Leitsatz (amtlich)
Eine Entschädigung, die auf Grund eines Vertrages über das Dulden von Baumaßnahmen und den damit verbundenen Abbruch von Gebäuden als Ersatz der Kosten des Wiederaufbaus gezahlt wird, stellt beim Empfänger keinen durchlaufenden Posten dar und kann auch nicht nach den Grundsätzen über die Rücklage für Ersatzbeschaffung erfolgsneutral verbucht werden.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 1; EStG §§ 5-6
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine Aktiengesellschaft, ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks, das an ein Grundstück einer öffentlich-rechtlichen Anstalt grenzt. Diese wollte auf ihrem Grundstück ein Gebäude errichten. Dazu war wegen des Grundwasserstandes der Bau einer Betonwanne erforderlich, der sich auch auf das Grundstück der Steuerpflichtigen auswirkte. Die Steuerpflichtige und die öffentlich-rechtliche Anstalt schlossen daher am 21. Januar 1958 einen Vertrag, nach dem die an der Grenze der Grundstücke stehende Kommunmauer und die an diese Mauer auf dem Grundstück der Steuerpflichtigen anschließenden Gebäudeteile auf Kosten der öffentlich-rechtlichen Anstalt abgebrochen werden sollten. Die Anstalt verpflichtete sich, bis zum Neubau anderer Gebäude Ersatzräume zu beschaffen und die Kosten des Wiederaufbaus der Gebäude zu ersetzen. Die Wiederherstellungskosten wurden im Vertrag auf 351 072 DM festgelegt. Dazu kam ein weiterer von der Anstalt zu ersetzender Betrag von 43 200 DM, der dadurch verursacht wurde, daß ein Teil der Gebäude an anderer Stelle errichtet werden sollte. Die Anstalt sollte schließlich die Kosten der Pflasterung des Grundstücks der Steuerpflichtigen in Höhe von 60 000 DM übernehmen. Die Steuerpflichtige erhielt somit von der Anstalt insgesamt 454 272 DM.
Diesen Betrag verbuchte die Steuerpflichtige im Streitjahr 1958 in der Weise, daß sie 384 272 DM von den Herstellungskosten neu errichteter Gebäude abzog und die restlichen 70 000 DM als Abrechnungskonto unter die Verbindlichkeiten aufnahm. Die abgebrochenen Gebäudeteile wurden mit den Buchwerten von insgesamt 43 225 DM ausgebucht.
Der Revisionsbeklagte (das FA) folgte der buchmäßigen Behandlung der Entschädigung durch die Steuerpflichtige nicht und setzte den Gesamtbetrag der Entschädigung als gewinnerhöhenden Ertrag des Streitjahres an.
Der Einspruch und die Berufung blieben in diesem Punkt ohne Erfolg.
Das FG hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, in Wirklichkeit lägen zwei Geschäftsvorfälle vor, nämlich einmal der Abbruch der Gebäudeteile mit der Folge, daß diese mit den letzten Buchwerten gewinnmindernd auszubuchen seien, zum anderen eine Zahlung durch die Anstalt, die wie jede andere Zahlung zu buchen sei und sich damit gewinnerhöhend auswirke. Die weiteren von der Steuerpflichtigen getroffenen Maßnahmen stünden mit diesen beiden Vorgängen in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Die Grundsätze über Rücklagen für Ersatzbeschaffung seien nicht anzuwenden, weil die abgebrochenen Gebäudeteile der Steuerpflichtigen weder durch höhere Gewalt noch durch behördlichen Eingriff verloren gegangen seien. Die Steuerpflichtige sei vielmehr frei gewesen in ihrer Entschließung, ob sie der Bitte der Anstalt entsprechen sollte, Einwirkungen auf ihr Grundstück, insbesondere den Abbruch der Gebäudeteile, zu dulden. Ohne Bedeutung sei, aus welchen Erwägungen sich die Steuerpflichtige entschlossen habe, den Vertrag mit der Anstalt zu schließen, insbesondere, ob – wie die Steuerpflichtige behaupte – die Rücksicht auf ihr Ansehen eine Rolle gespielt habe. Ein Abzug der Entschädigung von den Herstellungskosten der Gebäude verbiete sich deshalb, weil die Anstalt nicht die Wiederaufbaukosten, sondern eine Entschädigung für das Dulden der erforderlichen Einwirkung auf das Grundstück gezahlt habe. Die geschätzten Kosten des Wiederaufbaus seien lediglich die Bemessungsgrundlage für die Höhe der Entschädigung gewesen, deren Verwendung im Belieben der Steuerpflichtigen gestanden habe.
