Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Schenkt ein Ehemann seiner Ehefrau ein Grundstück mit der Maßgabe, daß er sich den Nießbrauch an dem Grundstück für die Dauer seines Lebens vorbehält, und wird darin grunderwerbsteuerlich eine Schenkung unter einer Auflage erblickt, so ist die Besteuerung nach § 3 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG durchzuführen.
Wird eine gemischte Schenkung angenommen, so ist der Nießbrauch als vorbehaltene Nutzung im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG anzusehen.
Normenkette
GrEStG § 3 Ziff. 2, § 11 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. September 1959 schenkte der Ehemann der Bfin. dieser ein Grundstück mit der Maßgabe, daß er sich den Nießbrauch an dem Grundstück für die Dauer seines Lebens vorbehielt. Der Jahreswert des Nießbrauchs betrug nach den Angaben der Bfin. und des Ehemannes 1.800 DM.
Das Finanzamt erblickte in dem Vorbehalt des Nießbrauchs eine Schenkung unter einer Auflage (ß 3 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG), errechnete den Wert der Auflage nach § 16 in Verbindung mit § 17 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit 18.000 DM (1800 DM X 10 Jahre - Geburtstag des Ehemanns: 22. November 1897 -) und setzte die Steuer unter Zugrundelegung dieses Betrages fest.
Die ordnungsmäßig eingelegte Sprungberufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist ohne Erfolg.
Grunderwerbsteuerlich ist im Streitfall nicht ausschlaggebend, ob eine Auflageschenkung im Sinn des § 3 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG vorliegt oder nicht. Richtig ist allerdings, daß der Reichsfinanzhof durch Urteil II A 127/31 vom 28. Juli 1931 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927, § 8 Nr. 1 Abt. II Rechtsspruch 1 = Steuer und Wirtschaft - StuW - 1932 Nr. 282) entschieden hat, daß in dem Vorbehalt des Nießbrauchs eine Auflage im Sinn des § 8 Nr. 1 GrEStG 1919/1927 (= § 3 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG 1940) zu erblicken ist.
Ist eine Auflageschenkung zu bejahen, so ist entsprechend der Auffassung des Finanzgerichts der Erwerb unter Zugrundelegung des Werts der Auflage zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen. Ist dagegen eine Auflageschenkung zu verneinen, so ist eine gemischte Schenkung gegeben. In diesem Fall ist der Vorbehalt des Nießbrauchs eine Gegenleistung im Sinn des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG (Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., 1957, Bem. 14 Abs. 3 zu § 3, S. 139). Für die Besteuerung eines solchen Erwerbs gelten keine Besonderheiten. Die Steuer wäre vom Werte der Gegenleistung zu berechnen. Dieser Wert wäre gemäß § 16 in Verbindung mit § 17 BewG zu ermitteln.
Der Einwand der Bfin., daß das Grundstück zwar im Vertrag vom 11. September 1959 auf sie aufgelassen wurde, daß der Nießbrauch aber beim Schenker verblieben sei und daß auch die Lasten im Sinn des § 1047 BGB sowie die Kosten der Unterhaltung im Sinn des § 1041 BGB beim Ehemann verblieben seien, ist grunderwerbsteuerlich gleichfalls nicht stichhaltig.
Allerdings hat das Reichsgericht für das bürgerliche Recht in einem Urteil vom 10. September 1935 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 148 S. 321), die Auffassung vertreten, daß bei der schenkweisen übertragung beweglicher Sachen von den Eltern auf minderjährige Kinder die übertragung unter dem Vorbehalt des elterlichen Nießbrauchs rechtsgültig sei ohne daß es auf die Bestellung eines Pflegers und dessen Einwilligung ankomme. Ebenso hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluß vom 6. Juni 1957 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 24 S. 372) ausgeführt, daß es einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach §§ 1643, 1821, 1822 BGB nicht bedürfe und eine Grundstücksbelastung nicht vorliege, wenn sich der Erwerber im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb verpflichte, dem Veräußerer oder einer dritten Person ein Nießbrauchs- oder ein anderes Recht am Grundstück eintragen zu lassen. Wegen des zivilrechtlichen Schrifttums siehe Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung 1957, S. 464, Anm. 1. Ebenso hat der erkennende Senat in einem Urteil II 143/55 U vom 17. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 294, Slg. Bd. 65 S. 155), die Börsenumsatzsteuer betreffend ausgeführt, daß der Vorbehalt des Nießbrauchs bei Abtretung eines Anteils an einer GmbH dem Erwerber nicht als Gegenleistung zugerechnet werden könne; somit sei das der Abtretung zugrunde liegende Rechtsgeschäft kein entgeltlicher Vertrag im Sinn des § 18 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes.
