Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 7 b - Absetzungen ab Fertigstellung; Schuldzinsenabzug bei Erweiterung eines Einfamilienhauses
Leitsatz (NV)
1. Bezieht der Eigentümer sein im Obergeschoß noch nicht fertiggestelltes Wohngebäude nach der Bezugsfertigkeit der Räume im Erdgeschoß, so kann er trotzdem erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG erst in dem Veranlagungszeitraum geltend machen, in dem das Gebäude, sei es als Einfamilienhaus, sei es als Zweifamilienhaus, fertiggestellt ist. Die Artfeststellung im Rahmen der Einheitsbewertung, hier als Einfamilienhaus, ist insoweit nicht bindend (Anschluß an BFH-Urteil vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82, BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210).
2. Wegen der Finanzierung der Baumaßnahmen angefallene Schuldzinsen sind nach dem Bezug des Hauses gemäß § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG insoweit vom Abzug ausgeschlossen, als sie mit der Nutzung der als Einfamilienhaus bewerteten Wohnung zusammenhängen. Dagegen können die Finanzierungskosten, die auf die Herstellung des Obergeschosses entfallen, uneingeschränkt als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn und soweit die Bausubstanz des Obergeschosses im Einheitswertbescheid, mit dem das Gebäude als Einfamilienhaus bewertet wurde, noch nicht berücksichtigt ist.
Normenkette
EStG 1977 §§ 7b, 9 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 2, § 21a
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden, und Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem sie im Jahre 1978 mit der Errichtung eines Wohngebäudes begonnen haben. In den Bauplänen sind eine ca. 130 qm große Hauptwohnung mit Räumen im Erdgeschoß und im Dachgeschoß sowie eine 50 qm große Einliegerwohnung im Dachgeschoß vorgesehen. Am 9. Dezember 1978 haben die Kläger die Räume im Erdgeschoß bezogen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat das Anwesen der Kläger auf den 1. Januar 1979 bestandskräftig als Einfamilienhaus bewertet.
In ihren Einkommensteuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 1978 und das Streitjahr 1979 machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie Schuldzinsen von 5 030 DM für 1978 und von 11 791 DM für 1979 als Werbungskosten geltend. Das FA berücksichtigte bei der Einkommensteuerveranlagung zunächst die erhöhten Absetzungen, ließ aber die geltend gemachten Schuldzinsen nur für 1978 zum Abzug zu, da die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ab 1979 nach § 21 a EStG zu ermitteln seien. In der Einspruchsentscheidung versagte das FA die erhöhten Absetzungen, weil das von den Klägern geplante Zweifamilienhaus noch nicht fertiggestellt sei. Die 1979 auf den noch nicht fertiggestellten Gebäudeteil entfallenden Schuldzinsen und sonstige Werbungskosten könnten aber trotz § 21 a EStG in Höhe von 2 000 DM abgezogen werden. Das FA rechnete dabei wie folgt:
Gesamtwohnfläche rd. 175 qm, Gesamtzinsen 11 791 DM
Einliegerwohnung rd. 54 qm (30 %),
Zinsanteil bei unterstellter Fertigstellung 3 537 DM
./. Abzug wegen Rohbauzustand (50 %) 1 767 DM
abziehbar als Werbungskosten 1 770 DM
+ übrige Werbungskosten (Versicherungen), 30 % 110 DM
Gesamtwerbungskosten für den nicht bezugsfertigen Gebäudeteil 2 000 DM.
Mit der Klage begehrten die Kläger die Gewährung der erhöhten Absetzungen für ein Einfamilienhaus in Höhe von je 7 500 DM und für das Jahr 1979 den Abzug weiterer Finanzierungskosten in Höhe von 1 032 DM (3 032 ./. 2 000 DM) für die zu ihrer Wohnung gehörenden, noch nicht fertiggestellten Räume im Obergeschoß. Diesen Betrag ermittelten sie folgendermaßen:
Gesamtzinsen bei 175 qm 11 791,00 DM
davon entfallend
auf das nicht fertiggestellte Obergeschoß von 90 qm = 51,43 % 6 064,11 DM
./. Abzug wegen Rohbauzustand (50 %) 3 032,00 DM.
Das Finanzgericht (FG) versagte die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG mangels Fertigstellung eines Einfamilienhauses wie des Zweifamilienhauses. Hinsichtlich der Schuldzinsen hatte die Klage Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Schuldzinsen seien in Höhe von 8 532 DM (11 229 DM ./. 2 697 DM) zu berücksichtigen, da sie mit der Herstellung des Zweifamilienhauses im Zusammenhang ständen. Mit dieser Zuordnung der Schuldzinsen würden auch Schwierigkeiten vermieden, die sich bei einer Aufteilung der Schuldzinsen deshalb ergeben würden, weil einzelne Wohnungen eines als Mehrfamilienhaus geplanten Bauwerks nicht isoliert errichtet werden können.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 21 a EStG. Die Schuldzinsen, die mit der Nutzung der als Einfamilienhaus bewerteten Wohnung in Zusammenhang ständen, könnten nach § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG nur bis zur Höhe des Grundbetrags abgezogen werden. Die Aufteilung der Schuldzinsen sei im Wege der Schätzung möglich, wovon auch die Regelung des § 21 a Abs. 4 EStG ausgehe.
