Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben: Begründung während des Bestehen des Betriebes, Umwidmung - Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
Leitsatz (amtlich)
Schuldzinsen können nur dann als nachträgliche Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die ihnen zugrundeliegende Verbindlichkeit während des Bestehens des Betriebes begründet und nicht durch den Veräußerungserlös oder die Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden konnte. Eine subjektive Umwidmung in Werbungskosten bei einer anderen Einkunftsart ist nicht möglich.
Orientierungssatz
Schuldzinsen mindern als Werbungskosten die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Zweck der Schuldaufnahme darin besteht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, und wenn die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet werden, wobei ein mittelbarer, etwa bloßer rechtlicher Zusammenhang nicht ausreicht.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 09.10.1996; Aktenzeichen 13 K 382/94 E; EFG 1997, 400; LEXinform-Nr. 0139992) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist die Berücksichtigung von Schuldzinsen bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers für die Streitjahre 1989 bis 1991.
I. 1. Der Kläger betrieb ein gewerbliches Einzelunternehmen. Mit Vertrag vom 28. Dezember 1988 gründeten beide Kläger, ihre Tochter und ihr Schwiegersohn eine GmbH mit einer Beteiligung von jeweils 25 %. Sein Einzelunternehmen veräußerte der Kläger mit Vertrag vom 2. Januar 1989 an die GmbH; von der Veräußerung ausgenommen war das teilweise betrieblich genutzte Grundstück. Dieses Grundstück überführte der Kläger ins Privatvermögen und vermietete es an die GmbH.
Der Kaufpreis für die an die GmbH veräußerten Wirtschaftsgüter sollte aufgrund einer zu diesem Stichtag zu erstellenden Veräußerungsbilanz bestimmt werden, wobei das Anlagevermögen zu Teilwerten, die übrigen Wirtschaftsgüter zu Buchwerten anzusetzen waren. Er war durch Übernahme aller Passiva einschließlich der das Grundstück betreffenden Verbindlichkeiten (abzüglich der Forderungen und Rechnungsabgrenzungsposten) des Einzelunternehmens zu leisten. Ein übersteigender Betrag der Aktiva sollte als verzinsliches Darlehen gegenüber der GmbH geführt werden. Aufgrund der Abschlußbilanz des Einzelunternehmens überstiegen indessen die von der GmbH übernommenen Verbindlichkeiten das übertragene Anlage- und Umlaufvermögen. In Höhe dieses Betrages gewährte daher die GmbH dem Kläger ein Darlehen, das entsprechend ihrer Refinanzierung zu verzinsen war. Aus der Betriebsaufgabe ergab sich für den Kläger insgesamt ein Aufgabegewinn.
Die an die GmbH entrichteten Schuldzinsen machten die Kläger in den Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung geltend. Im Klageverfahren begehrten sie den Abzug der Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb. Beidem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht.
2. Die Klage blieb ohne Erfolg. Auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 400 veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts (FG) wird verwiesen.
3. Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Die Forderung der GmbH sei zwar erst nach Betriebsaufgabe, aber noch in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der betrieblichen Sphäre begründet worden. Es handele sich daher um nachträgliche Betriebsausgaben des aufgegebenen Gewerbebetriebs des Klägers. Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die streitigen Schuldzinsen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die vom Kläger geleisteten Schuldzinsen zu Recht nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt.
1. Bei den streitigen Schuldzinsen handelt es sich nicht um nachträgliche Betriebsausgaben des Klägers. Zwar hat der Bundesfinanzhof (BFH) sowohl im Falle der Veräußerung eines Gewerbebetriebs (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - -EStG--) als auch im Falle einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten als nachträgliche Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4, § 24 Nr. 2 EStG) beurteilt, soweit die Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös oder durch Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden konnten (BFH-Urteil vom 21. November 1989 IX R 10/84, BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213). In diesen Fällen besteht die betriebliche Veranlassung der nicht erfüllten Verbindlichkeiten fort (BFH-Urteile vom 19. Januar 1982 VIII R 150/79, BFHE 135, 193, BStBl II 1982, 321; vom 27. November 1984 VIII R 2/81, BFHE 143, 120, BStBl II 1985, 323). Davon ist insbesondere auszugehen, solange eine Verwertung von zurückbehaltenem Aktivvermögen nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 23. Januar 1991 X R 37/86, BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398).
