Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinschaftliche Erzielung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften von Treugeber-Kommanditisten
Leitsatz (NV)
1. Treugeber-Kommanditisten können im Rahmen ihrer Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) geltend machen, eine gesonderte Feststellung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften nach § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 sei bei der KG deswegen unzulässig, weil die Treuhand-Kommanditistin an -- etwaigen -- Spekulationsgeschäften nicht im Sinne dieser Bestimmung beteiligt ist. Ferner können sie gegen diesen Feststellungs bescheid einwenden, eine entsprechende Zurechnung auf die Treuhänderin sei ihnen gegenüber rechtsunwirksam.
2. Beteiligen sich Steuerpflichtige an einer grundstücksbesitzenden KG über eine sog. Treuhand-Kommanditistin, und veräußert die KG innerhalb von zwei Jahren nach Beitritt Grundstücke, so werden -- eine "Anschaffung" i. S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG unterstellt -- nicht sämtliche Merkmale des Spekulationstatbestandes gemeinschaftlich -- "in der Einheit der Gesellschaft" -- erzielt, weil das Anschaffungsgeschäft von den Treugeber-Kommanditisten jeweils individuell getätigt wird.
3. Hat das Betriebs-FA unter Verletzung der in der Abgrenzung von Grundlagen- und Folgebescheid liegenden Kompetenzverteilung tatsächlich eine weitere Regelung getroffen, tritt die im § 175 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit § 182 Abs. 1 AO 1977 angeordnete Bindungswirkung ohne Rücksicht darauf ein, ob der Feststellungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Dies setzt allerdings voraus, daß der Feststellungsbescheid an die materiell-rechtlich betroffenen Personen adressiert ist und ihnen gegenüber mit einem solchen Inhalt wirksam geworden ist.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 2, § 119 Abs. 1, § 179 Abs. 1, 2 S. 3, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2, § 182 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2, § 48 Abs. 1; EStG § 23 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Geschäftszweck der Grundstücksgesellschaft H-KG (im folgenden: KG), eines in der Rechtsform der KG betriebenen geschlossenen Immobilienfonds, war der Erwerb und die Verwaltung von Grundstüken. Kommanditistin ist seit Gründung die D-Treuhand-Gesellschaft mbH & Co. (im folgenden: D-TG), welche die Einlage im eigenen Namen, aber für Rechnung von über 400 Beteiligten hielt. Zu ihnen gehörten in der Zeit nach dem 19. Juli 1983 auch die Kläger und Revisionskläger (Kläger).
Die KG beschloß zum 1. Juli 1985 ihre Liquidation. Liquidator wurde die D-TG. Die noch vorhandenen Grunstücke wurden mit Wirkung zum 1. Juli 1985 veräußert.
Die KG erklärte für das Streitjahr 1985 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, die sie der D-TG und fünf weiteren Kommanditisten zurechnete. Sie reichte außerdem für jeden als Treugeber Beteiligten eine Mitteilung ein, aus der sich der auf diesen jeweils entfallende Anteil an den Einkünften ergab. Ein Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke war dabei nicht erfaßt. Für drei Anteilseigner, die ihre Beteiligung im Betriebsvermögen hielten, ermittelte die KG Veräußerungsgewinne.
Der Beklagte und Revisionbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte mit Bescheid vom 23. März 1987, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, Einkünfte der KG aus Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen fest. Die gewerblichen Einkünfte rechnete er den drei betrieblich beteiligten Anteilseignern direkt zu, die übrigen Einkünfte der D-TG und einer weiteren Kommanditistin. Der Bescheid erhielt den Zusatz, daß die Zurechnung auf die einzelnen Beteiligten den von der KG eingereichten Mitteilungen folge; insoweit sollte das Kommanditisten-Register Teil des Bescheides sein. Durchschriften der Mitteilungen waren dem Bescheid beigefügt.
Nach einer bei der KG (im Juli 1987) durchgeführten Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die Treugeber hätten steuerbare Einkünfte aus Spekulationsgeschäften insoweit erzielt, als sie nach dem 1. Juli 1983 dem Immobilienfonds beigetreten seien. Dies waren elf Treugeber-Gesellschafter, darunter die Kläger und die Beteiligten zu 1 und 2. Das FA erließ unter dem 15. Oktober 1987 unter Aufhebung des Vorbehalts einen geänderten Bescheid, in welchem es für die KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und aus Spekulationsgeschäften feststellte. Die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften in Höhe von 185 009 DM rechnete es der D-TG zu. Der Bescheid wurde nur der D-TG, nicht den Klägern bekanntgegeben. Im Bescheid ist vermerkt: "Die Änderungen erfolgen aufgrund des Prüfungsberichts."