Schließlich sei auch die Rechtsprechung über den Tausch nicht anwendbar, weil kein Tausch vorgelegen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen.
1. Die Steuerpflichtige ist zunächst der Ansicht, die Entschädigung, die die Anstalt entrichtet habe, stelle bei ihr, der Steuerpflichtigen, einen durchlaufenden Posten dar, da sie ihrer Bestimmung gemäß als Zuschuß zur Wiederherstellung der Gebäude verwendet worden sei und, soweit noch nicht geschehen, verwendet werde.
2. Die Steuerpflichtige verlangt weiter, daß die Grundsätze über Rücklagen für Ersatzbeschaffung angewandt werden.
a) Sie meint, die Anstalt sei wegen ihres öffentlichrechtlichen Charakters und als Sachwalterin der Allgemeinheit jederzeit berechtigt gewesen, über das zuständige Ministerium eine Gesetzesvorlage zum Zweck der Enteignung einzubringen. Die Annahme einer solchen Vorlage hätte im Interesse des Gemeinwohls gelegen. Sie, die Steuerpflichtige, habe dieses Verfahren durch freiwillige Bereitschaft abgewandt. Die Rechtsprechung über Rücklagen für Ersatzbeschaffung sei in solchen Fällen (Vermeidung einer drohenden Enteignung) anwendbar.
b) Die in Abschn. 35 EStR getroffene Regelung sei zum mindesten entsprechend auf den Streitfall anzuwenden. Denn sie, die Steuerpflichtige, sei nicht – wie das FG angenommen habe – frei gewesen in ihrer Entschließung, ob sie der Bitte der Anstalt entsprechen sollte. Sie sei vielmehr einer selbstverständlichen nachbarlichen Pflicht gefolgt und habe dabei auch auf des Echo der Öffentlichkeit Rücksicht nehmen müssen. In gebotener Weiterentwicklung des Rechtsinstituts der Rücklage für Ersatzbeschaffung sei dieses Institut auf den Streitfall anzuwenden.
3. Das FG habe schließlich nicht beachtet, daß die Frage, ob Gewinn verwirklicht werde, mehr nach betriebswirtschaftlichen als nach rechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sei. Wirtschaftlich betrachtet sei im Streitfall eine Gewinnverwirklichung zu verneinen. Denn sie, die Steuerpflichtige, habe Gebäude abreißen lassen, die ihre betriebliche Funktion noch voll erfüllten und auch auf Jahre hinaus noch erfüllt hätten, und für die abgerissenen Gebäude neue Gebäude errichtet, die die gleiche betriebliche Funktion erfüllten.
Darüber hinaus sei die Gewinnverwirklichung bei der Veräußerung von Anlagegütern allgemein zu verneinen. Denn nur bei der Veräußerung zum Absatz bestimmter Güter spreche eine Vermutung für die Absicht des Kaufmanns, die darin liegenden stillen Reserven zu realisieren. Für Produktionsmittel gelte diese Vermutung nicht. Eine Veräußerung langlebiger Wirtschaftsgüter stelle sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Vermögensumschichtung, nicht aber als Maßnahme zur Erzielung von Einkünften dar. § 6b EStG 1965 sei insoweit nur ein Ausdruck bereits bestehender Rechtsnormen und daher entgegen § 52 Abs. 5 EStG 1965 auch auf Vorgänge anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1965 lägen.
Auch bei Anwendung der Grundsätze über den Tausch, die die Steuerpflichtige für geboten hält, sei eine Gewinnverwirklichung zu verneinen. Beim Tausch von Anlagegütern finde keine Gewinnverwirklichung statt. Die Tauschgrundsätze seien aber auch dann anwendbar, wenn es sich – wie im Streitfall – um einen sogenannten unechten oder wirtschaftlichen Tausch handele. Die Voraussetzung, daß funktionsgleiche Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt werden, sei im Streitfall erfüllt.
Die Steuerpflichtige beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Die im Vertrag vom 21. Januar 1958 vereinbarte Entschädigung von 454 272 DM hat im Streitjahr das Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen vermehrt und damit den steuerpflichtigen Gewinn erhöht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG, §§ 4, 5, 6 EStG).