Voraussetzung für das Vorliegen nachträglicher Betriebsausgaben ist aber, daß die nicht getilgten Verbindlichkeiten während des Bestehens des Betriebs begründet wurden und damit als zurückbehaltenes passives Betriebsvermögen fortwirken (BFH-Urteil in BFHE 163, 376, BStBl II 1991, 398; vgl. auch Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 4 Rz. 486, § 16 Rz. 371; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 16 EStG Rz. 278). Daran fehlt es im Streitfall. Die Verbindlichkeit ergab sich erst als Differenz zu Lasten des Klägers im Rahmen der Veräußerung von Teilen seines Einzelunternehmens. Sie ist daher nicht Folge der vorangegangenen betrieblichen Betätigung, sondern der Aufgabe des Betriebs. Vor allem hat der Kläger auch nicht, wie erforderlich, sein gesamtes verfügbares Vermögen zur Schuldentilgung eingesetzt. Er hat vielmehr das Grundstück --sogar unter Ablösung der diesem zuzuordnenden Schulden durch die GmbH-- entnommen und anderen Zwecken zugeführt. Selbst wenn daher ein für ursprünglich betriebliche Zwecke aufgenommener Kredit vorläge, wären die darauf entfallenden Zinsen nicht mehr betrieblich veranlaßt (BFH-Urteil vom 13. Februar 1996 VIII R 18/92, BFHE 180, 79, BStBl II 1996, 291, m.w.N.).
Zu Recht hat das FG auch eine Minderung des Veräußerungserlöses oder des Aufgabegewinns infolge der Verzinsung der Ausgleichsverbindlichkeit des Klägers verneint, denn auch insoweit hätte das verfügbare Vermögen vorrangig zu Schuldentilgung eingesetzt werden müssen (vgl. im übrigen zum Abzug von Veräußerungskosten BFH-Urteile vom 6. Oktober 1993 I R 97/92, BFHE 173, 47, BStBl II 1994, 287; vom 26. März 1987 IV R 20/84, BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561, 563).
2. Auch Werbungskosten des Klägers im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung liegen nicht vor.
Zwar gehören zu den Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG auch Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein derartiger Zusammenhang zwischen Darlehenszinsen und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist aber nur zu bejahen, wenn der Zweck der Schuldaufnahme darin besteht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, und wenn die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend verwendet werden. Dabei reicht ein mittelbarer, etwa bloßer rechtlicher Zusammenhang nicht aus. Die Eingehung der Verbindlichkeit muß vielmehr unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen sein, die den vermieteten Gegenstand betreffen, also zwingendes Erfordernis für die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sein (BFH-Urteile vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510; vom 26. November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161; vom 30. Oktober 1990 IX R 20/89, BFH/NV 1991, 303). Daran fehlt es im Streitfall. Daß die Entnahme des vermieteten Grundstücks zu einer entsprechenden Ausgleichs-(Darlehens-)Verbindlichkeit des Klägers geführt hat, vermag den geforderten wirtschaftlichen Zusammenhang nicht herzustellen. Ein Steuerpflichtiger kann ein Darlehen auch nicht durch bloßen Willensakt in eine Schuld umwandeln, die ihm nunmehr zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient (BFH-Urteil in BFHE 159, 68, BStBl II 1990, 213). Eine einvernehmliche "Umwidmung" eines Darlehens im Sinne des BFH-Urteils vom 7. August 1990 VIII R 67/86 (BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14) liegt nicht vor.
3. Entsprechend fehlt es, wie das FG ebenfalls zu Recht entschieden hat, auch an einem wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuldzinsen mit den aus der GmbH-Beteiligung fließenden Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen.
Fundstellen
Haufe-Index 66373 |
BFH/NV 1998, 656 |
BFH/NV 1998, 656-657 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 144 |
BFHE 184, 502 |
BFHE 1998, 502 |
BB 1998, 463 |
DB 1998, 499 |
DStR 1998, 284 |
DStRE 1998, 157 |
DStRE 1998, 157 (Leitsatz) |
HFR 1998, 269 |
StE 1998, 114 |