Die angeführte Rechtsprechung ist jedoch auf die Grunderwerbsteuer nicht übertragbar. Nach § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG gelten bei einem Kauf auch die "dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen" als Teil der Gegenleistung. Die bezeichnete Vorschrift spricht schlechthin von vorbehaltenen Nutzungen. Sie erstreckt sich auf Nutzungen aller Art, d. h. auch auf Nießbrauchrechte, und zwar selbst dann, wenn sie bei Vornahme des Erwerbsvorgangs neu begründet werden. Eine ähnliche Bestimmung war bereits im § 12 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1919/1927 enthalten ("Der Veräußerungspreis bestimmt sich nach dem Gesamtbetrag der Gegenleistung, einschließlich der vom Erwerber übernommenen oder ihm sonst infolge der Veräußerung obliegenden Leistungen und der vorbehaltenen oder auf dem Grundstück lastenden Nutzungen und bei Verträgen über Leistung an Erfüllungs Statt nach dem Wert, zu dem die Gegenstände an Erfüllungs Statt angenommen werden."). Diese Vorschrift ist vom Reichsfinanzhof in einem Urteil II A 206/31 vom 5. Mai 1931 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927, § 12 Abs. 2 Satz 1, Rechtsspruch 60 = StuW 1931 Nr. 812) gleichfalls dahin ausgelegt worden, daß Nießbrauchsrechte, die bei Veräußerung des Grundstücks neu begründet werden, zur Gegenleistung gehören. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 GrEStG 1919/1927 ist, soweit sie die vorbehaltenen Nutzungen betrifft, teils in den § 11 Abs. 1 Ziff. 1 (" vorbehaltene Nutzungen"), teils in den § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG 1940 (übergang nichtdauernder Grundstücksbelastungen) übernommen worden. Angesichts der ausdrücklichen Regelung im § 11 Abs. 1 GrEStG 1940 könnte hiernach, wenn eine gemischte Schenkung vorliegen würde, weder die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch die Rechtsprechung des Senats zur Börsenumsatzsteuer zur Verneinung der Grunderwerbsteuerpflicht führen.
Unbegründet ist auch die Auffassung der Bfin., daß in Fällen, in denen die Schenkung Schenkungsteuer auslösen und vom Beschenkten Aussetzung der Versteuerung gemäß § 31 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (früher § 34 Abs. 1) beantragt würde, der Nießbrauch sowohl der Grunderwerbsteuer als auch der Erbschaftsteuer unterworfen wäre. Der Grunderwerbsteuer unterliegt der Erwerb des Grundstücks. Die Schenkungsteuer würde jedoch in diesen Fällen nicht vom Wert des Nießbrauchs, sondern vom Wert der Schenkung erhoben (d. h. vom Wert des Grundstücks, vermindert um den Wert des Nießbrauchs). Die Versteuerung wird ausgesetzt, solange dem Beschenkten aus dem Grundstück Nutzungen nicht zufließen. Der Fall einer Doppelbesteuerung wäre also nicht gegeben.
Schließlich kann die Bfin. nicht geltend machen, daß in Fällen, in denen ein Grundstück von Todes wegen erworben, der Nießbrauch aber einem anderen als dem Erben oder Vermächtnisnehmer zugewendet wird, nur Erbschaftsteuer, nicht dagegen auch Grunderwerbsteuer zu erheben ist. Dem Gesetzgeber des GrEStG war es unbenommen, den Grundstückserwerb von Todes wegen schlechthin, den Grundstückserwerb durch Schenkung unter Lebenden aber nur insoweit von der Grunderwerbsteuer zu befreien, als keine Auflageschenkung vorliegt. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) ist darin nicht zu erblicken.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409750 |
BStBl III 1960, 413 |
BFHE 1961, 440 |
BFHE 71, 440 |