Mit Schreiben vom 5. Januar 1988 trug die KG vor, der Bescheid vom 15. Oktober 1987 sei nichtig. Sie bat, gemäß § 125 Abs. 5 2. Halbsatz der Abgabenordnung (AO 1977) die Nichtigkeit dieses Bescheides festzustellen und gleichzeitig einen neuen, inhaltlich zutreffenden geänderten Feststellungsbescheid 1985 zu erteilen. Es fehle an einem Hinweis darauf, daß die festgestellten Spekulationsgewinne nicht der Treuhand-Kommanditistin aus eigenem Recht, sondern allenfalls ihr als Treuhänderin zugerechnet würden. Ferner sei aus dem Gewinnfeststellungsbescheid nicht ersichtlich, für welche Anleger in welcher Höhe Spekulationsgewinne festgestellt worden seien.
Das FA gab unter dem 22. Januar 1988 zehn Anlegern, darunter den Klägern und dem Beteiligten zu 1, jeweils eine Ausfertigung des Feststellungsbescheides 1985 "für Grundstücksgesellschaft H-KG" (mit Rechtsbehelfsbelehrung) bekannt, in denen u. a. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung und aus Spekulationsgeschäften (185 009 DM) angegeben waren. Im Abschnitt B. "Begründung und Nebenbestimmungen" war der auf den einzelnen Treugeber entfallende Anteil an den verschiedenen Einkünften vermerkt. Danach betrugen die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften des Klägers zu 1 88 998 DM, des Kläger zu 22 643 DM, der Klägerin zu 311 415 DM, des Klägers zu 415 497 DM und des Beteiligten zu 111 713 DM. Weiterhin ist vermerkt: "Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 23. 3. 1987 gemäß § 164 Abs. 2 AO. Der Vorbehalt der Nachprüfung wird aufgehoben." Der Beteiligte zu 2 erhielt keine Ausfertigung.
Mit den Einsprüchen vom 1. Februar 1988 wandten sich die Kläger zu 1 bis 4 und der Beteiligte zu 1 gegen die Feststellung der Spekulationsgewinne. Sie trugen u. a. vor, der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei nicht erfüllt. Der Beteiligte zu 2 legte am 22. Februar 1988 vorsorglich Einspruch ein. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Kläger nicht klagebefugt seien.
Mit der zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung der § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 2, § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977, § 48 der Finanz gerichtsordnung (FGO).
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Gegenstand des Klageverfahrens sind die den Klägern unter dem 22. Januar 1988 bekanntgegebenen Feststellungsbescheide, die mit ihrem verlautbarten Inhalt wirksam geworden sind (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Diese Bescheide hatten erkennbar die Funktion, auf der Grundlage der Feststellung im Bescheid vom 15. Oktober 1987 (Zurechnung von Einkünften aus Spekulationsgewinnen in Höhe von 185 009 DM auf die D-TG) die auf die einzelnen Treugeber entfallenden Anteile an diesen Einkünften gemäß § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 gesondert festzustellen. Zu Recht hat das FG angenommen, daß sich die Kläger im vorliegenden Verfahren "nur gegen die jeweils ihnen zugerechneten Einkünfte aus Spekulationsgeschäften" wenden.
2. Das FG hat die Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, die Kläger seien nicht klagebefugt. Die Auffassung des FG, der grundsätzliche Ausschluß der Klagebefugnis ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 48 Abs. 1 FGO sowie aus der Abhängigkeit des auf der Rechtsgrundlage des § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 durchgeführten Feststellungsverfahrens von dem gegen die KG ergangenen Feststellungsbescheid, teilt der Senat nicht. Die Kläger können im Rahmen ihrer Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO geltend machen, eine gesonderte Feststellung nach § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 -- individualisierte Zurechnung von Spekulationseinkünften auf die einzelnen Treugeber -- in den Bescheiden vom 22. Januar 1988 sei deswegen unzulässig, weil die D-TG an -- etwaigen -- Spekulationseinkünften nicht im Sinne dieser Bestimmung "beteiligt" sei. Ferner können sie einwenden, die Einbeziehung der Spekulationseinkünfte in die einheitliche und gesonderte Feststellung der KG (Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 1987) sei -- mangels "Betei ligung mehrerer Personen an Einkünften" (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) -- unzulässig und die entsprechende Zurechnung ihnen gegenüber -- mangels Bezeichnung der materiell-rechtlich richtigen Adressaten -- rechtsunwirksam.
