Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsaustausch bei Miteigentum
Leitsatz (NV)
Miteigentümer können (müssen aber nicht) in Gestalt einer von den Miteigentümern gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder als kraft Gesetzes entstandener Verwaltungsgemeinschaft (§§ 741, 744 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -- BGB --) unternehmerisch eigenständig -- als Leistende und als Leistungsempfänger -- in Erscheinung treten (Anschluß an Senatsurteil vom 27. April 1994 XI R 91, 92/92, BFHE 174, 559); die Bebauung von Miteigentum muß nicht in der Rechtsform einer GbR vorgenommen werden.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, kauft und verkauft Grundstüke und baut und verwaltet Wohnungen. 1978 und 1979 beteiligte sie sich -- in einem Fall ihre Organgesellschaft -- zusammen mit je einem weiteren Gesellschafter an drei Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), die den Zweck verfolgten, Grundstücke mit Eigentumswohnungen zu bebauen und zu verkaufen. Die Klägerin erbrachte ihre Gesellschafterbeiträge in Form von Bauleistungen, während der jeweils andere Gesellschafter (in der Regel eine gemeinnützige Gesellschaft) Grund und Boden einlegte. Das für die Verteilung des Gewinns maßgebliche Beteiligungsverhältnis errechneten die Gesellschafter aus dem Wertverhältnis ihrer Beiträge, die sie bis zur Fertigstellung der Objekte 1981 an die jeweils notwendig gewordenen Änderungen der Bauleistungen der Klägerin anpaßten.
Die Klägerin erwarb ferner 1980 ein Grundstück in S zusammen mit einer weiteren Gesellschaft -- der L -- zu Miteigentum nach Bruchteilen. Der Anteil der Klägerin betrug 65,47 v. H., der der L 34,53 v. H. Mit Vertrag vom 30. April 1980 vereinbarten die beiden Miteigentümer, daß das Areal mit 23 Reihenhäusern, 30 Garagen und 16 Abstellplätzen bebaut werden solle. Gleichzeitig beauftragte die L die Klägerin, bei der Veräußerung der Häuser ihren Miteigentumsanteil von 34,53 v. H. zu verkaufen. Am 6. August 1980 trafen die Miteigentümer eine als "Werkvertrag" bezeichnete Vereinbarung. In ihr wurde die Klägerin von der L mit der "Erstellung von 34,53 Hundertstel Miteigentumsanteil an 23 Reihenhäusern, 30 Garagen und 16 Einstellplätzen" beauftragt. Als Entgelt hierfür wurde ein Betrag von 1 477 985 DM ausgehandelt. Nach einer von der L und der Klägerin gemeinsam vorgenommenen Kostenaufstellung beliefen sich die Baukosten für das Gesamtobjekt auf 3 943 694 DM. Die Häuser waren im Jahre 1981 noch nicht fertiggestellt. Mit dem Verkauf begann man jedoch schon früher. Die Käufer zahlten im Jahre 1981 als Kaufpreis 1 790 000 DM auf ein gemeinsames Bankkonto der Klägerin und der L ein. Hiervon wurden der Klägerin 1 171 913 DM (= 65,47 v. H.) überwiesen.
Die Klägerin war in ihren Umsatzsteuererklärungen der Ansicht, daß sie bei dem Projekt S für die Errichtung der Gebäude nur den Betrag versteuern müsse, den sie von der L aufgrund des "Werkvertrags" erhalten habe. Im übrigen ging sie von gemäß § 4 Nr. 9 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreien Umsätzen aus.
Bei einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß zwischen der Klägerin und der aus ihr und der L bestehenden Bruchteilsgemeinschaft in S mit der Errichtung der Häuser in S ebenfalls ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch angefallen sei. Die beiden Grundstückseigentümer hätten das Areal nur gemeinsam bebauen können. Hierzu sei ein Zusammenschluß zu einer GbR erforderlich geworden. Diese habe die von der Klägerin bewirkten Bauleistungen empfangen. Als Entgelt (einschließlich Umsatzsteuer) behandelte der Prüfer die Zahlungen in Höhe von 1 171 913 DM, die der Klägerin im Jahre 1981 aus dem Gemeinschaftskonto überwiesen worden waren. Nach Abzug der mit der Errichtung der Häuser zusammenhängenden Vorsteuern von 56 002 DM kam der Prüfer zu einer Steuererhöhung von 78 819 DM (134 821 DM Umsatzsteuer abzüglich 56 002 DM Vorsteuer). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) folgte dieser Beurteilung.
