Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang von Anfechtungs- zur Feststellungsklage wegen Lohnsteuerermäßigung im Revisionsverfahren; § 7b-Absetzungen für Ehefrau als Miteigentümerin und Miterbin zur Hälfte nach ihrem Ehemann
Leitsatz (NV)
1. Kann der Antrag auf Erhöhung eines im Lohnsteuerermäßigungsverfahren eingetragenen Freibetrags deshalb keinen Erfolg mehr haben, weil die begehrte Eintragung wegen Zeitablaufs im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen ist, so kann der Kläger von der Anfechtungsklage zu dem Feststellungsantrag übergehen, daß die Ablehnung der Gewährung des erhöhten Freibetrags rechtswidrig war, wenn die endgültige Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr noch aussteht (Anschluß an die bisherige Rechtsprechung). Auch wenn der Feststellungsantrag i. S. d. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ausdrücklich erst im Revisionsverfahren gestellt wird, ist davon auszugehen, daß der Anfechtungsantrag bereits für das Klageverfahren auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt wurde.
2. Eheleute, die als Miteigentümer je zur Hälfte ein Einfamilienhaus errichten lassen, haben die Herstellungskosten je zu 1/2 aufgewendet und können dementsprechend die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG geltend machen. Beerbt die Ehefrau den verstorbenen Ehemann zur Hälfte, stehen der Ehefrau von da an die erhöhten Absetzungen in Höhe von insgesamt 3/4 zu. Die volle § 7b-AfA kann die Ehefrau nicht mit der Begründung beanspruchen, daß sie allein Zins und Tilgung der für die Gebäudeherstellung aufgenommenen Darlehen trage.
Normenkette
FGO §§ 41, 100 Abs. 1 S. 4; EStG 1979 §§ 7b, 26b, 39a Abs. 1 Nr. 6, § 42b Abs. 3 S. 1, § 46; EStDV § 11d
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr im Juni 1980 verstorbener Ehemann waren Miteigentümer zu je 1/2 eines von ihnen errichteten, im Jahre 1979 bezugsfertig gewordenen, selbstgenutzten Einfamilienhauses. Erben nach dem Verstorbenen waren die Klägerin und ihr im Jahre 1966 geborener Sohn zu je 1/2. Die Klägerin beantragte beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -), auf ihrer Lohnsteuerkarte für 1982 einen Freibetrag wegen erhöhter Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1979 in Höhe von 7 500 DM einzutragen. Sie beanspruchte den vollen Absetzungsbetrag, da sie allein Zins und Tilgung der für die Gebäudeherstellungskosten aufgenommenen Darlehen trage.
Das FA trug lediglich einen dem Miteigentumsanteil der Klägerin am Einfamilienhaus (3/4) entsprechenden Freibetrag von 5 625 DM auf der Lohnsteuerkarte ein. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Eine von den Miteigentumsanteilen abweichende erhöhte Absetzung nach § 7b EStG 1979 sei deshalb nicht zu beanstanden, wenn dafür vernünftige wirtschaftliche Gründe dargetan würden, die grundstücksbezogen seien (Hinweis auf BFH-Urteile vom 24. Juni 1966 VI 249/65, BFHE 86, 550, BStBl III 1966, 580, und vom 25. August 1961 VI 1980/60 U, BFHE 73, 593, BStBl III 1961, 482). Im Streitfall lägen wirtschaftlich vernünftige Gründe für eine abweichende Verteilung vor, weil die Klägerin tatsächlich zu den Herstellungskosten des Gebäudes allein beigetragen habe, während der Sohn keine Beiträge geleistet habe.
Das FA beantragt mit der Revision, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, festzustellen, daß der Bescheid über die Lohnsteuerermäßigung 1982 vom 29. Dezember 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. März 1982 rechtswidrig ist. Das FA habe sie bisher noch nicht endgültig zur Einkommensteuer für 1982 veranlagt.
Entscheidungsgründe
1. Die Revisions ist zulässig.
Zwar kann sich eine Entscheidung des Senats nicht mehr im Lohnsteuerabzugsverfahren auswirken, weil sich die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 1982 der Klägerin nach Ablauf des Zeitraums, bis zu dessen Ende der Arbeitgeber den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen durfte - März 1983 -, nicht mehr auswirken können (§ 42b Abs. 3 Satz 1 EStG). Das Rechtsschutzbedürfnis des FA für die Revision ist jedoch schon deshalb zu bejahen, weil das FG die Verwaltungsakte des FA für rechtswidrig erachtet hat.