3. Die Kläger sind im Rahmen ihres Klageantrags (oben 1.) klagebefugt.
a) Das FA hatte im Bescheid vom 15. Oktober 1987 Einkünfte i. S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG als Einkünfte der KG erfaßt und der Treuhand-Kommanditistin (D-TG) zugerechnet. Es hat diese Einkünfte sodann mit den angefochtenen Bescheiden vom 22. Januar 1988 "auf der 2. Stufe" den Klägern als Treugebern jeweils anteilig zugerechnet. Dem liegt die rechtliche Vorstellung zugrunde, an den hier fraglichen Einkünften aus Spekulationsgeschäften seien materiell- und verfahrensrechtlich (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) insofern "mehrere Personen beteiligt", als diese Einkünfte in der Gemeinschaft der KG erzielt worden seien. Hiervon ausgehend hat das FG darauf abgehoben, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Treuhand verhältnis bei Gesamthandsgemeinschaften verfahrensrechtlich nach den Grundsätzen zu behandeln ist, die für das atypische stille Unterbeteiligungsverhältnis gelten: Zwecks steuerrechtlicher Erfassung sind zwei gesonderte Feststellungsverfahren durchzuführen, und zwar eines nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 für die Feststellung der Einkünfte "der Personengesellschaft" und die Verteilung dieser Einkünfte auf die Gesellschaft einschließlich des Treuhänder- Kommanditisten (Feststellungsverfahren 1. Stufe) und eines gemäß § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 für das Treuhandverhältnis (Feststellungsverfahren 2. Stufe; vgl. BFH- Urteile vom 24. Mai 1977 IV R 47/76, BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737; vom 13. März 1986 IV R 204/84, BFHE 146, 340, BStBl II 1986, 584, vom 30. April 1987 IV R 164/84, BFH/NV 1988, 239; Beschluß vom 20. September 1991 IX B 12/91, BFH/NV 1992, 157). Der die Einkünfte der Personengesellschaft feststellende Bescheid richtet sich nur an die Treuhand- Kommanditistin und ist für das Feststellungsverfahren 2. Stufe Grundlagenbescheid und damit gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 bindend (vgl. zur Begründung im einzelnen Urteil in BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737). Die "besondere gesonderte Feststellung" nach § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 richtet sich nur an die Treugeber.
Der dargestellten Aufteilung des Feststellungsverfahrens entsprechen die verfahrensrechtlichen Befugnisse von Treuhänder und Treugeber. Letztere können nur im Feststellungsverfahren zur Aufteilung des dem Treuhänder zugerechneten Gewinnanteils der Personengesellschaft geltend machen, daß die Verteilung auf sie in anderer Weise habe vorgenommen werden müssen. Sie können in diesem Verfahren jedoch nicht einwenden, der Gewinn der Personengesellschaft oder der Gewinnanteil des Treuhänders hätte anders ermittelt werden müssen. Sie können in das Gewinnfeststellungs verfahren der Personengesellschaft nicht eingreifen, um den Gewinn der Personen gesellschaft anders feststellen und auf die Gesellschafter verteilen zu lassen (vgl. zum offenen Treuhandverhältnis BFH-Urteil in BFHE 122, 400, 408 ff., BStBl II 1977, 737).
b) Die Einschränkung der Klagebefugnis im "Feststellungsverfahren 1. Stufe" gilt nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 FGO für eine Klage in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb betreffen. Nach dem BFH-Urteil vom 26. März 1985 IX R 110/82 (BFHE 143, 496, BStBl II 1985, 519) ist § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nach seinem Sinn und Zweck entsprechend anwendbar, wenn eine KG mangels Ausübung eines Handelsgewerbes eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der IX. Senat des BFH hat in seinem Beschluß in BFH/NV 1992, 157 offengelassen, ob er sich dem für Gesamthandsgemeinschaften mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in allen Punkten anschließen könnte. Die von der Rechtsprechung praktizierte analoge Anwendung des Gesetzes auf Klagen gegen Feststellungsbescheide, die andere Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb betreffen, wird in der Literatur kritisiert (z. B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 48 FGO Tz. 2; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 3. Aufl. 1993, § 48 Rdnr. 12; Ruban, Festschrift für Döllerer, S. 528, 530).
