Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschriften der VOL für die Gewinnermittlung der nichtbuchführenden Land- und Forstwirte sind bindende Rechtsnormen. Sie dienen der Vereinfachung. Diesem Grundgedanken der VOL muß auch bei der Auslegung einzelner ihrer Vorschriften Rechnung getragen werden. 2. Zur Frage der Ermittlung der Zuschläge nach §§ 7, 9 Abs. 2 VOL. 3. Bewirtschaftet ein VOL- Landwirt auch zugepachtete Flächen, so ist für diese, falls ein besonderer Einheitswert nicht besteht, ein Einheitswert für die Ermittlung des Grundbetrags im Sinne des § 2 Abs. 1 VOL besonders zu errechnen. Dabei ist die zugepachtete Fläche mit dem Hektarsatz des Eigenbesitzes zu vervielfachen. Grundsätzlich sind hierbei sämtliche gepachteten Flächen zu berücksichtigen. 4. Altenteilslasten im Sinne des § 2 Abs. 3 VOL sind Betriebsausgaben.
Normenkette
EStG § 29; VOL § 2 Abs. 1, 3; GDL 2; VOL § 3 Abs. 2, § 7; GDL 6; VOL § 9 Abs. 2; GDL 9
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) bewirtschaften seit dem Tode ihres Vaters dessen landwirtschaftlichen Betrieb in ungeteilter Erbengemeinschaft. Der Betrieb besteht aus rund 14 ha Eigenbesitz und aus rund 22,5 ha Pachtland, davon 0,75 ha Rosenkohlland. Der Gewinn wurde nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) vom 2. Juni 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1949 S. 95) ermittelt. Von den Pachtflächen schied das Finanzamt rund 10,5 ha als ödland und Unland aus; den Rest von rund 12 ha rundete es auf rund 10 ha ab, um dem Antrag der Bf. auf Berücksichtigung der Bombentrichter zu entsprechen; die Pachtflächen berücksichtigte es nach § 3 Abs. 2 VOL mit dem Hektarsatz des Stammbetriebes von 1985 DM; die Einnahmen aus dem Verkauf von Reth schätzte es nach Abzug der Pacht auf je 1.675 DM für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 30. Juni 1952 und für das Wirtschaftsjahr 1952/1953; den Zuschlag für den Anbau von Gemüse bemaß es auf 3.600 DM für das Wirtschaftsjahr 1952/1953. Der Gewinn 1952 wurde danach einheitlich auf 8.416 DM berechnet.
Mit der Rb. gegen das ihrer Berufung nur teilweise stattgebende Urteil des Finanzgerichts rügen die Stpfl. unrichtige Rechtsanwendung, Verstöße gegen den Inhalt der Akten und Verfahrensmängel. Sie wenden sich vor allem gegen die Zuschläge zum Grundbetrag und gegen weitere Berechnungen nach der VOL. Dabei wird auch Zahlenmaterial angeführt, das mit dem Streitfall nicht in Beziehung steht und allgemeinen theoretischen Erörterungen über die Besteuerung nichtbuchführender Landwirte dienen soll. Die Bf. nehmen offenbar an, daß wegen der Zuschläge zum Grundbetrag in gewissem Umfange Erträge doppelt erfaßt würden. Zusammenfassend wird vorgetragen: 1. Ein Zuschlag für Feldgemüseanbau (Rosenkohl) dürfe nur in Höhe des Mehrgewinns gegenüber dem Ertrag aus dem normalen Hackfruchtanbau gemacht werden. 2. Bei Ermittlung oder Schätzung des Gewinns aus einem Betriebsteil müsse auch die besondere Art der Arbeitsleistung der Betriebsinhaber nach der VOL beachtet werden. 3. Die auf Sondereinnahmen entfallenden Betriebsausgaben seien in vollem Umfang zu kürzen. Die Ausgaben brauchten aber nicht nachgewiesen zu werden, wenn keine Buchführungspflicht bestehe. 4. Das Finanzgericht habe dem Antrag, ein Gutachten einzuholen, nicht entsprochen. Durch das Gutachten hätte geklärt werden sollen, welche Gewinnanteile bei normalem Hackfruchtanbau durch die VOL bereits erfaßt seien.
