Mieteinnahmen. Daran ändert nichts, daß die Tilgungen tatsächlich aus den vereinnahmten Mieten erbracht worden sind. Wegen ihres dem Einkunftsbereich Vermietung und Verpachtung zugeordneten Wesens kommt ferner zugleich ein Abzug als Sonderausgaben ebenfalls nicht in Betracht, so daß in dieser Beziehung die Frage, ob die Tilgungen als entgeltliche oder unentgeltliche Vermögensvorteile dem Sohn zugeflossen sind, sich nicht stellt. Auch die weiteren Einwände der Klägerin gehen fehl.
Eine einkommensteuermindernde Wirkung der von der Klägerin im Streitjahr geleisteten Tilgungen ist nach alledem - wenn auch aus anderen als den vom FG angenommenen Gesichtspunkten - auf Grund des festgestellten Sachverhalts zu verneinen, so daß in diesem Punkt die Vorentscheidung eine Verletzung von Rechten der Klägerin nicht enthält.
Das FG hat jedoch die Klägerin rechtsirrtümlich zur Inanspruchnahme von Absetzungen für Abnutzung gemäß §§ 9, 21 EStG hinsichtlich des nießbrauchsbelasteten Gebäudes für nicht berechtigt gehalten. Es kann dahingestellt bleiben, ob bei anderen, von der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung sich wesentlich unterscheidenden Vorgängen der Bestellung eines Nießbrauchs ein Recht auf Absetzungen für Abnutzung am nießbrauchsbelasteten Gebäude dem Nießbraucher zuzuerkennen ist oder nicht. Im gegebenen Fall ist - im Rahmen der ernsthaft gewollten und vollzogenen Grundstücksübereignung mit der nach den Fallumständen vom FG zutreffend bejahten Überlassung auch des wirtschaftlichen Eigentums an den Sohn - zwar eine Beschränkung der Rechtsposition des bisherigen Eigentümers und der Klägerin auf die Stellung von Nießbrauchern vorgenommen worden, jedoch mit der im allgemeinen sonst nicht vorhandenen Maßgabe, daß der 12jährige Sohn - unbeschadet seines Eigentums - von allen mit diesem zusammenhängenden Belastungen jeglicher Art von vornherein und schlechthin bis Nießbrauchsende freigehalten war. Diese umfassende Freistellung des minderjährigen Sohnes von den mit dem Eigentum verbundenen Nachteilen und der insoweit im Umfang unverändert fortbestehenden Belastung des bisherigen Eigentümers mit ihnen (der Klägerin als Rechtsnachfolgerin) während der gesamten Dauer des Nießbrauchs rechtfertigt die Beurteilung, daß dem Sohn das Grundstück in seinem bei Nießbrauchsende vorhandenen Zustand gewährt wurde und bis dahin auch der Wertverzehr am Gebäude von den Eltern zu tragen war. Nach den Besonderheiten der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung eines anläßlich der schenkungsweisen Eigentumsübertragung vom Vater auf den 12jährigen Sohn vorbehaltenen Nießbrauchs hat der Senat keine Bedenken, angesichts des zugleich erfolgten völligen Ausschlusses des 12jährigen von allen mit dem Grundstückseigentum verbundenen Nutzungen und Belastungen eine fortbestehende Berechtigung auf Absetzungen für Abnutzung des Vaters als des bisherigen Eigentümers und der Klägerin auf Grund ihres unentgeltlichen Eintritts in dessen Rechtsstellung zu bejahen.
Die Vorentscheidung, die auf einer abweichenden Auffassung beruht, ist deshalb wegen Rechtsirrtums aufzuheben (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO). Der Senat ist nicht in der Lage, auf Grund des vom FG festgestellten Sachverhalts abschließend zu entscheiden, weil die Vorinstanz, von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, von Feststellungen zur Höhe der im Streitjahr der Klägerin zustehenden Absetzungen für Abnutzung abgesehen hat. Die Sache war demgemäß zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70926 |
BStBl II 1974, 509 |
BFHE 1974, 27 |