4. Der BFH hat sich bislang nicht mit der Frage befaßt, ob § 48 Abs. 1 FGO auch dann entsprechend anwendbar ist, wenn die Personengesellschaft selbst Einkünfte aus Spekulationsgeschäften erzielt. Der Senat kann offenlassen, ob die gesetzliche Regelung auf den hier gegebenen Fall ausgedehnt werden kann, daß nicht sämtliche Merkmale des Tatbestandes "in der Einheit der Personengesellschaft" verwirklicht worden sind. Jedenfalls können die Kläger gemäß § 40 Abs. 2 FGO geltend machen, daß eine Feststellung von Spekulationseinkünften im Bescheid vom 15. Oktober 1987 (hier: auf 185 009 DM) ihnen gegenüber nicht wirksam geworden ist (vgl. BFH- Beschluß vom 25. März 1986 III B 6/85, BFHE 146, 225, BStBl II 1986, 477). Denn eine Bindungswirkung nach § 182 AO 1977 besteht nur, wenn der Grundlagenbescheid wirksam ergangen ist, d. h., wenn er sich an den klagenden Steuerpflichtigen richtet und ihm bekanntgegeben wurde (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 183 AO 1977; BFH- Urteil vom 2. September 1987 I R 162/84, BFHE 151, 104, BStBl II 1988, 142).
Des weiteren war eine gesonderte Feststellung dieser Einkünfte nach § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977 nicht rechtens, da die Kläger nicht, was nach dieser Vorschrift erforderlich wäre, an dem Gegenstand der Feststellung (hier: Spekulationseinkünften) "über" die D-TG "beteiligt" sind.
a) Für die einheitliche und gesonderte Zurechnung von -- etwa erzielten -- Einkünften aus Spekulationsgeschäften im Bescheid vom 15. Oktober 1977 fehlte die gesetzliche Grundlage.
aa) Einkünfte, an denen i. S. von § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 mehrere beteiligt sind, liegen -- unter weiteren Voraussetzungen -- nur dann vor, wenn mehrere Personen "gemeinsam" den Tatbestand der Einkunftserzielung verwirklichen (BFH- Urteil vom 11. Juli 1985 IV R 61/83, BFHE 144, 151, BStBl II 1985, 577; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 180 AO 1977 Rdnr. 100, jeweils mit Nachweisen der Rechtsprechung). Die Voraussetzung einer -- auf der Ebene der KG -- gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften lagen hier nicht vor.
bb) Für den Fall der Veräußerung von Anteilen einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft hat bereits der IX. Senat des BFH in seinem Beschluß vom 26. April 1990 IX B 224/88 (BFH/NV 1991, 240) geäußert, es bestünden erhebliche Bedenken gegen die Erfassung von Spekulations gewinnen in einem gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid: Es sei fraglich, ob Beteiligte, die ihre Gesellschaftsanteile zu unterschiedlichen Zeitpunkten veräußern, den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften gemeinsam verwirklichen. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 13. Oktober 1993 X R 49/92 (BFHE 172, 315, BStBl II 1994, 86) ist über die Frage, ob und ggf. inwieweit Anschaffung und Veräußerung eines im Privatvermögen gehaltenen Anteils an einer Immobilien- KG zu einem Gewinn i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG führen, nicht im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften zu entscheiden. In dieser Hinsicht fehlt es an der durch § 179 Abs. 1 AO 1977 geforderten gesetzlichen Grundlage. Auf § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 kann die Erfassung des Gewinns aus der Anteilsveräußerung nicht gestützt werden, weil der strei tige Besteuerungstatbestand nicht von mehreren Personen, sondern allein von dem Gesellschafter verwirklicht worden war. Auch § 180 Abs. 2 AO 1977 i.V.m. der hierzu ergangenen Rechtsverordnung vom 19. Dezember 1986 (Verordnung; BGBl I 1986, 2663, BStBl I 1987, 2; zuletzt geändert am 22. Oktober 1990, BGBl I 1990, 2275, BStBl I 1990, 724) scheidet als Rechtsgrundlage für die Einbeziehung des Spekulationsgewinns in den gegen die Personengesellschaft selbst gerichteten Feststellungsbescheid aus. Hieran hält der erkennende Senat fest.
cc) Gesellschafter einer Personengesellschaft verwirklichen den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG aber auch dann nicht gemeinsam, wenn sie einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft beitreten (was nach Auffassung des FA eine "Anschaffung" im Sinne dieser Bestimmung ist) und die Gesellschaft selbst innerhalb von zwei Jahren nach Beitritt ein Grundstück veräußert ("Veräußerung" im Sinne des gesetzlichen Tatbestandes).
Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 4. Oktober 1990 X R 148/88 (BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211) fallen der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen an einer Personengesellschaft auch dann nicht unter § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn das Gesamthandsvermögen nur aus Grundstücken besteht. Die Zurechnungsregelung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 erlaubt es nicht, Veräußerungsgeschäfte, die eine gesamthänderische (Unter-)Beteiligung zum Gegenstand haben, in Ver äußerungsgeschäfte umzuqualifizieren, die i. S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG "Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte" betreffen. Hiernach wäre der Tat bestand des Spekulationsgeschäfts ohnehin nicht verwirklicht, da der Beitritt zu einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft keine Anschaffung eines Grundstücks oder eines "Rechts" ist, das "den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegt". Der erkennende Senat läßt dahingestellt, ob er der hiergegen gerichteten Kritik (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. Februar 1992, BStBl I 1992, 125) folgen könnte (s. Knobbe-Keuk, 75 Jahre Reichsfinanzhof-Bundesfinanzhof, 1993, 303 ff., 323 f.; Schulze-Osterloh, Festschrift für L. Schmidt, 1993, S. 307 ff., 313). Jedenfalls wäre ein solcher den gesetzlichen Tatbestand als "Anschaffung" konstituierender Teilakt nicht "in der Einheit der Gesellschaft", sondern -- als individuelle Anlageentscheidung zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten -- ausschließlich von den einzelnen Gesellschaftern verwirklicht worden. Der Fall, daß eine Personengesellschaft "in der Einheit ihrer Gesellschafter" (sämtliche) Merkmale eines Besteuerungstatbestandes erfüllt (vgl. hierzu Großer Senat des BFH, Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751), liegt hier nicht vor. Der Umstand, daß die Grundstücke von der KG veräußert worden sind, reicht für die Annahme, daß "an den Einkünften mehrere Personen beteiligt" sind, nicht aus. Es fehlt in subjektiver wie objektiver Hinsicht an der im Rahmen des § 23 EStG erforderlichen Identität: Von den Klägern "angeschafft" wurden Gesellschaftsanteile, von der KG veräußert wurden Grundstücke.
Zwar wird der Anwendungsbereich des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 -- über seinen Wortlaut hinaus, der die Festsetzung und Zurechnung gemeinsam erzielter Einkünfte betrifft -- für die gewerb lichen Einkünfte auch auf solche Feststellungen ausgedehnt, die nur für einzelne Gemeinschafter oder Gesellschafter einkommensteuerrechtliche Bedeutung erlangen. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch die Qualifizierung von Einkünften als Veräußerungs- oder Aufgabegewinn (BFH-Urteil vom 25. Juli 1979 I R 175/76, BFHE 129, 17, BStBl II 1980, 43; Söhn, a.a.O., § 180 Rdnr. 146 m.w.N.). Dies beruht im wesentlichen auf der Erwägung, daß das für die Feststellung des Gewinns von Gemeinschaften oder Gesellschaften zuständige Betriebs-FA "nach dem sachlichen Zusammenhang der außerordentlichen Einkünfte mit den Verhält nissen der Gesellschaft (Mitunternehmerschaft) aufgrund besserer Sachkunde entscheiden kann als das Wohnsitzfinanzamt des einzelnen Gesellschafters" (Urteil in BFHE 129, 17, BStBl II 1980, 43, unter 3. a). Solche Gründe können eine einheitliche Feststellung der hier fraglichen -- etwaigen -- Spekulationseinkünfte nicht recht fertigen. Der Gewinn oder Verlust aus Spekulationsgeschäften (§ 23 Abs. 4 Satz 1 EStG) ist jeweils für den einzelnen Beteiligten anhand seiner individuellen Anschaffungskosten zu ermitteln. "In der Einheit der Personengesellschaft" ist lediglich das Veräußerungsgeschäft getätigt worden. Sollte ein anteilig auf den einzelnen Treugeber entfallender Veräußerungspreis (§ 23 Abs. 4 Satz 1 EStG) für dessen Besteuerung von Bedeutung sein, könnte dieses Besteuerungsmerkmal über die Personengesellschaft erfragt werden.