Das FA beantragt, das FG-Urteil hinsichtlich des Jahres 1979 aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils hinsichtlich des Streitjahres 1979 und Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung aus ihrem Haus rechtsfehlerhaft ermittelt.
Der Senat geht zwar mit dem FG davon aus, daß die Kläger im Streitjahr 1979 noch keine erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG geltend machen können, weil damals weder das von ihnen geplante Zweifamilienhaus noch die als Einfamilienhaus bewertete Erdgeschoßwohnung fertiggestellt war. Die im Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1979 festgestellte Art des Objekts ist in diesem Zusammenhang nicht bindend, wie der erkennende Senat im zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82 (BFHE 148, 267, BStBl II 1987, 210) im Anschluß an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Juli 1978 VIII R 94/77 (BFHE 125, 454, BStBl 1978, 593) ausgesprochen hat. Das FG hat jedoch zu Unrecht anstelle der erhöhten Absetzungen von 7 500 DM Schuldzinsen in gleicher Höhe zum Abzug zugelassen. Denn diese Schuldzinsen sind mindestens zum Teil nach § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 nicht abziehbar, da sie mit der Nutzung der als Einfamilienhaus bewerteten Wohnung zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Der gemäß § 21 Abs. 2 EStG steuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung der Kläger ist im Streitjahr 1979 gemäß § 21 a EStG zu ermitteln. Denn der Einheitswertbescheid auf 1. Januar 1979 ist nach ständiger Rechtsprechung bindend hinsichtlich der Art des Grundstücks und der Höhe des anzusetzenden Einheitswerts (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Dies gilt auch dann, wenn die Einheitswertfeststellung unrichtig sein sollte (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1986 IX R 55/82 im Anschluß an das BFH-Urteil vom 1. August 1972 VIII R 99/69, BFHE 107, 18, BStBl II 1972, 882). Daß die Kläger nach Feststellung des FG die Errichtung eines Zweifamilienhauses in einem Zuge geplant und im Jahre 1980 verwirklicht haben, rechtfertigt es abweichend von der Vorentscheidung nicht, die bindende Wirkung der Einheitswertfeststellung außer acht zu lassen. Vielmehr kommt die Abzugsbeschränkung für Schuldzinsen gemäß § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG für alle Schuldzinsen zur Anwendung, die auf die Herstellung der als Einfamilienhaus bewerteten Erdgeschoßwohnung entfallen. Andererseits sind entgegen der Ansicht des FA nicht nur die mit der Errichtung der Einliegerwohnung, sondern sämtliche mit der Herstellung des Obergeschosses zusammenhängenden Finanzierungskosten als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Zwar gilt die Vorschrift des § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG auch für ein während des Umbaus selbstgenutztes Einfamilienhaus (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1984 IX R 45/81, BFHE 142, 143, BStBl II 1985, 53). Jedoch hat der BFH bereits zur Regelung der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (EinfHausV) entschieden, daß bei der baulichen Erweiterung eines Einfamilienhauses die mit der Erweiterung zusammenhängenden Bauzinsen als vorab entstandene Werbungskosten uneingeschränkt abziehbar sind (Urteil vom 6. November 1973 VIII R 116/69, BFHE 111, 80, BStBl II 1974, 106). Diese zu § 2 Abs. 2 EinfHausV ausgesprochenen Grundsätze sind auch im Rahmen der Regelung des § 21 a Abs. 3 Nr. 1 EStG 1979 anwendbar. Folglich können nicht nur die mit der Herstellung der Einliegerwohnung zusammenhängenden Finanzierungskosten, sondern auch die Schuldzinsen abgezogen werden, die auf die für die Selbstnutzung durch die Kläger vorgesehenen Räume im Obergeschoß entfallen. Denn sie beziehen sich insgesamt auf einen Gebäudeteil, der im Einheitswert auf den 1. Januar 1979 noch nicht enthalten war. Nach dem FG-Urteil steht fest, daß bei dem Bezug des Erdgeschosses durch die Kläger am 9. Dezember 1978 die Herstellung des Obergeschosses erst geplant war, so daß sich der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1979 hierauf nicht beziehen kann. Das FA geht mit dem FG selbst davon aus, daß im Streitjahr 1979 die Räume im Obergeschoß noch nicht vorhanden waren. Für die Abziehbarkeit der Schuldzinsen macht es keinen Unterschied, ob sie - wie im Falle des Urteils in BFHE 111, 80, BStBl II 1974, 106 - für einen Anbau an das Einfamilienhaus oder für die Errichtung eines Zweifamilienhauses in Bauabschnitten anfallen oder ob es sich um die Errichtung eines Zweifamilienhauses in einem Zuge handelt, das aber zunächst als Einfamilienhaus bewertet wurde. In allen Fällen entsteht neue Bausubstanz, die im bisherigen Einheitswertbescheid noch keinen Niederschlag gefunden hat. Aus den vom FA angeführten Erläuterungen zu § 21 a EStG durch Blümich/Falk (Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 21 a, Rz. 51 ff.) ergibt sich nichts anderes; auch dort (vgl. a.a.O., Rz. 53) wird den Rechtsgrundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 111, 80, BStBl II 1974, 106 ausdrücklich zugestimmt.
Fundstellen
Haufe-Index 61678 |
BFH/NV 1987, 570 |