2. Die Revision ist begründet.
a) Sie ist allerdings nicht schon deshalb begründet, weil für die Anfechtungsklage (vgl. BFH-Beschluß vom 11. Mai 1973 VI B 116/72, BFHE 109, 302, BStBl II 1973, 667) das Rechtsschutzbedürfnis weggefallen war und sie als unzulässig hätte verworfen werden müssen. Im Zeitpunkt der Entscheidung des FG am 14. April 1983 konnte sich die von der Klägerin begehrte Eintragung eines höheren Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte 1982 im Lohnsteuerabzugsverfahren 1982 zwar nicht mehr auswirken (vgl. § 42b Abs. 3 Satz 1 EStG; BFH-Urteil vom 29. Mai 1979 VI R 21/77, BFHE 128, 148, BStBl II 1979, 650). Die Klägerin hat jedoch im Hinblick darauf, daß die endgültige Veranlagung zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1982 noch aussteht, ein berechtigtes Interesse, feststellen zu lassen, daß die Ablehnung der Gewährung des erhöhten Freibetrags rechtswidrig ist und sie in ihren Rechten verletzt; denn eine im Lohnsteuerermäßigungsverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung ist für die Beteiligten in einem für das gleiche Streitjahr anschließenden Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren oder in einem nachfolgenden Veranlagungsverfahren nach § 46 EStG aus prozeßökonomischen Gründen beachtlich, sofern sich der zu beurteilende Sachverhalt unverändert darstellt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 128, 148, BStBl II 1979, 650, und vom 14. Dezember 1982 VIII R 54/81, BFHE 137, 456, BStBl II 1983, 315). Auch wenn die Klägerin den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausdrücklich erst im Revisionsverfahren gestellt hat, ist von einer stillschweigenden Umstellung des Anfechtungsantrags auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag bereits für das Klageverfahren auszugehen (vgl. hierzu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 9. Juli 1956 BVerwG V C 93/74, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1956, 1652; Redecker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl., § 113 Rdnr. 13, mit weiteren Hinweisen). Die Geltendmachung des berechtigten Interesses im Klageverfahren unterblieb mangels entsprechenden Hinweises durch das FG (vgl. § 76 Abs. 2 FGO).
b) Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG der Klägerin zu Unrecht die vollen erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG 1979 gewährt hat.
Nach § 39a Abs. 1 Nr. 6 EStG wird auf der Lohnsteuerkarte als vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag u. a. der Betrag der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, der sich bei Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG 1979 voraussichtlich ergeben wird, eingetragen. Unstreitig sind die Voraussetzungen des § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG 1979 erfüllt. Die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG 1979, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG zu den Werbungskosten gehören, stehen grundsätzlich demjenigen zu, der den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht und der die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten für das zur Erzielung der Einkünfte eingesetzte Gebäude aufgewendet hat (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 62/83, BFHE 144, 446, BStBl II 1986, 12, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Die Herstellungskosten des Einfamilienhauses haben die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann entsprechend ihren Miteigentumsanteilen je zur Hälfte aufgewendet. Der Klägerin standen danach ursprünglich die erhöhten Absetzungen entsprechend ihrem Miteigentumsanteil zur Hälfte zu.
Da die Klägerin und ihr Sohn als Gesamtrechtsnachfolger ihres verstorbenen Ehemannes (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) dessen Miteigentumsanteil am Einfamilienhaus unentgeltlich erworben haben, können sie gemäß § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG 1979 in der gleichen Weise beanspruchen wie der Erblasser (BFH-Urteil vom 15. Januar 1965 VI 233/63 U, BFHE 82, 13, BStBl III 1965, 252). Diesem standen die Absetzungen zur Hälfte zu, da er die Hälfte der Herstellungskosten getragen hat. Die Verteilung dieser Absetzungen bei den Miterben richtet sich nach deren Erbanteilen (§ 2038 Abs. 2 i. V. m. §§ 743, 748 BGB). Auf die Klägerin als Miterbin zu 1/2 entfällt danach die Hälfte der dem verstorbenen Ehemann zustehenden erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG 1979. Mithin sind bei ihr insgesamt 3/4 der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG 1979 anzusetzen.
Zutreffend hat das FG entschieden, daß der ursprünglich halbe Miteigentumsanteil der Klägerin zusammen mit ihrem als Miterbin zu 1/2 nach ihrem Ehemann erworbenen Viertelmiteigentumsanteil am Einfamilienhaus ein nach § 7b EStG 1979 begünstigtes Objekt bildet. Die Klägerin und ihr Ehemann erfüllten für den Veranlagungszeitraum 1980, in dem der Ehemann starb, die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG. Da ihre Miteigentumsanteile am Einfamilienhaus im Veranlagungszeitraum des Erbfalls nicht als zwei selbständige Objekte zu behandeln waren (§ 7b Abs. 6 Satz 2 EStG 1979), ist der Hinzuerwerb im Wege der Erfolge durch die Klägerin kein die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG 1979 ausschließender Tatbestand des Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 7. Oktober 1986 IX R 78/82, BFH/NV 1987, 236).
Da die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG 1979 die - teilweise vorgezogene - Verteilung der Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten des Gebäudes auf die Nutzungsdauer, nicht aber einen zuwendbaren Gegenstand darstellen, kommt schon aus diesem Grunde die Vereinbarung einer von den Eigentumsanteilen am Einfamilienhaus abweichenden Verteilung der Absetzungen nicht in Betracht (vgl. Urteil des BFH vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674, das zu dieser Rechtsfrage nicht überholt ist).
c) Die Sache ist spruchreif. Zu Recht hat das FA der Klägerin nur einen ihrem Miteigentumsanteil entsprechenden Freibetrag von 5 625 gewährt (§ 7b Abs. 1 Satz 3 EStG 1979). Die Klage war als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 414939 |
BFH/NV 1987, 445 |