Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Vereidigte Kursmakler unterliegen als Gewerbetreibende der Gewerbesteuer.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist 1950 vereidigter Kursmakler an der Börse in X. Das Finanzamt zog ihn zur Gewerbesteuer heran. Der Bf. hält seine Tätigkeit für freiberuflich (§ 18 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
Das Finanzgericht, das die Berufung als unbegründet zurückwies, führt aus: Der Bf. sei auch als vereidigter Kursmakler Gewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG); er übe weder einen der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 einzeln aufgeführten freien Berufe noch einen "ähnlichen" Beruf im Sinne dieser Bestimmung aus; vor allem bestehe nicht die vom Bf. angenommene ähnlichkeit mit dem Beruf eines Notars. Die Aufgabe der Kursmakler bestehe in der Vermittlung von Börsengeschäften. Der vereidigte Kursmakler sei nach § 30 des Börsengesetzes von 1896 in der Fassung vom 27. Mai 1908 zur Mitwirkung bei der amtlichen Festsetzung des Börsenpreises von Waren und Wertpapieren berufen. Bei der Börse erfolge die Festsetzung der Kurse durch den Börsenvorstand. Zu seiner Unterstützung würden durch die Landesregierung aus dem Kreis der an der Börse tätigen Handelsmakler die sogenannten Kursmakler ernannt. Diese ermittelten die Grundlagen der Kursfestsetzung in der Weise, daß sie an der Börse Kauf- und Verkaufsaufträge entgegennähmen und den Preis errechneten, zu welchem die meisten Kauf- und Verkaufsaufträge zu Abschlüssen hätten vereinigt werden können. Der Preis werde dem Börsenvorstand mitgeteilt und sei im allgemeinen der Börsenkurs. Der Kursmakler betätige sich grundsätzlich als privater Vermittler. Die Vermittlertätigkeit sei von der Mitwirkung an der Kursfestsetzung nicht zu trennen. Die Mitwirkung der Kursmakler bei der Kursfestsetzung sei zwar ein öffentliches Amt, das im Börsengesetz mit besonderen Rechten und Pflichten ausgestattet sei. So leisteten sie vor Beginn ihrer Tätigkeit den Eid, die ihnen obliegenden Pflichten getreu zu erfüllen; sie seien zur Vermittlung von Börsengeschäften in den betreffenden Waren oder Wertpapieren verpflichtet; in dem Geschäftszweig, in dem sie an der amtlichen Kursfestsetzung mitwirkten, dürften sie im eigenen Namen und für eigene Rechnung nur abschließen, wenn es zur Ausführung der Aufträge nötig sei; ein sonstiges Handelsgewerbe dürften sie nicht betreiben; die Seitenzahl des Tagebuchs müsse vor dem Gebrauch von dem Börsenvorstand beglaubigt werden; für den amtlichen Wirkungskreis könnten sie keinen Vertreter bestellen; ein Anspruch auf Berücksichtigung von Geschäften bei der amtlichen Kursfestsetzung bestehe nur, wenn sie durch Vermittlung eines Kursmaklers abgeschlossen worden seien. Trotz dieser Besonderheiten, die den vereidigten Kursmaklern eine gewisse amtliche Stellung verleihen, sei aber doch die Gesamttätigkeit vorwiegend gewerblich; die kaufmännische Vermittlertätigkeit und das Gewinnstreben stünden im Vordergrund. Für die Tätigkeit sei bezeichnend, daß die Kursmakler nicht, wie die freien Berufe, Honorare, sondern wie alle Handelsmakler "Courtage" erhielten. Kursmakler übten ein Grundhandelsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 2 Ziff. 7 HGB aus.
Entscheidungsgründe
Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Der Gesetzgeber hat die Abgrenzung zwischen der gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeit nicht eindeutig und abschließend vorgenommen. Ob eine Tätigkeit gewerblich oder freiberuflich im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG bzw. sonstige selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG ist, muß im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und der Verkehrsauffassung entschieden werden. Bei der Beurteilung kann die Regelung in anderen Gesetzen bedeutsam sein. Eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ist in ständiger Rechtsprechung angenommen worden, wenn die Betätigung einer der im Gesetz aufgeführten Tätigkeiten entspricht oder ähnlich ist. "ähnliche Berufe" im § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG sind nicht alle Berufe, die gewisse gemeinsame Merkmale haben, sondern nur die, die einem bestimmten der einzeln aufgezählten Berufe ähnlich sind. Eine akademische oder wissenschaftliche Vorbildung ist nicht erforderlich. Steht bei einer Tätigkeit das handwerklich Erlernbare oder das kaufmännische Gewinnstreben im Vordergrund, so ist sie nicht freiberuflich, sondern gewerblich.
Die Vorschrift des § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG, die die sonstige selbständige Tätigkeit behandelt, hat die Rechtsprechung ebenfalls nicht als Generalklausel aufgefaßt, sondern einschränkend dahin ausgelegt, daß die Vorschrift in erster Linie mehr gelegentliche Tätigkeiten betreffe. Dauertätigkeiten fielen nur darunter, wenn sie einer der im § 18 Abs. 1 Ziff. 3 EStG aufgeführten Betätigungen ganz ähnlich seien (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 822/38 vom 22. Februar 1939, Slg. Bd. 49 S. 189, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1939 S. 576; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951, Slg. Bd. 55 S. 255, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 97).
