Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpfändung eines Grundstücks für eine Betriebsschuld macht für sich allein das Grundstück nicht zum notwendigen Betriebsvermögen.
2. Der für den Ausweis als gewillkürtes Betriebsvermögen notwendige objektive Zusammenhang zwischen einem Grundstück und dem Betrieb kann auch dann bejaht werden, wenn die endgültige Verwendung im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht feststeht.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1961 des eine Fleischerei betreibenden Bf., ob er ein seit 1955 in seinen Bilanzen ausgewiesenes Trümmergrundstück im Streitjahr entnommen hat.
Der Bf. erwarb von einer Bank im Jahr 1955 die nebeneinanderliegenden Grundstücke A und B. Das Grundstück A hatte er schon vor dem Erwerb gepachtet und dort seinen Betrieb unterhalten. Das unbebaute Trümmergrundstück B benutzte er seit dem Erwerb nicht für seinen Betrieb und errichtete auf ihm im Jahre 1962 ein Mietwohngrundstück. Der im Kaufvertrag auf beide Grundstücke nicht aufgeteilte Kaufpreis betrug 75 000 DM, den der Bf. in Höhe von 25 000 DM bar entrichtete und in Höhe von 50 000 DM durch eine von der Bank gewährte Gesamthypothek auf beiden Grundstücken abdeckte. Der Bf. wies seit 1955 beide Grundstücke in seinen Bilanzen als Betriebsvermögen aus.
In seiner der Einkommensteuererklärung 1961 beigefügten Bilanz vom 31. Dezember 1961 wies der Bf. das Grundstück B nicht mehr aus. Das Finanzamt sah darin eine Entnahme (§ 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG), ermittelte den Unterschied zwischen dem auf 13 000 DM berechneten Buchwert des Grundstücks B (Anteil am Kaufpreis von 75 000 DM) und dem Teilwert nach Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung auf 18 500 DM und erhöhte um diesen Betrag den Gewinn.
Der Bf. ist der Auffassung, daß es schon bei Erwerb des Grundstücks B im Jahre 1955 an einem sachlichen Zusammenhang zwischen diesem Grundstück und seinem Betrieb gefehlt habe, und daß deshalb das Grundstück B nach der durch das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 10/60 S vom 15. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 484, Slg. Bd. 71 S. 625) eingeleiteten strengeren Abgrenzung des notwendigen Privatvermögens vom gewillkürten Betriebsvermögen im Jahre 1955 notwendiges Privatvermögen gewesen sei. Er habe durch Ausbuchung des Grundstücks B im Jahre 1961 nur die bisher unrichtigen Bilanzen berichtigt. Eine Entnahme liege nicht vor.
Die Sprungberufung des Bf. hatte im Streitpunkt keinen Erfolg.
Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung wie folgt. Nach dem bezeichneten Urteil des Bundesfinanzhofs VI 10/60 S könne ein Wirtschaftsgut nur dann als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden, wenn es in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehe und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sei. Der objektive Zusammenhang des Grundstücks B mit dem Betrieb sei zu bejahen. Zwar sei es nicht von entscheidender Bedeutung, daß die Grundstücke A und B aneinander grenzten und eine gemeinsame Einfahrt hätten. Ein ausreichender objektiver Zusammenhang mit dem Betrieb ergebe sich aber aus der finanziellen Gestaltung des Erwerbes beider Grundstücke und der Eintragung einer Gesamthypothek auf beiden Grundstücken. Beide Grundstücke seien zu einem Gesamtkaufpreis erworben worden, ohne daß es dem Veräußerer möglich gewesen sei, bestimmte Angaben über die Zusammensetzung des Kaufpreises zu machen. Die Mittel zum Erwerb habe der Bf. teils dem Betrieb entnommen, teils durch den Betrieb belastende Kredite beschafft. Das Grundstück B habe nicht nur vorübergehend dadurch als Pfandobjekt und als Unterlage für einen Betriebskredit gedient, daß auch auf ihm die Gesamthypothek von 50 000 DM eingetragen worden sei, deren Valuta zur Anschaffung des Betriebsgrundstücks A gedient habe. Diese Verpfändung genüge, um einen objektiven Zusammenhang zum Betrieb zu bejahen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 247/58 U vom 4. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 139, Slg. Bd. 70 S. 370). Da das Grundstück B somit ab 1955 Betriebsvermögen gewesen sei, habe es nur durch eine Entnahme zum Privatvermögen gemacht werden können. Im übrigen stimme die Kammer den Ausführungen in Abschn. 14 Abs. 13 EStR 1961 zu, wonach Grundstücke, die nach der neueren Rechtsprechung in früheren Jahren nicht zu gewillkürtem Betriebsvermögen hätten gemacht werden dürfen, nur entweder weiter als Betriebsvermögen behandelt oder aus dem Betrieb unter Gewinnrealisierung entnommen werden könnten. Das entspreche in Fällen, in denen der Steuerpflichtige jahrelang aus der Behandlung des Wirtschaftsguts als Betriebsvermögen Vorteile gezogen habe, einem an Treu und Glauben orientierten Rechtsempfinden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Bf. ist nicht begründet.