b) Die inhaltliche Bindungwirkung gesondert getroffener Feststellungen setzt voraus, daß für diese überhaupt ein solches Verfahren zulässig ist (statt vieler: Söhn, a.a.O., § 179 AO 1977 Rdnr. 26). Hat das Betriebs-FA unter Verletzung der in der Abgrenzung von Grundlagen- und Folgebescheid liegenden Kompetenzverteilung tatsächlich eine weitere Regelung getroffen, tritt die nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 182 Abs. 1 AO 1977 angeordnete Bindungswirkung ohne Rücksicht darauf ein, ob der Feststellungsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist (BFH-Urteile vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, 43, BStBl II 1985, 523; vom 31. Oktober 1991 X R 126/90, BFH/NV 1992, 363). Die Bindung an den Feststellungsbescheid schließt es aus, daß ein Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne beurteilt wird (BFH- Urteil vom 9. Juli 1987 IV R 87/85, BFHE 150, 345, BStBl II 1988, 342, unter 3. a).
Dies setzt allerdings voraus, daß der Feststellungsbescheid an die materiell-rechtlich betroffenen Personen adressiert ist und ihnen gegenüber mit einem solchen Inhalt wirksam geworden ist. Feststellungsbescheide -- ebenso wie Steuerbescheide -- müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Die Besteuerungsgrundlage muß demjenigen gegenüber festgestellt sein, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung persönlich zuzurechnen ist. Der Bescheid muß den Steuerpflichtigen (§ 33 Abs. 1 AO 1977) bezeichnen, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist. Ein Feststellungsbescheid wird dadurch wirksam, daß er denjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, bekanntgegeben wird (§§ 122 Abs. 1, 124 Abs. 1, 179 Abs. 2 AO 1977).
An dieser Wirksamkeitsvoraussetzung fehlt es im Streitfall. Das FG hat den Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 1987 zu Recht dahin ausgelegt, daß dieser sich an die D-TG als -- nach der Rechtsauffassung des FA -- materiell-rechtlich Beteiligte richtete. Diese Ansicht, Zurechnungssubjekt sei -- zunächst -- die Kommanditistin, und die hieraus gezogenen verfahrensrechtlichen Folgerungen waren unzutreffend. Auch die Bescheide vom 22. Januar 1988 rechneten -- in dieser Hinsicht inhaltsgleich -- die Spekulationseinkünfte "auf der 1. Stufe" der Kommanditistin zu. Diese Adressierung beruht auf der materiell- rechtlichen Auffassung des FA, welches davon ausgegangen ist, daß auch die Spekulationseinkünfte "in der Einheit der Gesellschaft" erzielt worden sind. Die Kläger ihrerseits als die materiell-rechtlich Betroffenen waren nicht Adressaten des Feststellungsbescheides vom 15. Oktober 1987.
Der Feststellungsbescheid vom 15. Oktober 1987 konnte den Klägern gegenüber nicht wirksam werden. Sie und die ihnen zugerechneten Besteuerungsgrundlagen sind aus dem Bescheid selbst nicht ersichtlich; die für eine inhaltliche Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO 1977) erforderlichen Daten ergeben sich -- allenfalls -- daraus, daß in dem Bescheid auf den Bericht über die Außenprüfung Bezug genommen wird. Dies reicht für eine wirksame Inanspruchnahme des Steuerschuldners nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 1979 I R 219/78, BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718). Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Bescheid können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden (BFH-Beschluß vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230).
c) Waren die Kläger nicht "über" die D-TG an -- etwaigen -- Einkünften aus Spekulationsgeschäften beteiligt, fehlte es an einer Rechtsgrundlage für eine "Feststellung der 2. Stufe" nach § 179 Abs. 2 Satz 3 AO 1977. Etwaige Gewinne der Treugeber aus Spekulationsgeschäften sind vielmehr ohne vorherige gesonderte Feststellung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer zu erfassen. Durch die gesonderte Feststellung in den Bescheiden vom 22. Januar 1988 sind die Kläger in ihren Rechten verletzt. In diesem Umfang waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
5. Eine Beiladung der D-TG konnte jedenfalls deswegen unterbleiben, weil diese durch das Rechtsschutzziel der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von der Entscheidung im vorliegenden Verfahren steuerrechtlich betroffen ist (vgl. BFH- Urteil vom 22. Mai 1990 VIII R 120/86, BFHE 160, 558, 560, BStBl II 1990, 780).
Fundstellen
Haufe-Index 420090 |
BFH/NV 1995, 303 |