1. Die Entschädigung stellt keinen durchlaufenden Posten dar, der bei dem nach §§ 4, 5 EStG gebotenen Vermögensvergleich außer Betracht bleiben dürfte. Durchlaufende Posten sind Einnahmen oder Ausgaben, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG 1965). Dieser Tatbestand ist im Streitfall nicht erfüllt. Verwaltung und Rechtsprechung haben ausnahmsweise bei öffentlichen Zuschüssen und bei privaten Zuschüssen von Nutzungsberechtigten zugelassen, daß sie wie durchlaufende Posten behandelt werden und somit einerseits den Gewinn des Steuerpflichtigen nicht erhöhen, andererseits aber auch nicht in die Herstellungskosten der mit Hilfe der Zuschüsse errichteten Anlagen eingerechnet werden (Abschn. 34 EStR 1958; Urteile des BFH IV 228/63 U vom 4. November 1965, BFH 84, 459, BStBl III 1966, 167; VI 308/61 S vom 4. Dezember 1962, BFH 76, 329, BStBl III 1963, 120). Im Streitfall liegt weder ein öffentlicher noch ein privater Zuschuß im Sinne der angeführten Rechtsprechung vor. Die Entschädigung sollte zwar die Wiederaufbaukosten decken und wurde daher in ihrer Höhe nach den voraussichtlichen Wiederaufbaukosten festgesetzt. Aber es handelte sich einmal um keine bindende Zweckbestimmung. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erklärt, daß die Zahlung nicht davon abhängig gewesen sei, in welcher Weise die Steuerpflichtige den Betrag verwende. Die tatsächliche Verwendung der Entschädigung zum Wiederaufbau der Gebäude vermag die rechtlich bindende Zweckbestimmung nicht zu ersetzen. Außerdem gibt es, wie bereits das BFH-Urteil I 283/60 S vom 17. Oktober 1961 (BFH 73, 823, BStBl III 1961, 566) hervorgehoben hat und wie neuerdings durch BFH-Urteil I 224/65 vom 18. Juli 1968 (BFH 93, 233, BStBl II 1968, 737) für Leistungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung bestätigt worden ist, keinen allgemeinen Rechtssatz, daß zweckbestimmte Zuschüsse im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern stets als durchlaufende Posten behandelt werden dürften. Die Steuerpflichtige verweist zu Unrecht auf das BFH-Urteil I 283/60 S, a. a. O. Denn dieses Urteil hat eine Ausnahme von der Gewinnverwirklichung nur für die Fälle zugelassen, in denen ein Wirtschaftsgut auf Grund eines behördlichen Eingriffs oder auf Grund höherer Gewalt aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und dafür eine Entschädigung gezahlt wird. Ein solcher Fall liegt aber, wie unter 2. a) näher dargelegt werden wird, hier nicht vor. Auch das BFH-Urteil IV 228/63 U, a. a. O., auf das sich die Steuerpflichtige weiter beruft, betraf eine Betriebsverlegung, die durch ein Umlegungsverfahren erzwungen wurde.
Die Tatsache, daß die Entschädigung im Streitfall außerhalb des regelmäßigen Geschäftsablaufs anfiel und daher zu den außerordentlichen Erträgen zählt (vgl. § 132 Abs. 1 II Nr. 4 AktG 1937, § 157 Abs. 1 Nr. 11, 14 AktG 1965), ist kein Hindernis, sie bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns anzusetzen. Denn es gibt auch keinen allgemeinen Rechtssatz, daß nur ordentliche Erträge der Besteuerung unterliegen.
Ist die Entschädigung kein durchlaufender Posten, so vermehrt sie das Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen im Streitjahr (§ 5 EStG) und kann auch nicht von den Herstellungskosten der neu errichteten Gebäude abgesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG).
2. Auch nach den Grundsätzen über die Rücklage für Ersatzbeschaffung ist es nicht erlaubt, die Herstellungskosten um die Entschädigung zu kürzen.