Es bedarf zunächst einer Entscheidung darüber, ob das Grundstück B dadurch zum notwendigen Betriebsvermögen wurde, daß es auf Grund der Gesamthypothek nicht nur vorübergehend für einen Teil der in jedem Fall eine Betriebsschuld darstellenden Kaufpreisschuld haftete, die auf den Erwerb des Grundstücks A entfiel. Aus dem Urteil des Finanzgerichts, das wegen der Auswirkung der Verpfändung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 247/58 U verwies, könnte entnommen werden, daß das Finanzgericht diese Frage bejahte. Wenn das zutrifft, dann hätte das Finanzgericht zur Prüfung Veranlassung gehabt, ob das durch die Verpfändung zum notwendigen Betriebsvermögen gewordene Grundstück B im Streitjahr entnommen werden konnte, da sich an dem Zustand der dauernden Verpfändung für eine Betriebsschuld bis zum 31. Dezember 1961 nichts änderte.
Der Reichsfinanzhof ging im allgemeinen davon aus, daß die Belastung eines Grundstücks für Betriebskredite für sich allein das Grundstück nicht zum notwendigen Betriebsvermögen mache, weil es sachlich nicht gerechtfertigt sei, unterschiedlich zu entscheiden, je nachdem ob der Kaufmann ein Grundstück mit Privathypotheken belaste und die so gewonnenen Mittel dem Betrieb zuführe, oder ob er das Grundstück unmittelbar für Betriebsschulden verpfände (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 2079/29 vom 14. April 1931 und VI A 778/35 vom 6. November 1935, RStBl 1931 S. 348 und 1936 S. 278). Bei der Verpfändung von Wertpapieren und Guthaben hat der Reichsfinanzhof allerdings unter Aufrechterhaltung des Grundsatzes, daß Privatvermögen durch Haftung für Betriebsschulden nicht ohne weiteres notwendiges Betriebsvermögen werde, in den Urteilen III A 322/33 vom 12. Oktober 1933 und VI 797/38 vom 4. Januar 1939, RStBl 1934 S. 56 und 1939 S. 284, dann eine Ausnahme gemacht, wenn die Wertpapiere nicht nur kurzfristig zur Behebung von vorübergehenden Schwierigkeiten als Kreditunterlage dienten, oder ein Privatguthaben nur noch den Zweck hatte, Gegenwert für eine Betriebsschuld zu sein. Bei der Abgrenzung der Bedeutung dieser Urteile als Ausnahme von dem bezeichneten Grundsatz muß aber beachtet werden, daß es sich bei dem Urteil des Reichsfinanzhofs III A 322/33 nicht um eine Frage der Gewinnrealisierung, sondern um die bewertungsrechtliche Zurechnung von Wertpapieren zum Betriebsvermögen an einem bestimmten Zeitpunkt und bei dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 797/38 um einen aus der Devisenbewirtschaftung entstandenen Sonderfall handelte. Nun hat der erkennende Senat allerdings unter Hinweis auf diese beiden Urteile des Reichsfinanzhofs in dem vom Finanzgericht bezeichneten Urteil IV 247/58 U allgemein ausgesprochen, daß die für Betriebskredite nicht nur kurzfristig verpfändeten Wertpapiere notwendiges Betriebsvermögen darstellten.
Im vorliegenden Fall braucht der Senat nicht dazu Stellung zu nehmen, ob die für Wertpapiere und Guthaben gemachte Ausnahme von der allgemeinen grundsätzlichen Beurteilung der Verpfändung eines Wirtschaftsguts für Betriebskredite gerechtfertigt ist. Denn jedenfalls darf aus dem bezeichneten Urteil IV 247/58 U nicht der Schluß gezogen werden, daß damit allgemein in Abweichung von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs der Grundsatz aufgestellt werden sollte, daß ein zum Privatvermögen gehöriges Wirtschaftsgut durch die Verpfändung für Geschäftsschulden in der Regel notwendiges Betriebsvermögen wird. Der Senat hält vielmehr an der Auffassung fest, daß im allgemeinen die Verpfändung keinen so weitgehenden objektiven Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und den Aufgaben des Betriebes herbeiführt, daß das Wirtschaftsgut wegen der Verpfändung als Betriebsvermögen behandelt werden muß. Das gilt in besonderem Masse für Grundstücke und für solche Wirtschaftsgüter, die unabhängig von der Verpfändung zum notwendigen Privatvermögen gehören würden. Soweit die verpfändeten Wirtschaftsgüter allerdings ohne Berücksichtigung der Verpfändung nicht notwendiges Privatvermögen sind, können sie in der Regel bei langfristiger Widmung ihres Wertes wegen der Verpfändung für betriebliche Zwecke gewillkürtes Betriebsvermögen sein.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so gehörte das Grundstück B bis zum Streitjahr nicht zum notwendigen Betriebsvermögen, und es bleibt zu entscheiden, ob es bei Beginn des Streitjahres zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörte und deshalb nur durch eine gewinnrealisierende Entnahme aus dem Betriebsvermögen ausscheiden konnte.
