Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff des Eigenheims im Sinne des § 4 Abs. 1 GrEStG.
Normenkette
GrEStG § 4/1/1/c
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) kaufte 1951 von einem gemeinnützigen Bauträger ein im Lande Württemberg-Baden gelegenes Hausgrundstück. Das Haus enthält zwei Wohnungen, und zwar
eine Erdgeschoßwohnung 51 qm groß, bestehend aus drei Zimmern mit Küche, bewohnt vom Bf. und seiner Familie,
Eine Dachstockwohnung 43 qm groß, ebenfalls bestehend aus drei Zimmern mit Küche, vermietet.
Eingebaut sind ein Wasserzähler, zwei elektrische Zähler, zwei Gaszähler.
In jedem Stockwerk befindet sich ein Abort. Beide Wohnungen sind durch Glastürabschlüsse vom Treppenhaus getrennt.
Die Vorinstanzen haben die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 zu c des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nicht für anwendbar erachtet, weil das Haus ein Zweifamilienhaus und deshalb kein Eigenheim sei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.
Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. u. a. das Urteil II 167/41 vom 22. Januar 1943, Slg. Bd. 52 S. 330 Mrozek-Kartei, GrEStG 1940 § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c Rechtsspr. 2, und das Urteil II 139/42 vom 16. Februar 1945, Slg. Bd. 54 S. 173), an der angesichts der unveränderten Rechtslage festzuhalten ist, sind für den Begriff des Eigenheims im Sinne des § 4 GrEStG die Vorschriften der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten vom 1. April 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 437) und der hierzu ergangene hinsichtlich der Auslegung des Begriffs Eigenheim zu billigende Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 1. August 1940 (Reichssteuerblatt S. 769) entsprechend anzuwenden. Nach § 9 Abs. 3 der Verordnung vom 1. April 1937 ist unter einem Eigenheim ein Einfamilienhaus zu verstehen, das der Eigentümer mindestens zur Hälfte selbst bewohnt. Wie die Ziff. 9 des Runderlasses hervorhebt, geht der Charakter als Eigenheim nicht dadurch verloren, daß eine Einliegerwohnung eingebaut ist. Des weiteren besagt Ziff. 10 des Runderlasses: "Enthält ein Gebäude aber zwei völlig selbständige gegeneinander und gegen das Treppenhaus sowie die Boden- und Kellerräume vollkommen abgeschlossene Wohnungen, gilt es als Zweifamilienhaus, auch wenn eine der beiden Wohnungen vom Eigentümer bewohnt wird."
Das Finanzgericht stützt seine Entscheidung außer auf § 9 Abs. 3 der Verordnung vom 1. April 1937 nicht auf den Runderlaß des Reichsministers der Finanzen vom 1. August 1940, sondern auf § 32 Abs. 1 Ziff. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz vom 2. Februar 1935 (RGBl. I S. 81), wonach ein Einfamilienhaus ein Wohngrundstück ist, das nach seiner baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthält, und erwähnt, daß sich der Reichsminister der Finanzen demnach bei seinem Runderlaß im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen gehalten habe.
Da das gekaufte Haus nach der eingangs geschilderten tatsächlichen Gestaltung die vorstehend genannten Voraussetzungen eines Zweifamilienhauses erfüllt, ist es kein Eigenheim und deshalb grunderwerbsteuerlich nicht begünstigt. Hieran vermag auch der Hinweis des Bf. auf Richtlinien des Innenministeriums für den sozialen Wohnungsbau nicht zu ändern. Der Senat hat nur über die Rechtsfrage und nicht über eine Billigkeitsmaßnahme zu befinden.
Der Reichsfinanzhof hat in dem erwähnten Urteil vom 16. Februar 1945 noch ausgeführt, daß auch eine zweite völlig abgeschlossene Wohnung dem Begriff des Eigenheims nicht entgegensteht, wenn diese Wohnung im Verhältnis zu der Wohnung des Eigentümers von untergeordneter Bedeutung ist. Dies trifft jedoch angesichts der Größenverhältnisse der beiden Wohnungen im Streitfalle nicht zu.
Das Finanzgericht hat von sich aus erwogen, daß der Bf. nach dem Landesgesetz Nr. 564 über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer für den sozialen Wohnungsbau vom 30. Oktober 1950 (Regierungsblatt Württemberg-Baden S. 143) steuerfrei geblieben wäre, wenn er nur den Grund und Boden zur Errichtung eines Kleinwohnungsbaus erworben und diesen Bau auf eigene Rechnung, aber unter finanzieller und technischer Betreuung des Bauträgers erstellt hätte; es hat aber tatsächlich festgestellt, daß dieser Sachverhalt nicht gegeben ist.
Das Land Niedersachsen hat im § 1 Ziff. 3 seines Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 53, Bundessteuerblatt - BStBl. - II S. 74) auch den ersten Erwerb eines Grundstücks von der Grunderwerbsteuer freigestellt, auf dem ein Kleinwohnungsbau errichtet worden ist, wenn zur Zeit des Erwerbs Wohnungen in dem Gebäude noch nicht oder höchstens seit drei Monaten bezogen sind. Damit ist auch der Erwerb eines Zweifamilienhauses bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen von der Grunderwerbsteuer befreit. Der Niedersächsische Minister der Finanzen hebt in dem Erlaß vom 9. Juli 1952 (BStBl. II S. 106) hervor, daß diese Vorschrift nicht nur den Ersterwerb eines Eigenheims, sondern auch den Ersterwerb eines Mietwohngebäudes von der Grunderwerbsteuer befreit und somit auch den Bestrebungen der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen nach Ausdehnung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG auf Wohnhäuser mit zwei selbständigen Wohnungen Rechnung trägt. Eine entsprechende Bestimmung gibt es aber in dem früheren Land Württemberg-Baden nicht.
Hiernach erwies sich die Rb. als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 407738 |
BStBl III 1953, 270 |
BFHE 1954, 709 |
BFHE 57, 709 |