Die Klage war insoweit erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) verneinte einen steuerbaren Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und der Bruchteilsgemeinschaft.
Mit der Revision macht das FA geltend, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Klägerin in Zusammenhang mit den Häusern in S gegenüber der Bruchteilsgemeinschaft keine steuerbaren Leistungen gegen Entgelt erbracht habe.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Umsatzsteuer auf ... DM festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Entgegen der Auffassung des FA hat die Klägerin ihre Werkleistung nur der L gegenüber erbracht. Anders wäre der Fall dann zu beurteilen, wenn die Miteigen tümer in Gestalt einer von den Miteigen tümern gebildeten GbR oder als kraft Gesetzes entstandener Verwaltungsgemeinschaft (§§ 741, 744 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) unternehmerisch eigenständig in Erscheinung getreten wären. In diesem Fall hätte die Klägerin ihre Werkleistung in voller Höhe zunächst an die Gemeinschaft (und nicht nur teilweise an die L) erbringen können (nicht müssen). Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 27. April 1994 XI R 91,92/92 (BFHE 174, 559) entschieden hat, können der einzelne Miteigentümer wie auch die von den Mit eigentümern gebildete Bruchteilsgemeinschaft bzw. GbR als Leistende auftreten. Gleiches gilt für die "Empfängerseite"; die Leistung eines Miteigentümers kann sowohl der Gemeinschaft als auch dem anderen Miteigentümer gegenüber erbracht werden. Das FA ist daher zu Unrecht der Auffassung, daß die Bebauung des Grundstücks nur in der Rechtsform einer GbR vorgenommen werden könne.
2. Im Streitfall ist nach der vom FG vorgenommenen Auslegung der Verträge davon auszugehen, daß die Klägerin nur an die L geleistet hat; bei der Auslegung der Verträge hat das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze verstoßen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 118 Rz. 17 m. w. N.). Im Unterschied zu vielen anderen Verträgen der Klägerin wurde mit dem Vertrag vom 30. April 1980 weder eine GbR errichtet noch wurden mit der kraft Gesetzes be stehenden Rechtsgemeinschaft (in Gestalt der Bruchteils- oder Verwaltungsgemeinschaft) selbständige Abmachungen getroffen. Alle vereinbarten Rechte und Pflichten betrafen die Klägerin und die L eigenständig jeweils in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer. Selbst aus dem gemeinsamen Verkauf und der Abwicklung der Kaufpreiszahlungen über ein gemeinsames Bankkonto läßt sich ein umsatzsteuerrechtlich relevantes Auftreten der Bruchteilsgemeinschaft nicht herleiten; auch insoweit haben die Vertragsbeteiligten vereinbart, daß nicht die Gemeinschaft, sondern die L und die Klägerin -- wenn auch gemeinsam -- verfügungsberechtigt sein sollen. Der Werkvertrag vom 6. August 1980 unterstreicht diese Beurteilung: Die Klägerin sollte nicht für die Gemeinschaft tätig werden; vielmehr wurde ausdrücklich geregelt, daß sie der L gegenüber einen deren Miteigentum entsprechenden Anteil an dem Bauvorhaben erstellen sollte. Bei diesem Sachverhalt ist davon auszugehen, daß die Bruchteilsgemeinschaft weder umsatzsteuerrechtlich nach außen in Erscheinung treten sollte, noch, daß ihr gegenüber Leistungen erbracht worden sind. Zwischen der Klägerin und der Gemeinschaft wurden keine Leistungen ausgetauscht.
Fundstellen
Haufe-Index 420311 |
BFH/NV 1995, 554 |
BFH/NV 1995, 555 |