Verwaltung und Rechtsprechung lassen es zu, daß ein steuerpflichtiger Gewinn, der beim Abgang eines Wirtschaftsguts durch Auflösung stiller Reserven entstehen würde, durch Übertragung der stillen Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut oder durch eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung vermieden wird, wenn das Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt oder infolge oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen auscheidet. Das setzt voraus, daß im selben Wirtschaftsjahr ein Ersatzwirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird oder an dem auf das Ausscheiden des Wirtschaftsguts folgenden Bilanzstichtag eine Ersatzbeschaffung ernstlich geplant, aber noch nicht vorgenommen war (Abschn. 35 EStR 1958). Diese Voraussetzungen sind jedoch im Streitfall nicht erfüllt.
a) Höhere Gewalt oder ein vollzogener behördlicher Eingriff liegen nicht vor. Es fehlt aber auch an einem drohenden behördlichen Eingriff. Die allgemeine Möglichkeit einer Enteignung durch ein erst einzubringendes Gesetz, auf die die Steuerpflichtige verweist, reicht dazu nicht aus. Es würde auch nicht genügen, daß eine gesetzliche Vorschrift, auf die die Enteignung gestützt werden könnte, bereits besteht. Vielmehr ist erforderlich, daß die Enteignung ernstlich droht (BFH-Urteil I 315/56 U vom 3. September 1957, BFH 65, 402, BStBl III 1957, 386), wofür z. B. eine Erklärung der zuständigen Behörde ausreichen kann (BFH-Urteil I 112/61 vom 7. November 1961, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 288). Die tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), lassen nicht erkennen, daß im Streitfall eine Enteignung gedroht und die Steuerpflichtige zur Vermeidung dieser Enteignung (Hauptmotiv, BFH-Urteil I 112/61, a. a. O.) den Vertrag vom 21. Januar 1958 geschlossen habe. Das FG führt im Gegenteil aus, es sei nicht der geringste Anhaltspunkt zu erblicken und werde auch von der Steuerpflichtigen nicht behauptet, daß sie in irgendeiner Weise hätte unter Druck gesetzt oder gar gezwungen werden können, die gewünschten Baumaßnahmen zu gestatten.
b) Eine moralische oder wirtschaftliche Zwangslage, wie sie nach der Behauptung der Steuerpflichtigen vorgelegen habe, kann einem behördlichen Eingriff oder einer höheren Gewalt nicht gleichgesetzt werden und reicht daher nicht aus, um die Zulässigkeit einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung zu begründen. Nach der Rechtsprechung des BFH, an der der Senat festhält, rechtfertigt eine Veräußerung, die durch eine wirtschaftliche Zwangslage hervorgerufen wird, die Übertragung der stillen Rücklagen auf das Ersatzwirtschaftsgut selbst dann nicht, wenn die wirtschaftliche Zwangslage ihrerseits eine Folge eines behördlichen Eingriffs ist (BFH-Urteil IV 40/62 U vom 20. August 1964, BFH 80, 83, BStBl III 1964, 504). Die Grundsätze über die steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung sind erkennbar auf bestimmte Ausnahmetatbestände beschränkt worden und dürfen daher nicht entsprechend auf andere, wenn auch ähnliche Tatbestände angewandt werden. Außerdem kann von einer Gesetzeslücke, die Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung eines Rechtssatzes wäre, keine Rede sein. Denn die Gewinnverwirklichung ergibt sich in den Regelfällen und somit auch im Streitfall aus der richtigen Anwendung der §§ 4, 5, 6 EStG, § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG, die den Ansatz der Entschädigung als Teil des Betriebsvermögens der Steuerpflichtigen (§ 5 EStG) und den Ansatz der neuen Gebäude zu den Herstellungskosten ohne Abzug der Entschädigung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gebieten.
3. Auf die Grundsätze über die Gewinnverwirklichung beim Tausch kann sich die Steuerpflichtige nicht berufen, da im Streitfall kein Tausch vorliegt. Außerdem ist beim Tausch eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung nur unter den gleichen Voraussetzungen zulässig, wie sie bei der Veräußerung gegen Geld und anschließender oder vorhergehender Ersatzbeschaffung gelten (BFH-Urteil I 119/63 U vom 8. Juli 1964, BFH 80, 242, BStBl III 1964, 561). Grundsätzlich führt daher auch der Tausch zur Gewinnverwirklichung (vgl. auch das BFH-Urteil VI 318/65 vom 14. Juni 1967, BFH 89, 211, BStBl III 1967, 574). Die Ausnahme, die der BFH in dem Gutachten I D 1/57 S vom 16. Dezember 1958 (BFH 68, 78, BStBl III 1959, 30) zugelassen hat, wenn ein sehr hoher Grad von wirtschaftlicher Nämlichkeit zwischen dem weggegebenen und dem hereingenommenen Wirtschaftsgut besteht, gilt, wie in dem Gutachten ausdrücklich festgestellt wird und wie der Senat mehrfach bestätigt hat (BFH-Urteile I 119/63 U, a. a. O.; I 169/63 U vom 2. November 1965, BFH 84, 353, BStBl III 1966, 127; I 35/64 vom 6. Oktober 1966, BFH 87, 102, BStBl III 1967, 45), nur für den Tausch von Anteilen an Kapitalgesellschaften.