Die Vorentscheidung ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, wenn sie die Tätigkeit des Bf. nach dem Gesamtbild als gewerblich angesehen hat, weil dem Bf. das Bestreben im Vordergrund stehe, unter Ausnutzung kaufmännischer Kenntnisse und Erfahrungen Gewinne durch Ausübung der Maklertätigkeit zu erzielen. Sie hat damit den wesentlichen Unterschied in der Tätigkeit des Bf. gegenüber der eines Notars hervorgehoben. Die Ausstellung von Schlußnoten und die Führung eines Siegels allein sind demgegenüber weniger entscheidend.
Unzutreffend ist zwar, wenn das Finanzgericht die Rechtstellung der Kursmakler nach dem Börsengesetz vom 27. Mai 1908 beurteilt hat. Rechtsgrundlage ist jetzt das Börsengesetz in der Fassung vom 5. März 1934 (RGBl. I S. 169), das allerdings in den hier entscheidenden Punkten keine wesentliche änderung gebracht hat. Den vereidigten Kursmaklern sind im öffentlichen Interesse die vom Finanzgericht aufgeführten besonderen Pflichten auferlegt, um die Unparteilichkeit und Unbefangenheit der Kursmakler bei der Festsetzung des Börsenkurses zu sichern. Weitergehende Bedeutung haben die einschlägigen Bestimmungen nicht. Sie geben nicht etwa der gesamten Tätigkeit eines Kursmaklers einen amtlichen Charakter. Die Stellung der Makler hat sich im Laufe der Entwicklung von der einer öffentlich bestellten Urkundsperson zu der eines Kaufmanns und Gewerbetreibenden gewandelt (vgl. die eingehende Darstellung bei Rehm-Trumpler, Komm. zum Börsengesetz S. 96; ferner den Beschluß des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. August 1903 in "Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts" Bd. 8 S. 245). Die Mitwirkung bei der Kursfestsetzung hat mehr den Charakter einer ehrenamtlichen Aufgabe, für die der Kursmakler keine Vergütung erhält. Seine Einkünfte fließen aus der gewerblichen Maklertätigkeit. Die Rechtslage ähnelt der bei einem Kaufmann, der zum Ehrenamt als Handelsrichter berufen wird. Er soll seine besonderen kaufmännischen Kenntnisse und Erfahrungen für die Rechtsprechung nutzbar machen; der Charakter seiner gewerblichen Einkünfte wird aber nicht berührt. Die Courtage, die der Bf. vor und nach seiner Ernennung als vereidigter Kursmakler bezogen hat, ist in ihrem Wesen gleich.
Handelsmakler im Sinne des § 93 HGB üben Grundhandelsgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 2 Ziff. 7 HGB aus. Die Tätigkeit der Handelsmakler ist, weil kaufmännisch, gewerblich im Sinne des Steuerrechts (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 273/38 vom 1. Juni 1938, RStBl. 1938 S. 842). Die Rechtsprechung (vgl. Oberlandesgericht Dresden a. a. O., Urteil des Oberlandesgerichts München vom 9. April 1923, Leipziger Zeitschrift 1925 S. 663) und das Schrifttum (vgl. Rehm-Trumpler, a. a. O. S. 98; Heymann- Kötter, 20. Auflage Anm. 1 zu § 93 HGB) stimmen für das Gebiet des Handelsrechts darin überein, daß auch vereidigte Kursmakler Handelsmakler im Sinne des § 93 HGB und damit Kaufleute seien. Dieser Beurteilung tritt der Senat für das Gebiet des Steuerrechts bei. Dem Umstand allein, daß Handelsmakler im wesentlichen nur ihre persönliche Arbeitskraft, nicht auch größeres sachliches Betriebskapital einsetzen, hat die Vorentscheidung im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zutreffend keine Bedeutung beigelegt.
Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat zwar in den vom Finanzgericht angeführten Urteilen VI 214/38 vom 27. April 1938 (RStBl. S. 734) betreffend die Gewerbesteuerpflicht der ostfriesischen beeidigten Auktionatoren und VI 743/37 vom 5. Januar 1938 (RStBl. S. 429) betreffend die Gewerbesteuerpflicht der Fleischbeschauer bei der Abgrenzung der gewerblichen von der freiberuflichen Tätigkeit im Rahmen des Gesamtbilds auch berücksichtigt, ob die Berufsträger an der öffentlichen Gewalt teilnehmen. Diese Fälle lagen aber insofern entscheidend anders, als diese Steuerpflichtigen Einkünfte aus der Tätigkeit erzielten, die Teilnahme an der öffentlichen Gewalt darstellte. Der Bf. bezieht dagegen seine Einkünfte aus einer einwandfrei kaufmännischen Betätigung; die amtliche Tätigkeit bringt ihm keinen Ertrag.
Fundstellen
Haufe-Index 408266 |
BStBl III 1955, 325 |
BFHE 1956, 329 |
BFHE 61, 329 |