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß der Bf. auch nach der neueren, durch das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 10/60 S eingeleiteten Rechtsprechung das Grundstück B im Jahre 1955 in sein Betriebsvermögen übernehmen konnte, ist zutreffend. Der Bf. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht erklärt, daß er das Grundstück B, auf das von dem Gesamtkaufpreis von 75 000 DM 13 000 DM entfielen, zusammen mit dem wertvolleren, daneben liegenden Grundstück A erworben habe, ohne damit damals ein besonderes Ziel zu verfolgen. Bei dieser Sachlage trägt der Senat unabhängig davon, daß für beide Grundstücke ein einheitlicher Preis vereinbart und eine Gesamtrestkaufpreishypothek auf beiden Grundstücken eingetragen wurde, keine Bedenken, im Jahre 1955 einen ausreichenden objektiven Zusammenhang des Gesamtgrundstücks zum Betrieb anzunehmen, der den Bf. berechtigte, das gesamte Grundstück als Betriebsvermögen zu behandeln. Die Tatsache, daß der Bf. auch das Grundstück B als Betriebsvermögen in seine Bilanz aufnahm, zwingt jedenfalls im Zusammenhang mit der bezeichneten Erklärung vor dem Finanzgericht zu dem Schluß, daß er damals noch keine ausschließliche private Verwendung dieses Geländes beabsichtigte und sich über die künftige endgültige Verwertung noch keine Vorstellungen machte. Ebensowenig wie der Bf. auch nach der neueren Rechtsprechung bei dem Erwerb eines einheitlichen Grundstücks nicht gezwungen werden könnte, nur den zur Zeit des Erwerbs für den Betrieb tatsächlich genutzten Teil des gesamten Grundstücks als Betriebsvermögen auszuweisen und den zunächst für den Betrieb nicht gebrauchten und vielleicht auch für ihn nie verwendeten Teil des Geländes als notwendiges Privatvermögen auszuscheiden, kann sich an dieser Rechtslage dadurch etwas ändern, daß zwei aneinanderliegende, zur gleichen Zeit von demselben Veräußerer erworbene Grundstücke mehr oder weniger zufällig zwei selbständige Grundbuchblätter haben und deshalb im Kaufvertrag als zwei Verkaufsobjekte bezeichnet werden. Wird in solchen Fällen der zunächst betrieblich nicht genutzte Teil des zusammenhängenden Geländes als Betriebsvermögen ausgewiesen, ohne daß der Kaufmann schon bestimmte Vorstellungen über die künftige Verwendung hat, so muß davon ausgegangen werden, daß eine künftige betriebliche Nutzung nicht weniger wahrscheinlich als eine private Nutzung ist. Da ein neben dem betrieblich genutzten Gelände liegendes Gelände in mannigfaltiger Hinsicht dem Betrieb zu dienen geeignet sein kann (Betriebserweiterung, Lagerplatz, Arbeiterwohnungen), kann es dem Kaufmann jedenfalls nicht verwehrt werden, von einer solchen Nutzungsmöglichkeit auszugehen, solange eine künftige private Benutzung noch nicht feststeht. Der für den Ausweis als gewillkürtes Betriebsvermögen notwendige objektive Zusammenhang mit dem Betrieb liegt also in der Regel dann vor, wenn die endgültige Verwendung und Nutzung des Wirtschaftsguts in der betrieblichen oder in der privaten Sphäre im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht festgestellt werden kann. Es besteht keine Veranlassung, in diesen im allgemeinen wohl nur unbebaute Grundstücke betreffenden Fällen das Wahlrecht des Kaufmanns einzuengen. Die vom Finanzgericht für seine Entscheidung angeführten Gründe rechtfertigen zusätzlich die Annahme, daß der Bf. das Grundstück B in seine Bilanz aufnehmen durfte. Denn die Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises und die Eintragung einer Gesamthypothek betonen noch die Zusammengehörigkeit und wirtschaftliche Einheit der beiden nebeneinanderliegenden Grundstücke.
Fundstellen
Haufe-Index 411344 |
BStBl III 1964, 502 |
BFHE 1965, 78 |
BFHE 80, 78 |
BB 1964, 1073 |
DB 1964, 1466 |
DStR 1964, 562 |