Auf Antrag der Bf. fand mündliche Verhandlung statt. In der Verhandlung verblieben sie bei ihrem bisherigen Vorbringen. Der Vorsteher des Finanzamts machte noch geltend, es sei nicht zulässig, bei Anwendung der VOL bestimmte Flächen aus der Berechnung des Grundbetrages auszuscheiden. Es seien vielmehr entweder die gesamten von den Bf. bewirtschafteten Flächen, insbesondere also auch die zugepachteten Flächen in die Berechnung des Grundbetrages einzubeziehen oder es sei die VOL auf den Betrieb der Bf. nicht anzuwenden. Bei Einbeziehung der zugepachteten Flächen in die VOL-Gewinnberechnung sei gemäß § 3 Abs. 2 VOL für diese, soweit ein Einheitswert nicht bestehe, ein solcher auf der Grundlage des für die Eigenflächen gültigen ha- Satzes zu errechnen. In diesem Falle scheide eine Hinzurechnung nach § 9 Abs. 2 VOL (ebenso § 7 VOL) wegen der Einnahmen aus dem auf den zugepachteten Flächen gewonnenen Reth aus. Die Berücksichtigung des Altenteils als Betriebsausgabe sie nicht zulässig, da Altenteile in der Landwirtschaft ebenso wie Versorgungsrenten beim übergang von Gewerbebetrieben auf Kinder nicht Betriebsausgaben, sondern Sonderausgaben seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Stpfl. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
Durchschnittsätze, wie sie für nichtbuchführende Land- und Forstwirte in der VOL enthalten sind, binden auf Grund des § 29 EStG die Steuerpflichtigen, die Verwaltungsbehörden und die Steuergerichte. Diese verzichten im Interesse der Vereinfachung auf eine genaue Ermittlung individueller Besteuerungsmerkmale. Durchschnittsätze können gegenüber dem wirklichen Gewinn zugunsten oder zuungunsten der Steuerpflichtigen abweichen; wird die Methode nachhaltig angewendet, so gleichen sich Ertragsschwankungen in den verschiedenen Wirtschaftsjahren auf die Dauer aus (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 260/53 vom 25. Februar 1954, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft, § 9 Rechtsspruch 3; IV 246/55 U vom 6. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 65, Slg. Bd. 64 S. 169).
Der Gedanke der Vereinfachung der Gewinnermittlung bei VOL- Landwirten läßt es grundsätzlich nicht zu, daß der sich bei Anwendung der VOL ergebende Durchschnittsgewinn durch Berücksichtigung von Besonderheiten im Einzelfall verändert wird. Diese Vereinfachung kann jedoch dann nicht mehr maßgebend sein, wenn sie mit dem Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung nicht vereinbar ist (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 552, 556/54 S vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 131, Slg. Bd. 66 S. 341). Das ist vor allem der Fall, wenn die Umstände, die zu Sondereinnahmen geführt haben, in dem nach dem Einheitswert bemessenen Grundbetrag nicht hinreichend berücksichtigt sind. Dann sind nach §§ 7, 9 Abs. 2 VOL Zuschläge zu machen, um zu einer zutreffenderen Besteuerung zu kommen.
Der Anbau von Rosenkohl gehört, wie die Bf. nicht bestreiten, zu den Umständen, die für die Besteuerung der VOL-Landwirte von Bedeutung sein und einen Zuschlag nach §§ 7, 9 Abs. 2 VOL rechtfertigen können. Wie Philipp ("Information L" 1956 S. 233) ausführt, sind infolge der für Feldgemüse von Jahr zu Jahr schwankenden Preise und der verschieden hohen Bebauungskosten die Einnahmen aus Feldgemüsebau nicht immer etwa gleich; zweckmäßig werden darum die Erträge jährlich ermittelt. Von diesem Gedanken ist auch das Finanzgericht ausgegangen. Bei der Feststellung des Einheitswerts des eigenen landwirtschaftlichen Betriebs der Bfin. sind Sonderkulturen im Sinne des § 29 BewG - hier Feldgemüsebau - nicht berücksichtigt worden. Die Anbaufläche für Rosenkohl gehört zum Pachtland. Da die Pachtflächen für den Rosenkohlanbau mit dem ha-Satz des Einheitswerts des eigenen landwirtschaftlichen Betriebs nach § 3 Abs. 2 VOL angesetzt wurden, sind zwangsläufig Erträge aus dem Anbau von Rosenkohl auf dem Pachtland im Grundbetrag des Gewinns nach § 2 VOL nicht berücksichtigt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Anbau von Rosenkohl zu den Sonderkulturen im Sinne des § 29 BewG gehört, oder ob hierunter nur Kulturen fallen, die für mehrere Jahre angelegt werden, wie das Finanzgericht meint. Das Finanzgericht rechnet jedenfalls nicht mit nachhaltigen Einnahmen aus dem Rosenkohlanbau. Es besteht darum kein Bedenken, wenn es den Zuschlag für das Wirtschaftsjahr 1952/1953 nach § 9 Abs. 2 VOL auf der Grundlage der Betriebseinnahmen geschätzt hat.
Die Bemessung der Höhe des Zuschlags liegt im wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung. Verstöße gegen die Denkgesetze, gegen den klaren Inhalt der Akten oder gegen die allgemeine Lebenserfahrung lassen die Feststellungen des Finanzgerichts nicht erkennen. Das Finanzgericht hat einen geschätzten Betrag von 2.000 DM je ha für die Einnahmen aus dem normalen Hackfruchtanbau und einen Abschlag von 20 v. H. von den Mehreinnahmen für die zusätzlichen Betriebsausgaben berücksichtigt. Es hat bei dieser Schätzung vermieden, daß Erträge doppelt erfaßt werden, nämlich einmal im Grundbetrag und dann durch einen Zuschlag.