4. Das Verlangen der Steuerpflichtigen läuft darauf hinaus, daß bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und einer damit verbundenen Ersatzbeschaffung in größerem Umfang als bisher von der Gewinnverwirklichung abgesehen werde. Diese auch im Schrifttum erhobene Forderung, die in dem BFH-Urteil I 4/52 U vom 17. Mai 1952 (BFH 56, 536, BStBl III 1952, 208) eine gewisse Stütze finden könnte, wurde bereits durch das BFH-Urteil I 246/54 U vom 13. September 1955 (BFH 61, 314, BStBl III 1955, 320) und später durch das Urteil I 119/63 U (a. a. O.) zurückgewiesen. Daran hält der Senat fest. Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der von der Steuerpflichtigen angeführte allgemeine Satz, daß sich nach wirtschaftlichen Gründen bestimme, ob eine Gewinnverwirklichung eingetreten sei. Dieser Satz darf nicht dahin mißverstanden werden, daß es einen übergesetzlichen Grundsatz der Gewinnverwirklichung gebe. Was Gewinn ist und wie der Gewinn zu ermitteln ist, bestimmt sich vielmehr nach den §§ 4 bis 7e EStG (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). Bei der Auslegung dieser Vorschriften gilt allerdings die wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2 StAnpG). Ergibt die Anwendung dieser Vorschriften – wie im Streitfall –, daß ein Vorgang zu einem steuerpflichtigen Gewinn geführt hat, so kann dieses Ergebnis nicht unter Berufung auf einen angeblichen übergeordneten Grundsatz der Gewinnrealisierung beseitigt werden. Die §§ 4 bis 7e EStG bieten insbesondere, auch bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Vorschriften (§ 1 Abs. 2 StAnpG), keinen Anhaltspunkt für die Auffassung der Steuerpflichtigen, nur Maßnahmen zur Erzielung von Einkünften, nicht dagegen Maßnahmen der Vermögensumschichtung könnten steuerrechtlich zu einem Gewinn führen. Von der aus den §§ 4 bis 7e EStG sich ergebenden Gewinnverwirklichung Ausnahmen zuzulassen, ist im allgemeinen Sache des Gesetzgebers und nicht Aufgabe der richterlichen Rechtsfindung. Das wird durch den neu geschaffenen § 6b EStG bestätigt. Diese Vorschrift gilt aber nach § 52 Abs. 5 EStG 1965 erstmals für Veräußerungen, die nach dem 31. Dezember 1964 vorgenommen werden. Sie kann entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen nicht rückwirkend angewandt werden (BFH-Urteil VI 143/64 vom 30. Juli 1965, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 538), da sie – wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt – nicht altes Recht bestätigt, sondern neues Recht geschaffen hat.
5. Aus alledem ergibt sich, daß auch die gewinnmindernde Passivierung des nichtverbrauchten Teils der Entschädigung einer rechtlichen Grundlage entbehrt. Die Voraussetzungen für den Ansatz einer Verbindlichkeit, einer Rückstellung oder eines passiven Postens der Rechnungsabgrenzung sind nicht erfüllt. Die Grundsätze über die Behandlung durchlaufender Posten, die Rücklage für Ersatzbeschaffung und die Gewinnverwirklichung beim Tausch, auf die die Steuerpflichtige die Passivierung offenbar stützen will, rechtfertigen aus den dargelegten Gründen die Gewinnminderung nicht.
6. Das Urteil des Bundesgerichtshofs III ZR 172/64 vom 6. Dezember 1965 (Der Betriebs-Berater 1966 S. 183), auf das die Steuerpflichtige verweist, ist für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung. Denn es befaßt sich nicht damit, ob eine Enteignung gegen Entschädigung steuerliche Folgen auslöst.
Fundstellen
Haufe-Index 557283 |
BStBl II 1969, 381 |
BFHE 1969, 178 |