Die Schätzung des Finanzgerichts enthält auch keinen gedanklichen Fehler, wie ihn die Bf. darin sehen, daß durch den Ansatz der Mehreinnahmen aus der Gewinnung von Rosenkohl die Arbeitsleistung für den Betriebsinhaber teilweise nochmals den VOL-Durchschnittsgewinn erhöhe. Es mag den Bf. zugegeben werden, daß der Anbau von Rosenkohl eine besonders intensive persönliche Mitarbeit des Betriebsinhabers erfordert, so daß theoretisch die Möglichkeit besteht, daß die übrigen Betriebsteile hierunter leiden. Der bereits hervorgehobene Gedanke der Vereinfachung der Gewinnermittlung von VOL-Landwirten verbietet indes die besondere Berücksichtigung derartiger, im Einzelfall auftretender und nur sehr schwierig einigermaßen exakt berechenbarer Sonderverhältnisse. Sie sind im Streitfall in dem vom Finanzgericht angewendeten Abschlag von 20 v. H. der Mehreinnahmen aus Rosenkohl hinreichend berücksichtigt, zumal die Bf. ihre eigenen Berechnungen nicht erhärten können. Das Finanzgericht hat im übrigen festgestellt, daß der Gesamtgewinn für das Wirtschaftsjahr 1952/1953 unter Berücksichtigung der Altenteilsleistungen mit den für die Vorjahre im Einvernehmen mit den Beteiligten festgestellten Gewinnen im Einklang stehe. Unter all diesen Umständen liegt auch kein Verfahrensverstoß darin, daß es kein Sachverständigengutachten eingeholt hat.
Der Senat vermag jedoch dem Finanzgericht nicht zu folgen, wenn es von den zugepachteten Flächen entgegen § 3 Abs. 2 VOL Teile aus der Bemessungsgrundlage für die Verrechnung des Gesamtbetrages ausgenommen und die auf diesen Flächen erzielten Reth-Einnahmen durch einen Zuschlag nach § 9 Abs. 2 VOL erfaßt hat. Die VOL bietet für ein solches Vorgehen keine Handhabe. Grundsätzlich sind vielmehr sämtliche von den Bf. bewirtschafteten, also auch die gepachteten Flächen der Berechnung des Grundbetrages zugrunde zu legen. Da für die gepachteten Flächen im Streitfall ein besonderer Einheitswert nicht vorliegt, ist ein solcher zum Zwecke der Grundbetragsberechnung besonders zu errechnen. Dem Vorsteher des Finanzamts ist hierbei darin beizupflichten, daß zu diesem Zweck nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 VOL und dessen Vereinfachungsgedanken, von besonders liegenden Fällen abgesehen, der ha-Satz des Eigenbetriebes einfach mit den Flächen des zugepachteten Landes zu multiplizieren ist. Die VOL selbst beruht in ihrer Ganzheit auf einer sehr rohen Regelung. Dem muß auch bei der Auslegung einzelner Bestimmungen Rechnung getragen werden.
Der Wertansatz des Finanzgerichts für die Arbeitsleistung der Bf. ist nicht zu beanstanden. Bei der Größe des eigenen Betriebs und der angesetzten landwirtschaftlich genutzten Pachtflächen wären offensichtlich mehr Arbeitskräfte erforderlich (siehe die Tabelle in "Information L" 1958 S. 7). Es war darum rechtlich zulässig, daß das Finanzgericht für beide Bf. den vollen Wert der Arbeitsleistungen nach den Richtsätzen in die Berechnungen einstellte.
Die Vorentscheidungen werden aufgehoben und die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen, das nunmehr die von den Bf. zugepachteten Flächen in die Berechnung des Grundbetrags im Sinne des § 2 Abs. 1 VOL einzubeziehen und bei der Berechnung des Einheitswerts der zugepachteten Flächen den ha- Satz des Eigenbesitzes der Bf. zu berücksichtigen haben wird.
Die Einwendungen des Vorstehers des Finanzamts wegen der Berücksichtigung der Altenteilslasten als abziehbare Betriebsausgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 VOL sind nicht begründet. Es mag zweifelhaft erscheinen, ob Altenteilsleistungen beim übergang von landwirtschaftlichen Betrieben, die nicht VOL- Betriebe sind, weiterhin als Betriebsausgaben oder ob sie nicht mit der Auffassung des Vorstehers des Finanzamts als Sonderausgaben anzusehen sind. Für VOL-Betriebe schreibt § 2 Abs. 3 VOL die Berücksichtigung der Altenteilsleistungen als Betriebsausgaben ausdrücklich vor. Die genannte Vorschrift kann nicht anders verstanden werden. Es verbleibt somit im Streitfall beim Abzug der Altenteilslasten als Betriebsausgaben, wie vom Finanzgericht vorgenommen.
Fundstellen
Haufe-Index 410412 |
BStBl III 1962, 348 |
BFHE 1963, 220 |
BFHE 75, 220 |